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1 1. Zusammenfassung - Université de Neuchâtel

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Studie Darwin’s Plots von 1983, die soeben ihre dritte erweiterte Auflage erlebt hat (Beer 2009; vgl. jetzt auch<br />

Dawson 2007; Glen<strong>de</strong>ning 2007) –, traute man sich in Deutschland erst mit einer gewissen (durch die<br />

Rezeptionsgeschichte <strong>de</strong>s Darwinismus in <strong>de</strong>r ersten Hälfte <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts erklärbaren) Verzögerung an dieses<br />

Thema. Seit <strong>de</strong>r programmatischen Formulierung von germanistischen Forschungs<strong>de</strong>si<strong>de</strong>raten zum Darwinismus<br />

durch Peter Sprengel (1997/98) sind nun aber schon eine ganze Reihe einschlägiger Arbeiten erschienen (Michler<br />

1999; Brundiek 2005; Voss 2007; Ajouri 2007), und spätestens <strong>de</strong>r Germanistentag 2007 in Marburg hat gezeigt, wie<br />

wichtig entsprechen<strong>de</strong> Fragen gewor<strong>de</strong>n sind. 2 – Auffällig ist allerdings, wie stark man in dieser Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />

mit Darwin auf <strong>de</strong>ssen Texte fokussiert bleibt und nicht weiter fragt, woher er seine „Plots“ hatte. Immerhin hat<br />

Darwin selbst formuliert: „I always feel, as if my books came half out of Lyell’s brain.“ 3 Er hat damit nur zu <strong>de</strong>utlich<br />

auf die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r geologischen Narrative verwiesen, wie sie sein Freund Charles Lyell vor allem im Klassiker<br />

Principles of Geology (1830-33; dt. 1841) entwickelt hat. Nun ist Lyell nur einer – vielleicht <strong>de</strong>r berühmteste – unter<br />

verschie<strong>de</strong>nen Geologen, die in <strong>de</strong>r ersten Hälfte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts breitenwirksam Vorstellungen einer<br />

„Erdgeschichte“ postulierten, die <strong>de</strong>n einst gültigen biblischen Zeitrahmen von knapp 6000 Jahren entschie<strong>de</strong>n<br />

sprengten und Zeiträume zuvor unvorstellbarer Aus<strong>de</strong>hnung erahnen ließen. Doch an ihm zeigt sich beson<strong>de</strong>rs<br />

anschaulich, inwiefern bereits einige Jahrzehnte vor Darwin jenes Narrativ <strong>de</strong>r erdgeschichtlichen Tiefenzeit<br />

entwickelt wur<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>ssen Rahmen On the Origin of Species (1859) überhaupt erst <strong>de</strong>nkbar wur<strong>de</strong>. Dieser<br />

Zusammenhang ist zwar unter<strong>de</strong>ssen in einer ganzen Reihe wissenschaftsgeschichtlicher Monographien aus <strong>de</strong>m<br />

angelsächsischen Raum dargestellt wor<strong>de</strong>n (Gould 1990; Oldroyd 1996; Rudwick 2005 und 2008). 4 Doch in <strong>de</strong>r<br />

Literaturwissenschaft hat man sich noch kaum mit <strong>de</strong>r Emergenz jener ‚Tiefenzeit’-Plots beschäftigt, die für die<br />

gesamte Mo<strong>de</strong>rne von kaum zu überschätzen<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung gewor<strong>de</strong>n sind; o<strong>de</strong>r um genauer zu sein: Auch hier gibt<br />

es in <strong>de</strong>r Anglistik durchaus schon gewisse Ansätze (Zimmerman 2002 und 2008; Dean 1981; Buckland 2007; Frank<br />

1989; Tomko 2004; Armstrong 1992; Heringman 2004; Sommer 2003; Wyatt 1995; Leask 1998; McKusick 2001).<br />

Doch in <strong>de</strong>r Germanistik ist noch kaum eine Beschäftigung mit <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Narrativen auszumachen (vgl. für<br />

erste Ansätze Haberkorn 2004, Braungart 2000 und 2005). Selbstverständlich spielt die Geologie o<strong>de</strong>r Geognosie<br />

zwar in <strong>de</strong>r Goethe- und Novalis-, wie in <strong>de</strong>r Romantikforschung überhaupt, seit je eine Rolle, und dabei wur<strong>de</strong><br />

ansatzweise auch schon die Thematisierung <strong>de</strong>r frühesten, noch vorsichtigen Spekulationen über die Zeitabgrün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Vorgeschichte <strong>de</strong>s Menschen – etwa im Bergmann-Kapitel in Novalis’ Heinrich von Ofterdingen (1802) – behan<strong>de</strong>lt.<br />

Doch es fehlt noch weitgehend an einer wissenspoetologischen In-Beziehung-Setzung (beispielsweise) <strong>de</strong>r Texte von<br />

Novalis, Goethe o<strong>de</strong>r Her<strong>de</strong>r zu Buffons Les Epoques <strong>de</strong> la Nature (1778; dt. 1781). Und die Zeit nach <strong>de</strong>r<br />

eigentlichen Historisierung <strong>de</strong>s Lebens und <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, das heisst die Zeit nach ca. 1810, ist eben überhaupt erst seit<br />

wenigen Jahren in <strong>de</strong>n Fokus <strong>de</strong>r germanistischen Literature-and-Science-Forschung gerückt.<br />

Detaillierter Forschungsplan<br />

Der Begriff <strong>de</strong>r „scientific revolution“ – das heißt das Konzept eines revolutionären Umbruchs in <strong>de</strong>n Wissenschaften<br />

im 17. und 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt – wur<strong>de</strong> in jüngster Zeit zwar in Frage gestellt. Das zeigt sich beispielsweise im<br />

einschlägigen Band <strong>de</strong>r Cambridge History of Science (Daston/Park 2006). Dass aber seit <strong>de</strong>r Frühen Neuzeit, sei es<br />

2 Es sind zwei Formen <strong>de</strong>r Darwinismus-Rezeption zu unterschei<strong>de</strong>n: Zum einen wer<strong>de</strong>n Ansätze zu einer evolutionsbiologischen<br />

Erklärung <strong>de</strong>s menschlichen Bedürfnisses nach Kunst und Literatur diskutiert (vgl. z.B. Karl Eibl und Joseph Carroll); zum an<strong>de</strong>rn<br />

wird <strong>de</strong>r Darwinismus als historisches Phänomen in kulturwissenschaftlicher Perspektive in <strong>de</strong>n Blick genommen. Es ist klar, dass<br />

für das vorliegen<strong>de</strong> Projekt nur die letztere Zugangsweise von Interesse ist.<br />

3 Brief an Leonard Horner vom 29. 8. 1844, in: More Letters of Charles Darwin. A Record of his Work in a Series of hitherto<br />

unpublished Letters, ed. by Francis Darwin and A.C. Seward, London 1903, Bd. 2, S. 117.<br />

4 Vgl. speziell für Deutschland, freilich einem älteren Konzept von Wissenschaftsgeschichte verpflichtet, Otfried Wagenbreth:<br />

Geschichte <strong>de</strong>r Geologie in Deutschland. Stuttgart 1999.<br />

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