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Überlegungen zu Adalbert Stifters Witiko als politischem Roman

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Die Entscheidung wird <strong>als</strong>o getroffen und Wladislaw bittet auf dem Hoftag Konrads in Nürnberg<br />

um Hilfe, die ihm auch gewährt wird. Durch <strong>Witiko</strong>s kluges Eingreifen wird der Kampf<br />

um Prag dann ganz vermieden und die Gefahr, durch ein fremdes Heer im eigenen Land Souveränität<br />

<strong>zu</strong> verlieren, wird dadurch mehr oder weniger obsolet.<br />

Am Ende des <strong>Roman</strong>s kommt es dann noch einmal <strong>zu</strong> einer fast wortgleichen Diskussion.<br />

Nachdem Wladislaw von Kaiser Friedrich Barbarossa die Königswürde erhalten hat, obliegt<br />

es ihm <strong>als</strong> Lehensverpflichtung mit einem Heer an dessen Italienfeld<strong>zu</strong>g teil<strong>zu</strong>nehmen, für<br />

den er in der Beratung mit seinen Adeligen wirbt. Diese strafen ihren neuen König in der Diskussion<br />

aber erst einmal dafür ab, ohne vorherige Beratung mit ihnen die Königswürde von<br />

einem Fremden, dem Kaiser, angenommen <strong>zu</strong> haben. 163 Das Argumentationsmuster ist im<br />

Grunde das gleiche: Die Annahme der Königswürde <strong>als</strong> ‚Geschenk’ von außerhalb wird <strong>als</strong><br />

Versuch der Fremden interpretiert, Einfluss und Macht über Böhmen <strong>zu</strong> bekommen. In der<br />

Forderung sich dem Italienfeld<strong>zu</strong>g an<strong>zu</strong>schließen, sehen die Lechen dies auch gleich bestätigt.<br />

Zudem scheint durch die Eingliederung in einen überstaatlichen Verbund die böhmische Identität<br />

in Gefahr, wie Peter, der Abt von Brewnow meint: „Wenn wir unser Land aus seinen<br />

Gesetzen und aus seinen Sitten und Gewohnheiten in die Schicksale anderer Länder heben, so<br />

ruht es nicht mehr in sich, und kann stürzen.“ 164 Letztlich gelingt es Wladislaw jedoch wieder,<br />

die Lechen <strong>zu</strong> überzeugen, indem er ihnen vor Augen führt, dass die „reichische Idee“ 165 ein<br />

Modell ist, dass Fremdheit und Vielfalt verbinden kann, und betont, dass er sich mit der neu<br />

gewonnenen Königswürde hauptsächlich <strong>als</strong> „christlicher Lehensmann des römischen Kaisers,<br />

nicht <strong>als</strong> Untertan einer fremden politischen Macht“ 166 sieht. Wladislaw ist davon überzeugt,<br />

dass die böhmische Identität und Souveränität durch die enge Verbindung <strong>zu</strong>m Kaiser<br />

nicht gefährdet werden:<br />

Wer in Verbindung mit Fremden ist, der ist darum nicht abhängig von den Fremden, wie einer,<br />

der von einem Handelsmanne etwas kauft, von ihm nicht abhängig ist. […] Ich kann es euch sagen:<br />

Wenn Friedrich weit über mein Leben hinaus in Deutschland herrscht, so wird ihm nie <strong>zu</strong><br />

Sinne kommen, die Länder Böhmen und Mähren sich <strong>zu</strong> Füßen <strong>zu</strong> werfen, oder sie auch nur <strong>zu</strong><br />

schmälern. 167<br />

Wie Müller-Funk aufzeigt, liegt die besondere Raffinesse des <strong>Roman</strong>s darin, dass Wladislaw<br />

mit genau dieser Einschät<strong>zu</strong>ng, dass der deutsche Kaiser Böhmen und Mähren nie unterwerfen<br />

werde, historisch im Irrtum ist und die zeitgenössischen Leser das sehr wohl wussten. 168<br />

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163 HKG 5,3, S. 258–268.<br />

164 HKG 5,3, S. 260.<br />

165 Müller Funk, S. 341.<br />

166 Ebd., S. 351.<br />

167 HKG 5,3, S. 270f.<br />

168 Vgl. Müller-Funk, S. 342.

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