PDF 2MB - Haftgrund
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„Ökonomie und Ökologie unterscheiden<br />
sich wie Astronomie<br />
und Astrologie" (Ernst<br />
Gehmacher, Sozialforscher)<br />
Vor dem<br />
Abgrund?<br />
Woher kommt es nur, daß Menschen, die<br />
kaum je einen Schritt in die freie Natur gesetzt<br />
haben, die den Kaffeehaustisch jedem<br />
Berggipfel vorziehen, plötzlich so fanatisch<br />
gegen Flugpisten und Kraftwerke agieren?<br />
Wie ist es möglich, daß plötzlich wieder die<br />
Wasserwerfer eingesetzt werden<br />
müssen?<br />
Ist das Zufall? Oder steckt mehr dahinter?<br />
Dieser Artikel versucht eine Antwort. Und wir<br />
sind sicher, daß die persönliche Meinung des<br />
Autors zu einer neuen Flut der Auseinandersetzung<br />
werden wird<br />
Die drohenden Geisterreiter am<br />
Horizont haben wieder Konjunktur.<br />
Der nahe Weituntergang<br />
wird verkündet, das gewaltige<br />
Strafgericht angedroht - wenn<br />
die Menschheit nicht „umkehrt".<br />
Schon zeigen sich Ergebnisse:<br />
Existenzangst und<br />
Sektierertum nehmen zu, kulturelle<br />
und zivilisatorisch-technische<br />
Leistungen der Menschheit<br />
geraten mehr und mehr in<br />
Verruf.<br />
Wem nützen dunkle Prophezeiungen,<br />
was steht dahinter? Die<br />
bei den Medien der Industrieländer<br />
beliebteste und daher<br />
lauteste Strömung unserer Zeit<br />
ist die „ökologische Bewegung".<br />
Seit etwa einem Jahrzehnt<br />
geschehen im Namen von<br />
„Umweltschutz", „Erhaltung<br />
des ökologischen Gleichgewichts"<br />
und „Alternative" Aktivitäten,<br />
deren politische Folgen<br />
nicht auf sich warten lassen.<br />
„Grüne" Parteien bilden sich,<br />
eine neue Erlösungslehre wird<br />
mit einem Glaubenseifer und einer<br />
Intoleranz sondergleichen<br />
vorgetragen. Es ist Zeit, die Ursachen,<br />
das Wesen und die Folgen<br />
der Öko-Kampagne kritisch<br />
zu betrachten.<br />
Paradies<br />
auf Erden<br />
Am Anfang stand wieder einmal<br />
das Wort. Als der calvinistische<br />
Schweizer Jean-Jacques Rousseau<br />
1750 mit seiner Schrift<br />
„Discours sur les sciences et les<br />
arts" die Natur an die Stelle Gottes<br />
setzte, brach er mit dem<br />
„Macht euch die Welt Untertan"<br />
der Bibel. Fast 18 Jahrhunderte<br />
lang galt der Glaube der Christen<br />
einem direkten, persönlichen<br />
Dialog mit Gott, galten der<br />
Zustand der Gnade oder Ungnade<br />
und das Paradies im Jenseits.<br />
Für „Natur" gab es keinen<br />
Platz. Rousseau aber versprach<br />
nicht weniger als das Paradies<br />
auf Erden und schuf damit einen<br />
Mythos der Natur, der bis in unsere<br />
Tage wirkt. Angemerkt muß<br />
werden, daß das Gedankengut<br />
von Rousseau die wichtige ideologische<br />
Grundlage für die<br />
Schäferspiele des Rokoko •<br />
Solidarität 21
ebenso wie für die Massaker der<br />
französischen Revolution 1789<br />
abgegeben hat.<br />
Weil das Christentum die materielle<br />
Welt als seine eigene, von<br />
Gott gegebene, freie Masse ansah,<br />
forderte es die „Tüchtigen"<br />
auf, sich zu bedienen. Als Antwort<br />
darauf flackerten in den<br />
Jahrhunderten seit der Christianisierung<br />
Europas immer wieder<br />
soziale Kämpfe auf, die im<br />
19. und 20. Jahrhundert in großflächigen<br />
Auseinandersetzungen<br />
um eine gerechte Verteilung<br />
von Gütern und Leistungen<br />
mündeten, die noch immer anhalten.<br />
Gleichzeitig, seit Beginn des<br />
vorigen Jahrhunderts, hat ein<br />
Grüppchen von deutschen sozialen<br />
Romantikern begonnen,<br />
zum Teil aus Enttäuschung über<br />
Napoleon Bonaparte und gestärkt<br />
durch rechtzeitige chauvinistische<br />
Appelle der Regierenden,<br />
die Rousseau-Saga von<br />
