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Überlegungen zu Adalbert Stifters Witiko als politischem Roman

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Oberhaupt, die sich aus den „natürlichen Banden der Verwandtschaft“ 45 ergibt und in dieser<br />

Form nur besteht, solange die Besiedelung relativ dünn ist. Steigt die Bevölkerungsdichte an,<br />

kommt es bald <strong>zu</strong> Familienfehden, was wiederum <strong>zu</strong>r Bildung von Bündnissen zwischen Familien<br />

„gleicher Sprache und gleichen Sitten“ 46 führt, um Angriffe ab<strong>zu</strong>wehren. Stifter nennt<br />

dieses Gebilde unter Führung der mächtigsten Familie einen „väterlichen Staat“ 47 , das Oberhaupt<br />

hat eine absolute Herrschaft inne. Der Erfolg dieses Modells ist nach Stifter einerseits<br />

abhängig vom Bildungsgrad des Volkes – die Untertanen dürfen selbst keine Einsicht in Führungsfragen<br />

haben und müssen dem Oberhaupt die Leitung anvertrauen – und basiert andererseits<br />

auf den persönlichen Fähigkeiten des Herrschers. Probleme entstehen durch <strong>zu</strong>nehmende<br />

Größe des Staatswesens, es kommt <strong>zu</strong> Unübersichtlichkeit und Entfremdung; der Herrscher<br />

versucht bald, <strong>zu</strong> seinem eigenen Nutzen <strong>zu</strong> regieren.<br />

Aus der Erkenntnis, „daß in absoluten Staaten von der Weisheit und Güte des Regenten, und<br />

von der Geschicklichkeit, seine Räthe <strong>zu</strong> wählen, nicht nur Vieles, sondern Alles und Jedes<br />

abhängt“ 48 , entstanden im Lauf der Geschichte andere Verfassungsmodelle, die Stifter im<br />

Folgenden mit ihren Vor- und Nachteilen beschreibt. In Be<strong>zu</strong>g auf die Verarbeitung der Ideen<br />

im <strong>Witiko</strong> sollen hier nur das Wahl- sowie das Erbkönigtum erwähnt werden. Wie Stifter darlegt,<br />

erscheint die Wahl des talentiertesten und somit bestmöglichen Regenten auf den ersten<br />

Blick ein kluger Weg <strong>zu</strong> sein. Sie ist im Grunde aber sehr problematisch, weil viele Wähler<br />

nicht die geistigen Fähigkeiten hatten, den Besten <strong>zu</strong> erkennen, und <strong>zu</strong>dem empfänglich für<br />

Beeinflussung durch Worte oder Geld waren. Auch die „Wahlcapitulation“ 49 , <strong>als</strong>o die Verabredung<br />

von Zusagen im Falle der Wahl eines Kandidaten, führte <strong>zu</strong>r Schwächung des gewählten<br />

Regenten. In manchen Fällen wurde dies gezielt ausgenutzt und die einflussreichen Kreise<br />

sorgten absichtlich für die Wahl eines machtlosen Kandidaten, um diesen auf dem Thron in<br />

ihrem Sinne beeinflussen <strong>zu</strong> können. 50 Doch auch das Gegenmodell, die Beset<strong>zu</strong>ng der Herrscherposition<br />

durch die Erbfolge, ist unsicher, da die Tugenden eines guten Königs sich nicht<br />

vererben lassen, „auf einen großen, kraftvollen, tüchtigen Vater, [<strong>als</strong>o] ein schwacher und<br />

wenig begabter Sohn folgen konnte“ 51 . Bei der Diskussion der Vorzüge der Republik stellt<br />

Stifter fest: „Wenn jeder Einzelne verständigweise und gut ist, dann ist diese Regierungsart<br />

eine der besten, aber dann ist überhaupt jede leicht eine der besten.“ 52 Der Erfolg jedweder<br />

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45 HKG 8,2, S. 31.<br />

46 HKG 8,2, S. 32.<br />

47 Ebd.<br />

48 HKG 8,2, S. 34.<br />

49 Ebd.<br />

50 Vgl. HKG 8,2, S. 34f.<br />

51 HKG 8,2, S. 35.<br />

52 HKG 8,2, S. 37.

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