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Überlegungen zu Adalbert Stifters Witiko als politischem Roman

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bessert werden könne. 32 Der <strong>Witiko</strong> <strong>als</strong> gesellschaftsutopischer <strong>Roman</strong> entstand schließlich <strong>als</strong><br />

die literarische Verarbeitung von <strong>Stifters</strong> <strong>Überlegungen</strong> hinsichtlich einer gerechten Staatsform<br />

und dem Ideal einer von Sittlichkeit geleiteten Gesellschaft.<br />

So möchte man Schoenborn widersprechen, der Stifter trotz seiner aktiven Teilnahme an den<br />

Ereignissen von 1848 „nicht <strong>als</strong> politischen Menschen“ 33 einschätzt und darauf hinweist, dass<br />

auch <strong>Stifters</strong> Zeitgenossen schon dessen unpolitische Natur erkannt hätten. 34 Als Argument<br />

dient ihm eine Erinnerung Emerich Ranzonis, in der es heißt, Stifter habe großes Interesse an<br />

den bewegenden Fragen seiner Zeit gehabt und sei in seinem Denken sehr fortschrittlich und<br />

liberal gewesen. Als größte Schwäche schätzt Ranzoni jedoch <strong>Stifters</strong> milde Seele ein, die<br />

angesichts der Gewalt der Revolution in dichterische Sphären geflüchtet sei: „In diesem Zurückschrecken<br />

vor der Erscheinung der Unvollkommenheit unseres Wesens lag überhaupt der<br />

Hauptmangel seines Talents.“ 35 <strong>Stifters</strong> Charakter mag vielleicht nicht robust genug gewesen<br />

sein, um die politischen Grabenkämpfe und die im Namen der Freiheit begangenen Grausamkeiten<br />

<strong>zu</strong> ertragen. Zum Politiker war er sicher nicht geboren. Sein intensives Nachdenken<br />

über gesellschaftliche Zusammenhänge und vielleicht gerade sein Glaube an das Gute im<br />

Menschen, das <strong>zu</strong> einem sittlich-geordneten Staatswesen führen und sich in diesem zeigen<br />

sollte, zeichnen Stifter dennoch <strong>als</strong> politischen Menschen aus.<br />

2.2 Politische Schriften: Der Staat<br />

Zunächst beschrieb Stifter seine <strong>Überlegungen</strong> <strong>zu</strong> politischen Themen in journalistischen Arbeiten,<br />

von denen er 1848 und ’49 einige publizierte. Auf einen, wenn auch unvollendet gebliebenen,<br />

Artikel mit dem Titel Der Staat soll hier kurz eingegangen werden, weil sich in<br />

ihm schon Tendenzen einer Staatsauffassung abzeichnen, die Stifter im <strong>Witiko</strong> in epischer<br />

Breite darstellt. Die abgedruckten Teile von Der Staat erschienen am 13. und 18. April 1848<br />

in der neu gegründeten Constitutionellen Donau-Zeitung. 36<br />

Stifter beschreibt in diesem Artikel seine Ansichten <strong>zu</strong>m Gelingen gesellschaftlicher Ordnungen<br />

und diskutiert in historischer Perspektive die Vor- und Nachteile verschiedener Staatsordnungen.<br />

Im ersten Teil des Artikels spricht Stifter sich zwar nur indirekt, aber dennoch<br />

deutlich gegen die chaotischen Züge des Revolutionsgeschehens aus. Er führt aus, dass jede<br />

menschliche Gemeinschaft einer Ordnung bedarf, um das Recht auf körperliche, geistige und<br />

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!<br />

32 Vgl. Doppler, S. 98 und allgemein bei Wiehl, S. 43–53 und S. 79–83.<br />

33 Schoenborn, S. 365.<br />

34 Ebd.<br />

35 Ranzoni, zitiert nach Schoenborn, S. 366.<br />

36 Vgl. Potthast, S. 208f. Im folgenden wird nach dem Abdruck des Artikels in der historisch-kritischen Gesamtausgabe<br />

zitiert (vgl. HKG 8,2, S. 27–39).

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