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Überlegungen zu Adalbert Stifters Witiko als politischem Roman

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schehens findet sich auch im Spannungsaufbau des <strong>Roman</strong>s wieder. In dessen dreibändiger<br />

Konzeption dehnen sich die politischen Ebenen wie konzentrische Kreise von Band <strong>zu</strong> Band<br />

aus 95 – von der ‚Nahaufnahme’ des unbekannten, namenlosen Reiters auf den ersten Seiten 96<br />

weitet sich der Blick hin <strong>zu</strong> einem ausgedehnten Panorama bei <strong>Witiko</strong>s Teilnahme an den<br />

Italienfeldzügen am Ende des dritten Bandes. Zusammengehalten wird diese Ausdehnung von<br />

der Tatsache, dass der entscheidende Be<strong>zu</strong>gspunkt aller Handlungsstränge stets <strong>Witiko</strong> bleibt<br />

sowie <strong>Stifters</strong> Entscheidung, den Streit um Legitimität auf allen drei Ebenen <strong>zu</strong>m Kern der<br />

politischen Handlung <strong>zu</strong> machen. 97<br />

4.1 Personale Herrschaft: Der Aufstieg <strong>Witiko</strong>s <strong>zu</strong>m Anführer der Waldleute<br />

Anhand seiner Hauptfigur <strong>Witiko</strong> schildert Stifter, wie das Einhalten von sittlichen Werten<br />

wie Treue und Vernunft <strong>zu</strong>m gesellschaftlichen Aufstieg führt und verdeutlicht das Modell<br />

der patriarchalischen Herrschaft, wie er es in Der Staat beschrieben hat.<br />

<strong>Witiko</strong> wird gewissermaßen <strong>als</strong> Unbekannter, <strong>als</strong> unbeschriebenes Blatt in die Handlung eingeführt,<br />

<strong>zu</strong>nächst bezeichnet ihn der Erzähler <strong>als</strong> Mann „in jugendlichem Alter“ 98 oder <strong>als</strong><br />

„Reiter“ 99 , seinen Namen offenbart <strong>Witiko</strong> selbst – nicht der Erzähler – erst nach knapp vierzig<br />

Seiten im Gespräch mit dem Mädchen Bertha. 100 Da der Leser keine Innensicht von <strong>Witiko</strong><br />

erhält, sind es vor allem am <strong>Roman</strong>anfang seine Handlungen und Worte, an denen sich<br />

ablesen lässt, welche Absichten und Moralvorstellungen er hat. Als einprägsames Beispiel<br />

kann die ausführliche Pflege seines Pferdes gelten, die <strong>Witiko</strong> stets selbst und mit größter<br />

Sorgfalt ausführt. 101 Und auch Aussagen wie „Wenn nicht Schnelligkeit nöthig ist, […] so<br />

lasse ich das Pferd seinen langsamen Schritt gehen. Es dankt mir dann ein ander Mal, wenn<br />

ich Kraft und Schnelligkeit brauche.“ 102 geben einen Eindruck von <strong>Witiko</strong>s maßvollem und<br />

vorausschauendem Wesen. 103 Nicht nur Mensch und Tier, sondern auch der Natur gegenüber<br />

hat <strong>Witiko</strong> großen Respekt, er kann „denken wie der Wald“ 104 . Auch Geppert weist darauf<br />

hin, dass sich im <strong>Witiko</strong> die (gute) moralische Gesinnung der Figuren an deren Umgang mit<br />

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!<br />

95 Vgl. Doppler, S. 100.<br />

96 Vgl. den in fast jeder <strong>Witiko</strong>-Analyse viel beachteten Anfang (besonders HKG 5,1, S. 13–21), dem sich Potthast<br />

beispielsweise unter der These der „Geburt des Helden aus der Landschaft“ widmet (vgl. Potthast, S. 236ff.)<br />

97 Vgl. Koschorke, S. 146.<br />

98 HKG 5,1, S. 16.<br />

99 Ebd.<br />

100 HKG 5,1, S. 38.<br />

101 Vgl. z.B. HKG 5,1, S. 17f. oder ebd., S. 206. Auch Potthast ist überzeugt: „In <strong>Witiko</strong>s Umgang mit Mensch<br />

und Tier, wie in der kurzen Wirtshausszene beispielhaft deutlich wird, liegt der Schlüssel <strong>zu</strong>m Verständnis seiner<br />

Figur und damit des gesamten <strong>Roman</strong>s.“, S. 222.<br />

102 HKG 5,1, S. 24.<br />

103 Vgl. auch die Begegnung mit dem Scharlachreiter, der <strong>Witiko</strong> auffordert, ihn ein Stück <strong>zu</strong> begleiten. <strong>Witiko</strong><br />

bleibt seinen Prinzipien treu und antwortet: „Ich reite nur im Schritte.“ (vgl. HKG 5,1, S. 68).<br />

104 HKG 5,1, S. 57.

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