Geschichte des GIBZ.pdf - Knowledge Factory
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Von den Anfängen<br />
der Berufsfachschule<br />
im Kanton Zug<br />
Ein historischer Blick auf die Gründungszeit<br />
der heutigen Berufsfachschule in Zug<br />
Betreuerin: Carla Aubry<br />
Abgabetermin: 28.02.2010<br />
Pädagogisches Institut<br />
Stefan Rickli<br />
Allgemeine Pädagogik<br />
Nestléstrasse 16 6330 Cham<br />
Freierstrasse 36<br />
srickli@gibz.ch<br />
8032 Zürich HF: Erziehungswissenschaft; Sonderpädagogik<br />
NF: Berufspädagogik
Universität Zürich<br />
Stefan Rickli<br />
KM3b: Qualitative Forschungsmethoden - Historische und textanalytische Verfahren HS 2009 / FS 2010<br />
1<br />
1. Einleitung ............................................................................................................................................ 2<br />
2. Das Schulwesen <strong>des</strong> Kantons Zug zur Zeit der Mediation und Regeneration (1803 – 1814)............. 3<br />
2.1 Die Gründung <strong>des</strong> Erziehungsrates ................................................................................................... 3<br />
2.2 Aufgabenbereich <strong>des</strong> Erziehungsrates............................................................................................... 3<br />
2.3 Erste Ansätze zur Einführung einer Zeichnungsschule an der städtischen Knabenschule................ 4<br />
2.4 Die Abschaffung <strong>des</strong> Erziehungsrates............................................................................................... 4<br />
3. Reformwillen im Bildungswesen der Stadt Zug nach 1814................................................................ 5<br />
3.1 Der Kantonsrat und seine Befugnisse................................................................................................ 5<br />
3.2 Revisionsabsichten im stadtzugerischen Schulwesen und die Erweiterung der Schulkommission .. 5<br />
4. Plan der öffentlichen Knabenlehranstalt Zug...................................................................................... 6<br />
4.1 Der politische Prozess bis zum vorliegen <strong>des</strong> neuen Schulplanes..................................................... 6<br />
4.2 Zweck und Aufbau der öffentlichen Knabenlehranstalt Zug ............................................................ 8<br />
4.3 Die Bedeutung <strong>des</strong> Berichtes zum Schulplan für die Gründung der Zeichnungsschule ................... 8<br />
4.4 Volksabstimmung: Pro und Contra ................................................................................................... 9<br />
5. Die Umsetzung <strong>des</strong> Planes der öffentlichen Knabenlehranstalt.......................................................... 9<br />
6. Fazit / Weiterführende Gedanken...................................................................................................... 10<br />
7. Bibliographie..................................................................................................................................... 12<br />
8. Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................................... 12
Universität Zürich<br />
Stefan Rickli<br />
KM3b: Qualitative Forschungsmethoden - Historische und textanalytische Verfahren HS 2009 / FS 2010<br />
1. Einleitung<br />
Die Berufsfachschule in Zug feiert im Jahre 2010 ihr 180-jähriges Bestehen. In der Zeit seit ihrer<br />
Gründung hat sich die Berufsbildung stark verändert. Mit dem neuen Berufsbildungsgesetz, welches<br />
2004 eingeführt wurde, hat die letzte grössere Reform im Berufsbildungswesen stattgefunden.<br />
Dabei zeigte sich, dass vieles, was neu und unbekannt ist, Ängste und Widerstand aber auch<br />
Zustimmung und Hoffnung auslöst. Mit Blick auf Neuerungen und Veränderungen war die Phase<br />
zwischen der französischen Revolution 1798 und der Gründung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>staates Schweiz 1848<br />
unbestritten ebenso eine turbulente Zeit. Nicht weniger als vier sich ablösende unterschiedliche<br />
Kantonsverfassungen regelten die politische Organisation und bildeten auch die Grundlage für das<br />
Bildungswesen <strong>des</strong> Kantons Zug zu jener Zeit (vgl. Morosoli 1991, S.47 ff.). Mit Blick auf die<br />
Entwicklung der Berufsbildung im Generellen waren zu der Zeit der Zusammenbruch <strong>des</strong> Zunftwesens,<br />
das Aufkommen der Handels- und Gewerbefreiheit sowie die Industrialisierung wichtige<br />
Faktoren (vgl. Wettstein 1988, S.14 ff.). Allerdings waren es weniger die Zünfte welche im Kanton<br />
Zug eine führende Rolle bei der Gründung der ersten Zeichnungsschule 1 bildeten, da in Zug<br />
kein ausgesprochenes Zunftleben herrschte und diese nie entscheidend das öffentliche Leben mitbestimmten<br />
(vgl. Mühle 1831, S.20). Vielmehr waren es Bestrebungen einzelner Persönlichkeiten,<br />
welche im Zuge von Reformen im Bildungswesen, basierend auf einem liberalen Gedankengut,<br />
bemüht waren, auch die berufliche Ausbildung zu verbessern. Die Zeit dafür schien geeignet, da<br />
durch die Handels- und Gewerbefreiheit die Lehrlinge der Willkür von Meister und Gesellen ausgesetzt<br />
waren und die Arbeit <strong>des</strong> Gewerbestan<strong>des</strong> an Qualität verlor (vgl. Kündig 1952, S.140).<br />
In der vorliegenden Arbeit befasse ich mich nicht mit den grossen Umbrüchen und deren Einfluss<br />
auf die Gründung der ersten Berufsfachschulen in der Schweiz. Dies darzulegen übersteigt die<br />
Möglichkeit dieser Arbeit. Vielmehr konzentriere ich mich auf einen begrenzten zeitlichen und<br />
räumlichen Ausschnitt und beantworte die Frage, welcher Prozess zur Gründung der ersten<br />
Zeichnungsschule im Kanton Zug geführt hat. Ich richte dabei meinen Fokus auf die politischen<br />
Prozesse und die Reformen im Bildungswesen, welche diese Gründung ermöglichten. Prägend<br />
dafür waren die Jahre zwischen 1803 und 1830. Aus diesem Grund beschränke ich mich auf die<br />
Gegebenheiten dieser Zeit und rekonstruiere deren Verlauf. Am Beispiel der Gründung der<br />
Zeichnungsschule lässt sich ebenso die Auseinandersetzung zwischen dem „Konservatismus“,<br />
welcher die traditionelle Grundlage der Gesellschaft im Kanton Zug bedroht sah, und der „liberalen<br />
Bewegung“ aufzeigen (vgl. Morosoli 1991, S.199). Den Einfluss der beiden Kräfte findet man<br />
in Protokollen und Zeitungsartikeln und er widerspiegelt den Geist der Zeit.<br />
Die Gliederung der Arbeit folgt einem historischen Verlauf. Im ersten Teil der Arbeit wird das<br />
Schulwesen <strong>des</strong> Kantons Zug zur Zeit der Mediation und Regeneration dargestellt. Dabei wird die<br />
Institution <strong>des</strong> Erziehungsrates beleuchtet. Sie hatte, bis zu ihrer Abschaffung im Jahre 1814, wesentlichen<br />
Anteil an der Einleitung von Neuerungen im Bildungswesen und Einfluss sowohl auf<br />
die Stadtschulen als auch auf die Schulen der Gemeinden (vgl. Morosoli 1991, S.354). Der zweite<br />
Teil befasst sich mit dem Reformwillen im Bildungswesen der Stadt Zug. Die Kantonsverfassung<br />
von 1814 liess das Schulwesen zur Angelegenheit <strong>des</strong> Kantonsrates werden. Dieser überliess die<br />
Verantwortlichkeit den Gemeinden und damit innovativen Kräften wie beispielsweise Georg Joseph<br />
Sidler, der als liberaler Denker und weitsichtiger Politiker sowohl dem Kanton Zug als auch<br />
der Schweiz diente (vgl. Welti 1940, S.28 ff.). Es setzte ein politischer Prozess ein, welcher letztendlich<br />
zum „Plan der öffentlichen Knabenlehranstalt der Stadt Zug“ führte. Dieser Prozess wird<br />
im dritten Teil der Arbeit ausführlich dargestellt. Abschliessend wird aufgezeigt, welche ersten<br />
Schritte zur Umsetzungen <strong>des</strong> Planes eingeleitet wurden.<br />
2<br />
1 Die Gründung der Zeichnungsschule im Kanton Zug fand im Jahre 1830 statt. Sie gilt als Ursprungsschule <strong>des</strong><br />
Gewerblich- Industriellen Bildungszentrums Zug (<strong>GIBZ</strong>) und somit als erste Berufsfachschule im Kanton Zug.<br />
Die heutige Bezeichnung für die damalige „Zeichnungsschule“ lautet „Berufsfachschule“.
