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Erfahrungsräume und Bardos - Tara Sattva, Shantidas E. Morawa

Erfahrungsräume und Bardos - Tara Sattva, Shantidas E. Morawa

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<strong>Erfahrungsräume</strong> <strong>und</strong> <strong>Bardos</strong><br />

Viele der von Menschen im Laufe eines hiesigen Lebens betretenen<br />

unterschiedlichen <strong>Erfahrungsräume</strong> korrespondieren mit Elementen der<br />

<strong>Bardos</strong>, der Inseln im Strom der Zeit.<br />

Dies bedeutet, dass wir in jeder Sek<strong>und</strong>e dieser Existenz alle Hände <strong>und</strong> Füße<br />

mit der Wahrnehmung dieses Stroms <strong>und</strong> seiner Einfärbungen verbringen<br />

können oder dumpf <strong>und</strong> unwissend bleiben.<br />

Ich erinnere mich an den aufrüttelnden Ton in der Stimme von Osho, wenn er<br />

im Energiefeld seiner Schüler mal wieder Berge von Dösigkeit, Tranigkeit <strong>und</strong><br />

Eingeschlafenheit entdeckte. Der Witz war eines seiner Medien, um uns<br />

wieder ins Hier <strong>und</strong> Jetzt zu bringen.<br />

Ein anderer Meister, Chögyam Trungpa, war für seine offenen, deutlichen<br />

Worte berühmt.<br />

Sie wollten uns (wie viele andere Meister <strong>und</strong> Lehrer im Tantra, Sufismus <strong>und</strong><br />

der Advaita- Lehre) in den Zustand der Wachheit im Leben bringen.<br />

Das wache <strong>und</strong> frische Praktizieren des gesamten Lebens im Bewusstsein der<br />

<strong>Bardos</strong> bietet eine Möglichkeit für sich <strong>und</strong> alle Lebewesen einen Überschuss<br />

an Energie zu kreieren.<br />

Im 1.Teil werden nun die einzelnen <strong>Bardos</strong> aus den Hauptversen der sechs<br />

<strong>Bardos</strong> zitieren <strong>und</strong> mit <strong>Erfahrungsräume</strong>n unseres Alltags in Verbindung<br />

bringen. Ich hoffe, das dies in der Papierform <strong>und</strong> in der Form der Energie<br />

von Bits <strong>und</strong> Bytes möglich ist. Eine direkte Übermittlung ist zwar sinnvoller,<br />

aber die Welt braucht den Geschmack in diesen ver- rückten Zeiten dringend<br />

<strong>und</strong> an vielen Orten.<br />

Im zweiten Teil dieser PDF ist ein Interview mit dem Aroter- Lama Ngakpa<br />

Chögyam abgedruckt, der mit einem anderen System der <strong>Bardos</strong> unseren<br />

Fokus auf das Hier <strong>und</strong> Jetzt <strong>und</strong> auf die Diskontinuität unserer Existenz<br />

lenkt.<br />

In Gruppe VII Vereinigung finden sie einen weiteren Text, der sich tiefer mit<br />

den <strong>Bardos</strong> im Allgemeinen <strong>und</strong> weniger mit der Korrespondenz unseres<br />

alltäglichen Erlebens auseinandersetzt. Mit einem Interview von Tenzin<br />

Wangyal Rinpoche arbeiten wir uns im Text Sterben in Gruppe VII an eine<br />

Erklärung des Bardo Thödrol zum Thema Sterben <strong>und</strong> Bewusstheit heran.


Bardo der Geburt <strong>und</strong> des Lebens<br />

So mir nun der Bardo der Geburt aufgeht,<br />

will ich die Trägheit, für die das Leben keine<br />

Zeit hat, aufgeben,<br />

will unbeirrt den Pfad von Lernen, Wahrnehmen<br />

<strong>und</strong> Meditation betreten,<br />

die Visualisationen praktizieren <strong>und</strong> auf den<br />

Pfad achten, <strong>und</strong> so die drei Kayas<br />

(Energiekörper) verwirklichen;<br />

da ich nun einmal einen Menschenkörper<br />

angenommen habe, bleibt dem Geist auf diesem<br />

Pfade keine Zeit zu wandern.<br />

In dieser Textzeile ist das erste Schlüsselwort Trägheit. Eine der<br />

wesentlichsten Eigenschaften des Menschen ist der Hang zur Bequemlichkeit<br />

<strong>und</strong> zum Entschlafen.<br />

Ob es um Liebesbeziehungen, Liebe zur Arbeit oder zum Mitmenschen geht,<br />

immer wiederkehrend ist die Trägheit <strong>und</strong> das Verdrängen einer der<br />

wesentlichen Momente im Leben. Im Mittelmass <strong>und</strong> in der Anpassung an<br />

gewöhnliche Gegebenheiten, im Nachahmen elterlicher <strong>und</strong> sozialer<br />

Gewohnheiten können wir falsche Sicherheit gewinnen.<br />

Fühlen wir uns sicher <strong>und</strong> stabil, können den Partner, die Arbeitswelt <strong>und</strong><br />

andere Situation kontrollieren, fühlen wir die Bedrohlichkeit <strong>und</strong> Weite des<br />

offenen Raumes weniger. Damit beschränken wir unseren Geist in Kleinheit.


Ich möchte ihnen 2 kleine Übungen anbieten, um mehr in ihr Gewahrsein zu<br />

kommen <strong>und</strong> mehr Verständnis für das Qualität der Trägheit zu gewinnen.<br />

Die erste Übung ist nicht gedacht für Menschen in psychologischer<br />

Behandlung oder mit einem bekannten posttraumatischen<br />

Belastungssyndrom, sofern keine weitere Person zur Unterstützung in diesem<br />

Zeitraum vorhanden ist.<br />

Das Frühstück<br />

Wenn sie am nächsten Morgen aufwachen, bleiben sie zuerst liegen.<br />

Nehmen sie 3 oder 4 tiefe, bewusste Atemzüge <strong>und</strong> stehen sie dann mit<br />

geschlossenen Augen auf. Versuchen sie routiniert jede Handlungen<br />

auszuführen, die sie sonst mit offenen Augen am Morgen begehen.<br />

Stellen sie Kaffeewasser auf, holen sie Zeitung, bedienen sie den Toaster,<br />

schneiden sie ihr Obst <strong>und</strong> versichern sie ihrem Verstand, das er sieht <strong>und</strong><br />

Dass es heute einen Stromausfall gegeben hat.<br />

Machen sie damit eine Weile weiter <strong>und</strong> spüren sie nach ob Angst <strong>und</strong> auch<br />

Zweifel auftauchen.<br />

Öffnen sie dann die Augen <strong>und</strong> spüren sie nach:<br />

wie oft waren sie voll präsent im Moment?<br />

wie oft konnten sie ihre Routinehandlungen im Dunkeln ausführen?<br />

Frech gefragt:<br />

Wie oft sind diese Routinen in ihrem Liebes- <strong>und</strong> Beziehungsleben dran?


2.Übung<br />

Routine Sex mit Partner oder sich selbst<br />

Eine der wesentlichen Spannungs- (<strong>und</strong> Verspannungs) punkte, der unseren<br />

eigenen, inneren Energiefluss blockiert, ist sexuelle Routine.<br />

Wer sich selbst liebt, weiß das Imagination, also Vorstellung, meist eine<br />

große Rolle spielt.. Osho hat einmal geschrieben, dass viele Paare gar nicht<br />

mit dem Partner Liebe machen, sondern mit Brad Pitt, Kevin Costner, Pamela<br />

Anderson <strong>und</strong> Katie Price. Das gilt meist auch für Masturbation.<br />

Diese Übung ist eine Einladung alleine oder zu zweit, diese Routine einmal<br />

bewusst einzusetzen <strong>und</strong> dann das Gegenteil zu praktizieren.<br />

Machen sie einmal völlig desinteressiert <strong>und</strong> gelangweilt Sex mit sich oder in<br />

Absprache (damit keine karmischen Reflektionen entstehen) mit ihrem<br />

Partner.<br />

Versuchen sie in einem gelangweilten oder trägen, „abgetakelten“ Moment,<br />

einmal mit völligem Desinteresse an sich „herumzuspielen“. Seien sie dabei<br />

abwechselnd lustlos oder verkrampft. Fühlen sie sich dabei angewidert oder<br />

angeekelt <strong>und</strong> mobilisieren sie ihre Trägheit.<br />

wenn sie diesen Zustand erreicht haben, schließen sie kurz die Augen <strong>und</strong><br />

zittern sie kurz die Energie durch Vibrationen des Körpers weg. Stellen sie<br />

sich dabei vor, dass diese Energie wie Wasser von oben nach unten aus dem<br />

Körper herausgeschwemmt wird.<br />

Bleiben sie 5 Minuten entspannt liegen.<br />

Anschließend berühren sie vorsichtig ihre Haare, die Ohren <strong>und</strong> fahren sie in<br />

langsamen Bewegungen mit den Fingerspitzen an ihrem M<strong>und</strong> entlang.<br />

Streicheln sie langsam über ihre Handflächen <strong>und</strong> berühren sie liebevoll ihren<br />

Hals. Überlassen sie sich dem Fluss ihres Berührungssinns <strong>und</strong> tauchen sie<br />

einfach hinein.<br />

Abschließend bleiben sie entspannt liegen <strong>und</strong> nehmen sie den Unterschied<br />

zwischen beiden Zuständen wahr.


Eine der Kernanweisungen dieser ersten Sutra ist „unbeirrt den Pfad...<br />

betreten“.<br />

Das klingt im ersten Moment wie ein simpler Satz. In unserem Alltag, in der<br />

Suche nach Glück <strong>und</strong> zur Vermeidung des Leides gleiten wir durch unsere<br />

Konditionierungen, unsere vormontierten Prägungen ganz schnell in die Irre<br />

hinein.<br />

Um es an einem Beispiel direkt <strong>und</strong> klar zu beschreiben:<br />

Aus meinem persönlichen Umfeld erlebe ich die Neigung, Tantra mit der<br />

Suche nach einem Partner zu verwechseln, der dann für mich alles „gut“<br />

macht. Für solche Partnerschaft (aus der Konditionierung nicht alleine zu sein<br />

oder nicht vor den Eltern bloßgestellt als Beziehungsversager zu stehen)<br />

verkaufe <strong>und</strong> verrate ich alles. Mein Sehnen nach Befreiung, mein Sehnen<br />

nach bereichernder Sexualität, mein Sehnen nach Stille im Herzen, mein<br />

Sehnen nach persönlichem Wachstum verhökere ich im Laufe des Lebens<br />

irgendwann für Trips, die zerbrechen. Die Werbung spitzt diese Trips in<br />

„Mein Haus, mein Job, meine Firma, mein Auto, meine Frau“ nur zu; aber<br />

diese Orientierung, die unsere Seele an der materiellen Welt verkleistern<br />

lässt, sorgt oft für Unbewusstheit <strong>und</strong> Verdrängung. Erst durch äußere<br />

Umstände <strong>und</strong> Krisen, wird der Geist wieder wach <strong>und</strong> frisch <strong>und</strong> wird für<br />

Momente in eine Bardo Lücke geworfen, in der Inspiration <strong>und</strong> Befreiung<br />

möglich ist.<br />

Tantra strebt die Befreiung, das Gewahrsein <strong>und</strong> die Erfüllung in jedem<br />

Moment an.<br />

Der Raum ist weit <strong>und</strong> offen, bevor er sich in der Trägheit der<br />

Konditionierung wieder verschließt.<br />

Katastrophen, persönliche <strong>und</strong> globale sind Ohrfeigen der Existenz um unser<br />

Herz zu öffnen <strong>und</strong> Mitgefühl zu erfahren. Sie schneiden die <strong>Bardos</strong> in<br />

Stücke, so wie Gewahrsein dies jeden Moment tun kann.


Bardo der Träume ( des Traumzustandes )<br />

So mir nun der Bardo der Träume aufgeht, will<br />

ich den leichengleichen Schlaf achtloser<br />

Unbewusstheit aufgeben, <strong>und</strong> meine Gedanken in<br />

ihren natürlichen Zustand ohne Ablenkungen<br />

übergehen lassen:; die Träume kontrollierend<br />

<strong>und</strong> in den Glanz verwandelnd, will ich nicht<br />

schlafen wie ein Tier, sondern will Schlaf <strong>und</strong><br />

Übung ganz eins werden lassen.<br />

Meditation im Schlaf <strong>und</strong> im Traum, geht das?<br />

Es gibt eine Fülle von Übungen, die uns helfen, dieses Bardo, diesen<br />

Zwischenraum zu erk<strong>und</strong>en.<br />

Eine Erk<strong>und</strong>ungsmöglichkeiten ist das (im Westen sogenannte) luzide<br />

Träumen, eine weitere der Traumyoga.<br />

Ich will mich hier an dieser Stelle ausführlicher mit der Thematik des<br />

Traumyoga befassen. da tantrische Praxis in Traum <strong>und</strong> Schlaf für die<br />

Entwicklung großartige Chancen bietet..<br />

Zuerst wollen wir uns kurz mit den westlichen Vorstellungen zum luziden<br />

Träumen beschäftigen, das auch ein Teil des Traumyoga ist:<br />

I. Klarträumen<br />

Klarträumen, die Fähigkeit mit vollem Bewusstsein seine Traumwelt zu<br />

bereisen, ist nahezu allen Kulturen vertraut. Auch im Westen, bei den<br />

Druiden, Kelten <strong>und</strong> Urchristen, im alten Rom <strong>und</strong> bei den Griechen waren es<br />

noch bekannt <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> seiner heilenden Kraft geschätzt, die selbst<br />

Augustinus noch pries. Leider haben Inquisition <strong>und</strong> Aufklärung ganze Arbeit<br />

geleistet <strong>und</strong> den modernen Mensch des natürlichen Zugangs zu den<br />

unterstützenden Quellen seines Innenlebens beraubt. Man soll lieber zum<br />

Priester, Psychiater <strong>und</strong> Therapeuten gehen, um den Frieden zu finden, der<br />

uns als Kind so vertraut war - <strong>und</strong> wieder möglichst angepasst zu<br />

funktionieren.


