PDF 2MB - Haftgrund
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ebenso wie für die Massaker der<br />
französischen Revolution 1789<br />
abgegeben hat.<br />
Weil das Christentum die materielle<br />
Welt als seine eigene, von<br />
Gott gegebene, freie Masse ansah,<br />
forderte es die „Tüchtigen"<br />
auf, sich zu bedienen. Als Antwort<br />
darauf flackerten in den<br />
Jahrhunderten seit der Christianisierung<br />
Europas immer wieder<br />
soziale Kämpfe auf, die im<br />
19. und 20. Jahrhundert in großflächigen<br />
Auseinandersetzungen<br />
um eine gerechte Verteilung<br />
von Gütern und Leistungen<br />
mündeten, die noch immer anhalten.<br />
Gleichzeitig, seit Beginn des<br />
vorigen Jahrhunderts, hat ein<br />
Grüppchen von deutschen sozialen<br />
Romantikern begonnen,<br />
zum Teil aus Enttäuschung über<br />
Napoleon Bonaparte und gestärkt<br />
durch rechtzeitige chauvinistische<br />
Appelle der Regierenden,<br />
die Rousseau-Saga von<br />
der Natur zu propagieren. Damals,<br />
in den Befreiungskriegen<br />
um 1813, entstand die Weltanschauung<br />
von „Blut und Boden",<br />
an deren ungeheuerlichen<br />
Folgen Europa noch immer zu<br />
leiden hat.<br />
Später, in den ersten Phasen der<br />
Industrialisierung, existierte allgemein<br />
ein ungebrochenes<br />
Verhältnis zur Natur, man fing<br />
erst so richtig an, sie zu erforschen.<br />
Gleichzeitig rief die Maschine<br />
die Romantiker und die<br />
Naturapostel wieder auf<br />
den<br />
Plan. Sie diagnostizierten ein<br />
„mechanisches Weltbild", das<br />
als Maß die Maschine und nicht<br />
die herkömmliche Kultur der<br />
Menschen hätte. Die Vorväter<br />
der heutigen Ökologen verdammten<br />
damit den menschlichen<br />
Fortschritt und schufen so<br />
die Ideologie von der entmenschlichten<br />
Umwelt. Eine<br />
Fundgrube für ihre geistigen<br />
Enkel.<br />
Die grünen<br />
„Revolutionäre"<br />
Während der beiden Weltkriege<br />
war von den Romantikern ausgiebig<br />
in Propagandaberichten<br />
zu lesen und zu hören. „Blut und<br />
Boden" galten ja, diesmal in ihrem<br />
schrecklichen Wortsinn.<br />
Kein Anwalt der Natur trat damals<br />
öffentlich gegen die „Umweltzerstörung"<br />
durch Bomben,<br />
Artilleriegranaten und Sprengmittel<br />
auf, keiner wandte sich<br />
gegen die stellenweise Zerstörung<br />
der Meeresfauna durch die<br />
Detonationen von Torpedosprengköpfen,<br />
Wasserbomben<br />
und Seeminen. Ganz zu schweigen<br />
von Protesten gegen die<br />
„Unterbrechung des ökologischen<br />
Kreislaufes" durch unzählige<br />
versenkte Schiffe, deren<br />
Öltanker leck waren.<br />
Obwohl die Strategie gegen den<br />
menschlichen Fortschritt im<br />
wesentlichen lange vor dem Ersten<br />
Weltkrieg feststand, ist wegen<br />
der heutigen Situation ein<br />
schärferer Blick auf einige<br />
Gründerväter der ökologischen<br />
Bewegung aufschlußreich.<br />
Der schon erwähnte Jean-Jacques<br />
Rousseau, der Urvater der<br />
Neo-Romantiker, verherrlichte<br />
das Primitive, Unkomplizierte<br />
und die alte Lebensweise der<br />
Bauern. Er war für das Einfache,<br />
verachtete die Ordnung und bevorzugte<br />
Spontaneität. Wirklich,<br />
ein verlockendes Gedankengut,<br />
besonders für Unreife, die vom<br />
„Leistungszwang", wie man die<br />
Arbeit heute oft nennt, nichts<br />
halten.<br />
Ganz wesentlich zur neuen Auffassung<br />
vom „organischen Leben",<br />
die sich heute Ökologie<br />
nennt, trug Charles R. Darwin<br />
bei. Sein 1859 veröffentlichtes<br />
Buch „Die Entstehung der Arten"<br />
und auch „Die Abstammung<br />
des Menschen" begünstigten<br />
eine Vorstellung von der<br />
Welt der Organismen, die dem<br />
„mechanischen Weltbild" entgegengesetzt<br />
war.<br />
Der deutsche Biologe Ernst<br />
Haeckel hat 1866 den Begriff<br />
„Ökologie" für einen Teilbereich<br />
der Biologie gebildet, der<br />
die „gesamte Wissenschaft von<br />
den Beziehungen des Organismus<br />
zur umgebenden Außenwelt"<br />
umschreibt. Haeckel<br />
würde sich wundern, daß seine<br />
wissenschaftliche Unterdisziplin<br />
heute vorgibt, im alleinigen<br />
Besitz der Wahrheit zu sein und<br />
daß seine Definition zum Gehäuse<br />
einer erzreaktionären<br />
Weltanschauung geworden ist,<br />
die sich als Angelpunkt einer<br />
entwicklungsgeschichtlichen<br />
Wende ausgibt.<br />
1946 hat Friedrich Georg Jünger<br />
sein Buch „Die Perfektion der<br />
Technik" neu veröffentlicht.<br />
Jünger, der kleine Bruder des<br />
bekannteren Ernst Jünger,<br />
wurde der Vater des deutschen<br />
Ökologismus. Er verkündete,<br />
die Technik erzeuge keine<br />
Reichtümer, sondern sie verursache<br />
einen noch nie dagewesenen<br />
Raubbau. Jünger brachte<br />
die umfassendste Anklage gegen<br />
die technische Zivilisation<br />
vor. Alle seine Argumente werden<br />
von der heutigen Öko-Bewegung<br />
benutzt, die ja gegen<br />
jede Form der technischen Zivilisation<br />
ist.<br />
Als die ,,68er-Generation" mit<br />
ihrem Versuch, ein soziales Paradies<br />
auf Erden zu errichten,<br />
scheiterte, mußte ein Heilversprechen<br />
aus der anderen Ecke<br />
her - die „Lebensqualität" und<br />
das Naturparadies. Dann ging es<br />
Schlag auf Schlag: 1970 wurde<br />
Denkrichtungen, die immer<br />
wiederkommen: Das Schäferspiel<br />
als Sinnbild der heilen, naturverbundenen<br />
Idylle; die Aufklärung<br />
(Bild oben, Jean-Jacques<br />
Rousseau), die voll auf die<br />
Vernunft setzt; und die Revolution,<br />
die alle Traditionen hinwegfegt.<br />
Heute nützt eine starke,<br />
jugendliche Bewegung zwar<br />
alle Vorteile der Technik:<br />
Gleichzeitig aber kämpft sie<br />
vehement gegen eine weitere<br />
Technisierung