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Stefan Rickli<br />
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Was den Forschungsstand in Bezug auf die Fragestellung anbelangt, so gibt es wenig Material.<br />
Die meisten Forschungen befassen sich mit der <strong>Geschichte</strong> der Berufsbildung im gesamtschweizerischen<br />
Kontext und über einen Zeitraum, welcher sich von der Anfangszeit der Berufsfachschulen<br />
bis zur Gegenwart erstreckt. Für den Kanton Zug und die vorliegende Arbeit sind zwei<br />
Dissertationen bedeutend. Zum einen befasste sich Carl Bossard (1984) in seiner Arbeit mit der<br />
Bildungs- und Schulgeschichte von Stadt und Land Zug in der Zeit von 1750 bis 1815. Seine ursprüngliche<br />
Absicht, das zugerische Schulwesen bis in die zweite Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts zu<br />
verfolgen, konnte er nicht berücksichtigen. In diesem Sinne ist die vorliegende Arbeit ein kleiner<br />
Beitrag, welcher den Faden von Carl Bossard aufgreift und weiterspinnt. Im Weiteren ist die ausführliche<br />
Dissertationsarbeit von Renato Morosoli (1991) von Bedeutung. Er verfolgt in seiner<br />
Arbeit die politischen Ereignisse <strong>des</strong> Kantons Zug zwischen 1803 und 1831. Dabei beleuchtet er<br />
die Thematik Schule und Erziehung in einem gesonderten Kapitel. Allerdings beschränkt auch er<br />
sich zum grossen Teil auf den Zeitraum zwischen 1803 und 1814. Aus diesem Grund musste ich<br />
vor allem mit Quellenmaterial arbeiten. Um politische Entscheidungen und Prozesse nachvollziehen<br />
zu können, eignen sich Protokolle als Quellen. Für diese Arbeit habe ich mit Protokollen <strong>des</strong><br />
Stadtrates von Zug aus den Jahren 1829 und 1830 gearbeitet. Die Protokolle wurden von Hand<br />
und in Sütterlinschrift verfasst. Das Entziffern der Schrift ist daher eine grosse und zeitaufwendige<br />
Herausforderung. Zudem weisen die Protokolleinträge Lücken auf, womit allfällige wichtige<br />
Informationen fehlen. Mit Hilfe von Zeitungsartikeln aus der Gründungszeit lassen sich einige<br />
dieser Lücken schliessen. Einen entscheidenden Beitrag zur Bearbeitung der Fragestellung leistet<br />
die Jubiläumsschrift, welche anlässlich <strong>des</strong> hundertjährigen Bestehens der Gewerbeschule Zug<br />
verfasst wurde und der „Plan der öffentlichen Lehranstalt der Stadtgemeinde Zug sammt beleuchtendem<br />
Berichte“. Dieser beinhaltet Erklärungen zu den Beweggründen für die Errichtung einer<br />
Zeichnungsschule und zeigt auf, welche Vorstellungen die Schulkommission der Stadtgemeinde<br />
Zug in Bezug auf die Organisationsstruktur der Schule hatte.<br />
3<br />
2. Das Schulwesen <strong>des</strong> Kantons Zug zur Zeit der Mediation und Regeneration (1803 – 1814)<br />
2.1 Die Gründung <strong>des</strong> Erziehungsrates<br />
Die Mediationsakte vom 19. Februar 1803 brachte den Kantonen ihre Souveränität zurück (vgl.<br />
Bossard 1984, S.194). Für den Übergang von der alten zur neuen Ordnung, setzte die Mediationsverfassung<br />
Stan<strong>des</strong>kommissionen ein. Für Zug bestand diese Kommission aus 7 Mitgliedern. Wesentliche<br />
Aufgabe der Stan<strong>des</strong>kommission war es, die Artikel der kantonalen Mediationsverfassung<br />
im Rahmen der vorgegebenen Möglichkeiten zu präzisieren. Die Kantonsorganisation von<br />
Zug wurde am 11. April 1803 an der Landsgemeinde einstimmig angenommen (vgl. Morosoli<br />
1991, S.62). Sie legte unter anderem auch den Aufbau aller Behörden fest (vgl. Morosoli 1991,<br />
S.63). Die Ideen <strong>des</strong> Baarers Franz Joseph Andermatt fanden in Form der Kommission <strong>des</strong> Stadtund<br />
Amtrates Eingang in die Kantonsorganisation. Unter anderem hatte diese Kommission unter<br />
Zuzug von Sachverständigen die Verantwortung für das Bildungswesen (vgl. Morosoli 1991,<br />
S.64). Der Kommission gehörte Dekan Bossard an. Er und die ihm nahestehenden Personen setzten<br />
Schulreformen durch. Ihr Hauptanliegen war es, durch Erziehung <strong>des</strong> Volkes auf bessere Zustände<br />
hinzuarbeiten (vgl. Bossard 1984, S.196). Der neu dafür gebildete kantonale Erziehungsrat<br />
setzte sich aus der geistig-politischen Elite <strong>des</strong> Kantons zusammen. Dem Erziehungsrat wurde in<br />
der Verfassung die Aufsicht über alle Volksschulen <strong>des</strong> Kantons übertragen, womit die Schulautonomie<br />
auf gemeindlicher Ebene bis ins Jahr 1814 deutlich eingeschränkt wurde (vgl. Bossard<br />
1984, S.201).<br />
2.2 Aufgabenbereich <strong>des</strong> Erziehungsrates<br />
Der Aufgabenbereich der neuen Schulbehörde umfasste im einzelnen die Lehrerausbildung der<br />
Laien und Priester, die Lehramtsprüfungen, die neben den Konkursexamina stattfanden, die regelmässigen<br />
Schulbesuche und nicht zuletzt die Aufsicht über den Lebenswandel der einzelnen
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Lehrer. Als dringendste Probleme in den Landschulen erkannte der Erziehungsrat den noch fehlenden<br />
Schulzwang, die materielle Lage und die fachlich unbefriedigende Qualifikation einiger<br />
Lehrer, die schlechten Lehrmethoden, den Mangel an Schulbüchern und Unterrichtsplänen sowie<br />
unzureichende Schulräume. An der konstituierenden Sitzung <strong>des</strong> Erziehungsrates vom 9. Mai<br />
1803 unterbreitete Dekan Bossard seinen in kurzer Zeit entworfenen allgemeinen Lehrplan „zur<br />
Verbesserung der sämtlichen Schulen <strong>des</strong> Kantons Zug“ (Bossard 1984, S.201). Die eingreifendste<br />
Massnahme war die Anordnung der allgemeinen Schulpflicht. Die Gemeinden wurden aufgefordert,<br />
nebst den bestehenden Winterschulen auch Sommerschulen einzuführen. Im Übrigen hatte<br />
jede Gemeinde eine Schulkommission zu schaffen (vgl. Bossard 1984, S.202). Der alljährlich<br />
verlangte Rapport aus den Gemeinden und die Protokolle der Schulinspektoren zeigten dem Erziehungsrat,<br />
welche Fortschritte und Probleme die einzelnen Schulen aufwiesen (vgl. Bossard<br />
1984, S.203). Die Arbeit <strong>des</strong> Erziehungsrates zeigte, dass vor allem Verbesserungen in den Bereichen<br />