der Natur zu propagieren. Damals,<br />
in den Befreiungskriegen<br />
um 1813, entstand die Weltanschauung<br />
von „Blut und Boden",<br />
an deren ungeheuerlichen<br />
Folgen Europa noch immer zu<br />
leiden hat.<br />
Später, in den ersten Phasen der<br />
Industrialisierung, existierte allgemein<br />
ein ungebrochenes<br />
Verhältnis zur Natur, man fing<br />
erst so richtig an, sie zu erforschen.<br />
Gleichzeitig rief die Maschine<br />
die Romantiker und die<br />
Naturapostel wieder auf<br />
den<br />
Plan. Sie diagnostizierten ein<br />
„mechanisches Weltbild", das<br />
als Maß die Maschine und nicht<br />
die herkömmliche Kultur der<br />
Menschen hätte. Die Vorväter<br />
der heutigen Ökologen verdammten<br />
damit den menschlichen<br />
Fortschritt und schufen so<br />
die Ideologie von der entmenschlichten<br />
Umwelt. Eine<br />
Fundgrube für ihre geistigen<br />
Enkel.<br />
Die grünen<br />
„Revolutionäre"<br />
Während der beiden Weltkriege<br />
war von den Romantikern ausgiebig<br />
in Propagandaberichten<br />
zu lesen und zu hören. „Blut und<br />
Boden" galten ja, diesmal in ihrem<br />
schrecklichen Wortsinn.<br />
Kein Anwalt der Natur trat damals<br />
öffentlich gegen die „Umweltzerstörung"<br />
durch Bomben,<br />
Artilleriegranaten und Sprengmittel<br />
auf, keiner wandte sich<br />
gegen die stellenweise Zerstörung<br />
der Meeresfauna durch die<br />
Detonationen von Torpedosprengköpfen,<br />
Wasserbomben<br />
und Seeminen. Ganz zu schweigen<br />
von Protesten gegen die<br />
„Unterbrechung des ökologischen<br />
Kreislaufes" durch unzählige<br />
versenkte Schiffe, deren<br />
Öltanker leck waren.<br />
Obwohl die Strategie gegen den<br />
menschlichen Fortschritt im<br />
wesentlichen lange vor dem Ersten<br />
Weltkrieg feststand, ist wegen<br />
der heutigen Situation ein<br />
schärferer Blick auf einige<br />
Gründerväter der ökologischen<br />
Bewegung aufschlußreich.<br />
Der schon erwähnte Jean-Jacques<br />
Rousseau, der Urvater der<br />
Neo-Romantiker, verherrlichte<br />
das Primitive, Unkomplizierte<br />
und die alte Lebensweise der<br />
Bauern. Er war für das Einfache,<br />
verachtete die Ordnung und bevorzugte<br />
Spontaneität. Wirklich,<br />
ein verlockendes Gedankengut,<br />
besonders für Unreife, die vom<br />
„Leistungszwang", wie man die<br />
Arbeit heute oft nennt, nichts<br />
halten.<br />
Ganz wesentlich zur neuen Auffassung<br />
vom „organischen Leben",<br />
die sich heute Ökologie<br />
nennt, trug Charles R. Darwin<br />
bei. Sein 1859 veröffentlichtes<br />
Buch „Die Entstehung der Arten"<br />
und auch „Die Abstammung<br />
des Menschen" begünstigten<br />
eine Vorstellung von der<br />
Welt der Organismen, die dem<br />
„mechanischen Weltbild" entgegengesetzt<br />
war.<br />
Der deutsche Biologe Ernst<br />
Haeckel hat 1866 den Begriff<br />
„Ökologie" für einen Teilbereich<br />
der Biologie gebildet, der<br />
die „gesamte Wissenschaft von<br />
den Beziehungen des Organismus<br />
zur umgebenden Außenwelt"<br />
umschreibt. Haeckel<br />
würde sich wundern, daß seine<br />
wissenschaftliche Unterdisziplin<br />
heute vorgibt, im alleinigen<br />
Besitz der Wahrheit zu sein und<br />
daß seine Definition zum Gehäuse<br />
einer erzreaktionären<br />
Weltanschauung geworden ist,<br />
die sich als Angelpunkt einer<br />
entwicklungsgeschichtlichen<br />
Wende ausgibt.<br />
1946 hat Friedrich Georg Jünger<br />
sein Buch „Die Perfektion der<br />
Technik" neu veröffentlicht.<br />
Jünger, der kleine Bruder des<br />
bekannteren Ernst Jünger,<br />
wurde der Vater des deutschen<br />
Ökologismus. Er verkündete,<br />
die Technik erzeuge keine<br />
Reichtümer, sondern sie verursache<br />
einen noch nie dagewesenen<br />
