winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša
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Sprachverlust ist Kulturverlust,<br />
Sprachgewinn ist Kulturgewinn<br />
å Text<br />
Kurt Jungwirth<br />
Statistiker sagen, es existieren auf der Erde, je nachdem was man als autonome Sprache betrachtet, zwischen<br />
viertausend und sechstausend Sprachen. Wie es aussterbende Tier- und Pflanzenarten gibt, so sind auch Sprachen<br />
vom Verschwinden bedroht, „kleine“ Sprachen, die nur von wenigen Menschen gesprochen werden und<br />
zumeist auch nicht schriftlich fixiert sind. Der Druck von großen Sprachen auf die kleinen kann enorm sein.<br />
Beeindruckend sind daher kleinere Völker, die ihre Sprache mit Zähigkeit über Jahrhunderte erfolgreich verteidigen.<br />
Im Europa der erweiterten Union sind das in erster Linie Esten, Letten und Litauer sowie Slowenen.<br />
Sie haben begriffen, dass Sprache ein unersetzliches Kulturgut ist, das den Menschen Eigenart, Selbstverständnis<br />
und Selbstbewusstsein verleiht. Ein Volk, das seine Sprache aufgibt, gibt sich selbst auf. Wer umgekehrt Interesse<br />
für fremde Sprachen hat, hat meist auch Respekt für fremde Völker und ihre Kulturen, die er über ihre<br />
Sprachen kennen und verstehen lernt. Die katastrophale Außenpolitik, die die USA derzeit betreiben, erklärt<br />
sich - abgesehen von maßloser Gier nach Geld - auch daraus, dass der unglückselige Anführer Bush, wie einst<br />
Hitler, sichtlich von fremden Völkern, Sprachen und Kulturen keinen Schimmer und daher für sie nicht den<br />
geringsten Respekt hat und tatsächlich glaubt, er könne diesen Völkern mit Bomben und Raketen vorschreiben,<br />
wie sie zu leben haben.<br />
Sprache und Macht. Soll man also in diesem Weltbabel alle Sprachen gleich behandeln? Grundsätzlich ja. Die<br />
Europäische Union hat bis heute elf verschiedene Amtssprachen. Wenn <strong>2004</strong> zehn Staaten neu beitreten, werden<br />
es neun Sprachen mehr sein, also zwanzig. Das bedeutet einen enormen Aufwand an Übersetzern und Dolmetschern.<br />
Schon in der bei uns beheimateten Arbeitsgemeinschaft Alpe-Adria wird in fünf Sprachen verhandelt, in<br />
Deutsch, Italienisch, Slowenisch, Kroatisch und Ungarisch. Natürlich gibt es Hauptsprachen, die Verkehrssprachen<br />
werden. Es gibt ja Leute, die bei uns glauben, in ein paar Jahren spräche die ganze Welt nur mehr Englisch.<br />
Das wäre schlimm. Nicht nur wegen der geistigen Einebnung, die durch eine Monopolsprache, gleichgültig welche,<br />
entstünde, sondern auch aus einem anderen Grund. Wenn in einer Versammlung, auf einem Kongress Englisch<br />
die einzige Verhandlungssprache ist, dann ist es leicht zu beobachten, dass nur Amerikaner und Engländer<br />
und ein paar andere, die im Englischen wirklich sattelfest sind, das Wort führen. Der Rest, das heißt oft die Mehrheit<br />
der Versammlung, verdammt sich selbst zum Zuhören und wird, wenn es zu Resolutionen und Beschlüssen<br />
kommt, leicht überfahren. Wer die Sprache hat, hat die Macht, und wer die Macht hat, hat die Sprache. Deswegen<br />
ist es wichtig, die Sprachenvielfalt zu verteidigen, um nicht als Zaungast zu leben. Der Kampf um die Sprache<br />
kann in einen offenen Konflikt münden. Die Habsburgermonarchie ist über die Nationalitätenfrage und damit<br />
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