Lehrmethode, Schulbesuch und Lehrpersonenausbildung angestrebt werden sollten (vgl.<br />
Bossard 1984, S.203). So kam es am 8. Oktober 1806 sogar zur ersten Weiterbildungstagung der<br />
Lehrerschaft <strong>des</strong> Kantons Zug. Nicht alle Bürger befürworteten allerdings eine Verbesserung <strong>des</strong><br />
Schulwesens, da dies als Bevormundung der Politik und als Angriff auf Sitte und Moral verschrien<br />
wurde (vgl. Bossard 1984, S.209).<br />
4<br />
2.3 Erste Ansätze zur Einführung einer Zeichnungsschule an der städtischen Knabenschule<br />
Trotz der zentralen Erziehungsbehörde hatten einige Gemein<strong>des</strong>chulen, im Gegensatz zur städtischen<br />
Knabenschule Zug, grosse Mühe sich zu entfalten. Hindernd waren dabei die starke Bindung<br />
an überlieferte Gepflogenheiten, eine gewisse passive, unkritische Selbstzufriedenheit,<br />
Trägheit <strong>des</strong> Denkens, Angst vor Neuerungen sowie die Finanzknappheit mancher Gemeinden.<br />
Schnelle und vorzeigbare Erfolge waren hauptsächlich auf starke Persönlichkeiten zurückzuführen<br />
(vgl. Bossard 1984, S.218). Beim Ausbau der städtischen Knabenschule Zug war es vor allem<br />
Franz Xaver Brandenberg, welcher unermüdlich bestrebt war mit seinem Erziehungseifer und viel<br />
Publizität bildungsfeindliche Kreise zu isolieren (vgl. Bossard 1984, S. 212). Mit Blick auf die<br />
Einführung einer Zeichnungsschule waren die Bestrebungen von Kunstmaler Johann Kaspar<br />
Moos bedeutend. Er schlug 1805 die Einführung <strong>des</strong> Zeichenunterrichtes als Fach vor. Mit der<br />
Umsetzung dieses Ausbauplanes hätte die Berufsbildung im Kanton Zug bereits viel früher seine<br />
Einführung erlebt. Die Idee von Johann Kaspar Moos scheiterte aber am Veto <strong>des</strong> Stadtrates, welcher<br />
den Vorschlag ablehnte (vgl. Bossard 1984, S.213). So sollte es noch bis zum Jahre 1830<br />
dauern, ehe die Zeichnungsschule in der städtischen Knabenschule realisiert wurde.<br />
2.4 Die Abschaffung <strong>des</strong> Erziehungsrates<br />
Mit dem Ende der napoleonischen Herrschaft kam auch das Ende <strong>des</strong> einflussreichen Erziehungsrates.<br />
Am 29. Dezember 1813 setzten die alten eidgenössischen Stände die Mediationsverfassung<br />
ausser Kraft. Bereits einen Tag später ratifizierte der Zuger Stadt- und Amtrat diese beschlossene<br />
Übereinkunft. Mit diesem Akt hob er indirekt auch die Kantonsverfassung von 1803 auf. Dies<br />
bedeutete ebenso die Auflösung der darauf beruhenden Kantonsorganisationen (vgl. Morosoli,<br />
S.69). Zwar setzte auch die neue Kantonsverfassung von 1814 fest, der Kantonsrat habe über das<br />
Erziehungswesen und über die öffentlichen Lehranstalten zu wachen. Als es aber um die Bestimmung<br />
<strong>des</strong> kantonalen Wächters in Form eines Erziehungsrates ging, mochten sich die Gemeinden<br />
nicht mehr unter kantonale Aufsicht stellen (vgl. Morosoli 1991, S.344). Die Tätigkeit und die<br />
kantonale Einmischung durch den Erziehungsrat, welcher von Stadtbürgern beherrscht wurde,<br />
ging den verantwortlichen Gemeinderäten zu weit (vgl. Morosoli 1991, S.354). Sie kritisierten<br />
insbesondere, dass die neue Schule zu viel koste. So mussten die Gemeinden Schulräume einrichten,<br />
die Lehrer anständig besolden und Lehrmittel für bedürftige Kinder zur Verfügung stellen<br />
(vgl. Morosoli 1991, S. 353). Hinzu kamen allgemeine zeitkritische Einwände gegen Tendenzen<br />
der Aufklärung. So urteilte Pfarrer Joseph Franz Schön in einer Propagandaschrift „Ehemals hatte<br />
man keine Schulen, und es gieng besser als itzt, wo man alles aufgeklärt wissen will“ (Morosoli
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1991, S.351). Der Erziehungsrat verabschiedete sich am 30. August 1814 mit einem Kreisschreiben,<br />
in dem er seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, „dass die künftige Lan<strong>des</strong>obrigkeit die Wichtigkeit<br />
der Bildung und Erziehung der Jugend für Stadt und Kirche zu Herzen fasse und dass ihre<br />
Bemühungen mit den erfreulichsten Folgen gesegnet werden“ (vgl. Bossard 1984, S.221). Mit der<br />
Abschaffung <strong>des</strong> Erziehungsrates setzte eine Phase <strong>des</strong> Stillstan<strong>des</strong> im Bildungswesen ein. Erst<br />
mit der Regeneration unter dem liberalen Landammen Georg Joseph Sidler kam es, vor allem in<br />
der Stadt Zug, zu einem neuerlichen Schulinteresse und Reformen im Bildungswesen (vgl. Bossard<br />
1984, S.221).<br />
5<br />
3. Reformwillen im Bildungswesen der Stadt Zug nach 1814<br />
3.1 Der Kantonsrat und seine Befugnisse<br />
Mit dem Ende der Mediationszeit und der damit einhergehenden Auflösung <strong>des</strong> Erziehungsrates<br />
wurde das Schulwesen Sache <strong>des</strong> Kantonsrates. Die Verfassung <strong>des</strong> Kantons Zug vom 05. September<br />
1814 bestimmte in Paragraph 25: „Der Cantonsrath [...] wacht über das Erziehungswesen<br />
und die öffentlichen Lehranstalten“ (Verfassung <strong>des</strong> Kantons Zug 1814). Wesentlichen Anteil an<br />
der neuen Zuger Verfassung von 1814 hatte der Zuger Landammen Georg Joseph Sidler. Er war<br />
von den Ideen der Aufklärungszeit überzeugt und propagierte die Freiheit, Brüderlichkeit und<br />
Gleichberechtigung der Volksgenossen (vgl. Welti 1940, S.275). Er war beeinflusst von Rousseaus<br />
Gleichheitslehre und der Überzeugung, dass „die wahre Demokratie [...] nur das Ergebnis<br />
einer längern politischen Entwicklung und der Schulung und Erziehung <strong>des</strong> Volkes sein kann“<br />
(Welti 1940, S.275). Sidler strebte hohe Ziele an. Ihn bewegten aufklärerische Träume von steter<br />
Erziehung und Veredelung <strong>des</strong> Menschengeschlechtes (vgl. Morosoli 1991, S.201). Das Denken<br />
von Georg Joseph Sidler berührte jedoch die traditionelle Mentalität wenig. Es fand keinen grossen<br />
Zugang zur Mehrheit der Gesellschaft. Hauptgrund dafür war die Tatsache, dass das Schulsystem<br />
als wichtiges Medium der Aufklärung noch gering entwickelt war und von der Kirche dominiert<br />
