Teil X Was bewirken Fragen bei individuellen und kooperativen Aktivitaten? Lehrerfragen waren seit jeher ein zentrales Element von Unterricht. In die Kritik geraten sind sie vor allem durch ihre Verwendung in einem fragend-entwickelnden Unterricht, der in den meisten Fallen Schulerinnen und Schiiler in eine Abhangigkeit von den Fragen des Lehrersl der Lehrerin zwingt und so ihre Eigenstandigkeit stark reduziert. Wie sehen sinnvolle Fragen aus, die in differenzierter Form Wissenbereiche erschlieBen und weiterfuhrende Arbeitsimpulse geben? Eine Antwort gibt dieses Kapitel.
Fragen bei individuellen und kooperativen Aktivitaten + Lehrerfragen sind ein zentrales - aber auch urnstrittenes - Element von Unterricht. Hier finden Sie einige wichtige theoretische Fixpunkte zum Verhaltnis von Lehrerfragen und Unterrichtsqualitat. In den 70er Jahren kanl es im Kontext der Bildungsreform zu heftigen Polemiken fur und wider Lehrerfragen (wobeidie Frage nach der Qualitiit der Fragen selbst eher selten war). Inzwischen wird die ,,LehrerfrageHmeist unter Inlpulsen (Frage, Anweisung, Feststellung, stummer Impuls, Bitte usw.) oder auch im Kontext von Unterrichtsgespriichen (themenzentriertes, neo-sokratisches Gespriich usw.) abgehandelt (Glockel 1996, S. 21, 71i.).Es yibt nur noch wenige Publikationen, in denen die ,,Lehrerfrage0als ,,Kernstuck" der ,, Lehrersprache" thematisiert wirtl, obwohl sie nach wie vor ,,das Grundnluster der Interaktionsstruktur des Unterrichts ausnlacht" (Heidemann 1996, S. 144).Untersuchungen von Annemarie und Reinhard Tausch ergaben, dass Lehrerinnen und Lehrer durchschnittlich zwei bis vier Fragen pro Minute stellen (TauschlTuu,sch1987, S. 206 if.). Betrachtet man das kognitive Niveau von Lehrerfragen, sind durchschnittlich 80 '%,als Wissens- uncl Erinnerungsfragen einzuschatzen und nur 20 'X, als intellektuelle Prozesse fordernde (GugelRerlir~er1979, S. 671 i.). Im angloamerikanischen Raum beschaftigte man sich intensiver mit dem Ph"anomen Lehrerfrage und ihrer Bedeutung fur die Unterrichtsyualitiit. Dabei wurde von amerikanischen Forschern zuniichst ein vierstufiges Modell entwickelt (AmidonlHunter 1967 S. 141 if.), das unterschied zwischen koynitiven Gediichtnisfragen (vor allem Faktenwissen abfragend) konvergenten Fragen (angemessene Antwort verlangt Nachdenken) divergenten Fragen (fordern kreatives, vernetztes Denken) evaluativen Fragen (erfordern formulierte Werturteile und Begrimdungen). Die zugrunde liegende Annahme war, dass in einem guten, lerneffektiven Unterrict siimtliche vier Fragearten in angemessener Form auftauchen. Ein neunstufiges hfodell legten hleasel und Mood vor (~~It~usellMood 1972).Es entht::- folgende Fragekategorien: Begriffshildung Aufziihlen (Was hast du gesehen, gelesen? . ..) Ordnen (Was gehort zusammen? Warurn? ...) Einordnen (Was gehort unter diesen Oberbegriff?, Wie wiirdest du ... bezeichnen? Interpretation und Schlussfolgerung Informationen sammeln (Was hast du gefunden? . . .) Erkliiren und Begrunden (Worauf iuhrst du das zuriick?,Wie erklarst du dir, dass . . , Schliisse ziehen und transferieren (Was bedeutet das fur ...?, Welche Schliisse zie!-.- du aus . . .?) Hypothesen entwickeln und verifizieren Phanomene erklaren und Prognosen wayen (Was wurde geschehen, wenn . . .? Hypothesen begrunden (,,Wie stellst du dir vor, dass ...?, Womit begrundest du Annahme, dass . . .?) Annahmen verifizieren (Woran wiirdest du erkennen, dass ...?, Wodurch liel3e ;~ beweisen, dass deine Erklarung . . .?)