Die Betonung des Klarträumens darf jedoch nicht dazu führen, dass man die<br />

Lösung seiner Probleme <strong>und</strong> auch seine Erfüllungen nur noch im Traum<br />

sucht. Es geht eher um die Entwicklung einer konstanten inneren Haltung,<br />

die sich dem zuwendet, was gerade ansteht - mal im Wachen, mal im Traum.<br />

„Alles ist Illusion“ wird leicht zur Lebenslüge, wenn sie vom Kopf vereinnahmt<br />

wird, ohne die entsprechende Erfahrung gemacht zu haben, aus der diese<br />

Aussage wurzelt. Eine tragische Folge dieses Missverständnisses ist, das man<br />

die Welt nicht mehr an sich rankommen lässt, da „ja eh alles nur unwirklich<br />

ist.“. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn wir uns der Einheit öffnen, können wir<br />

zur Flöte werden, auf der die Existenz ihre Melodien spielt - mal beschwingt,<br />

mal müde, traurig, zornig, lustig oder liebend – ohne<br />

Vollkommenheitsanspruch. Nichts muss gehalten werden - alles darf sein,<br />

wie es ist <strong>und</strong> sich so wieder in die Leere auflösen. Auf diese Art entsteht<br />

tiefste Beteiligung, Berührtsein vom Leben ohne Widerstand. Wahres<br />

Menschsein durch Ruhen im ewigen Geistraum - <strong>und</strong> darin ein zart-wildes,<br />

anmutiges Lied, das wenig Widerholungen braucht <strong>und</strong> uns immer wieder<br />

selbst verblüfft.<br />

Hüten Sie sich vor dem Fluchtversuch unseres Kopfes, wenn er sagt: “Alles<br />

nur Illusion!“<br />

Aus einem geöffnetem Dritten Auge mögen wir die Gnade eines jeden<br />

Augenblicks erkennen, aber unser Herz wird auch im Erwachen weiterbluten,<br />

wenn Kinder verhungern, Fre<strong>und</strong>e sterben, die Welt aus Blindheit zerstört<br />

wird <strong>und</strong> wir nichts, aber auch gar nichts dagegen tun können - außer<br />

kleinen Gesten des Helfens, die ihre besondere Kostbarkeit haben.


Klarträumen - eine Einführung<br />

Der Klartraum (auch luzider Traum genannt) ist ein gewöhnlicher Traum, in<br />

dem das abstrahierende Bewusstsein geweckt wurde <strong>und</strong> der Träumer volle<br />

Kontrolle über seine Entscheidungsfreiheit während des Traumgeschehens<br />

hat. Im Gegensatz zu gewöhnlichem Träumen ist sich der Träumer jedoch<br />

voll über die Natur des Bewusstseinszustandes im Klaren. Ihm ist bewusst,<br />

dass all seine Wahrnehmungen, obwohl sie nahezu h<strong>und</strong>ertprozentig der<br />

Wirklichkeit entsprechen, nur aus der Kraft seiner Vorstellungskraft <strong>und</strong><br />

Erinnerung geschaffen werden.<br />

Im Gegensatz jedoch zu üblichen Phantasiegebilden wie etwa Tagträumen<br />

besitzen die Klartraumlandschaften <strong>und</strong> -gestalten eine vom Willen relative<br />

Unabhängigkeit <strong>und</strong> Stabilität, die nur von sehr geübten Klarträumern<br />

beliebig verändert werden kann.<br />

Der Klartraum hat nichts mit okkulten <strong>und</strong> spiritistischen Vorstellungen zu<br />

tun, in deren Nähe er gelegentlich gerückt wird. Er führt wie unzählige<br />

Untersuchungen <strong>und</strong> Selbstversuche zeigen zu keinen<br />

Persönlichkeitsspaltungen oder -störungen irgendwelcher Art, auch nicht<br />

zum Verhaftetsein in der Traumwelt oder zur Distanzierung vom<br />

Alltagsgeschehen. Im Gegenteil: Er kann die Aufarbeitung von Konflikten<br />

ermöglichen <strong>und</strong> unterstützt den Träumer positiv in seinem Wohlbefinden,<br />

denn man hat im luziden Traum die Fähigkeit, besonders belastende<br />

Traumhandlungen zu steuern, vor allem Angstträume.<br />

In den letzten zwei Jahrzehnten ist im Westen ein besonderes Interesse an<br />

der Fähigkeit, Träume bewusst zu erleben, gewachsen, die man weithin als<br />

Klarträumen oder luzides Träumen bezeichnet. Geweckt wurde es u. a. durch<br />

die Bücher Carlos Castanedas, die zunehmende Verbreitung des tibetischen<br />

Traumyoga im Westen <strong>und</strong> nicht zuletzt durch die Pionierarbeit von<br />

akademischen Klartraumforschern wie Stephen LaBerge, Paul Tholey, Jane<br />

Gackenbach oder Celia Green. In Deutschland kam es Ende der ´80er zu<br />

einem wahren Klartraumboom durch das Erscheinen der Neo-Klassiker<br />

"Schöpferisch Träumen" von Paul Tholey <strong>und</strong> Kaleb Utecht sowie "Lucid<br />

dreaming" (Hellwach im Traum) von Stephen LaBerge, der jedoch bald wieder<br />

abflaute. Seit meiner Jugend selbst spontaner Klarträumer habe ich die<br />

Entwicklung dieser neuen "Traumkultur" aufmerksam verfolgt <strong>und</strong> den<br />

Werdegang einer größeren Anzahl beginnender wie erfahrener Klarträumer<br />

beobachten dürfen.


Leider steht die Anzahl der erfolgreichen zu den sporadischen Klarträumern<br />

in einem krassen Missverhältnis - <strong>und</strong> nicht einmal alle der routinierten<br />

Klarträumer scheinen merklich davon zu profitieren. Es stellte sich für viele<br />

hoffnungsvolle Onaeronauten (Klarträumer) heraus, dass diese Fähigkeit<br />

doch nicht "mal so eben nebenbei" zu erlernen ist, wie es die zur Euphorie<br />

neigende westliche Klartraumliteratur suggerierte. Nach vielen persönlichen<br />

Gesprächen, Internetkontakten <strong>und</strong> dem Lesen gängiger Erfahrungsberichte<br />

komme ich zu dem Schluss, dass die meisten angehenden Klarträumer an<br />

den immer gleichen Hürden scheitern <strong>und</strong> ab einem bestimmten Zeitpunkt<br />

entmutigt aufgeben.<br />

Gerade im Klarträumen besteht immer die Gefahr, dass sehr alte Techniken,<br />

die in den meisten Kulturen in einem umfassenden Entwicklungsweg<br />

eingebettet sind, für die Erreichung von isolierten Zielen wie Geld, Erfolg,<br />

Ansehen, Sex, Ges<strong>und</strong>heit etc. benutzt werden.<br />

Statt die Fassade des modernen Lebens einmal nachhaltig in Frage zu stellen,<br />

wird die Funktionalität unserer Gesellschaft allzu leicht bis in die sensiblen<br />

Räume unseres Innenlebens getragen. So ist das Ideal der modernen<br />

Selbsterfahrungsszene der durchtherapierte Mensch, äußerlich ges<strong>und</strong>,<br />

schön, frisch, entspannt <strong>und</strong> gelassen, energievoll, kreativ, kommunikativ,<br />

intelligent, vielseitig, intuitiv, sensibel, ohne Angst vor dem Tod, spontan,<br />

offen, kontaktfreudig mit Tiefgang, problembewusst, tolerant aber nicht<br />

konfliktscheu. Unangenehme Seiten wie Schwäche, Zorn, Trauer, Alter oder<br />

Krankheit werden dem Zeitgeist folgend als zu überwindender Teil des<br />

Lebens begriffen <strong>und</strong> ausgeblendet. Man versucht solange im Traum mit<br />

seinem Willen an sich herumzubasteln, bis man diesen Idealen entspricht.<br />

Der Klarträumer geht als Herrscher, Macher, "programmierter" Programmierer<br />

in seine Innenwelt <strong>und</strong> bewegt sich doch nur innerhalb seiner engen<br />

mentalen Begrenzungen - innerhalb der "Form" <strong>und</strong> seines Ichs - ohne zu<br />

akzeptieren, dass sich freudvolle wie leidvolle Erfahrungen phasenweise in<br />

unserem Leben abwechseln.<br />

Eine Klartraumarbeit, die nur zur Verbesserung bestimmter Fähigkeiten<br />

dient, damit man in Arbeitsprozessen besser funktioniert, kann in meinen<br />

Augen leicht zu einer "Vergewaltigung" unseres verletzlichen Innenlebens<br />

führen. Diese Meinung vertreten jedoch nicht alle Klarträumer, meines<br />

Wissens jedoch die meisten, welche sich zur Essenz ihres Wesens<br />

durchgearbeitet haben.


Die Entwicklung der zeitgenössischen Klartraumkultur könnte schleichend in<br />

eine Richtung gehen, sich als "hippes" Instrument teurer Managertrainees zu<br />

etablieren <strong>und</strong> eine ähnliche Verflachung zu erleben wie vielerorts das<br />

moderne Zen.<br />

Wie anders sah es da in den Traditionen vergangener Traumkulturen aus.<br />

Unzählige Menschen gingen in die antiken Traumtempel der Griechen <strong>und</strong><br />

Römer, wenn sie Heilung <strong>und</strong> Rat aus ihren tiefsten Innenkräften erbaten,<br />

viele Stämme der nord- <strong>und</strong> südamerikanischen Ureinwohner arbeiteten mit<br />

Trauminkubation <strong>und</strong> nächtlicher Visionssuche. Aus jahrh<strong>und</strong>erterlanger<br />

Überlieferung <strong>und</strong> Übung gingen zuweilen sogar wahre Traumkulturen<br />

hervor, wie uns die Senoi, Aborigenies oder die geheimen Traumübungen des<br />

tibetischen Ati-Yoga zeigen - nur um einige von vielen Beispielen zu nennen.<br />

Ich kenne kaum einen Menschen, der das Klarträumen gewinnbringend in<br />

sein Leben integrieren konnte <strong>und</strong> es nicht aus einer gewissen Spiritualität<br />

heraus übte. So geht es auf diesen Seiten primär um die Erschließung Ihres<br />

spirituellen Potentials, wofür das Klarträumen eine tiefgreifende Hilfe sein<br />

kann <strong>und</strong> nicht um den Stand der aktuellen wissenschaftlichen<br />

Klartraumforschung.<br />

Kontinuierliches Üben aus der richtigen Haltung heraus führt immer zum<br />

Erfolg! Unbeschreibliches erwartet Sie in den Tiefen Ihres Wesens - fast<br />

sehnsüchtig wartend endlich entdeckt zu werden.<br />

Viel wichtiger als die Technik ist jedoch die innere Haltung <strong>und</strong> Motivation,<br />

aus der heraus Sie das Klarträumen erlernen wollen. Was versprechen Sie sich<br />

davon? Wie integrieren Sie das erworbene Wissen in Ihr Leben? Wollen Sie<br />

Kraft für ein reiches Leben schöpfen oder davor fliehen in eine abgehobene<br />

Traumwelt?<br />

Ihr wahres Potential ist das einer höheren Intelligenz, die sich nicht gerne aus<br />

rein selbstsüchtigen Motiven missbrauchen lässt. Aus unserer Mitte strömt<br />

permanent ein Verlangen nach Befreiung, Lebenslust, Anteilnahme <strong>und</strong><br />

bedingungsloser Liebe in unser System. Wenn wir uns diesem Strom öffnen,<br />

bekommen wir im Wachen wie im Träumen eine gewaltige innere<br />

Unterstützung - auch wenn manche Loslösungsprozesse sehr schmerzhaft<br />

sein können.


Wenn Sie sich also auf die Reise machen, sich selbst zu erkennen, ist es<br />

äußerst wichtig, das Fernziel der Befreiung nicht aus dem Sinn zu verlieren.<br />

Es ist Ihre Vision, die Ihnen im Wogen des fordernden Alltags Richtung gibt.<br />

Die Kraft zum Handeln sollten Sie jedoch aus Ihrem momentanen Empfinden<br />

ziehen. Manch einem, der nur auf "die letzte Wahrheit" ausgerichtet war <strong>und</strong><br />

an seinen gegenwärtigen Bedürfnissen vorbei lebte, ging allzu schnell die<br />

Puste aus. Man kann das große Ruhen nicht erzwingen! Es passiert<br />

irgendwann - dem Unendlichen entlockt durch Ihre tägliche Gegenwärtigkeit.<br />

So empfehle ich für den Anfang, mit genau den Themen das<br />

Klartraumbewusstsein zu suchen, die sie gerade bewegen, ohne die große<br />

Vision im Detail zu verlieren.<br />

Mit zunehmender Vertrautheit des luziden Träumens <strong>und</strong> Ihrer inneren<br />

Führung werden Sie sich in Ihrem ureigenen Tempo größeren Horizonten<br />

öffnen. Ob Jahre oder Jahrzehnte - was soll´s? Der zeitgenössische<br />

Erleuchtungsstress muss hier nicht auch noch unterstützt werden!<br />

Auch die Anzahl der luziden Träume pro Woche sollten Sie nicht unbedingt<br />

als Messlatte Ihres Erfolges werten. Es mag Phasen geben, in denen Sie<br />

allnächtlich im Traum klar sind <strong>und</strong> andere, in denen Sie wochenlang ganz<br />

normal träumen. Das ist völlig in Ordnung - auch das Klartraumbewusstsein<br />

folgt einer natürlichen Harmonie. Bis zu einem gewissen Stand unserer<br />

Entwicklung sind wir mal mehr vom Alltag in Beschlag genommen, zu einer<br />

anderen Zeit haben wir mehr Ressourcen für unser Innenleben. Es kommt auf<br />

Ihr Gesamtbefinden <strong>und</strong> das kontinuierliche Wachstum an. Verfallen Sie nicht<br />

in Erfolgsstress <strong>und</strong> übertriebene Erwartungen. Phasen, wo nichts<br />

weiterzugehen scheint, sind nur der unsichtbare Anlauf für den nächsten<br />

Sprung.


Die individuellen Antriebe luzid zu träumen können mannigfaltig sein. Ich<br />

habe die folgenden Beispiele in die Bereiche Lebenshilfe <strong>und</strong> Transzendenz<br />

gegliedert - eine rein didaktische Trennung, die es natürlich so nicht gibt.<br />

Sehr oft ist unser Leben von Stress, körperlichen Unausgewogenheiten,<br />

unerfüllten Wünschen <strong>und</strong> seelischen Verletzungen noch derart geprägt, dass<br />

eine langsame Auflösung dieser Blockaden durch die Methode der reinen<br />

Achtsamkeit die meisten Menschen überfordert.<br />

Die "großen Beuger", welche das Leben vergällen, müssen erst abgearbeitet<br />

werden. Der moderne Lebensstil lässt zuviel Müll in unserem System<br />

anhäufen, so dass die genialen Methoden tradierter Erleuchtungsschulen<br />

meist noch nicht greifen, bevor ein wenig (selbst-)therapeutische Arbeit<br />

geleistet wurde. Ein Erkennen unseres Urgr<strong>und</strong>es kann uns im Leben<br />

widerfahren oder - bei entsprechender Vorbereitung - im Moment unseres<br />

Todes. Wenn wir uns dem Transzendenten zuwenden, hören wir in gewisser<br />

Weise auf, unsere Persönlichkeit mit dem Willen zu manipulieren <strong>und</strong><br />

entwickeln eine kontemplative Lebenshaltung, sowohl im Wachen wie im<br />

Träumen. Das ist ein anderer Ansatz, dem jedoch oft eine Phase der<br />

"Lebenshilfe" vorausgegangen ist.