Raubbau. Jünger brachte<br />
die umfassendste Anklage gegen<br />
die technische Zivilisation<br />
vor. Alle seine Argumente werden<br />
von der heutigen Öko-Bewegung<br />
benutzt, die ja gegen<br />
jede Form der technischen Zivilisation<br />
ist.<br />
Als die ,,68er-Generation" mit<br />
ihrem Versuch, ein soziales Paradies<br />
auf Erden zu errichten,<br />
scheiterte, mußte ein Heilversprechen<br />
aus der anderen Ecke<br />
her - die „Lebensqualität" und<br />
das Naturparadies. Dann ging es<br />
Schlag auf Schlag: 1970 wurde<br />
Denkrichtungen, die immer<br />
wiederkommen: Das Schäferspiel<br />
als Sinnbild der heilen, naturverbundenen<br />
Idylle; die Aufklärung<br />
(Bild oben, Jean-Jacques<br />
Rousseau), die voll auf die<br />
Vernunft setzt; und die Revolution,<br />
die alle Traditionen hinwegfegt.<br />
Heute nützt eine starke,<br />
jugendliche Bewegung zwar<br />
alle Vorteile der Technik:<br />
Gleichzeitig aber kämpft sie<br />
vehement gegen eine weitere<br />
Technisierung
der Begriff „Umweltschutz"<br />
eingeführt, 1972 veröffentlichte<br />
der Club of Rome den Bericht<br />
„Die Grenzen des Wachstums",<br />
dessen Rolle für den ölpreisschock<br />
noch zu klären wäre.<br />
Umweltschutzorganisationen<br />
und Bürgerinitiativen wuchsen<br />
aus dem Boden, 1975 wurde das<br />
„Bussauer Manifest" herausgegeben,<br />
und eine noch anhaltende<br />
Sturzflut von Büchern,<br />
Broschüren und Artikeln begann<br />
auf die verdatterte Bevölkerung<br />
der westlichen Industrieländer<br />
niederzurauschen. Die<br />
Angstkampagne rollt.<br />
Verschwörung?<br />
1<br />
NU<br />
in<br />
Wer das Wesen und die Ziele des<br />
Ökologismus ergründen will,<br />
stößt unweigerlich auf das<br />
„Bussauer Manifest zur umweltpolitischen<br />
Situation". Dieses<br />
Manifest aus der Bundesrepublik<br />
ist das eigentliche Programm<br />
und das Glaubensbekenntnis<br />
der „Grünen". Ein interessanter<br />
Text, der sich stellenweise<br />
wie das Dokument einer<br />
Verschwörung liest. Genau<br />
nach dem Muster der alten Propheten<br />
erklären die radikalen<br />
Ökologen, die Menschheit stehe<br />
vor dem Abgrund, ihr drohe<br />
Selbstvernichtung, wenn nicht<br />
die „Priorität der ökologischen<br />
Sachverhalte wiederhergestellt"<br />
werde. Selbstverständlich<br />
besitzen die Ökologen die<br />
Wahrheit, nämlich die „unveränderlichen<br />
Prinzipien der Ökologie",<br />
die sie selbst entwickelt<br />
haben. Keine Apokalypse ohne<br />
Errettung: Die Ökologen bieten<br />
die Schrumpfung der Großindustrie<br />
und, wie seinerzeit Pol Pot<br />
in Kambodscha, die Dezentralisierung<br />
von Siedlungen und Industriekomplexen<br />
an. Hohepriester<br />
wären natürlich die<br />
Ökologen.<br />
Bis hierher könnten tolerante<br />
Geister derartige Ideen und<br />
Drohungen als Profilierungsversuche<br />
von Vertretern eines<br />
nicht voll akzeptierten Wissenschaftszweiges<br />
abtun, die vor-<br />
übergehend einer Ideologie den<br />
Vorzug vor dem naturwissenschaftlichen<br />
Zählen, Messen<br />
und Wägen gegeben haben.<br />
Gehen wir einen Schritt näher<br />
an das „Bussauer Manifest"<br />
heran. Dort heißt es auch verschämt,<br />
daß die Schrumpfungsprozesse<br />
die „Reduzierung<br />
menschlicher Aktivitäten" und<br />
die „Regelung des Bevölkerungswachstums"<br />
benötigen<br />
können. So ist das also, wieder<br />
einmal wagen es welche in<br />
diesem massenmörderischen<br />
Jahrhundert, dreist Selektionen<br />
anzukündigen, die sie zweifellos<br />
vornehmen würden, denn sie<br />
sprechen ja von einer „geordneten"<br />
Vielfalt. Wieder einmal<br />
zeigt sich auch, daß sich weniger<br />
die Dinge, sondern nur ihre<br />
Bezeichnungen ändern.<br />
