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winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša

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werden, finden sie gut und gerne ihr Publikum. Zugleich<br />

ist aber die Aufwertung des Dialekts ein Schritt auf dem<br />

Weg zur Provinzialisierung. Die sogenannten Deutsch-<br />

Schweizer pflegen ihr Schwyzerdütsch, wie es scheint, immer<br />

stärker, auch in Rundfunk und Fernsehen. Das ist eine<br />

fragwürdige Entwicklung. Sie werden damit schon in ihrem<br />

eigenen Land, in der romanischen Schweiz, für ihre<br />

Mitbürger unverständlich, selbst können sie einigermaßen,<br />

weil sie es in der Schule ein wenig gelernt haben, Französisch<br />

oder Italienisch, aber die romanischen Schweizer haben<br />

nicht die geringste Chance, Schwyzerdütsch zu verstehen.<br />

Diese lernen in der Schule irgendwelche Anfänge der<br />

deutschen Hochsprache, aber sie verstehen die Schwyzer,<br />

ihre Mitbürger, nicht. Und wenn das in den Massenmedien<br />

überhand nimmt, dann wird die Kluft zwischen den<br />

Sprachgruppen tiefer und die Isolation gegenüber dem<br />

Ausland größer.<br />

Es muss nicht immer Dialekt sein, wenn es darum geht,<br />

menschliche Wärme zu verspüren. So wird über den ungarischen<br />

Autor Sándor Márai, der mit seinem Roman<br />

„Wandlungen“ berühmt geworden ist - elf Bücher hat der<br />

Piper Verlag seit Márais Selbstmord 1989 herausgebracht -<br />

, berichtet, dass der Autor 1948 vor den Kommunisten aus<br />

seiner Heimat floh, jahrelang in Europa umher irrte, keine<br />

Heimat fand, nur Einsamkeit in Kalifornien. Heimat bedeutete<br />

für ihn die ungarische Sprache.<br />

Musterfall Südtirol. Kommen wir zum Thema Macht und<br />

Ohnmacht. Sprache zu behaupten bedeutet, als Schwächerer<br />

sich gegenüber Stärkeren zu behaupten. Auf der anderen<br />

Seite drückt Sprachenkonflikt den Stolz der Stärkeren aus,<br />

ihre Arroganz. Zum Beispiel der Südtiroler Sprachenkonflikt.<br />

In Bozen gibt es das berühmte Siegesdenkmal, das in<br />

der Zeit des Faschismus errichtet wurde und auf dem Platz<br />

steht, der noch immer Platz des Sieges heißt, Piazza della<br />

Vittoria. Da steht in lateinischer Sprache: Hic patriae fines<br />

siste signa hinc excolimus ceteros lingua legibus artibus.<br />

Hier sind die Grenzen des Vaterlandes, stell deine Feldzeichen<br />

ab, von hier aus kultivieren wir die anderen, lingua<br />

mit Sprache, legibus mit Gesetzen, artibus mit Künsten,<br />

will heißen: mit unserer Sprache, mit unseren Gesetzen,<br />

mit unserer Kultur. Das ist nationaler Stolz, der sich gegenüber<br />

als minderwertig betrachteten Menschen ausdrückt.<br />

Es gab vor kurzem eine Initiative, diesem Platz den versöhnlicheren<br />

Namen Friedensplatz zu geben. Dieser Versuch<br />

ist gescheitert, der Platz heißt nach wie vor Siegesplatz,<br />

Piazza della Vittoria. Wir wissen, dass die Südtiroler einen<br />

langen Kampf um Gleichberechtigung für ihre Sprache zu<br />

führen hatten. Es war ein Kampf der Unterlegenen gegen<br />

die Sieger. Es war ein Kampf der Kriegsverlierer von 1918<br />

und 1945 gegen jene, die rechtzeitig die Seiten gewechselt<br />

hatten.<br />

Angepasste Österreicher. Schwache Unterlegene passen<br />

sich gegenüber Siegern oft sprachlich an. Bei uns in Österreich<br />

hat man 1945 das Wort „Deutsch“ aus den Schulzeugnissen<br />

gestrichen. Es wurden im Fach „Unterrichtssprache“<br />

die Noten erteilt. Man wollte sich als Unterlegener<br />

und Besiegter deklarieren und sich vor den Alliierten brav<br />

verhalten. Umgekehrt war 1918 Österreich, die Restrepublik,<br />

daran interessiert (und politisch wurde das ja eindeutig<br />

von allen Parteien beschlossen), Deutsch-Österreich zu<br />

werden, aber das haben die Alliierten nicht gestattet. 1938<br />

war es dann doch soweit und da klang für die Österreicher<br />

das Norddeutsche oft wie eine fremde Sprache, aber was<br />

aus Deutschland kam, wurde doch bewundert und von<br />

der Mehrheit groß akzeptiert. Das dauerte noch lang in die<br />

Nachkriegszeit hinein. Wenn man in einem Geschäft einkaufte<br />

und es gab ein deutsches Produkt, dann war klar,<br />

dass es besser war als jedes österreichische, das eine hohe<br />

Qualität hatte. So folgsam können Österreicher sein. Und<br />

das geht heute so weiter. In längst vergangener Zeit sagten<br />

alle Kinder, alle Jugendlichen in Österreich, wenn sie etwas<br />

für gut befanden: „Das ist klass.“ 1938 wurde daraus<br />

„Das ist toll“. Das war ein klarer Import aus Norddeutschland.<br />

Toll bedeutete „jut“. Heute muss man natürlich up to<br />

date sein und sagt „cool“. Heute ist man kuhl. Das heißt, es<br />

wandert die Bewunderung für das Deutsche hinüber zur<br />

Anbetung für das Englische oder US-Amerikanische.<br />

Vom routpraissink zum koutschn. Mir kommt es vor wie<br />

Selbstunterwerfung, wenn wir in den Medien und auf den<br />

Reklameflächen eine Mischsprache hören oder sehen, das<br />

sogenannte Engleutsch. Es gibt keine Glanzpunkte mehr,<br />

nur Highlights. Es gibt auch keine LKW-Maut, sondern das<br />

unsagbar kuhle Roadpricing, routpraissink, mit englischem<br />

r zu sprechen. Vor kurzem deutete ich in einer Grazer Konditorei<br />

auf einen Kuchen mit der Frage, was das sei. Es stellte<br />

sich heraus, es war „Marun“ (mit englischem r). Was ist<br />

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