Hier ein paar Möglichkeiten:<br />

LEBENSHILFE:<br />

- Psychische Verletzungen: (Ich schreibe hier ausdrücklich nicht Krankheit,<br />

denn wenn Sie psychisch krank im Sinne einer schweren Depression oder<br />

Psychose sind, bedürfen Sie professioneller Hilfe <strong>und</strong> sollten besser nicht<br />

alleine das Klarträumen üben)<br />

Von Kindheit an erleben fast alle Menschen eine Vielzahl an seelischen<br />

Verletzungen, die oft aus dem Unbewussten wirken <strong>und</strong> das Leben<br />

erschweren. Der Heilungsstrom aus unserer Seele kann diese Blockaden<br />

auflösen - es braucht nicht immer einen Therapeuten dazu. Der Wunsch nach<br />

seelischer Selbstheilung ist eine der stärksten Antriebskräfte, um in tiefere<br />

Bereiche des Inneren zu gelangen. Bitten Sie um Hilfe - für sich selbst zum<br />

Wohle aller - <strong>und</strong> beschenken Sie Ihre tiefste Kraft mit dem Maß Ihrer<br />

Achtsamkeit.<br />

- Alpträume: Sollten Sie von Alpträumen geplagt werden, gibt es meiner<br />

Ansicht nach keine effektivere Methode, diese zu beenden als den Klartraum.<br />

Fragen Sie im Traum jene Kraft, die Sie bedroht, was sie Ihnen sagen will <strong>und</strong><br />

verwandeln Sie sie in eine helfende Kraft. Seitdem ich in meiner Jugend<br />

lernte, mich bewusst meinen nächtlichen Dämonen zu stellen, hatte ich nie<br />

wieder Alpträume. Eine mächtige Motivation!<br />

- Physische Krankheit: Das Gleiche gilt (eingeschränkt) für Krankheiten. Viele<br />

Krankheiten werden durch seelische Konflikte ausgelöst oder begünstigt. In<br />

den Tiefen unseres Klartraumes können wir wertvolle Erkenntnisse gewinnen,<br />

wie wir Verletzungen in uns heilen können, <strong>und</strong> positiv unseren<br />

Krankheitsverlauf beeinflussen - oder das Leiden annehmen. Nicht alles ist<br />

im Traum heilbar! Ziehen Sie genau aus dieser Sehnsucht nach Heilung die<br />

Kraft, wach <strong>und</strong> achtsam genug zu sein, um im Traum luzid zu werden <strong>und</strong><br />

Ihre innere Führung direkt zu befragen.<br />

- Entscheidungshilfen: Wenn Sie um eine wichtige Entscheidung zu Themen<br />

ringen, die möglicherweise Ihr Leben für viele Jahre prägen werden (wie ein<br />

erfüllender Beruf, Familienplanung, etwaige Auswanderung oder das<br />

Einlassen auf einen bestimmten spirituellen Weg) könnte die bohrende Kraft<br />

Ihrer Ungewissheit Ihnen die Ausdauer geben, das Klartraumbewusstsein zu<br />

erlangen <strong>und</strong> dort Inspiration <strong>und</strong> Rat zu erhalten.


- Beziehungsfragen: Gerade Beziehungsprobleme gehören zu den größten<br />

Hemmnissen (<strong>und</strong> Katapulten) in unserer inneren Entwicklung. Ziehen Sie aus<br />

dem Wunsch nach Klärung ihre Beharrlichkeit des Übens.<br />

- Koordinationsfähigkeit: Wenn Sie Künstler oder Sportler sind <strong>und</strong> auf Ihrem<br />

Gebiet eine Meisterschaft erlangen wollen, kann der Klartraum Ihnen helfen,<br />

ins "reine Tun" zu gelangen <strong>und</strong> von dort ein Maximum Ihres Potentials zu<br />

entwickeln. Einen ähnlichen Weg haben auch die japanischen Zen-Künste<br />

beschritten, indem die jeweilige Fertigkeit zum Weg <strong>und</strong> Spiegel des inneren<br />

Fortschritts erhoben wurde.<br />

TRANSZENDENZ:<br />

- Sterbevorbereitung: Vor allem das tibetische <strong>und</strong> tantrische Traumyoga<br />

sprechen die Möglichkeit an, sich im Übergangsprozess des Todes „befreien“.<br />

Ein geübtes Klartraumbewusstsein kann Ihnen dabei helfen. Die <strong>Bardos</strong> des<br />

Nachtodeszustandes sind den Schlaf- <strong>und</strong> Traumphasen recht ähnlich <strong>und</strong><br />

können als solche leichter erkannt werden, was eine weitere Inkarnation nicht<br />

nötig macht - es sei denn, Sie wollen dies. Der Tod kann ein mächtiger<br />

Verbündeter sein, wenn wir gelernt haben, den "kleinen Tod" des Schlafes zu<br />

meistern. Hier kommt dem sogenannten Schlafyoga eine besondere<br />

Bedeutung zu, welches ein Bewusstsein während der Tiefschlafphasen zu<br />

entwickeln sucht.<br />

- Erleuchtung: Wenn Sie erfüllt vom Leben sind <strong>und</strong> nichts bleibt als Ihre<br />

Sehnsucht nach Selbsterkenntnis oder Gott, ziehen Sie die Kraft des<br />

bewussten Träumens aus der Reinheit Ihrer Hingabe. Gehen Sie präsent <strong>und</strong><br />

ohne jeden Wunsch nach Formung durch Ihre Klarträume - <strong>und</strong> durch den<br />

Tag. Wenn die Zeit reif ist, werden Sie sich selbst transzendieren <strong>und</strong><br />

erkennen, was sie sind, immer waren <strong>und</strong> immer sein werden. Aus der<br />

Erkenntnis der Leere heraus wird alles Weg.<br />

Diese Aufzählung könnte noch endlos weiter geführt werden - die<br />

Begeisterung des Aufbruchs, der Ekel vor sich selbst, das Gefühl der Enge<br />

oder einer enttäuschten Liebe. All dies kann Ihr momentaner Motor sein. Ich<br />

wollte nur klarmachen, dass Sie mit dem arbeiten sollten, was Ihnen gerade<br />

von Herzen wichtig ist <strong>und</strong> sich nicht in Luftschlössern bewegen. Gerade das<br />

Lesen der endlosen spirituellen Literatur mag die Sehnsucht nach<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> Fähigkeiten wecken, die Sie momentan eher belasten<br />

könnten <strong>und</strong> welche nicht aus Ihrem Herzen kommt.


Ihre innere Führung richtet sich mehr nach dem, was Sie brauchen als nach<br />

Ihren oberflächlichen Wünschen. Mit zunehmender Klärung Ihres<br />

Innenlebens, mit wachsender Authentizität, Gegenwärtigkeit <strong>und</strong> Erdung<br />

werden sich höhere Einsichten zum richtigen Zeitpunkt in Ihrem Leben<br />

einstellen.<br />

2. Traditionelle Formen des Klartraums<br />

Das Aufkommen dieser Fähigkeit verschwindet im Dunkel archaischer Jäger<strong>und</strong><br />

Sammlergemeinschaften. Manche Klartraumpioniere vertreten sogar die<br />

Ansicht, dass das bewusste Träumen einmal die übliche Form des Träumens<br />

war, die mit dem Übergang von Jägern <strong>und</strong> Sammlern zu den<br />

Ackerbaukulturen langsam verloren ging. Noch heute findet man die<br />

Fähigkeit des bewußten Träumens bei zahlreichen Naturvölkern vor. Am<br />

bekanntesten <strong>und</strong> besten erforscht sind wohl dieTraumkulturen der<br />

Aboriginies in Australien, der Senoi-Indianer auf Malaysia <strong>und</strong> der Anhänger<br />

der Tibetischen Ati-Yoga Tradition. Aus dem Dzogchen (Ati-Yoga) ging die<br />

damit verb<strong>und</strong>ene Kunst des Traumyoga hervor, welche vielen als die am<br />

weitesten fortgeschrittene Traumtradition gilt.<br />

Mit Trauminkubation (<strong>und</strong> oft auch bewusstem Träumen) wird in nahezu<br />

allen Naturvölkern - vor allen in den schamanischen Traditionen - gearbeitet.<br />

Die Ureinwohner suchen im Traum Inspiration über ihre Rolle im Welten- <strong>und</strong><br />

Stammesgefüge, Fertigkeiten für die Jagd, Kontakt zu Hilfs- <strong>und</strong><br />

Schutzgeistern <strong>und</strong> Heilung.<br />

Ebenfalls findet man sie in den mannigfaltigen spirituellen Traditionen der<br />

Welt (z. B. tibetischer Buddhismus <strong>und</strong> Lamaismus, Taoismus,<br />

Yogatraditionen, westlicher Hermetik, griechischen Mysterienschulen,<br />

ägyptischen Hochkulturen, Sufismus, Rosenkreuzern, Anthroposophen etc. )<br />

In diesem Jahrh<strong>und</strong>ert wurde das Klarträumen ab den Sechzigerjahren von<br />

der Wissenschaft durch die Pioniere Stephen LaBerge (Stanfort University,<br />

Lucidity Institute) <strong>und</strong> Paul Tholey (J.W.G. Universität Frankfurt) systematisch<br />

erforscht <strong>und</strong> einer breiten Fachwelt zugänglich gemacht, wobei die<br />

Ergebnisse der OEB-Forscherin Celia Green (Oxford University) <strong>und</strong> der<br />

Kanadierin Jane Gackenbach ebenfalls zu erwähnen sind. Zuvor wurde die<br />

Existenz des Phänomens Klarträumen von einem Großteil der Traumforscher<br />

<strong>und</strong> Neurophysiologen nicht anerkannt, was sich jedoch mittlerweile<br />

geändert hat.


3. Kriterien eines Klartraums zur Abgrenzung von gewöhnlichen Träumen<br />

Der deutsche Pionier der Klartraumforschung Paul Tholey nennt sieben<br />

Kriterien, welche den Klartraum von einem gewöhnlichen Traum<br />

unterscheiden:<br />

1. Die Klarheit über den Bewusstseinszustand. Man weiß genau, ob man<br />

träumt oder wacht<br />

2. Die Klarheit über die persönliche Entscheidungsfreiheit. Man muss z. B.<br />

nicht mehr vor Alptraumfiguren fliehen, sondern kann sich für etwas ganz<br />

anderes entscheiden<br />

3. Die Klarheit des Bewusstseins. Es gibt keine traumtypische Verwirrung<br />

oder Bewusstseinstrübung.<br />

4. Die Klarheit der Sinneswahrnehmungen. Man riecht, schmeckt, hört, sieht<br />

<strong>und</strong> fühlt wie im Wachleben.<br />

5. Die Klarheit über das Wachleben. Man weiß, wer man ist, was man am<br />

vergangenen Tag über getan hat, <strong>und</strong> sogar, was an sich für diesen Traum<br />

vorgenommen hat.<br />

6. Die Klarheit der Traumerinnerung. Die normalen Gedächtnisfunktionen<br />

arbeiten ebenso gut, wie man das aus dem Wachleben gewohnt ist, in dem<br />

man sich ja auch an Träume <strong>und</strong> eben besonders gut an Klarträume erinnert.<br />

7. Die Klarheit darüber, was der Traum symbolisiert. Das tiefe Verständnis<br />

der Symbolik des Traumes durch den konstruktiven Umgang mit<br />

Traumfiguren kann z. B. die Wiedereinordnung abgespaltener oder<br />

verdrängter Gr<strong>und</strong>bedürfnisse in die Persönlichkeit, die sogenannte<br />

Reintegration.


4. Westlicher <strong>und</strong> östlicher Traumyoga<br />

Die Essenz des tibetischen Traumyoga oder der Advaita Vedanta enthält alles<br />

an Weisheit, die man als Mensch erlangen kann.<br />

Zu der Essenz könnte man sagen, dass wir uns im Letzten als der ewige<br />

Raum erkennen können, in dem sich die Existenz selbstbedingend abspielt.<br />

Einem vereinfachten Bild folgend könnten wir uns als sich selbst belebten<br />

Raum sehen, in dem die Kugeln (unsere Gedanken, Wünsche, Abneigungen,<br />

Empfindungen, Gefühle etc. – die buddhistischen Anhäufungen)<br />

umherfliegen. Einmal angestoßen haben diese lediglich eine gewisse<br />

Schwungkraft <strong>und</strong> existieren interessanterweise nur, solange sie in Bewegung<br />

sind. Je mehr Bewegung innerhalb des Raumes ist, umso mehr identifizieren<br />

wir uns mit den Kugeln <strong>und</strong> vergessen, das wir eigentlich dieser ewige, alles<br />

durchdringende Raum sind - Tibeter sprechen hier vom „Klaren Licht“. In<br />

Bewegung hält die Kugeln unsere Bewertung, Ablehnung <strong>und</strong> Zuneigung zu<br />

ihnen. Achtsames Wahrnehmen, ohne darauf einzusteigen, lässt sie anhalten<br />

<strong>und</strong> sich auflösen (transzendenter Ansatz). Am Anfang können wir den<br />

"Raum" nur wahrnehmen, wenn dort Stille eingekehrt ist, z. B. in der<br />

Kontemplation. Mit wachsendem Fortschritt behalten wir das Gewahrsein des<br />

Raumes jedoch auch, wenn sich innerhalb von ihm Bewegung abspielt.<br />

Bei genauerer Betrachtung fällt uns auf, dass zwei verschiedene Arten von<br />

Kugeln "herumfliegen". Solche, die spontan aus dem Nichts entstehen<br />

(Intuition) <strong>und</strong> solche, die vielleicht einmal Intuition waren, durch unser<br />

Festhalten jedoch unnötig lange am Leben gehalten wurden - <strong>und</strong> nun unser<br />

spontanes Selbst durch Gewohnheit <strong>und</strong> reaktives Verhalten (auch Karma<br />

genannt) umwölken. Manchmal ist die Bewegung jedoch so groß, dass wir<br />

uns vornehmlich einzelnen, besonders heftig rotierenden Kugeln zuwenden<br />

müssen (Ansatz der Lebenshilfe). Erst ein gewisses Maß an innerer<br />

Ausgewogenheit ermöglicht es, nur noch mit einer bestimmten Haltung der<br />

Achtsamkeit zu arbeiten, die unser System nachhaltig klärt <strong>und</strong> das "große<br />

Loslassen" ermöglicht.<br />

Klarträumen hat übrigens gegenüber Trancereisen den großen Vorteil, dass<br />

es für Praktizierende von Achtsamkeitsmeditationen wesentlich leichter zu<br />

lernen ist als Trance. Es ist ein selten erwähntes Phänomen, dass mit<br />

steigender Bewusstheit, die Trancefähigkeit nachlässt! Klarträumen bietet<br />

hier einen anderen Zugang, das Unterbewusstsein zu bereisen.