Die Öko-Bewegung stützt sich<br />
auf eine einfache, massenpsychologisch<br />
wirksame Rechnung:<br />
Da es in den technisch<br />
hochentwickelten Zivilisationen<br />
kaum mehr Angst vor Hölle und<br />
Fegefeuer gibt, kann den Menschen<br />
der „ökologische Abgrund",<br />
vor dem sie angeblich<br />
stehen, eingehämmert werden.<br />
Die Abhängigkeit einer möglichst<br />
großen Menschenmasse<br />
bringt Macht, die man nicht nur<br />
zum eigenen Nutzen, sondern<br />
auch zur „Veränderung des<br />
Menschen" anwenden kann.<br />
Es ist bemerkenswert, welche<br />
großen Erfolge die Öko-Bewegung<br />
bisher errungen hat. Ihre<br />
offensichtlich mit gewaltigen<br />
Geldmitteln vorgetragene Kampagne<br />
hat vor allem im protestantischen<br />
Dreieck von Zürich,<br />
Stockholm und San Francisco,<br />
das die wirtschaftlich höchstentwickelten<br />
Länder umfaßt,<br />
den meisten Anklang gefunden.<br />
Dort, wo man mit den natürlichen<br />
Ouellen am großzügigsten<br />
umgeht, entdeckten die Ökologen<br />
eine schuldbewußt-selbstquälerische<br />
Bereitschaft, die<br />
Öko-Botschaft vom nahen Ende<br />
der Welt anzunehmen. Keine<br />
Sorge, der Lebensstandard wird<br />
deswegen in diesen Ländern<br />
nicht aufgegeben. Sie werden<br />
sich vielmehr bemühen, die anderen<br />
Länder, die weniger zu<br />
verbrauchen haben, noch mehr<br />
zu „missionieren".<br />
Kaum anders verhält es sich im<br />
katholischen Teil der nördlichen<br />
Halbkugel. Dissidente Kaplane<br />
stürmen links und rechts, angefeuert<br />
von „Umweltwissenschaftern"<br />
und „Umwelttoxikologen"<br />
auf ein Tor, das auch sie<br />
nicht sehen können. Die Schaukästen<br />
und Schriftentische der<br />
Kirchen im deutschsprachigen<br />
Raum legen ein beredtes Zeugnis<br />
davon ab. Auf den Tischen<br />
liegt keine Information, daß in<br />
den streng katholischen romanischen<br />
Ländern kaum von<br />
„Ökologie" geredet wird.<br />
Geld in<br />
den Brunnen<br />
Es ist gerechtfertigt, von einem<br />
Glaubenskrieg zu sprechen. Das<br />
bisher deutlichste und erfolgreichste<br />
Beispiel dafür lieferten<br />
die Ökologen mit ihrem Kampf<br />
gegen die friedliche Nutzung<br />
der Kernenergie, die verruchterweise<br />
von der Atombombe<br />
abstammt. Eine hervorragende<br />
Konstellation für die „Grünen",<br />
die physikalische Gesetzmäßigkeiten<br />
und Wirtschaftlichkeitsrechnungen<br />
außer Betracht lassen,<br />
da es doch um die Zerschlagung<br />
der Großindustrie<br />
geht. Was sind schon Zahlen -<br />
oder das Schicksal von Menschen<br />
- wenn solch ein hohes<br />
Ziel existiert.<br />
Österreich, das sich doch so<br />
bemüht, der Klassenbeste in allen<br />
Fächern zu sein, leidet unter<br />
der ökologischen Verheißung<br />
am meisten. Nicht genug, daß<br />
das Land wegen seiner Ablehnung<br />
der Kernenergie noch immer<br />
von der halben Welt verspottet<br />
wird, es muß auch noch<br />
nach zurückhaltendsten Berechnungen<br />
200 Millionen<br />
Schilling im Monat zusätzlich<br />
dafür aufbringen. Macht nichts,<br />
auch wenn man das Geld in den<br />
Brunnen wirft - Österreich hat<br />
als erstes Land der Welt gemeinsam<br />
mit den Ökologen und<br />
den Medien ein neues Modell<br />
verwirklicht. Und es ist wirklich<br />
schwer, darüber keine Satire zu<br />
schreiben.<br />
Wenn man noch bedenkt, daß<br />
von den Ökologen über die beiden<br />
geplanten, großen Kohlekraftwerke<br />
bei Tulln praktisch<br />
nichts zu hören war-vermutlich<br />
weil die Kohle „natürlich" ist -<br />
dann bleibt das Wort des französischen<br />
Naturschützers Philippe<br />
Lamour „Ökologie: ja - die Ökologen:<br />
nein" übrig.<br />
Text: Günter Welser<br />
Solidarität 23