wurde. Dies schlug sich auch in den Bildungsinhalten nieder. Der staatliche Einfluss auf die<br />
Schule und die damit einhergehende Reform der Lehrpläne auf vermehrten weltlichen Nutzen,<br />
setzte erst viel später ein (vgl. Morosoli 1991, S.198).<br />
3.2 Revisionsabsichten im stadtzugerischen Schulwesen und die Erweiterung der Schulkommission<br />
Erst im Jahre 1830 vollzog sich im stadtzugerischen Schulwesen ein Wandel, welcher zur Gründung<br />
der ersten Zeichnungsschule im Kanton Zug führte. Wie schon bei der Erarbeitung der Kantonsverfassung<br />
von 1814 war Georg Joseph Sidler treibende Kraft hinter dieser Entwicklung. Er<br />
war einer der tätigsten Mitglieder der Schulkommission (vgl. Mühle 1831, S.39). Am 23. September<br />
1829 wurde an der Sitzung der Bürgergemeinde, der sogenannten grossen Kommission, über<br />
die Notwendigkeit der Umgestaltung der Schule diskutiert. Im Protokoll heisst es: „Das Präsidium<br />
eröffnet die Sitzung mit der Anzeige, es sei diese Sitzung in Folge erhaltenen Auftrages der am<br />
30. August versammelten Gemeinde wesentlich dahinlautend, es sei dem Rat [Stadtrat; S.R.] und<br />
grossen Kommission in Auftrag erteilt, ihre besondere Aufmerksamkeit dem Schulfache [...] 2 und<br />
zu prüfen, ob demselben nicht eine für unsere Wohlfahrt bessere Umgestaltung gegeben werden<br />
könnte. Und setzt in Umfrage was man nun glaube in dieser wichtigen Angelegenheit vorzunehmen“<br />
(PdSZ 23. September 1829, fol Rekto). Die Umfrage zeigte, dass die Versammlung fast<br />
ausschliesslich der Meinung war, dass die Schulanstalt vorzügliche Arbeit leiste, jedoch für die<br />
bürgerlichen Berufe nicht das Gewünschte anbiete. In der Folge wurde vereinbart, dass der bestehende<br />
Schulplan einer sorgfältigen Revision unterzogen werden solle, „in der Absicht dass die<br />
bürgerliche Erziehung hauptsächlich berücksichtigt werde und zwar mehr als es bis dahin ge-<br />
2 Diese Textstelle konnte von mir aufgrund der schlechten Lesbarkeit nicht identifiziert werden. Aus dem Kontext<br />
lässt sich vermuten, dass „zu widmen“ oder ein ähnlicher Wortlaut niedergeschrieben steht.
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schah. Ohne jedoch die Vorbildung für diejenigen welche sich einem gelehrten Berufe widmen<br />
wollen unmöglich zu machen“ (PdSZ 23. September 1829, fol Rekto).<br />
Die Wichtigkeit der Aufgabe scheint sich dadurch zu zeigen, dass die Schulkommission erweitert<br />
wurde. Zur engeren Schulkommission gehörten: Dekan Stadtpfarrer Bossard, Altlandammen Sidler,<br />
Polizeidirektor Bucher, Ratsherr Dr. med. Bossard, Dr. med. Heinrich Weiss, Quartierhauptmann<br />
Sutter. Diese wurde durch folgende Mitglieder erweitert: Vizestatthalter S.H. Keiser, Ratsherr,<br />
Major S.H. Müller, Landrat Josef Waller zum Sternen, Landrat J.A. Stadlin zum Adler,<br />
Landrat Josef Sutter zum Hirschen, Hauptmann Jost Utinger zum Schwerdt, Leutnant S. Bossard<br />
in der Oswaldsgasse und Advokat Konrad Weber (vgl. Mühle 1931, S.40 f.). Die Bürgergemeinde<br />
verlangte von der erweiterten Schulkommission in kürzester Zeit erste Resultate und Vorschläge<br />
zur Revision der öffentlichen Knabenlehranstalt der Stadtgemeinde Zug. „Man erwartet von ihr<br />
eine Beschleunigung die der Dringlichkeit und Wichtigkeit <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong> angemessen ist.<br />
Und auf jeden Fall den disfälligen Bericht und Vorschlag vor Ablauf gegenwärtiger Ferienzeit“<br />
(PdSZ 23. September 1829, fol Rekto). Die erweiterte Schulkommission war sich der schwierigen<br />
Aufgabe, alle Anliegen in den neuen Schulplan einbinden zu wollen, bewusst. So heisst es im<br />
Bericht zum Plan der öffentliche Knabenlehranstalt, dass die Mitglieder die Wichtigkeit <strong>des</strong> Auftrages<br />
erkannten. „Sie fühlten aber auch zugleich nicht minder lebhaft die Schwierigkeit der Aufgabe,<br />
und die Unmöglichkeit der Entwerfung eines Planes, welcher der Forderung aller entspräche;<br />
auch trat dazu noch vielseitig das Bewusststein ungenügender pädagogischer Kenntnisse<br />
[...]“ (BPöK 1840, S.7). 3<br />
6<br />
4. Plan der öffentlichen Knabenlehranstalt Zug<br />
4.1 Der politische Prozess bis zum vorliegen <strong>des</strong> neuen Schulplanes<br />
Die erweiterte Schulkommission arbeitete offenbar mit viel Eifer, denn bereits am 18. Oktober<br />
1829 lagen zwei neu Schulpläne in den Gründzügen vor. Es war nun Aufgabe der grossen Kommission,<br />
bestehend aus den Herren <strong>des</strong> Stadtrates, den Herren Landräten und den Mitgliedern der<br />
erweiterten Schulkommission, eine Entscheidung zu treffen, auf welcher Grundlage aufgebaut<br />
werden solle. Dabei war der hauptsächliche Streitpunkt, ob der künftige Schulpan auf dem Fächer-<br />
oder Klassensystem aufgebaut wird (vgl. Mühle 1931, S.41). In der Zuger Zeitung vom 14.<br />
Mai 1830 findet sich eine Abhandlung über die wesentlichen Unterschiede <strong>des</strong> Klassensystems<br />
zum Fächerunterricht. „Die Hauptgegenstände bildeten zu Klassen verbunden einen Hauptstamm<br />
der das Ganze bis in seine lezten und höchsten Verzweigungen zusammenhielt, Gegenstände,<br />
welche zu besondern Berufeszweken hinführen, löseten sich allmählig als besondere Fächer von<br />
dem Ganzen ab, und wurden besondern Lehrern mit besonderer Liebe für das Fach anvertraut,<br />
einige Verschiedenheit von Ansichten und Meinungen sollte den heranwachsenden Jüngling zu<br />
eignem Denken auffordern, und ihn auch in dieser Beziehung zum Eintritt in das Meinungengewirre<br />
der Welt oder [...] Hochschule vorbereiten“ (Zuger Zeitung 14. Mai 1830). 4 Es ging also im<br />
Wesentlichen darum, ob weiterhin nur im Klassensystem unterrichtet würde oder ob mit Einführung<br />
<strong>des</strong> Fächerunterrichtes die Möglichkeit für den Zeichenunterricht geschaffen wurde. Georg<br />
Joseph Sidler vertrat mit seiner ihm bekannten Beredsamkeit das Fächersystem. „Das Präsidium<br />
<strong>des</strong> löblichen Stadtrates eröffnet die Sitzung [...] und fordert sodann Herrn Landamman Sidler zur<br />
