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Überlegungen zu Adalbert Stifters Witiko als politischem Roman

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Die Vermischung von politischen Problemen und Poesie war für Stifter <strong>zu</strong> jener Zeit noch<br />

undenkbar. 16 Er sah es <strong>als</strong> Aufgabe der politischen Wissenschaften an, sich mit Fragen dieser<br />

Art <strong>zu</strong> beschäftigen und Anregungen <strong>zu</strong>m politischen Handeln <strong>zu</strong> geben. In einem Brief an<br />

seinen Verleger Heckenast vom 9. Januar 1845 bringt Stifter <strong>zu</strong>m Ausdruck, dass er „das junge<br />

Deutschland […] am meisten gefürchtet“ 17 habe, da für ihn „das Schöne gar keinen andern<br />

Zwek habe, <strong>als</strong> schön <strong>zu</strong> sein, und […] man Politik nicht in Versen und Deklamationen<br />

mach[e]“ 18 , ein Grundsatz, der im Gegensatz <strong>zu</strong> der gesellschaftliche Missstände thematisierenden<br />

Literatur des Jungen Deutschland stand. In den folgenden Zeilen des Briefes wird<br />

deutlich, dass Stifter aber durchaus auf den eigenen politischen Sachverstand vertraute und<br />

nicht ausschließen wollte, <strong>zu</strong> einem späteren Zeitpunkt selbst über ein politisches Thema <strong>zu</strong><br />

schreiben:<br />

Ich habe viele Jahre Staatswissenschaften getrieben, lese immerdar politische Journale, und es<br />

wäre in der That seltsam, wenn ein Mensch mit Gefühl, (das ich mir <strong>zu</strong>traue) da ohne Parthei <strong>zu</strong><br />

nehmen, bliebe, nur ist er stark genug, nicht in das, wo er die Schönheit Gottes und der Welt<br />

darstellen will, seine Ansichten über den Zollverein einmischen <strong>zu</strong> müssen. Vielleicht kann ich<br />

einmal mit den bischen Kentnissen über Staatswesen, die ich gesammelt, meinem Vaterlande<br />

nüzen […]. 19<br />

Stifter stellt hier klar heraus, dass Dichtung sich mit dem Schönen, das sich für ihn <strong>als</strong> göttliche<br />

Schöpfung in der Welt manifestierte, <strong>zu</strong> befassen habe, was die Verhandlung von politischen<br />

Fragen in der Poesie ausschließt.<br />

Den bedeutenden Einfluss auf <strong>Stifters</strong> politisches Denken übte aber erst die Deutsche Revolution<br />

von 1848 aus, nach Potthast war sie die „eigentliche, tiefe Zäsur seiner persönlichen,<br />

schriftstellerischen und politischen Entwicklung“ 20 . Die sich im Verlauf des März überschlagenden<br />

Ereignisse in Wien erlebte Stifter direkt mit: aus seiner im Zentrum gelegenen Wohnung<br />

konnte er die Straßenkämpfe beobachten, an denen er selbst wahrscheinlich aber nicht<br />

teilgenommen hat. Er war begeistert von der kaiserlichen Proklamation vom 15. März 1848,<br />

mit der dem Habsburgerreich eine Konstitution in Aussicht gestellt wurde, und trug auch aktiv<br />

seinen Teil <strong>zu</strong>r Errichtung einer neuen Ordnung bei, indem er sich für seinen Wohnbezirk<br />

<strong>als</strong> Wahlmann für die vorbereitenden Beratungen <strong>zu</strong>r Frankfurter Nationalversammlung aufstellen<br />

ließ. 21<br />

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16 Vgl. Schoenborn, 326.<br />

17 Brief an Heckenast, 9. Januar 1845, zitiert nach: <strong>Adalbert</strong> Stifter: Sämtliche Werke, Bd. XVII Briefwechsel,<br />

hg. von August Sauer (u.a.), Prag 1904ff. (seit 1927: Reichenberg), S. 138-140. [Die Prag-Reichenberger-<br />

Ausgabe wird im folgenden mit der Sigle PRA und der entsprechenden Nummer des Bandes zitiert].<br />

18 Ebd.<br />

19 Ebd.<br />

20 Potthast, S. 204.<br />

21 Vgl. Potthast, S. 204 und Schoenborn, S. 358.

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