Sieht man von den spontanen Klarträumen ab, haben alle folgenden<br />

Techniken etwas gemeinsam: Sie erfordern eine hohe Disziplin <strong>und</strong> einen<br />

gewissen Zeitaufwand, wenn sie zum Erfolg führen sollen. Es gibt manch<br />

einen talentierten Klarträumer, der mit nur sehr wenig Aufwand mühelos<br />

luzid träumt oder Traumgruppen <strong>und</strong> spirituelle Gemeinschaften, die ihre<br />

Mitglieder erfolgreich stark motivieren. Durch die Bücher von Tholey/Utrecht<br />

<strong>und</strong> LaBerge ist jedoch der Eindruck entstanden, das Klarträumen wäre<br />

sozusagen mit links zu erlernen <strong>und</strong> viele angehende Psychonauten mussten<br />

dadurch enttäuschende Erfahrungen machen.<br />

Ich würde sagen, dass das Klarträumen (im Bereich Lebenshilfe) vom<br />

Aufwand in etwa dem Erlernen eines Instrumentes bis zur Orchesterreife<br />

entspricht. D. h. wenn Sie vom Klarträumen profitieren wollen, sollten sie<br />

täglich mindestens eine St<strong>und</strong>e(über den Tag verteilt) für die Übung<br />

einplanen, sonst bekommen sie nur schwer Zugang.<br />

Unter klassischen Techniken verstehe ich die dem Westen angepassten<br />

Methoden, die vor allem Paul Tholey <strong>und</strong> Stephen LaBerge entwickelt haben.<br />

Sie besitzen den Vorteil, dass sie (kontinuierlich geübt) relativ schnell zu<br />

soliden Ergebnissen führen - wenn die alles entscheidende Motivation<br />

stimmt!!!! Ich habe sie hier aufgeführt, weil sie im Bereich der Lebenshilfe zu<br />

besseren Resultaten führen mögen als etwa die alten Techniken des<br />

tibetischen Traumyogas. Mittlerweile halte ich die Gr<strong>und</strong>züge dieser<br />

Jahrtausende alten Tradition den Ergebnissen weniger Jahrzehnte westlicher<br />

Traumforschung an Tiefe <strong>und</strong> Erfahrung für weit überlegen. Trotzdem soll<br />

dies die geniale Leistung von Tholey <strong>und</strong> LaBerge nicht schmälern. Ihre<br />

Herangehensweise ist für viele Menschen unserer Kultur sicherlich der<br />

bessere Einstieg. Ich selbst brauchte fast 16 Jahre Traumkunst <strong>und</strong> einen<br />

wirklichen inneren Durchbruch, um die Genialität des Dzogchen zu<br />

begreifen!


Einführung<br />

Sollten Sie spirituell mit dem Klarträumen arbeiten wollen, gibt es sehr<br />

verschiedene Vorgehensweisen. Manche betonen ein tugendhafte oder<br />

asketische Lebensführung, andere arbeiten mit fortgeschrittenen<br />

Visualisationen bestimmter Gottformen, um mit ihnen später zu<br />

verschmelzen, oder der Chakren <strong>und</strong> feinstofflichen Energiebahnen, um diese<br />

auszubalancieren. Andere Traditionen wiederum arbeiten mit reiner<br />

Achtsamkeit <strong>und</strong> Gewahrsein – hier gibt es körperbetonte oder rein geistige<br />

Wege. Ich habe lange Jahre mit den feinstofflichen Energiezentren (Chakren)<br />

gearbeitet <strong>und</strong> kam erst spät zum Dzogchen bzw. einer Übungsmethode,<br />

welche dem tibetischen Dzogchen aber auch Zen sehr ähnelt. Besonders in<br />

tiefen Phasen einer kontemplativen Schau konnte ich sehr klar sehen, dass es<br />

allein unsere Aufmerksamkeit ist, welches unsere Welt aufrecht erhält <strong>und</strong><br />

bestimmt. Die tibetische Technik des „Spontanen Befreien der Gedanken <strong>und</strong><br />

Emotionen in der Leere durch Nicht-Festhalten“ ist im Gr<strong>und</strong>e keine<br />

Methode, sondern eine spontan aus dem Zustand der Erkenntnis entstehende<br />

Haltung. Bis dahin kann es jedoch ein weiter Weg sein – es ist schwer, mit<br />

allein mit dieser Einsicht zu arbeiten, wenn unser wahres Wesen noch zu<br />

umwölkt ist.


Deshalb gibt es zwei verschiedene Wege zum Klarträumen:<br />

- Der eine führt eher indirekt zum Klartraum <strong>und</strong> ist vor allem<br />

Fortgeschrittenen auf dem inneren Weg zu empfehlen. Hier ergibt sich die<br />

Klarheit im Traum (<strong>und</strong> schließlich auch im Tiefschlaf) aus der steigenden<br />

Intensität unser täglichen Gegenwärtigkeit. Je weniger wir uns am Tag in<br />

Zukunft, Vergangenheit <strong>und</strong> Phantasiegebilden aufhalten, desto präsenter<br />

werden wir im Traum <strong>und</strong> entwickeln eine steigende Klarheit, wenn wir nur<br />

ein wenig Bewusstheit darauf verwenden. Diese Techniken sind Bestandteil<br />

der Sommergruppe <strong>und</strong> des Jahrestrainings.<br />

- Der andere arbeitet direkt mit der Erlangung der Traumbewusstheit <strong>und</strong><br />

einer höheren Frequenz von Klarträumen. Wenn unser Tag jedoch noch sehr<br />

unbewusst verläuft, bedarf es einer sehr hohen Motivation <strong>und</strong> der richtigen<br />

Technik, um ein kontinuierliches Klarträumen zu erreichen. Lange Zeit kann<br />

es so sein, dass es Phasen gibt, in denen Sie sehr viel <strong>und</strong> hochmotiviert<br />

üben <strong>und</strong> entsprechend viele Klarträume haben. Dann wiederum mag Sie das<br />

Leben voll in seinen Bann schlagen <strong>und</strong> so beschäftigen, dass für eine<br />

Bewusstseinarbeit wenig Raum bleibt. Darum meine wiederholte Empfehlung,<br />

sich die Intention aus dem zu holen, was Sie gerade am meisten bewegt.<br />

Wenn es uns wirklich wichtig ist, werden wir üben. Ist es nur eine flüchtige<br />

Kopfgeburt behält der Schlaf überhand!<br />

Hierbei geht es um eine „Bereisung“ unseres Unter- bzw. Überbewusstseins,<br />

um uns zu heilen, zu klären <strong>und</strong> Inspirationen zu empfangen. Innere Helfer<br />

oder Ihr höheres Selbst (eine Eigenkreation!) mögen Ihnen in personifizierter<br />

Form begegnen. Ich habe lange vertrauensvoll mit diesen Kräften gearbeitet<br />

<strong>und</strong> bin dann den nächsten Schritt gegangen, dass die Quelle aller Weisheit<br />

in meinem tiefsten Wesen liegt – in abstrakter Form einer direkten Schau.


Die Technik nach Tholey:<br />

Der Klartraumpionier Paul Tholey ging von der Beobachtung aus, dass wir in<br />

der Nacht von dem träumen, was uns am Tag beschäftigt. Folglich bemühte<br />

er sich am Tag eine Art von kritischem Realitätsbewusstsein zu entwickeln,<br />

bei dem er sich zu vorher überlegten Anlässen automatisch fragte, ob er<br />

träumt oder nicht. Wird diese Verhaltensweise zu einer tiefen Gewohnheit,<br />

tritt sie mit der Zeit auch im Traum auf <strong>und</strong> kann zu einem Klartraum führen.<br />

Zu seinem ersten Klartraum schrieb er folgendes:<br />

"Am Anfang meines Psychologiestudiums hatte ich einige Behauptungen über<br />

Träume gehört, die mir unglaubwürdig erschienen. Es wurde unter anderem<br />

behauptet, dass man im Traum keine Farben sehe <strong>und</strong> dass die<br />

Traumszenerie außerhalb des Gesichtsfeldzentrums sehr unscharf erschiene.<br />

Da ich mich selbst an meine Träume nur sehr schlecht erinnern konnte, war<br />

es mir nicht möglich, diese Behauptungen anhand meiner eigenen Träume zu<br />

überprüfen. Ich kam zu der Ansicht, dass man die fraglichen Behauptungen<br />

am besten überprüfen könne, wenn man während des Träumens<br />

systematische Beobachtungen über die Traumerlebnisse anstellte. Um die<br />

Durchführung solcher Beobachtungen zu ermöglichen, war es notwendig,<br />

eine Methode zu finden, die es erlaubt, sich der Tatsache, dass man träumt,<br />

bewusst zu werden.<br />

Hierbei ließ ich mich von folgendem Gr<strong>und</strong>gedanken leiten: Entwickelt man<br />

bereits während des Wachzustands eine kritische Einstellung gegenüber<br />

seinem augenblicklichen Bewusstseinszustand, indem man sich die Frage<br />

stellt, ob man wacht oder träumt, so überträgt sich diese kritische Einstellung<br />

auch auf den Traumzustand. Aufgr<strong>und</strong> der Ungewöhnlichkeit der<br />

Traumerlebnisse kann man dann in der Regel erkennen, dass man träumt. Im<br />

einzelnen ging ich folgendermaßen vor: Ich stellte mir tagsüber mehrmals<br />

(etwa fünf- bis zehnmal) die kritische Frage, ob ich wachte oder träumte.<br />

Obwohl hierbei niemals der geringste Zweifel darüber aufkam, dass ich mich<br />

im Wachzustand befand, zwang ich mich dazu, sehr sorgsam zu überprüfen,<br />

ob irgend etwas Auffälliges zu erkennen war, das mir einen Hinweis dafür<br />

geben könnte, dass ich mich im Traumzustand befand. Diese Überprüfungen<br />

nahmen jeweils die Zeit von ein bis zwei Minuten in Anspruch.


Nach vier Wochen hatte ich den ersten Erfolg. Die kritische Frage nach dem<br />

Bewusstseinszustand tauchte während des Träumens auf, <strong>und</strong> ich konnte die<br />

Tatsache, dass ich träumte, daran erkennen, dass ich einer Person<br />

begegnete, von der ich wusste, dass sie verstorben war. Ansonsten konnte<br />

ich nichts Auffälliges entdecken. Ich befand mich mit anderen Personen in<br />

einer Wiesenlandschaft. Alles wirkte unglaublich echt. Ich konnte mich mit<br />

den Personen ganz "normal" unterhalten, konnte Blumen pflücken, ihren Duft<br />

riechen <strong>und</strong> Beliebiges anderes wie im Wachzustand tun. Es war - vor allem<br />

wegen der Echtheit des Traumkörper-Ichs <strong>und</strong> der Traumszenerie - ein<br />

äußerst eindrucksvolles Erlebnis..."<br />

Dieser Traum ist der Gr<strong>und</strong>stein der heute verwendeten Lerntechnik. Der<br />

zugr<strong>und</strong>eliegende Gedanke ist so einleuchtend, dass ihn jedermann<br />

nachvollziehen kann: Was mich im Wachleben beschäftigt, das beschäftigt<br />

mich auch im Traum. Also hat mein Traum-Ich sehr wahrscheinlich auch<br />

dieselben Gewohnheiten wie mein Wach-Ich. Auf dieser einfachen<br />

Überlegung baut die Gr<strong>und</strong>technik auf.<br />

(Paul Tholey in "Schöpferisch Träumen")


Tholey gibt folgende Empfehlungen zur Erlangung des<br />

Klartraumbewusstseins:<br />

1. Stellen Sie sich am Tag mindestens fünf- bis zehnmal die kritische Frage,<br />

ob Sie wachen oder träumen.<br />

2. Versuchen Sie dabei, sich intensiv vorzustellen, dass Sie sich im Traum<br />

befinden, dass also alles, was Sie wahrnehmen - einschließlich Ihres eigenen<br />

Körpers - bloß geträumt ist.<br />

3. Achten Sie bei der Überprüfung der kritischen Frage nicht nur darauf, was<br />

augenblicklich geschieht, sondern auch auf die unmittelbare <strong>und</strong> fernere<br />

Vergangenheit Stoßen Sie auf etwas Ungewöhnliches? Haben Sie gar<br />

Erinnerungslücken? Traumerlebnisse setzen in ihrer Handlung ja sehr<br />

plötzlich ein; vor Beginn der Handlung gibt es in der Regel kein Gestern,<br />

sondern eine Lücke. Nehmen Sie sich für diese Überprüfung eine knappe<br />

Minute Zeit!<br />

4. Stellen Sie sich die kritische Frage immer in Situationen, die auch für<br />

Träume charakteristisch sein könnten. Also immer, wenn etwas<br />

Überraschendes oder Unwahrscheinliches geschieht. Und immer, wenn Sie<br />

sich in einer extremen Gefühlssituation befinden... falls Sie dann noch Zeit,<br />

Gelegenheit oder Lust dazu haben.<br />

5. Besonders günstig ist es, wenn Sie Träume mit immer wiederkehrenden<br />

Inhalten haben. Erleben Sie im Traum häufig Gefühle von Peinlichkeit? Dann<br />

stellen Sie in allen peinlichen Situationen des Wachlebens die kritische Frage.<br />

Tauchen in Ihren Träumen vielleicht häufig H<strong>und</strong>e auf? Dann stellen Sie<br />

immer, wenn Sie tagsüber einem H<strong>und</strong> begegnen, die kritische Frage. Sollten<br />

Sie zu diesen Glücklichen gehören, dürfen Sie sich freuen. Wiederkehrende<br />

Trauminhalte sind schon die halbe Miete.<br />

6. Diese Regel betrifft ebenfalls wiederkehrende Trauminhalte, allerdings nur<br />

solche, die im Wachleben nicht oder nur selten auftreten, wie zum Beispiel<br />

Erlebnisse von Schweben oder Fliegen. Sollten Sie mit dieser Art von Träumen<br />

aktuelle Erfahrungen haben, dann sollten Sie schon im Wachzustand<br />

versuchen, sich intensiv in ein solches Erlebnis hineinzuversetzen. Diese<br />

Vorstellung muss zusätzlich mit dem Gedanken verb<strong>und</strong>en werden, dass man<br />

sich im Traum befindet.<br />

7. Schlafen sie mit dem Gedanken ein, dass Sie einen Klartraum haben<br />

werden. Das ist besonders dann sehr hilfreich, wenn Sie in der Nacht oder in<br />

den frühen Morgenst<strong>und</strong>en aufwachen <strong>und</strong> wissen, dass Sie wieder<br />

einschlafen werden.