Relation [Berichterstattung; S.R.] auf. Herr Landamman Sidler gibt dann umständlichen [ausführlich<br />
und eingehend; S.R.] Bericht über den Erfolg der Versammlungen der erweiterten Schul-<br />
3 Mir lag nur die zweite Auflage <strong>des</strong> Planes der öffentlichen Knabenlehranstalt der Stadtgemeinde Zug samt<br />
beleuchtenden Berichte vor. Dieser datiert aus dem Jahre 1840. Inhaltlich wurden gegenüber dem Original von<br />
1830 keine Veränderungen vorgenommen.<br />
4 Eine genauere Definition <strong>des</strong> Klassenunterrichtes und <strong>des</strong> Fächerunterrichtes liess sich in meinen Quellen nicht<br />
finden. Laut Dr. Christian Raschle, Historiker im Kanton Zug, wurden im Klassenunterricht die „geistigen Lerninhalte“<br />
vermittelt, wohingegen der Fächerunterricht auf die Vermittlung von „handwerklichen Fähigkeiten“<br />
zielte.
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Stefan Rickli<br />
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kommission; es habe sich dieselbe über die Lehrgegenstände unserer Schulanstalt vereiniget, allein<br />
nicht so glücklich sei dieselbe gewesen in Bestimmung <strong>des</strong> Weges auf welchem gelehrt werden<br />
soll. Ob nämlich auf dem der Fächer oder auf dem bisherigen der Klassen. Jedoch habe man<br />
sich auch darin soweit vereiniget, dass die drei ersten Klassen mit Beifügung eines besonderen<br />
Schreiblehrers beibehalten aber auch durch Stimmenmehrheit beschlossen, das von dieser sechsten<br />
Klasse weg die Gegenstände als Fächer gegeben werden sollen, und beleuchtet [erklärt; S.R.]<br />
dann weitläufig die Vorzüge <strong>des</strong> Fächersystems“ (PdSZ 18. Oktober 1829) 5 . Die Vertreter <strong>des</strong><br />
Klassensystems waren insbesondere Herr Doktor med. Bosshard und Hochwürden Herr Professor<br />
Bosshard (PdSZ 18. Oktober 1829). Von Interesse in Bezug auf die Gründung der Zeichnungsschule<br />
ist die protokollierte Aussage von Leutnant Bosshard. Er „ [...] huldiget in seiner Berichterstattung<br />
der Beibehaltung der Klassen und wünscht dass nur ein einziger Lehrer mehr nämlich den<br />
für das Zeichnen aufgestellt würde.“ (PdSZ 18. Oktober 1829). Nach den ausführlichen Berichterstattungen<br />
und Widerlegungen forderte das Präsidium die Herren Bannerherr Müller und Herrn<br />
Lan<strong>des</strong>hauptmann Landtwing auf, ihre Ansichten darzulegen. Sie erklärten, dass sie sich weder<br />
für den einen noch für den anderen Plan entscheiden konnten, da ihnen die Kosten nicht bekannt<br />
seien. Sie forderten die Ausarbeitung beider Pläne (PdSZ 18. Oktober 1829). Es zeigt sich, dass<br />
Georg Joseph Sidler viel an der Umsetzung <strong>des</strong> Planes lag. Zum Schluss der Sitzung ergreift er<br />
nämlich abermals das Wort und beantwortet Fragen bezüglich der Kosten und „ [...] hebt noch<br />
einmal in Widerlegung der angeführten Vorzüge <strong>des</strong> Klassensystems die Güte der Fächer hervor“<br />
(PdSZ 18. Oktober 1829). Die Sitzung endete zur vorgerückten Zeit, ohne ein bestimmtes Resultat<br />
erreicht zu haben (vgl. PdSZ 18. Oktober 1829).<br />
Die erweiterte Schulkommission war sich über den Zweck der Schule und die Auswahl der Lehrgegenstände<br />
im Wesentlichen einig. Die Entscheidung, ob im Fächer- oder Klassensystem unterrichtet<br />
werden sollte, musste noch geklärt werden und so bat der Stadtrat mit Nachdruck am 29.<br />
Oktober 1829 die erweiterte Schulkommission um die Klärung dieser Angelegenheit (vgl. BPöK<br />
1840, S.12). Die Hauptansichten über die Vor- und Nachteile der beiden Systeme änderten sich<br />
bei den einzelnen Mitgliedern der erweiterten Schulkommission nicht. Trotzdem konnte ein<br />
Kompromiss erzielt werden, denn „die Besorgnis, es möchte unser Zwiespalt die beabsichtigte<br />
Schulreform verspäten, wenn nicht gänzlich behindern, hat die Mitglieder der Kommission zu<br />
gegenseitigen Konzessionen bewogen. Zu innig wurzelte in uns allen die Ueberzeugung, dass eine<br />
Umgestaltung der Schulen [...] wünschbar, zeitgemäss, ja nothwendig sei [...] (Bericht zum Plan<br />
der öffentlichen Knabenlehranstalt 1840, S.12). Am 4. Februar 1830 konnte dem Stadtrat der definitive<br />
Schulplan und der dazugehörige Bericht zur Vernehmlassung vorgelegt werden. Nachdem<br />
bei<strong>des</strong> vorgelesen wurde, setzte das Präsidium in Umfrage „ [...] wie etwa die Kommission die<br />
Beratung über die an oder nichtannahme oder allfällige Abänderung <strong>des</strong> abgelesenen Schulplans<br />
anzuheben wünsche“ (PdSZ 04. Februar 1830). Die Mehrzahl der Kommissionsmitglieder war der<br />
Auffassung, man solle den Schulplan mit Bericht zur Einsicht und Prüfung mehrfach abschreiben<br />
und ihn den Mitgliedern der Versammlung abgeben (vgl. PdSZ 4. Februar 1830). Zudem wurde<br />
folgender Wunsch geäussert: „[...] es wolle da die angetragene Verbesserung und Erweiterung<br />
unserer Schulanstalt bedeutende Hülfsmittel [Hilfsmittel; S.R.] bedürfe durch einen Ausschuss der<br />
finanzielle Zustand unserer Gemeinen [Gemeinwesen; S.R.] aufgenommen und zugleich erdauert<br />
[gründlich überprüft; S.R.] werden wo und wie etwa mehr oder minder notwendige Auslagen gehoben<br />
[weggelassen; S.R.] werden können.“ (PdSZ 04. Februar 1830). Dem Wunsch wurde Folge<br />
geleistet und der Baukommission in Auftrag gegeben. Wie sehr die Finanzen bei der Einführung<br />
<strong>des</strong> Schulplanes thematisiert wurden und diese aus Sicht von Landammen Georg Joseph Sidler<br />
nicht zum Scheitern <strong>des</strong> Vorhabens führen durfte, zeigt die Tatsache, dass er gewillt war, den Plan<br />
samt Bericht auf eigene Kosten drucken zu lassen (vgl. Mühle 1831, S.41). Letztendlich wurde an<br />
der Stadtratssitzung vom 06. Februar 1830 beschlossen, dass das Abschreiben <strong>des</strong> Planes auch zu<br />
Mehrkosten führe und <strong>des</strong>halb Landammen Georg Joseph Sidler mit Herr Beat Josef Blunschin in<br />
Kontakt treten solle. Dieser wurde beauftragt 50 Exemplare <strong>des</strong> Schulplans mit Bericht gegen<br />
Zahlung von 10 Neuthaler zu drucken (vgl. PdSZ 06. Februar 1830). Am 13. März 1830 lagen die<br />
