Unabhängige Verfahrensvertretung des Kindes – unverzichtbarer ...

nose und dem mit Massnahmenentscheiden verbundenen Risiko 14 , kann deshalb die Entscheidungsgrundlage
für die Behörde markant verbessert werden, wenn die Kindessituation mit Hilfe einer
Verfahrensvertretung frühzeitig klar erkannt wird. Andererseits bedeutet die frühzeitige Bestellung
einer Verfahrensvertretung des Kindes auch zeitlich keine «Mehrarbeit» und die Beurteilung der
Situation des betroffenen Kindes gewinnt an Qualität, da eine für das Kind handelnde Interessensvertretung
den Vorschlag unterbreiten kann, der aus der Sicht des Kindes «der beste» ist oder der
doch immerhin die «am wenigsten schädliche Alternative» 15 im Blick hat.
Sollte auch die Zufriedenheit der Kinder selbst Massstab der Interessensvertretung sein, müssen sie
auch die Erfahrung machen können, dass sie von Anfang an Beteiligte der Konfliktregulierung sind.
Dies wird auch den anderen Verfahrensbeteiligten signalisiert, was sich auf den Verlauf ausserordentlich
beruhigend auswirken kann.
5) Die Kinderverfahrensvertretung wird im schweizerischen Kindesschutzrecht nur dann
Wirkung entfalten können, wenn sie ausdrücklich und verbindlich als (von Behörden und
Sorgeberechtigten) unabhängiges Institut gesetzlich geregelt und für besondere Fälle obligatorisch
erklärt wird.
Aus der während der letzten Jahrzehnte grundlegend veränderten Stellung des Kindes in der Gesellschaft
und gestützt auf grundlegende schweizerische Rechtsnormen (Art. 11 und 29 Abs. 3 BV, Art.
19 und 314 ZGB) sowie internationale Übereinkommen (UN-KRK und Europäisches Übereinkommen
über die Ausübung von Kinderrechten 16 ), lässt sich zwar schon heute die Zulässigkeit der
(unabhängigen) Kinderverfahrensvertretung in Kindesschutzsachen zwanglos ableiten, sei es im
Rahmen einer Mandatierung durch das urteilsfähige Kind (Art. 19 Abs. 2), sei es via Einsetzung
durch die Behörden, welche von Amtes wegen oder auf Antrag tätig werden können. Allerdings ist
von diesem Institut im Schweizer Recht (noch) nicht ausdrücklich die Rede. Bedauerlicherweise ist
deshalb nicht nur die Zulässigkeit, sondern auch das konstruktive Potential der Kinderverfahrensvertretung
nicht nur bei den betroffenen Menschen, sondern auch bei den Behörden kaum bekannt.
Es ist deshalb notwendig, dass die Interessensvertretung des Kindes - der eigentliche « Anwalt des
Kindes 17 » - im Rahmen der laufenden Vormundschaftsrechtsrevision explizit im Kindesschutzrecht
geregelt wird 18 .
Um die Interessen des Kindes vertreten zu können, muss seine Verfahrensvertretung unabhängig -
im Sinne von nicht weisungsgebunden und nicht in die Behördenorganisation eingebunden - arbeiten
können. Die Verfahrensvertreterin tritt als unabhängige Fachperson in das Verfahren ein und
nimmt die Vertretung des Kindeswillens und des Kindeswohls 19 wahr. Sie muss - wenn immer
möglich - zum Kind eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen und mit allen involvierten Erwachsenen
in Kontakt sein. Das Kind ist und wird fortlaufend - altersentsprechend - über seine Rechte und
Möglichkeiten informiert. Es kennt den Verfahrensstand, kennt die anderen Beteiligten (und umgekehrt)
und sieht in der Verfahrensvertretung seine Interessensvertretung.
6) Die Tatsache, dass das Scheidungsverfahren heute bezüglich der Kinderbelange kindszentrierter
ausgestaltet ist als das Kindesschutzrecht, ist ein schweizerisches Unikum, welches
dem zufälligen chronologischen Ablauf der ZGB-Teilrevisionen zuzuschreiben und sachlich
nicht zu rechtfertigen ist. Die laufende Vormundschaftsrechtsrevision ist zum Anlass zu nehmen,
das Kindesschutzverfahren mindestens so kindeszentriert wie das Scheidungsrecht auszugestalten
und insbesondere die unabhängige Verfahrensvertretung für Kinder ausdrücklich
zu regeln.
Die meisten ausländischen Rechtsordnungen haben die Kindesvertretung zuerst im Bereich des zivilrechtlichen
Kindesschutzes eingeführt, und erst später in andere (familienrechtliche) Verfahren,
was sich auch für unser Land aufgedrängt hätte: In Kindesschutzverfahren hat die Vormundschaftsbehörde
- noch zugespitzter als im Scheidungsverfahren - die Aufgabe, elternrechtliche Positionen
mit Anforderungen an Kindeswohl zu vereinbaren und letztendlich im Sinne des Kindeswohls tätig
zu werden. Vereinfacht gesagt ist Scheidung "nur" die Neuorganisation der Familie. Im Kindes-