Auch ein Nachmittagsnickerchen eignet sich hervorragend für diese Technik.<br />

Vermeiden Sie aber bei diesem Gedanken jegliche bewusste<br />

Willensanstrengung.<br />

8. Sollten Sie sich nur schlecht an Ihre gewöhnlichen Träume erinnern<br />

können (an Klarträume erinnert man sich immer klar!), benutzen Sie bitte<br />

eine der herkömmlichen Methoden zur Förderung der Traumerinnerung, wie<br />

sie in der neueren Traumliteratur geschildert werden<br />

9. Nehmen Sie sich vor, im Traum eine ganz bestimmte Handlung<br />

auszuführen. Für Klartraumanfänger hat sich die Wahl irgendeiner einfachen<br />

Bewegungshandlung als sehr geeignet erwiesen. (Zum Beispiel das Gehen<br />

durch eine Wand, das Heben eines schweren Gewichtes mit nur einer Hand.)<br />

10. Üben Sie regelmäßig, aber ohne Verbissenheit. Setzen Sie sich keine Frist,<br />

<strong>und</strong> bewahren Sie Geduld! Der erste Klartraum kommt bestimmt. (Aus<br />

„Schöpferisch Träumen“ von Paul Tholey & Kaleb Utrecht, S. 39/ 40)


Technik nach LaBerge:<br />

Neben einer sehr ähnlichen Technik entwickelte der amerikanische<br />

Klartraumforscher Stephen LaBerge einen anderen Weg, die sogenannte<br />

MILD-Technik. LaBerge spricht hierbei von Traumsymbolzielen, die er<br />

folgendermaßen kategorisiert:<br />

Bewusstheit - Sie, der Träumer, haben einen merkwürdigen Gedanken, eine<br />

starke Emotion, spüren eine ungewöhnliche Empfindung oder haben<br />

veränderte Wahrnehmungen. Es kann ein eigenartiger Gedanke sein, der nur<br />

in einem Traum vorkommen kann oder der die Traumwelt magisch<br />

beeinflusst. Die Emotion kann unangemessen oder unheimlich überwältigend<br />

sein. Empfindungen können das Gefühl von Lähmungen oder das Verlassen<br />

Ihres Körpers sowie ungewöhnliche physische Gefühle oder sexuelle<br />

Erregung beinhalten. Wahrnehmungen können ungewöhnlich klar oder<br />

verworren sein oder etwas im gewöhnlichen Leben Unmögliches darstellen.<br />

Aktion - Sie, der Traumcharakter oder ein "Traumding" (unbelebte Objekte<br />

<strong>und</strong> Tiere eingeschlossen) tun etwas, was im Wachleben ungewöhnlich oder<br />

unmöglich ist. Schlecht funktionierende Geräte sind ein gewöhnliches<br />

Beispiel dieser Kategorie.<br />

Form - Ihre Gestalt, die Gestalt eines Traumcharakters oder eines<br />

Traumobjekts, ist merkwürdig geformt, deformiert oder verwandelt sich auf<br />

unwahrscheinliche oder unmögliche Art <strong>und</strong> Weise. Auch der Ort, an dem Sie<br />

sich in Ihrem Traum befinden ("das Setting") mag andere Charakteristika<br />

haben, als er es in der Wachwelt hätte.<br />

Kontext - Der Ort oder die Situation, in der Sie sich im Traum befinden, ist<br />

fremdartig. Sie könnten irgendwo sein, wo Sie im Wachleben nicht wären,<br />

oder in eine merkwürdige soziale Situation verwickelt sein. Also könnten Sie<br />

oder ein anderer Traumcharakter eine Rolle spielen, die sich vom Wachleben<br />

unterscheiden mag. Es wäre möglich, daß Objekte oder Charaktere nicht am<br />

rechten Platz sind, oder der Traum in einer anderen Zeit, der Vergangenheit<br />

oder der Zukunft, stattfindet.<br />

(zitiert aus "A Course in Lucid Dreaming", S. 1.9)


Am besten, man schreibt sich für die folgende Woche jeden Tag am Morgen<br />

5 Traumzeichen auf, bei deren Auftreten im Alltag man automatisch die<br />

Realitätsprobe macht.<br />

Beispiele für Traumzeichen:<br />

- wenn sie wütend, traurig, überrascht über etwas werden<br />

- ein bestimmtes Nummernschild, eine Hausnummer sehen<br />

- einen Mann /Frau mit Hut sehen<br />

- ein Gebäude betreten/ verlassen<br />

- den Frühstückskaffee/Tee machen<br />

- ein gelbes Haus sehen<br />

- Sex haben<br />

- den Bus/ Zug zur Arbeit nehmen<br />

- irgendwo zu spät kommen<br />

Sie können sich z. B. auch auf bestimmte Gerüche, Töne, Empfindungen <strong>und</strong><br />

visuelle Eindrücke prägen <strong>und</strong> versuchen, diese in Ihren Traum zu<br />

"schmuggeln".<br />

Es gibt Tausende von möglichen Traumzeichen, die Sie individuell für sich<br />

aufstellen müssen <strong>und</strong> immer wieder gewechselt werden sollten, damit keine<br />

Abnutzung eintritt. Das Traumzeichen sollte zudem nicht zu oft <strong>und</strong> nicht zu<br />

selten in ihrem Alltag auftreten. Eine derartige Achtsamkeit <strong>und</strong> Bewusstheit<br />

in unserem temporeichen <strong>und</strong> reizdurchfluteten Alltag zu erreichen, kann zu<br />

einer großen Herausforderung für den angehenden Klarträumer werden. Nur<br />

nicht den Mut verlieren <strong>und</strong> dranbleiben - es lohnt sich wirklich! Vielleicht<br />

machen Sie einmal einen Urlaub mit gleichgesinnten Fre<strong>und</strong>en fern von<br />

unserem ablenkendem Tagesgeschehen, in dem eine Atmosphäre<br />

permanenter Erinnerung <strong>und</strong> Achtsamkeit erschaffen wird. Kreative Übung<br />

macht den Meister! (In Kürze werde ich auch gemeinsame Reisen <strong>und</strong><br />

Ausflüge anbieten, in denen ich versuche, genau so eine Atmosphäre der<br />

Achtsamkeit zu erschaffen <strong>und</strong> zu fördern.)


Die Milt Technik nach LaBerge<br />

Das Akronym MILD steht für Mnemotechnische Induktion von luziden<br />

Träumen (dreams). Ein Mnemo ist eine Gedächtnishilfe, <strong>und</strong> MILD ist eine<br />

Induktionstechnik des luziden Träumens, die auf der Erinnerung basiert. Wie<br />

Sie bereits gelesen haben, ist die Gr<strong>und</strong>lage der MILD-Technik die Praktik,<br />

sich daran zu erinnern, dass Sie erkennen wollen, ob Sie gerade träumen. Sie<br />

haben sich selbst mit verschiedenen Übungen über die letzten 5 Wochen<br />

hinweg vorbereitet, um erfolgreich mit MILD verfahren zu können. Und zwar,<br />

indem Sie Ihre Fähigkeit, zukünftig Dinge allein durch mentale Anstrengung<br />

(nicht durch geschriebene Notizen!) zu tun, verbesserten <strong>und</strong> Ihre<br />

Konzentrationsvermögen steigerten. Mit MILD zu operieren bedeutet harte<br />

Arbeit. Untersuchungen haben gezeigt, dass die MILD-Technik, eventuell das<br />

effektivste Instrument ist, um luzide Träume einzuleiten <strong>und</strong> dass sie die<br />

Ergebnisse großartig verbessert.<br />

Da MILD während der Nacht angewandt wird, ist sie sehr nützlich, um<br />

vielfache luzide Träume in einer Nacht zu produzieren. Jedes Mal, wenn Sie<br />

MILD gebrauchen, ist es Ihr Ziel, in Ihrem nächsten Traum luzide zu werden.<br />

Wenn Sie z.B. MILD vor jeder REM-Periode praktizieren, können Sie in vier<br />

oder fünf Träumen nach Belieben luzide werden; d.h., wann immer Sie<br />

wollen. Seien Sie sich jedoch darüber im Klaren, dass MILD Konzentration<br />

<strong>und</strong> Perioden der Wachheit während der Nacht erfordert, so dass sie am<br />

besten angewendet wird, wenn Sie extra Zeit zum Schlafen verfügbar haben.<br />

Die folgenden Schritte führen Sie durch MILD. Die Übung sollte von Ihnen<br />

zuerst gemacht werden, während Sie tagsüber wach sind, dann beim<br />

Zubettgehen. Und schließlich nachdem Sie von einem Traum in der Nacht<br />

erwacht sind. Dies erlaubt Ihnen, Ihre Geschicklichkeit im Umgang mit MILD<br />

aufzubauen, damit Sie wissen, was Sie tun, wenn es schließlich darum geht,<br />

dies zu praktizieren, wenn Sie mitten in der Nacht "groggy" sind.<br />

Anweisungen Beachten Sie: Machen Sie die Tages- <strong>und</strong> die "Bettzeit"-Praxis<br />

jede für sich an verschiedenen Tagen. Dann fahren Sie mit der nächtlichen<br />

Praxis fort <strong>und</strong> üben Sie diese mindestens fünf verschiedene Nächte lang aus.


Tages-Praxis<br />

1.) Einen Traum einprägen. Kurz nachdem Sie am Morgen erwacht sind <strong>und</strong><br />

Ihre nächtlichen Träume aufgezeichnet haben, wählen Sie einen aus, in dem<br />

Sie wirklich gerne luzide geworden wären. Erinnern Sie sich detailliert an ihn,<br />

so dass Sie sich selbst wieder in ihm visualisieren können. Wenn Sie Ihre<br />

Träume auswählen, um sich an jene für Schritt 1 zu erinnern, ist es das<br />

beste, sich einen Traum herauszunehmen, in dem ein Traumzeichen auftritt.<br />

Wenn Sie sich jedoch an keine guten Träume mit Hinweisen von der Nacht<br />

erinnern, verwenden Sie irgendeinen Traum aus der Nacht, den Sie mögen.<br />

Sie können einen Hinweis visualisieren, der während des entsprechenden<br />

Teils der Übung auftaucht.<br />

2.) Wählen Sie eine bestimmte Übungszeit. Nehmen Sie sich täglich 20<br />

Minuten Zeit, um die MILD-Technik zu praktizieren. Es sollte eine Zeit sein,<br />

in der Sie an einem ruhigen Ort alleine sein können, auf einem bequemen<br />

Stuhl. Wählen Sie sich einen Zeitpunkt aus, wo Sie wach <strong>und</strong> nicht schläfrig<br />

sind.<br />

3.) Setzen Sie sich hin <strong>und</strong> entspannen Sie sich. Setzen Sie sich zu Ihrer<br />

ausgewählten Zeit hin <strong>und</strong> entspannen Sie sich.


4.) Praktizieren Sie MILD:<br />

A. Rufen Sie sich Ihre Träume zurück. Rufen Sie sich mit geschlossenen<br />

Augen den Traum, an den Sie sich von heute morgen erinnern, zurück.<br />

Visualisieren Sie sich selbst in ihn hinein. Fühlen Sie, wie es war, in dem<br />

Traum zu sein, denken Sie an die Gedanken dieses Traumes, sehen Sie<br />

seinen Anblick, hören Sie seine Geräusche usw..<br />

B. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Absicht. Mit den Bildern, Geräuschen <strong>und</strong><br />

Gefühlen des Traumes innerlich vor Augen konzentrieren Sie sich auf den<br />

Gedanken: "Nächstes Mal, wenn ich träume, werde ich mich daran erinnern,<br />

zu erkennen, dass ich gerade träume." Erinnern Sie sich, wie es sich anfühlte,<br />

als Ihnen Ihre Absicht gelang, sich in der Übung für das vorausschauende<br />

Gedächtnis von Einheit 2 zu erinnern, <strong>und</strong> als Sie "Ich erinnere mich" spielten,<br />

<strong>und</strong> wenden Sie Ihre Fertigkeit nun an.<br />

C. Sehen Sie sich selbst, wie Sie luzide werden. Visualisieren Sie, wie Sie in<br />

dem Traum, in dem Sie sich gerade selbst vorgestellt haben, luzide werden.<br />

Nehmen Sie eines der Traumzeichen aus dem Traum heraus <strong>und</strong> stellen Sie<br />

sich vor, dass, wenn Sie ihm begegnen, Sie seine Fremdartigkeit erkennen,<br />

<strong>und</strong> realisieren Sie, dass Sie träumen. Fühlen Sie die Erregung, luzide zu<br />

werden. Fahren Sie damit fort, sich vorzustellen, was Sie gerne im Traum tun<br />

würden, jetzt, da Sie luzide sind. D. Halten Sie Ihre Aufmerksamkeit aufrecht.<br />

Gehen Sie Schritt A - D nochmals durch, Visualisierung des Traumes,<br />

Durchsetzung Ihrer Absicht, <strong>und</strong> dann sich selbst im Traum luzide werden zu<br />

sehen. Halten Sie die Konzentration auf diese Aufgaben aufrecht <strong>und</strong><br />

erlauben Sie ihr nicht, wegzuwandern <strong>und</strong> anderen Gedanken zu folgen, so<br />

wie Sie es in Übung 2 gemacht haben: "Eine einfache Konzentration-<br />

Meditations-Übung". Fahren Sie damit fort, bis Ihre 20-Minuten-Periode<br />

vorüber ist.<br />

5.) Zeichnen Sie Ihre Bemühungen auf.


Einschlaf-Praxis<br />

1.) Prägen Sie sich einen Traum ein. Ebenso wie für die Tages-Praxis<br />

memorieren Sie einen Traum aus der Nacht, in dem Sie gerne luzid geworden<br />

wären <strong>und</strong> zwar mit dem Ziel, sich an einen Traum mit einem CUE darin zu<br />

erinnern, um Ihn für die Praxis zu memorieren. Falls Sie sich an keinen<br />

Traum erinnern, in dem ein CUE aufgetreten ist, stellen Sie sich einfach einen<br />

in Ihrem ausgewählten Traum vor.<br />

2.) Bereiten Sie sich zum Schlafen vor. Wenn Sie wollen, geben Sie sich selbst<br />

etwas Zeit, um über Tagesereignisse nachzugrübeln. So können Sie sich<br />

wirklich fallen lassen, um die Übung zu machen. Wenn Sie wirklich bereit<br />

sind, schlafen zu gehen, machen Sie weiter mit Schritt 3.<br />

3.) Entspannen Sie sich. Gebrauchen Sie die Entspannungsübung, die am<br />

besten für Sie ist, um physisch Spannungen zu lösen <strong>und</strong> einen ruhigen<br />

geistigen Zustand zu erreichen. Aber lassen Sie sich noch nicht in den Schlaf<br />

fallen.<br />

4.) Praktizieren Sie MILD. Folgen Sie den Anweisungen für MILD in Schritt 4<br />

der Tages-Praxis oben, aber setzen Sie dann die Übung fort (sich in den<br />

Traum durch Erinnerung zurückversetzen, <strong>und</strong> Ihre Absicht fokussieren, sich<br />

selbst luzide werden sehen), bis Sie einschlafen. Manchmal stellen Sie<br />

vielleicht fest, dass die Konzentration, die MILD beinhaltet, Sie am<br />

Einschlafen hindert. Falls Sie die Konzentration länger als 20 Minuten<br />

durchhalten, ohne dabei einzuschlafen, lassen Sie eventuell von Ihrer<br />

Konzentration ab <strong>und</strong> entspannen Sie sich tief. Halten Sie Ihren Kopf frei von<br />

Gedanken <strong>und</strong> Belangen. Falls ein Gedanke von Ihrem Geist Besitz ergreift,<br />

stoßen Sie ihn sanft beiseite <strong>und</strong> machen Sie wieder Ihre Absicht geltend:<br />

"Das nächste Mal, wenn ich träume, werde ich mich daran erinnern, zu<br />

erkennen, dass ich träume." Ihr Ziel ist es, diese Absicht zu Ihrem letzten<br />

Gedanken werden zu lassen, ehe Sie einschlafen.<br />

5.) Zeichnen Sie Ihre Bemühungen auf. Tragen Sie am nächsten Morgen in der<br />

Reihe "Bettzeit" auf dem Bericht über die MILD-Technik das Datum <strong>und</strong> die<br />

Zeit Ihrer Ausübung ein, die entsprechende Länge der Zeit, zu der Sie MILD<br />

machten, ehe Sie einschliefen (Angabe in Minuten), <strong>und</strong> die Zahl der Träume<br />

<strong>und</strong> der luziden Träume, an die Sie sich von der Nacht erinnern. (Schauen Sie<br />

sich das Beispiel-Formblatt am Ende dieser Anweisungen an).