7<br />
5 Die Seitenzahl ist nicht bekannt.
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Stefan Rickli<br />
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Pläne vor: „Herr Blunschin [...] überreicht 60 Exemplar abdrücke <strong>des</strong> Planes der öffentlichen<br />
Knabenlehranstalt der Stadtgemeinde Zug samt beleuchtendem Berichte von der erweiterten<br />
Schulkommission [...]. Es seien dem Herrn Blunschin für diese Arbeit drei ein halb Louis Dor<br />
zuerkannt“ (PdSZ 13. März 1830, fol 74 Verso).<br />
8<br />
4.2 Zweck und Aufbau der öffentlichen Knabenlehranstalt Zug<br />
Die erweiterte Schulkommission unter dem Präsidium von Landammen Georg Joseph Sidler begann<br />
ihre Arbeit am 23. September 1829 und legte dem Stadtrat am 13. März 1830 in mehrfacher<br />
Ausführung den neuen Schulplan und den Bericht der öffentlichen Knabenlehranstalt der Stadtgemeinde<br />
Zug vor. Darin wird deutlich, wie sehr der Schulplan von den Ideen Pestalozzis durchdrungen<br />
war. Die Schule soll gute Menschen und Christen bilden, sie soll die Schüler zu guten,<br />
gesetzestreuen Bürgern erziehen und ihnen jene Kenntnisse und Fertigkeiten beibringen, die ihnen<br />
für die Ausführung eines Berufes dienlich sind (vgl. Mühle 1831, S. 42). Der Plan der öffentlichen<br />
Knabenlehranstalt unterschied dabei drei Klassen von Schülern. „Solche, welche sich einem<br />
niedern bürgerlichen, solche welche sich einem höhern bürgerlichen, und solche endlich,<br />
welche sich einem höhern wissenschaftlichen oder sogenannten gelehrten Berufe zu widmen gedenken“<br />
(PöK 1840, § 1). Damit der Zweck einer Bildung im Geiste Pestalozzis erreicht werden<br />
konnte, wurde der Schulplan in niedere Bürger- und Elementarschule, höhere Bürgerschule und<br />
Gymnasium sowie Nebenschulen gegliedert (vgl. PöK 1840, S.26). Die Nebenschulen umfassten<br />
die Fächer Musik, Choral und Zeichnen. (vgl. PöK 1840, S.37 ff).<br />
4.3 Die Bedeutung <strong>des</strong> Berichtes zum Schulplan für die Gründung der Zeichnungsschule<br />
Es war nun die Aufgabe <strong>des</strong> Stadtrates, den neuen Plan der Bürgergemeinde vorzutragen und diesen<br />
zur Umsetzung zu empfehlen. Im Bericht zum Schulplan schreibt Georg Joseph Sidler, wohl<br />
im Bewusstsein der Einflusskraft <strong>des</strong> Stadtrates, dass das Opfer einiger tausend Gulden für eine<br />
zeitgemässe Schulbildung erbracht werden soll und „[...] Ihr Beispiel, hochgeachtete Herren, Ihre<br />
Ansichten, Ihr empfehlen<strong>des</strong> Wort [...] der versammelten Bürgergemeinde zur Norm und Richtschur<br />
dient“ (BPöK 1840, S.21 f.). Im Weiteren rechtfertigt sich die Kommission für die Aufnahme<br />
<strong>des</strong> Faches Zeichnen im Schulplan und zeigt auf, dass man einem langjährigen Wunsch Rechnung<br />
tragen will. Es sei der Wunsch jenes Publikums „welches längst einsah, wie die Zeichnungskunst<br />
heutzutage beinahe jedem Handwerker nützlich, den meisten sogar unentbehrlich geworden<br />
sei“ (BPöK 1840, S.15). Die Kommission sah weitere Gründe den Zeichnungsunterricht<br />
einzuführen. Sie machte auf die höheren Werte der Zeichnungskunst aufmerksam, indem sie erklärte,<br />
dass Zeichnen zur „Belebung <strong>des</strong> Schönheitsgefühls“ (BPöK 1840, S.16) beitrage und diese<br />
einen positiven Einfluss auf die Moral der Schüler auslöse. Letztendlich stünden „schönes,<br />
hehres, Gutes in inniger Verwandtschaft; es sind Strahlen, einer Sonne entquollen, und auf ein<br />
Licht-Zenturm zurückleitend, - auf die Gottheit.“ (BPöK 1840. S.16). Die Bedeutungszunahme<br />
der Handwerkskunst zeigt sich an einer weiteren Stelle <strong>des</strong> Berichtes zum Plan der öffentlichen<br />
Knabenlehranstalt. So betrachtet es die erweiterte Schulkommission als „wesentliche Verbesserung“<br />
(PöK 1840, S.16), dass der lateinische Sprachunterricht von den obligatorischen Klassengegenständen<br />
entfernt werde. Es soll nur noch denjenigen Schülern unterrichtet werden, welche eine<br />
höhere wissenschaftliche Ausbildung anstreben. Die Kommission ist der Meinung, dass die<br />
Mehrheit der Knaben „wahrscheinlicher Weise einst auf niederen Standpunkten, als Handwerker<br />
[...] wirken werden“ (PöK 1840, S.17). Die gewonnene Zeit könne dafür genutzt werden, Kenntnisse<br />
zu erwerben, welche für die Ausübung <strong>des</strong> künftigen Berufes nützlich sind (vgl. PöK 1840,<br />
S.17). Der Stadtrat anerkannte, dass der neue Schulplan gut und richtig sei und den Bedürfnissen<br />
der Bürgerschaft entspreche. Die Kosten und die Opfer für die vollständige Umsetzung <strong>des</strong> Planes<br />
seien allerdings zu hoch und überstiegen die finanziellen Mittel. Der Stadtrat strebte <strong>des</strong>halb bei<br />
