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Überlegungen zu Adalbert Stifters Witiko als politischem Roman

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getroffen, von der er sich nach der Versöhnung mit Wladislaw aber erholt, und Konrad tut<br />

nach der Zerstörung seiner Burg ebenfalls Buße. 152<br />

Jetzt erst kann der Erzähler konstatieren: „Und nun kam in das Reich Wladislaws, der Herzoges<br />

von Böhmen und Mähren, die Zeit, in welcher die Streite aufgehört hatten.“ 153 Endlich<br />

kehrt Ruhe ein, die Herzogtümer Böhmen und Mährens sind geeint und auch die gesellschaftliche<br />

Ordnung ist wieder hergestellt. Das Land blüht nun auf und gedeiht sogar so gut, dass<br />

Böhmen 1158 schließlich in den Stand eines Königreichs erhoben wird. 154<br />

Dies alles ist auch das Ergebnis der erfolgreichen Herrschaft Wladislaws, der nicht versucht,<br />

sich an seinen Untertanen <strong>zu</strong> bereichern, sondern im Gegenteil gerade mit den Kleinen in seinem<br />

Reich gegen die machthungrigen Lechen <strong>zu</strong>sammenarbeitet. 155 Stifter arbeitet <strong>als</strong>o insgesamt<br />

deutlich heraus, dass eine starke Zentralgewalt dem Wohl aller besser dient, <strong>als</strong> die<br />

Herrschaft vieler selbstgerechter Herren. 156 Müller-Funk bringt das Erfolgsrezept Wladislaws<br />

folgendermaßen auf den Punkt:<br />

Wladislaw erweist sich <strong>als</strong> eigenständiger Akteur, <strong>als</strong> Promotor einer gewissen Modernisierung,<br />

der den machtpolitischen Spielraum extensiv <strong>zu</strong> nutzen weiß. […] Wladislaw befestigt seine eigenen<br />

Burgen, knüpft enge Bande mit den Bischöfen von Prag und Olmütz, hält Tuchfühlung<br />

mit den kleinen Leuten. Was ihm vorschwebt, ist ein soziales, zentralistisches eigenständiges<br />

Herzogtum […]. 157<br />

So ist Wladislaw in <strong>Stifters</strong> Beschreibung ein nahe<strong>zu</strong> idealer Herzog und König und entspricht<br />

damit dem literarischen Abbild der Herrschertugenden, wie Stifter sie in Der Staat<br />

dargestellt hat.<br />

4.3 Identität und Souveränität: Böhmens Verhältnis <strong>zu</strong>m Kaiserreich<br />

Das Herzogtum Böhmen steht in der Erzählung dabei nicht <strong>als</strong> isolierter Staat ohne Verbindungen<br />

da, so dass Stifter auf einer dritten Ebene das politische Geschehen schließlich noch<br />

auf das Verhältnis <strong>zu</strong>m Kaiserreich ausdehnen kann. Konkreter Anlass in der Handlung ist der<br />

durch den Nachfolgestreit entstandene Bürgerkrieg, der ein Zuhilferufen des deutschen Königs<br />

Konrad notwendig <strong>zu</strong> machen scheint. An der Diskussion, welche Konsequenzen dieser<br />

Eingriff für die Eigenständigkeit Böhmens haben könnte, demonstriert Stifter das spannungsreiche<br />

Verhältnis von Identität und Souveränität eines kleinen Staates gegenüber dem Reich<br />

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152 HKG 5,3, S. 241–244.<br />

153 HKG 5,3, S. 246f.<br />

154 HKG 5,3, S. 256.<br />

155 Vgl. u. a. <strong>Witiko</strong>s Einschät<strong>zu</strong>ng, dass die Fürsten und hohen Herren sich gegen Wladislaw erheben, da sie<br />

ihm die Beschüt<strong>zu</strong>ng des Volkes und der kleinen Leute gegen ihre eigene Ausbeutung übel nehmen (HKG 5,1,<br />

S. 263).<br />

156 Vgl. Geppert, S, 129.<br />

157 Müller-Funk, S. 347.

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