Schlaf-Praxis<br />

1.) Nehmen Sie sich vor, aus Träumen zu erwachen. Wenn Sie abends<br />

einschlafen, suggerieren Sie sich selbst, dass Sie während der Nacht (direkt)<br />

nach Träumen aufwachen werden. Erinnern Sie sich daran, dass Sie Ihre<br />

Träume klar zurückrufen <strong>und</strong> die MILD-Technik machen wollen.<br />

2.) Aus einem Traum erwachen <strong>und</strong> ihn sich zurückrufen. Wenn Sie aus<br />

einem Traum in der Nacht erwachen, rufen Sie ihn sich zuerst so detailliert<br />

wie möglich zurück, <strong>und</strong> schreiben Sie dann genügend darüber auf, um die<br />

wichtigsten Ereignisse <strong>und</strong> Szenen zu beschreiben.<br />

3.) Wachheit steigern. Stehen Sie aus dem Bett auf. Gehen Sie zum<br />

Badezimmer <strong>und</strong> waschen Sie ihr Gesicht mit kaltem Wasser. Ein guter<br />

Realitätstest, um sich zu vergewissern, dass Sie tatsächlich wach sind!<br />

Machen Sie einige Dehnungsübungen, um Ihren Blutkreislauf <strong>und</strong> Ihre<br />

Wachheit anzukurbeln.<br />

4.) Ins Bett zurückgehen. Gehen Sie ins Bett zurück, <strong>und</strong> lesen Sie ihre<br />

Traumaufzeichnungen. Notieren Sie die Traumzeichen darin. Sagen Sie sich<br />

selbst, dass Sie, wenn Sie das nächste Mal Traumsignale sehen, sie als<br />

Zeichen dafür, dass Sie gerade träumen, erkennen werden.<br />

5.) Das Licht ausschalten <strong>und</strong> sich entspannen. Machen Sie eine<br />

Entspannungsübung, um Spannungen zu lösen <strong>und</strong> Ihren Geist zu beruhigen.<br />

Gehen Sie noch nicht schlafen!<br />

6.) MILD: A. Rufen Sie Ihren Traum zurück. Visualisieren Sie sich selbst in den<br />

Traum zurück, aus dem Sie gerade erwacht sind, wie Sie es bei der Tages<strong>und</strong><br />

Einschlaf-Praxis gemacht haben.<br />

B. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Absicht. Konzentrieren Sie sich auf den<br />

Gedanken "Das nächste Mal, wenn ich träume, werde ich mich daran<br />

erinnern, zu erkennen, dass ich gerade träume."<br />

C. Sehen Sie sich selbst luzide werden. Visualisieren Sie, wie Sie in dem<br />

Traum, den Sie gerade hatten, luzide werden. Greifen Sie eines der<br />

Traumsignale heraus <strong>und</strong> stellen Sie sich vor, dass es Sie darauf hinweist,<br />

daß Sie gerade träumen. Fühlen Sie die Erregung, luzide zu werden, <strong>und</strong><br />

stellen Sie sich selbst dabei vor, das zu tun, was Sie im luziden Zustand<br />

gerne einmal tun würden. D. Halten Sie Ihre Aufmerksamkeit aufrecht. Gehen<br />

Sie Schritt A, B <strong>und</strong> C durch, bis Sie einschlafen. Falls die Konzentration Sie<br />

mehr als 20 Minuten wach hält, <strong>und</strong> dies sie belastet, lassen Sie es wieder<br />

sein <strong>und</strong> vergewissern Sie sich, dass Ihr letzter Gedanke derjenige an Ihre<br />

Absicht ist, sich daran zu erinnern, dass Sie luzide werden.


Wachzubleiben <strong>und</strong> sich länger zu konzentrieren kann jedoch Ihre Chancen,<br />

einen luziden Traum zu haben, erhöhen.<br />

7.) Wiederholen Sie Schritt 2 bis 6 jedes Mal, wenn Sie von einem Traum<br />

erwachen (wahlweise). Falls Sie wollen, können Sie MILD nach jedem Traum,<br />

von dem Sie in der Nacht erwachen, anwenden.<br />

8.) Zeichnen Sie Ihre Bemühungen auf. Zeichnen Sie die ersten fünf Nächte, in<br />

denen Sie MILD nachts praktizieren, auf dem Blatt über die MILD-Technik<br />

auf. Wenn Sie ins Bett gehen, tragen Sie das Datum in der ersten verfügbaren<br />

Reihe Schlaf-Teiles auf dem Formblatt ein. Jedes Mal, wenn Sie aus einem<br />

Traum erwachen <strong>und</strong> MILD praktizieren, nachdem Sie den Schritt 4 gemacht<br />

haben, schreiben Sie, ehe Sie zum Schlafen zurückkehren, dann die Zeit, zu<br />

der Sie die MILD-Praxis gemacht haben, auf. (Der erste MILD-Abschnitt wird<br />

auf dieselbe Zeile passen, wie das Datum, aber der zweite, dritte etc.<br />

Abschnitt sollte auf den nachfolgenden Reihen eingetragen werden.) Am<br />

Morgen berichten Sie über den entsprechenden Betrag an Zeit, den Sie<br />

während der Nacht gebraucht haben, <strong>und</strong> tragen Sie in die Reihe mit dem<br />

Datum der Nacht die Anzahl der Träume <strong>und</strong> luziden Träume ein, an die Sie<br />

aus der Nacht erinnern konnten. Ein Muster für einen Beispielbericht ist auf<br />

der nächsten Seite angegeben.


Der Realitätstest:<br />

Wie können wir nun feststellen, ob wir uns in einem Traum befinden oder<br />

nicht? Oft wissen wir es untrüglich, ohne einen weiteren Beweis zu benötigen.<br />

Wenn Sie sich nicht sicher sind, denken Sie nicht zu viel (das macht den<br />

Traum häufig instabil), sondern schauen Sie sich aufmerksam um. Sind Sie an<br />

einem Ort, den Sie nicht kennen <strong>und</strong> wissen nicht, wie Sie dort hingekommen<br />

sind? Sind dort vielleicht Bekannte, die schon tot oder gerade verreist bzw. an<br />

einem fernen Ort sind?<br />

Springen Sie kurz in die Luft. Fallen Sie nur langsamer runter oder können<br />

gar fliegen? Oder drehen Sie sich schnell einmal um 180 Grad. In der Regel<br />

dreht sich die Traumszenerie mit <strong>und</strong> Sie sehen das, was jetzt eigentlich in<br />

Ihrem Rücken sein müsste. Oder versuchen Sie durch eine Wand zu greifen<br />

oder gehen.<br />

Wenn all dies keine Sicherheit bringt, gehen Sie kurz die letzten 20 min in<br />

Gedanken durch. In einem Klartraum werden Sie bestimmte unlogische<br />

Sprünge vermerken. Sollten Sie sich in einem Klartraum erkennen, bleiben Sie<br />

unbedingt "cool" - auch heftige Emotionen der Freude (Hurra, ich hab´s<br />

geschafft!) können Ihren Klartraum zu früh beenden. Bewusstes Träumen<br />

benötigt eine gewisse innere Distanz, wie sie z. B. auch in vielen<br />

Achtsamkeitsübungen des Buddhismus <strong>und</strong> anderen kontemplativen<br />

Traditionen verlangt wird. Sollten Sie diese am Tag üben, wird dies Ihre<br />

Klartraumfähigkeit erheblich verbessern. Andersherum wird auch ein<br />

besseres Klartraumbewusstsein Ihre alltägliche Wachheit <strong>und</strong><br />

Gegenwärtigkeit erheblich verdichten. Es ist diese Wechselwirkung, die das<br />

luzide Träumen für das Tibetische Traumyoga so wertvoll macht!<br />

Klarbleibende Techniken<br />

Dem geübten Klarträumer kann es mit der Zeit gelingen, direkt vom<br />

Wachzustand in den Klartraum einzutreten. Diese Techniken, welche ein<br />

großes Konzentrations- bzw. Visualisationsvermögen erfordern, werden oft<br />

erst nach Jahren der induzierten Klartraumpraxis erreichbar. Gute<br />

Anleitungen dazu findet man in Schöpferisch Träumen, dem Course in Lucid<br />

Dreaming <strong>und</strong> Übung der Nacht von Tenzin Wangyal Rinpoche. Beste<br />

Ergebnisse erhalten Sie in den frühen Morgenst<strong>und</strong>en, wenn sich die<br />

Traumphasen verlängern oder einem Zusatzschläfchen am Vor- oder<br />

Nachmittag.


Ich persönlich habe früher die besten Erfahrungen mit der Trennung meines<br />

Empfindungskörpers gemacht. Dazu habe ich mir immer wieder vorgestellt,<br />

ich würde meine Beine <strong>und</strong> Arme bewegen, mich rollen, aufstehen, während<br />

ich in Wirklichkeit still saß. Zwischendurch habe ich diese Bewegungen immer<br />

wieder wirklich ausgeführt, um den Sinneseindruck dazu gut zu speichern<br />

<strong>und</strong> mir vorstellen zu können. Am Anfang rolle ich mich (imaginativ) aus dem<br />

Liegen zur Seite, später bevorzugte ich den Drachensitz (auch Fersensitz<br />

genannt). Ab einem gewissen Punkt hob ich (im Drachensitz verweilend)<br />

einfach meine (Traum)- Arme <strong>und</strong> dehnte mich nach oben hin aus. Kurz<br />

darauf fliege ich immer durch eine Art Tunnel <strong>und</strong> befinde mich im<br />

Klartraum.<br />

Mittlerweile jedoch übe ich aus einer ganz anderen Perspektive - strebe den<br />

gleichen Zustand des Gewahrseins im Wachleben, Traumzustand <strong>und</strong> den<br />

Tiefschlafphasen an.<br />

Hören wir, was der Tibetische Dzogchen-Meister Tenzin Wangyal zum Bardo<br />

des Träumens <strong>und</strong> Schlafens sagt:<br />

"Der zweite Zugang zum Verständnis der Praxis liegt in dem Gedanken, dass<br />

Wachleben <strong>und</strong> Traum eigentlich dasselbe sind, dass die normale Erfahrung<br />

in ihrer Gesamtheit aus geistigen Projektionen besteht, dass alle Bedeutung<br />

nur zugeschrieben ist <strong>und</strong> alles, was wir erfahren, auf den Einfluss des Karma<br />

zurückzuführen ist.


Hier sprechen wir vom subtilen <strong>und</strong> fein verästelten Wirken des Karma, vom<br />

endlosen Kreislauf von Ursache <strong>und</strong> Wirkung, der - vermöge der aus jeder<br />

Aktion erwachsenden stetigen Konditionierung - die Gegenwart aus den<br />

Spuren der Vergangenheit erschafft.<br />

Das ist eine der möglichen Formulierungen der Einsicht, dass alle Phänomene<br />

leer sind <strong>und</strong> das scheinbare Selbst-Wesen aller Dinge <strong>und</strong> Lebewesen<br />

Illusion ist. Im Wachleben wie im Traum: Nirgendwo ist wirklich ein "Ding", es<br />

gibt nur vorübergehende, essenzlose Erscheinungen, die im leeren,<br />

leuchtenden Gr<strong>und</strong> des Daseins auftauchen <strong>und</strong> sich selbst befreien. Haben<br />

wir die Wahrheit der Aussage "Dies ist ein Traum" gänzlich verwirklicht, so<br />

sind wir frei von der Gewohnheit der falschen Vorstellungen <strong>und</strong> daher frei<br />

von jenem beschnittenen Samsara-Leben, in dem wir Phantasien für Realität<br />

halten. Wir sind nach dieser Verwirklichung auch zwangsläufig präsent, denn<br />

es trifft dann zu, dass es nichts gibt, wo wir sonst sein könnten. Und wenn es<br />

darum geht, beständige Luzidität im Traum zu erzeugen, gibt es keine<br />

bessere Methode, als tagsüber stets in luzider Präsenz zu bleiben.<br />

Wie oben schon gesagt, besteht ein wichtiger Teil dieser Praxis darin, sich<br />

selbst als einen Traum zu erleben. Sehen Sie sich selbst als eine Illusion, als<br />

eine Traumgestalt mit einem Körper ohne Festigkeit. Stellen Sie sich Ihre<br />

Persönlichkeit <strong>und</strong> verschiedenen Identitäten als Projektionen des Geistes<br />

vor. Bleiben Sie präsent, in der gleichen Luzidität, die Sie im Traum zu<br />

erreichen versuchen, während Sie sich als substanzlos <strong>und</strong> vorübergehend,<br />

als nur aus Licht bestehend empfinden. Dadurch gewinnen Sie eine ganz<br />

andere Beziehung zu sich selbst - entspannt, flexibel, ohne alles Beengende.<br />

Dabei genügt es aber nicht, sich immer wieder zu sagen, dass Sie in einem<br />

Traum sind. Sie müssen die Wahrheit dieser Aussage jenseits der Worte<br />

fühlen <strong>und</strong> erleben. Nutzen Sie Ihre bildliche Vorstellungskraft, Ihre Sinne, Ihr<br />

Gewahrsein, um die Praxis ganz mit der gelebten Erfahrung zur Deckung zu<br />

bringen.<br />

Wenn Ihre Praxis richtig läuft, wird bei dem Gedanken, dass Sie in einem<br />

Traum sind, jedes mal Ihre Präsenz stärker <strong>und</strong> Ihre Erfahrung lebhafter.<br />

Sollte es nicht zu dieser unmittelbaren Änderung der Qualität kommen, so<br />

vergewissern Sie sich, ob Ihre Praxis vielleicht bloße mechanische<br />

Wiederholung eines Satzes geworden ist - davon werden Sie nämlich wenig<br />

haben.


Das bloße Denken einer Formel kann keine magische Wirkung entfalten; die<br />

Worte müssen Ihnen Anstoß sein, mit größerer Bewusstheit <strong>und</strong> Ruhe im<br />

Augenblick zu leben. "Wecken" Sie sich bei der Praxis immer wieder durch<br />

vermehrte Klarheit <strong>und</strong> Präsenz, bis schließlich die bloße Erinnerung an den<br />

Gedanken "Dies ist ein Traum" sofort Ihre Bewusstheit klarer <strong>und</strong> stärker<br />

macht. Das also ist die erste Vorbereitung: alles Leben als Traum sehen.<br />

Anzuwenden ist sie im Augenblick einer Wahrnehmung, bevor es zu einer<br />

Reaktion kommt. Das ist in sich selbst eine sehr wirkungsvolle Praxis. Bleiben<br />

Sie im Gewährsein, <strong>und</strong> Sie werden Luzidität sowohl im Wachzustand als auch<br />

im Traum erleben.<br />

Eine Warnung muss hier allerdings angefügt werden: Es ist wichtig, dass Sie<br />

sich um Ihre Aufgaben im normalen Leben kümmern, dass Sie seine Logik<br />

<strong>und</strong> seine Beschränkungen respektieren. Wenn Sie sich sagen, dass Ihr Leben<br />

ein Traum ist, trifft das zwar zu, aber Sie werden beim Sprung aus dem<br />

Fenster trotzdem nicht schweben, sondern abstürzen. Wenn Sie nicht<br />

arbeiten gehen, bleiben Ihre Rechnungen unbezahlt. Halten Sie die Hand ins<br />

Feuer, <strong>und</strong> Sie werden sich verbrennen. Bleiben Sie also auf dem Boden der<br />

Tatsachen dieser relativen Welt. Denn solange ein "Du" <strong>und</strong> ein "Ich"<br />

existieren, gibt es eine relative Welt, in der wir leben, gibt es andere<br />

Lebewesen, die leiden, gibt es Folgen unserer Entscheidungen.<br />

Aus "Übung der Nacht" von Tenzin Wangyal S. 112/ 113<br />

Wir werden gleich anschließend noch einmal (in einer Art High Speed<br />

Kurzfassung zum tibetischen Traumyoga) zurückkehren.