der Abstimmung der Bürgergemeindeversammlung einen Fondzuschuss an, mit <strong>des</strong>sen Zinsen<br />
„der neue Schulplan so weit möglich ausgeführt, dabei aber zunächst auf Anstellung eines Lehrers
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Stefan Rickli<br />
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der deutschen Sprache und eines Lehrers der Zeichenzunft [...] Bedacht genommen werden soll“<br />
(Zuger Zeitung 14. Mai 1830).<br />
9<br />
4.4 Volksabstimmung: Pro und Contra<br />
Die Umsetzung <strong>des</strong> Planes der öffentlichen Knabenlehranstalt der Stadtgemeinde Zug sah weit<br />
mehr vor als nur die Gründung einer Zeichnungsschule und erforderte den Zuspruch der Bürgergemeindeversammlung.<br />
Diese versammelte sich am 1. Mai 1830 zur Abstimmung. Die Gegner<br />
hatten einige Argumente vorzutragen. Die Älteren sahen nicht ein, weshalb das alte Schulgebäude<br />
plötzlich unzweckmässig sein soll und es einen Anbau brauche. Sie brachten das „Gesetz der Beharrung<br />
in Anwendung [...] und verwarfen das Neue, weil es neu war“ (Zuger Zeitung 14. Mai<br />
1830). Andere erklärten den neuen Plan für unausführbar und ein „Phantasiegebilde seiner Urheber“<br />
(Zuger Zeitung 14. Mai 1830). Es gab auch pädagogische Argumente gegen den neuen Plan.<br />
Es wurde befürchtet, der Stoff sei zu ausführlich und eine Verarbeitung nicht möglich. Es „leide<br />
die Einfalt <strong>des</strong> kindlichen Gemüthes, je mehr man die Aufmerksamkeit <strong>des</strong> Menschen auf das<br />
Aeussere und Sinnfällige hinlenke, <strong>des</strong>to mehr ziehe man seine Gedanken von dem Höheren und<br />
Göttlichen ab“ (Zuger Zeitung 14. Mai 1830). Schlussendlich gab es auch die Meinung konservativer<br />
Kräfte „es dürfte hinter dem Ganzen eine zu liberale [...] Tendenz verborgen liegen, und hielt<br />
[es] ein für allemal sicherer das trojanische Pferd ausser den Mauern zu lassen“ (Zuger Zeitung<br />
14. Mai 1830). Insbesondere das Landvolk 6 war gegen die Einführung <strong>des</strong> Planes. Sie sahen die<br />
Notwendigkeit der Neuerungen nicht gegeben und besuchten die Schule weniger als die Einwohner<br />
der Stadt. „Nachdem am Versammlungsorte für und wider den Gegenstand lange ausführlich<br />
ernst, mitunter auch hizig, gesprochen war, ward endlich zur Abmehrung [Abstimmung: S.R.]<br />
geschritten (Zuger Zeitung 14. Mai 1830). Es ergab sich kein deutliches Mehr und auch die zweite<br />
Abstimmung ergab kein klares Ergebnis. Die Gemüter erhitzten sich abermals und „da alle Versuche<br />
zur Beruhigung [...] fruchtlos blieben, und der fortdauernde Tumult jede fernere Verhandlung<br />
unmöglich machte, so erklärte der Präsident die Gemeinde als geschlossen, und entfernte sich“<br />
(Zuger Zeitung 14. Mai 1830). An der später durchgeführten ordentlichen Maigemeinde versuchte<br />
eine Minderheit die Genehmigung <strong>des</strong> Protokolls der turbulenten Versammlung vom 1. Mai 1830<br />
zu verhindern. Sie blieben erfolglos und so oblag es „dem Stadtrath und der Schulcommission [...]<br />
den neuen Plan [...] soweit es die bewilligten Mittel erlauben, in’s Leben zu rufen (Zuger Zeitung<br />
14. Mai 1830).<br />
5. Die Umsetzung <strong>des</strong> Planes der öffentlichen Knabenlehranstalt<br />
Der Schulplan wurde nie in seiner Gesamtheit umgesetzt. Nach einer sechsjährigen provisorischen<br />
Gültigkeit wurde er 1836 für definitiv erklärt, 1948 revidiert und bereits zwei Jahre später wieder<br />
beschnitten (vgl. Mühle 1931, S.42). Es scheint als seien lediglich die Neuerungen in Bezug auf<br />
die Zeichnungsschule vorangetrieben worden. Bereits am 18. September 1830 überreichte die<br />
Schulkommission dem Stadtrat „[...] einen Entwurf der neu zu entrichtenden Zeichnungsschule<br />
und bemerkt zugleich, es seien nun dem Lehrer drei Stunden wöchentlichen Unterrichts mehr<br />
eingebunden um an Sonn- und Feiertagen für Handwerkslehrjungen und Gesellen Schule zu halten<br />
und <strong>des</strong>sen Gehalt erhöht“ (PdSZ 18. September 1830). Der Entwurf für die öffentliche<br />
Zeichnungsschule wurde durch den Stadtrat bewilligt (vgl. PdSZ 18. September 1830). Die Umsetzung<br />
der Zeichnungsschule erforderte die Anstellung einer zusätzlichen Lehrperson. Die Stelle<br />
wurde ausgeschrieben und kurze Zeit später überreichte die Schulkommission dem Stadtrat die<br />
Prüfungsergebnisse von Wilhelm Moos, welcher sich als Kandidat für die Zeichnungsschule bewarb.<br />
Sie war der Ansicht, dass sich Wilhelm Moos als Zeichnungslehrer eignet und erwartete<br />
vom Stadtrat, dass diese die Genehmigung zur Anstellung erteile. Daraufhin wurde Wilhelm<br />
6 Als „Landvolk“ werden hier diejenigen Leute bezeichnet, welche innerhalb der Stadtgemeinde Zug auf dem<br />
Land lebten.
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Moos vorgeladen und seine Ausführungen angehört. Er versicherte dem Stadtrat, dass er sich mit<br />
„Fleiss und Liebe“ (PdSZ 30. Oktober 1830 Verso) die nötigen Kenntnisse für das Erteilen <strong>des</strong><br />
Zeichnungsunterrichtes aneignen werde und sich als Lehrer empfehle (vgl. PdSZ 30. Oktober<br />
1830 S.160 Verso). Der Stadtrat folgte den Empfehlungen der Schulkommission und „erkennt es<br />
sei dem Herrn Wilhelm Moos die Lehrerstelle der Zeichnungsschule für vier Jahre im Sinn und<br />
Geiste <strong>des</strong> neuen Schulplanes und der seither von der löblichen Schulkommission beschlossenen<br />
Verbindlichkeiten und Gehalt übertragen.“ (PdSZ 30. Oktober 1830 Verso).<br />
10<br />
6. Fazit / Weiterführende Gedanken<br />
Das duale Berufsbildungssystem in der Schweiz hat sich etabliert. Ich meine, für viele ist es zu<br />
einer Selbstverständlichkeit geworden, in einem Lehrbetrieb zu arbeiten und die Berufsfachschule<br />
zu besuchen. Wenn wir nun das 180-jährige Bestehen der Berufsfachschule in Zug feiern, geht<br />
gerne vergessen, dass es ein langer und von Reformen geprägter Prozess war bis zur heutigen<br />
Berufsfachschule. Dass dieser Prozess seinen Endpunkt noch nicht erreicht hat, scheint in Anbetracht<br />
der dynamischen Veränderungen in der Berufswelt logisch. Zu Beginn dieser Entwicklung<br />
standen Persönlichkeiten, welche Verbesserungen im Schulwesen anstrebten. Sie taten dies in<br />
einer Zeit wo europaweit gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Veränderungen bis ins<br />
Zugerland spürbar wurden und Einfluss auf die Lokalpolitik nahmen. Die ersten Versuche zur<br />
Gründung einer Zeichnungsschule wurden durch den Kunstmaler Johann Kaspar Moos bereits<br />
1805 gemacht. Die Zeit schien allerdings noch nicht reif zu sein, denn sein Vorschlag fand keine<br />
Mehrheit. Der Erziehungsrat, welcher zu dem Zeitpunkt für die gemeindlichen und städtischen<br />
Schulen zuständig war, hatte nicht die Mittel all seine Ideen durchzusetzen. Die konservativen<br />
Kräfte der einzelnen Gemeinden und das Beharren auf Bestehendem liessen erst 25 Jahre später<br />
die Gründung der Zeichnungsschule möglich werden, als der Erziehungsrat längst nicht mehr die<br />
bestimmende Behörde im Bildungswesen war. Vielleicht war allerdings genau dies eine wichtige<br />
Voraussetzung für die Gründung der Zeichnungsschule. So war es, nach der Änderung der Kantonsverfassung<br />
im Jahre 1814, den einzelnen Gemeinden und fortschrittlich denkenden Kräften<br />
überlassen, ihr Schulwesen zu entwickeln. Die Stadtgemeinde Zug musste nicht mehr gegen die<br />
Opposition der mehrheitlich konservativ denkenden Landgemeinden ankämpfen. In der Stadt Zug<br />
war es vor allem Georg Joseph Sidler, welcher den Plan der öffentlichen Lehranstalt „mit Ernst<br />
und Eifer vertheidigte“ (Zuger Zeitung 14. März 1830) und zum Leben erweckte. Allerdings gelang<br />
es auch ihm nicht den vollständigen Plan zur Ausführung zu bringen. Wie so oft im Bildungswesen<br />
fehlten die finanziellen Mittel dazu. Zudem sah er sich mit einer konservativen Opposition<br />
konfrontiert, welche vorwiegend aus dem ländlichen Teil der Stadtgemeinde Zug stammte<br />
und die Ideen hart bekämpfte.<br />
Es gilt zu fragen, weshalb ausgerechnet der Fächerunterricht und damit das Zeichnen umgesetzt<br />
wurden. Ein Erklärungsansatz liegt meines Erachtens darin, dass durch die Handels- und Gewerbefreiheit<br />
immer mehr schlecht ausgebildete Handwerker, sogenannte „Stümper“, den Berufsstand<br />
in Verruf brachten. Es lag also auch im Interesse <strong>des</strong> Gewerbes, eine Verbesserung im Bereich<br />
der Ausbildung anzustreben, zumal die aufkommende Industrialisierung zu einer grundlegenden<br />
Änderung der Arbeitsmethoden führte und das Handwerk an Gewicht und Bedeutung<br />
verlor. Im Weiteren ist es wohl gelungen, die Bevölkerung von der Nützlichkeit <strong>des</strong> Zeichenunterrichtes<br />
zu überzeugen und Befürchtungen abzubauen. So scheinen mir die Ausführungen im Bericht<br />
zum Schulplan nicht unwesentlich, in dem dargestellt wird, dass das Zeichnen einen „mittelbaren<br />
und höheren Werth“ (PöK 1840, S.15) aufweist. Die Belebung <strong>des</strong> Schönheitsgefühls und<br />
der positive Einfluss auf die Moral führten letztendlich zur Gottheit (vgl. PöK 1840, S.16). Offenbar<br />
ist es gelungen, die konservativ religiösen Kräfte unter anderem mit dieser Argumentation zu<br />
beschwichtigen.
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Es darf durchaus auch Zweifel aufkommen, wenn für die Gründungszeit der Berufsfachschule das<br />
Jahr 1830 ausgewiesen wird. Der Plan der öffentlichen Knabenlehranstalt war nämlich vor allem<br />
dazu bestimmt, das Gymnasium der Stadt Zug zu reformieren. Teil dieser Reform bildete auch die<br />
Einführung der Zeichnungsschule. Einen eigentlichen Lehrplan für das Zeichnen suchen wir allerdings<br />
vergeblich und das berufliche Zeichnen fand keine Berücksichtigung (vgl. Mühle, 1931<br />
S.46). Es dauerte bis ins Jahr 1861, als nach der Eröffnung der Industrieschule der erste nachweisbare<br />
Lehrplan der Berufsfachschule niedergeschrieben wurde. Kritisch betrachtet, könnte<br />
man also auch erst das Jahr 1861 als Gründungsjahr der heutigen Berufsfachschule nennen.<br />
Weiterführend stellt sich die Frage, woher die Inspiration und Tatkraft Georg Joseph Sidlers für<br />
die Gründung der Zeichnungsschule herrührt. Sicher ist, dass er nicht nur im Kanton Zug ein aktiver,<br />
wenn auch nicht unbedingt beliebter, Politiker war. Und so erstaunt es nicht, dass er dem<br />
Kanton 1839 den Rücken kehrte und nach Zürich übersiedelte. Politisch blieb er weiterhin aktiv<br />
und wurde 1848 gar in den Nationalrat gewählt (vgl. Welti 1940, S.28ff.) Als umtriebiger Politiker<br />
hatte er Kontakt zu anderen Gesinnungsgenossen. Möglich, dass sich in diesen Kontakten<br />
Hinweise auf Quellen der Inspiration finden liessen. Zu bedenken gilt allerdings, dass von der<br />
politischen Korrespondenz, die Sidler geführt hat, nur ein kleiner Bestand gesichert wurde (vgl.<br />
Welt 1940, S.10).<br />
Es war ein langer Prozess bis zur Gründung der Zeichnungsschule. Der herrschende Zeitgeist der<br />
Aufklärung begünstigte den Beginn dieses Prozesses. Es brauchte aber innovative Persönlichkeiten<br />
wie Kaspar Moos, welcher bereits 1805 auf die Wichtigkeit <strong>des</strong> Zeichnens hinwies, Georg<br />
Joseph Sidler, welcher mit Beharrlichkeit und Ausdauer politisch aktiv war und sich von der Pädagogik<br />
Johann Heinrich Pestalozzi angetan fühlte, sowie Wilhelm Moos, der als erster Zeichnungslehrer<br />
erfolgreich arbeitete und die Behörden überzeugte, damit wir im Jahre 2010 das 180-<br />
jährige Bestehen der Berufsfachschule feiern können.<br />
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