Techniken zum Aufwachen aus dem Klartraum<br />

Der Träumer kann den Klartraum mühelos unterbrechen, indem er einen<br />

beliebigen Trauminhalt intensiv fixiert. Dadurch wird das "Rapid eye<br />

movement" unterbrochen <strong>und</strong> man wacht sofort auf.<br />

Methoden zum Erwachen aus Klarträumen (nach LaBerge):<br />

1. Hören sie auf sich zu bewegen. Stehen, sitzen oder liegen Sie ruhig im<br />

Traum. Dies wird Sie davor bewahren, mentale Bilder von ihrem Körper zu<br />

erschaffen <strong>und</strong> es für Sie leichter machen, Ihren physischen Körper im Bett zu<br />

fühlen<br />

2. Schließen Sie die Augen. Dies wird Sie von den visuellen Bildern des<br />

Traumes ablenken. Wahlweise können Sie Ihre Aufmerksamkeit auf einen<br />

einzelnen(uninteressanten) Punkt in der Traumszene lenken. Dies wird Sie<br />

von den visuellen Bildern des Traumes wegführen.<br />

3. Denken Sie. Wenn Sie denken, wendet sich ihre Aufmerksamkeit nach<br />

Innen, so dass Sie aufhören, die Welt um Sie herum so lebhaft zu formen, wie<br />

Sie es tun, wen Sie mit ihr interagieren. Ignorieren Sie die Welt im Traum <strong>und</strong><br />

denken Sie an etwas - vielleicht was Sie tun wollen, wenn sie aufwachen.<br />

Tholey empfiehlt vor allem das Starren auf einen bestimmten Punkt/<br />

Gegenstand. Hiermit habe auch ich die besten Erfahrungen. Es gab jedoch<br />

auch Klarträume, in denen ich meditieren konnte <strong>und</strong> die Technik nicht<br />

wirkte. Diese Träume waren jedoch stets so intensiv, dass ich nie auf die Idee<br />

gekommen wäre, sie vorzeitig beenden zu wollen. Sie führten dann immer<br />

zum "rechten Zeitpunkt" zum Aufwachen.


Technik zur Erhaltung des Klartraumbewußtseins<br />

Spürt der Träumer, dass er am Aufwachen ist, kann er den Klartraum<br />

weiterführen, indem er sich blitzschnell (mit seinem Traumkörper) im Kreis<br />

dreht. Er erwacht dann sehr oft in einem anderen Klartraum.<br />

Möglichkeiten des Klarträumens<br />

1. Das Ausleben von Träumen, Sehnsüchten, Trieben sowie der Genuss der<br />

mannigfaltigen Möglichkeiten des Traumes (Fliegen, Sex haben, durch Wände<br />

gehen, w<strong>und</strong>erschöne Landschaften genießen etc.)<br />

2. Gefährliche oder schwierige Bewegungsabläufe einüben (Das Klarträumen<br />

wird im hohen Maße von Leistungssportlern <strong>und</strong> Künstlern genutzt) -<br />

Veränderung von Wahrnehmungsparametern wie Zeit (Verlangsamung/<br />

Beschleunigung), Sehsinn (380° Sicht möglich), Ich-Kern Verlagerung <strong>und</strong><br />

Aufspaltung auf andere bzw. mehrere Traumgestalten<br />

3. Inspirationen für Alltag <strong>und</strong> beruflich bzw. künstlerisches Schaffen durch<br />

Ratschläge von Traumfiguren<br />

4. Seelische Selbstheilung durch Integration von abgespaltenen Wesensteilen<br />

(Komplexen), Heilen von psychischen Verletzungen, Öffnung des<br />

verschüttenden Gefühlslebens)<br />

5. Selbstberufung (Erkennen des individuellen Potentials <strong>und</strong> dessen<br />

möglicher Ausdruck in Beruf <strong>und</strong> Alltag), Visionsträume, "große Träume"<br />

6. Selbst- <strong>und</strong> Welterkenntnis (Zugang zu höheren Bewusstseinszuständen)<br />

Mein Tipp:<br />

Gehen Sie von dem aus, was Sie berührt <strong>und</strong> arbeiten Sie mit Ihrer inneren<br />

Führung wie mit einem/r weisen Geliebten. Oft zeigt sich unsere innere<br />

Weisheit anfangs als Personifikation <strong>und</strong> erst später als direktes Wissen.


Inspiration <strong>und</strong> Heilung durch den Kontakt zu Traumfiguren<br />

Unterdrückte Gefühle <strong>und</strong> Triebe, seelische Verletzungen, anerzogene<br />

Wertmaßstäbe etc. können dem Träumer in symbolischer Form von Personen,<br />

sprechenden Tieren oder Dingen begegnen. Im Klartraum können wir diese<br />

Figuren durch Gespräch oder Konfrontation dazu bringen, sich wieder in<br />

unsere Gesamtpersönlichkeit zu integrieren oder zu verwandeln. Hilfreich ist<br />

bei dieser Arbeit der theoretische Ansatz Frederik Perls, der in seiner<br />

Gestaltarbeit von Topdogs <strong>und</strong> Underdogs sprach.<br />

Topdogs<br />

"Ein Topdog hat in der Regel folgende Eigenschaften: Er ist rechthaberisch<br />

<strong>und</strong> moralisch, neigt dazu, Vorwürfe zu machen <strong>und</strong> Perfektion zu verlangen,<br />

er ist ein Tyrann <strong>und</strong> Prinzipienreiter <strong>und</strong> weiß alles besser. Seine<br />

Lieblingsworte sind "dürfte" <strong>und</strong> "müsste". (Du dürftest jetzt eigentlich keine<br />

Musik hören sondern müsstest an der Schreibmaschine sitzen!) Er ist<br />

autoritär, doch Vorsicht! Er ist auch scheinheilig <strong>und</strong> gibt oft den Anschein,<br />

unter der Unzulänglichkeit von Underdog schrecklich leiden zu müssen. Er ist<br />

also ein rechter Pharisäer." (Tholey/ Utecht 2000, S.77)<br />

Underdogs<br />

"Ein Underdog hat in der Regel folgende typische Eigenschaften: Er jammert<br />

<strong>und</strong> winselt um Nachsicht, er entschuldigt sich ständig, ist voller<br />

Selbstzweifel <strong>und</strong> Selbstbezichtigungen, ist Masochist, Feigling, Opfer, kurz<br />

er ist der typische Verlierer <strong>und</strong> akzeptiert insgeheim Topdogs Macht über<br />

sich, weil er dessen Ansprüche selbst in sich trägt. Er versucht Topdog zu<br />

beschwichtigen <strong>und</strong> macht lieber falsche Versprechungen, als sich weiter<br />

Topdogs Forderungen auszusetzen. Underdog ist nie an etwas schuld, immer<br />

sind es die Umstände." (Tholey/ Utecht 2000, S. 77)


Helfende Traumgestalten<br />

Neben diesen oft eher destruktiven Traumgestalten, die verändert bzw.<br />

integriert werden wollen, gibt es zahllose Formen des "inneren Helfers", der<br />

in vielerlei Gestalt auftreten kann. Diese Personifikationen sind stark<br />

abhängig vom Weltbild des Träumers. Sie können in Form religiöser<br />

Persönlichkeiten, als Lichtgestalten, Vorbilder, Verstorbene, Tiere, Pflanzen,<br />

Steine, Wolken, Computer, Außerirdische, Märchenfiguren etc. auftreten <strong>und</strong><br />

dem Träumer wertvolle Hinweise zu seinem inneren Befinden <strong>und</strong><br />

Alltagsleben geben. Hilfreich kann hierbei die Auseinandersetzung mit C. G.<br />

Jungs Archetypenlehre <strong>und</strong> Vorstellung eines kollektiven Unterbewusstseins<br />

sein.<br />

Die Integration von Komplexen<br />

Ein typisches Beispiel für die Integration eines Topdogs durch den Klartraum<br />

sei hier angeführt. "Ich werde von einem Tiger verfolgt, wobei ich große<br />

Angst empfinde. Plötzlich kommt es mir merkwürdig vor, dass es in der<br />

hiesigen Gegend Tiger gibt. Nach einer kurzen Phase des Zweifels kommt mir<br />

der Gedanke, dass ich mich im Traum befinden müsse, worauf ich meine<br />

Flucht erleichtert fortsetzte. Einige Augenblicke später fällt mir ein, dass ich<br />

überhaupt nicht fliehen muss, da mir ein Traumtiger ja nichts anhaben kann.<br />

Jetzt überlege ich mir, was ich tun soll. Einerseits habe ich Interesse daran,<br />

einen angenehmen Flug zu starten, andererseits interessiere ich mich dafür,<br />

den Tiger anzusprechen.<br />

Also lasse ich ihn an mich herankommen <strong>und</strong> frage ihn: "Wer bist Du?" Der<br />

Tiger ist zunächst völlig verdutzt <strong>und</strong> verwandelt sich dann in die Gestalt<br />

meines verstorbenen Vaters. Als ich ihn frage, was er wolle, macht er mir mit<br />

drohenden Gebärden Vorwürfe der verschiedensten Art. Ich weise zwar einige<br />

Vorwürfe als übertrieben zurück, halte andere aber für berechtigt <strong>und</strong><br />

entschließe mich, mein Verhalten im Wachleben entsprechend zu ändern. Im<br />

gleichen Augenblick wird mein Vater fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> wir reichen uns die Hand<br />

zur Aussöhnung. Ich fühle mich wie erlöst <strong>und</strong> wache danach auf.


Nun wollen wir aus dem westlich orientierten Traumyoga in das tibetische<br />

Traumyoga, die ja ein Teil der Tantra ist zurückkehren.


Hier folgt nun ein kurzer Abriss des Traum- Yoga :<br />

Die vierfache gr<strong>und</strong>legende Praxis<br />

Karmische Spuren ändern<br />

Bleiben Sie den ganzen Tag über ständig in dem Bewusstsein, dass alle<br />

Erfahrung ein Traum ist. Erleben sie alle Dinge als Traumgegenstände, alle<br />

Vorgänge als Traumereignisse, alle Menschen als Traumgestalten. Versuchen<br />

sie den eigenen Körper als durchsichtigen Illusionskörper zu sehen. Stellen<br />

Sie sich, dass Sie den ganzen Tag über in einem luziden Traum sind.<br />

Aber lassen sie keine dieser Übungen in leere Wiederholung abgleiten. Sehen<br />

sie zu., dass sie wirklich luzider werden, sooft sie „Dies ist ein Traum“ sagen.<br />

Beziehen sie Körper <strong>und</strong> Sinne ein in das Bemühen, präsenter zu werden.<br />

Anhaften <strong>und</strong> Widerwillen abbauen<br />

Begegnen sie allem was Begehrlichkeit <strong>und</strong> Anhaften erzeugt, in der Haltung,<br />

dass es sich um illusorische, leere, leuchtende Traumphänomene handelt.<br />

erkennen sie ihre Reaktionen auf alles, was ihnen begegnet, als Traum.<br />

Emotionen, Urteile, Vorlieben- sie sind alle erträumt. Dass sie dies richtig<br />

machen, erkennen sie daran dass Begehrlichkeit <strong>und</strong> Anhaften sofort<br />

nachlassen, wenn sie sich daran erinnern, dass ihre Reaktion ein Traum ist.


Die Intention stärken<br />

Lassen sie, bevor sie schlafen gehen, den Tag Revue passieren, <strong>und</strong><br />

vergegenwärtigen sie sich, wie ihre Praxis (Meditation, Atemübungen,<br />

vorhandenes alltägliches Gewahrsein) war. Lassen sie Tageserinnerungen<br />

aufsteigen, <strong>und</strong> erkennen sie diese als Traumerinnerungen. Entwickeln sie<br />

eine starke Intention ( willentliche Absicht), in den Träumen der kommenden<br />

Nacht bewusst zu sein. Legen sie ihr ganzes Herz in diese Intention, <strong>und</strong><br />

beten sie mit ihrer ganzen Kraft (aber entspannt) um den Erfolg.<br />

Ausbilden des Erinnerungsvermögens <strong>und</strong> des freudigen Bemühens<br />

Gehen sie mit der starken Intention, bei der Übung zu bleiben, in den neuen<br />

Tag.<br />

Gehen sie die Nacht noch einmal durch, <strong>und</strong> lassen sie, wenn sie sich im<br />

Traum erinnert haben oder luzide waren, die Freude über den Erfolg zu.<br />

erneuern sie den Entschluss zu dieser Praxis- mit der Absicht, luzide zu<br />

werden, wenn sie es nicht waren, oder wenn sie es waren, noch luzider zu<br />

werden.


Übungen zur Vorbereitung auf den Schlaf<br />

Alleine<br />

Der neunfache Reinigungsatem<br />

Nehmen sie, bevor sie sich hinlegen, die Haltung zur Meditation im Sitzen<br />

ein, <strong>und</strong> üben sie den neunfachen Meditationsatem.<br />

Guru- Yoga<br />

Üben sie Guru- Yoga. Lassen Sie ein Gefühl großer Ergebenheit entstehen<br />

<strong>und</strong> dann ihren Geist mit dem reinen Gewahrsein des Meisters verschmelzen;<br />

es ist der höchste Meister, das uranfängliche Gewahrsein- Ihr wahres Wesen.<br />

Schutz<br />

Legen sie sich in der korrekten Haltung hin, Männer auf der rechten, Frauen<br />

auf der linken Seite. Visualisieren sie um sich herum Dakinis, die sie<br />

beschützen. Verwandeln sie das Zimmer mit Hilfe ihrer Vorstellungskraft in<br />

einen geschützten, heiligen Raum. Lassen sie Atem <strong>und</strong> Geist ruhig werden,<br />

bis sie ruhig <strong>und</strong> präsent sind <strong>und</strong> keinen Geschichten <strong>und</strong> Phantasien mehr<br />

nachgehen. Fassen sie den starken Entschluss, lebendige, klare Träume zu<br />

haben, sich an Träume zu erinnern, den Traum als Traum zu erkennen,<br />

während sie träumen.<br />

Nach diesem folgt das Üben der Hauptpraxis. Die Hauptpraxis wird nur in<br />

direkter, mündlicher Anleitung weitergegeben. Dies geschieht nur in<br />

Einzelarbeit oder in den Seminaren von <strong>Tara</strong> <strong>Sattva</strong>.<br />

Dies schützt die Lehre <strong>und</strong> den/ die Praktizierende(n).


Mit der Gefährtin/ dem Gefährten<br />

Der neunfache Reinigungsatem<br />

Nehmen sie, bevor sie sich hinlegen, die Haltung zur Meditation im Sitzen<br />

gegenüber ein, <strong>und</strong> üben sie den neunfachen Meditationsatem.<br />

Guru- Yoga<br />

Üben sie Guru- Yoga. Lassen sie ihre Partnerin/ ihren Partner zum Guru<br />

werden. Lassen Sie ein Gefühl großer Ergebenheit entstehen <strong>und</strong> dann ihren<br />

Geist mit dem reinen Gewahrsein ihres Gegenübers verschmelzen; es ist der<br />

höchste Meister, das uranfängliche Gewahrsein- Ihr wahres Wesen.<br />

Dies können sie auch als räumlich getrenntes Paar praktizieren.


Schutz<br />

Legen sie sich in der korrekten Haltung hin, Männer auf der rechten, Frauen<br />

auf der linken Seite. Visualisieren sie um sich herum Dakinis, die sie<br />

beschützen. Verwandeln sie das Zimmer mit Hilfe ihrer Vorstellungskraft in<br />

einen geschützten, heiligen Raum. Lassen sie Atem <strong>und</strong> Geist ruhig werden,<br />

bis sie ruhig <strong>und</strong> präsent sind <strong>und</strong> keinen Geschichten <strong>und</strong> Phantasien mehr<br />

nachgehen. Fassen sie den starken Entschluss, lebendige, klare Träume zu<br />

haben, sich an Träume zu erinnern, den Traum als Traum zu erkennen,<br />

während sie träumen.<br />

Visualisieren sie ihr „Gegenüber“ unter den Dakinis. Lassen sie es in sie<br />

hineintreten <strong>und</strong> mit ihm verschmelzen.


Die Hauptpraxis für Paare wird nur in direkter Übermittlung in der Arbeit mit<br />

Einzelpaaren oder in Paargruppen/ Sommergruppen <strong>und</strong> dem Jahrestraining<br />

von <strong>Tara</strong> <strong>Sattva</strong> gelehrt. Dies dient dem Schutz der Übermittlung <strong>und</strong> vor<br />

allen Dingen der Paare. Hierbei beachten wir als Vorbedingung für Paare die<br />

Arbeit mit Partnerschaftsprojektionen im Vorfeld dieser Arbeit.<br />

Für Neugierige: Die Praxis ist in den Büchern von Wangyal Rinpoche <strong>und</strong><br />

mehrerer Schriften über die Six Yogas von Naropa nachzulesen.


Bardo der Meditation<br />

So mir nun der Bardo der Samadhi- Meditation<br />

aufgeht,<br />

will ich die Masse von Zerstreuungen <strong>und</strong> von<br />

Verblendungen aufgeben<br />

<strong>und</strong> in dem grenzenlosen Zustand ohne Festhalten<br />

<strong>und</strong> jegliche Verwirrung ruhen,<br />

gefestigt in den beiden Übungen:<br />

der Vorstellung <strong>und</strong> der Vollkommenen,<br />

zu dieser Zeit der Meditation, gesammelt <strong>und</strong><br />

völlig absichtslos,<br />

will ich der Macht verblendeter Gefühle nicht<br />

verfallen.<br />

Das Bardo der Meditation ist der eigentliche Kern jeder spirituellen Praxis.<br />

Darüber gibt es genügend Unterweisungen, so dass wir hier ein9ige Klassiker<br />

zur Unterweisung zitieren.<br />

Es folgt ein Auszug aus: „ Das Treffen der Essenz in den drei Worten“ von<br />

Garab Dorje – den man als die Essenz des Dzogchen-Pfades betrachtet.<br />

.... Wer auf diese Weise praktiziert,<br />

kann durchaus Erleuchtung in diesem jetzigen Leben erlangen,<br />

<strong>und</strong> selbst wenn nicht – welch Glück! Welche Freude!<br />

Was die Sicht betrifft, Longchen Rabjam,<br />

treffen drei Worte den entscheidenden Punkt..<br />

Zuerst, entspanne <strong>und</strong> löse Deinen Geist,<br />

weder zerstreut noch konzentriert, ohne Gedanken.<br />

Während Du in diesem ausgeglichenen Zustand ruhst,<br />

ganz gelassen,<br />

stoße plötzlich ein Geist-erschütterndes „Phät!“ aus,<br />

energisch, kraftvoll <strong>und</strong> abrupt.


Erstaunlich!<br />

Da ist nichts:<br />

Gebannt vor Verw<strong>und</strong>erung,<br />

verblüfft <strong>und</strong> betroffen,<br />

<strong>und</strong> doch ist alles durchscheinend <strong>und</strong> klar.<br />

Frisch, rein <strong>und</strong> unvermittelt, daher unbeschreibbar:<br />

Erkenne dies als das reine Gewahrsein des Dharmakaya.<br />

Der erste entscheidende Punkt ist:<br />

Die direkte Einführung des Angesichts von Rigpa in sich selbst.<br />

Dann, ob im Zustand der Bewegung oder Stille,<br />

der Wut oder Verhaftung, des Glücks oder Leids,<br />

jederzeit, in allen Situationen,<br />

erkenne jenen Dharmakaya,<br />

den du zuvor erkanntest,<br />

<strong>und</strong> Mutter- <strong>und</strong> Kind-klares-Licht,<br />

bereits miteinander vertraut,<br />

werden sich wieder vereinen.<br />

Ruhe im Aspekt des Gewahrseins,<br />

jenseits aller Beschreibung.<br />

Stille <strong>und</strong> Glückseeligkeit, Klarheit <strong>und</strong> Denken:<br />

Unterbrich sie wieder <strong>und</strong> wieder<br />

Mit einem plötzlichen Ausstoss der Silbe<br />

von geschickten Mitteln <strong>und</strong> Weisheit.<br />

Ohne Unterschied<br />

zwischen Meditationen <strong>und</strong> Nach-Meditation,<br />

keine Trennung zwischen Sitzungen <strong>und</strong> Pausen,<br />

verbleibe immer in diesem unteilbaren Zustand.<br />

Doch bis Stabilität erlangt ist,<br />

ist es unabdingbar zu meditieren,<br />

fern aller Ablenkung <strong>und</strong> Geschäftigkeit,<br />

<strong>und</strong> die Praxis in formelle Meditationssitzungen aufzuteilen.<br />

Jederzeit, in allen Situationen,<br />

verbleibe im Fluss dessen,<br />

was einfach der Dharmakaya ist.<br />

Entscheide mit absoluter Überzeugung,<br />

dass es nichts anderes gibt als dies.


Der zweite entscheidende Punkt ist:<br />

Entscheide dich für eines,<br />

<strong>und</strong> Eines allein.<br />

An diesem Punkt<br />

– ob Anhaftung oder Ablehnung, Glück oder Leid -<br />

bleibt von allen flüchtigen Gedanken,<br />

ausnahmslos,<br />

im Moment des Erkennens keine einzige Spur.<br />

Erkenne den Dharmakaya,<br />

in den sie befreit sind,<br />

<strong>und</strong> genau wie auf Wasser Geschriebenes verschwindet,<br />

wird Entstehen <strong>und</strong> Befreiung<br />

selbstverständlich <strong>und</strong> unaufhörlich.<br />

Und was immer entsteht,<br />

ist Nahrung für die nackte Rigpa-Leerheit,<br />

was immer sich im Geist regt,<br />

ist die innere Kraft des Dharmakaya-Königs,<br />

keine Spur hinterlassend<br />

<strong>und</strong> von Natur aus rein.<br />

Welche Freude!<br />

Die Art, wie Dinge entstehen,<br />

mag so sein wie zuvor,<br />

doch der Unterschied liegt darin,<br />

wie sie befreit werden:<br />

Das ist der Schlüssel.<br />

Ohne dies ist Meditation nichts<br />

als der Pfad der Verblendung,<br />

mit ihm ist selbst,<br />

wenn man nicht meditiert,<br />

der zustand des Dharmakaya präsent


Der dritte entscheidende Punkt ist:<br />

Direkte Zuversicht in die Befreiung entstehender Gedanken.<br />

Für die Sicht,<br />

welche die drei entscheidenden Punkte enthält,<br />

ist Meditation die Vereinigung von Weisheit <strong>und</strong> Liebe,<br />

begleitet von der Handlung,<br />

die allen Bodhisattvas gemeinsam ist.<br />

Würden alle Bodhisattvas sich beraten,<br />

fänden sie keine Anweisung großartiger als diese,<br />

hervorgebracht als Schatz<br />

aus der Tiefe transzendenter Einsicht,<br />

durch den Tertön des Dharmakaya,<br />

die innere Kraft des Rigpa,<br />

nicht vergleichbar mit gewöhnlichen Schätzen<br />

aus Erde <strong>und</strong> Stein,<br />

denn es ist das letzte Vermächtnis<br />

von Garab Dorje,<br />

die Essenz des Weisheitsgeistes der drei Übertragungen.<br />

Es ist meinen Herzensschülern anvertraut,<br />

unter dem Siegel der Verschwiegenheit.<br />

Es ist von tiefgründiger Bedeutung,<br />

die Worte meines Herzens.<br />

Es ist mein Herzenswort,<br />

der entscheidende Schlüsselpunkt.<br />

Diesen entscheidenden Punkt:<br />

Schätze ihn nie gering.<br />

Lass niemals zu,<br />

das diese Anweisung dir verloren geht.<br />

Garab Dorje


“Aus dem Handgepäck eines tibetischen Yogi“ von James Low<br />

Vom Buddha, der so nah ist wie die eigene Hand<br />

Die Quintessenz der Geist-Unterweisungen<br />

Ich verneige mich vor Padmasambhava,<br />

<strong>und</strong> vor dem glorreichem Lama,<br />

der die Emanation des Weisheitswesens Manjushri<br />

(<strong>und</strong> wie) alle Buddhas <strong>und</strong> ihre Söhne ist.<br />

All jenen,<br />

welche die Meditation (zum) Erkennen dessen,<br />

was der Geist wahrhaft ist,<br />

(zu erlernen) begehren,<br />

will ich in wenigen Worten<br />

den Anfang des Pfades<br />

der Kernunterweisungen darlegen.<br />

Es ist am Anfang notwendig,<br />

sich an die Kern-Unterweisungen<br />

eines Lama zu halten,<br />

der die Verwirklichung erfahren hat.<br />

Wenn man nicht eintritt<br />

in die (Erfahrung der) Unterweisung des Lama,<br />

ist alle Beharrlichkeit,<br />

alles Bemühen in der Meditation<br />

wie das Abschiessen eines Pfeils im Dunkeln.<br />

Entsage daher aller verfälschten <strong>und</strong> ersonnenen<br />

Anschauungen über Meditation.


Der (Kern-)Punkt besteht darin,<br />

(das Gewahrsein) in den nicht-hergestellten,<br />

selbstgegründeten Zustand zu versetzen,<br />

ins Angesicht der nackten Weisheit,<br />

der etwas anderes ist<br />

als die Schale des Geistes<br />

(das heißt als das, was die Unterscheidungen trifft <strong>und</strong> Bestimmungen<br />

festsetzt).<br />

(Diese Weisheit) erkennend,<br />

erreicht man den wesentlichen Punkt.<br />

(Der Ausdruck) "von Anfang an bestehen"<br />

meint eben diesen natürlichen,<br />

nicht-hergestellten Zustand.<br />

Bist Du zur inneren Gewissheit gelangt,<br />

dass alle Erscheinungen<br />

die Essenz des Dharmakaya sind,<br />

so lass nicht mehr ab (von diesem Wissen).<br />

(Das Sich-Ergehen in) Verstandes-Erklärung (des Weges)<br />

ist wie das Haschen nach einem Regenbogen.<br />

Wenn meditative Erfahrung sich durch das Gewahrsein<br />

des großen nicht-hergestellten Zustandes einstellt,<br />

so nicht durch Ausrichtung auf etwas Äußeres,<br />

(sondern) durch Wahrung des Nicht-Handelns.<br />

(Auf) erstaunlich(e Weise) gelangt man zu diesem Wissen.<br />

II.<br />

Zur glückverheißenden Zeit<br />

des (Eintritts in den) Zwischenzustand<br />

wahre den unerschütterlichen Zustand<br />

beständig durch das Inne Sein des selbstgegründeten Zustandes<br />

von "Geist an sich".<br />

Einfach in diesem Zustand sein ist genug.<br />

Der nicht-hergestellte Zustand<br />

ist nichts anderes als dies.


(Entsteht Behinderung)<br />

durch die aufsteigenden Wolken<br />

des analysierenden Denkens,<br />

(die) eine Unterscheidung zwischen dem Subjekt<br />

<strong>und</strong> dem Objekt der Meditation (schaffen),<br />

so (entsinne Dich) der Natur des Geistes,<br />

die von Urbeginn an nicht-hergestellt ist -<br />

"Geist an sich",<br />

weit wie der Himmel.<br />

Lass los <strong>und</strong> löse (dadurch) alles Beklemmende<br />

<strong>und</strong> vertreibe alles Haften<br />

(an solchen Vorstellungen).<br />

Das selbstgegründete Wissen<br />

ist nicht wie Gedanken,<br />

die in alle Richtungen stieben.<br />

Es ist klare, strahlende Leere, gesondert<br />

von allem Anhaften des Geistes.<br />

(Dieser Zustand) kann nicht durch Beispiel,<br />

Symbol oder Worte verdeutlicht werden.<br />

Durch unterscheidende Weisheit<br />

wird man des (höchsten) Gewahrseins<br />

unmittelbar inne.<br />

Das große unvoreingenommene leere Gewahrsein<br />

hat sich nie bewegt,<br />

bewegt sich nicht<br />

<strong>und</strong> wird sich nicht bewegen.<br />

(Es ist) das eigene Gesicht,<br />

verdeckt von der Kruste<br />

plötzlicher Vorstellungen -<br />

verblendete Irrwege.<br />

Wie beklagenswert!<br />

Was wird man erlangen<br />

beim Greifen nach einer Luftspiegelung?


Welchen Sinn soll es haben,<br />

diesen vielgestaltigen Träumen nachzugehen? Was nützt es,<br />

sich an den leeren Raum zu klammern?<br />

Mit diesem Begriff <strong>und</strong> jenem Begriff<br />

verdreht man nur den eigenen Kopf.<br />

Lege all die zermürbende Sinnlosigkeit ab<br />

<strong>und</strong> löse Dich ins Uranfängliche.<br />

Der wahre Himmel ist (zu wissen),<br />

dass Samsara <strong>und</strong> Nirvana<br />

nur Blendwerk sind.<br />

Wievielerlei sich Dir auch darbieten mag,<br />

gewahre alles mit dem Einen Geschmack.<br />

Bist Du vertraut mit der Meditation,<br />

kannst Du augenblicklich<br />

das himmelgleiche Gewahrsein er-innern,<br />

das nackte, selbstgegründete, lebendige Gewahrsein,<br />

frei von Vorstellungen.<br />

(Der natürliche Geist ist) ohne Wissen oder Nichtwissen,<br />

Glück oder Qual.<br />

Glücksseligkeit entspringt<br />

(diesem) völlig gelösten Zustand.<br />

Und jetzt,<br />

ob man geht oder steht,<br />

isst oder schläft,<br />

ist man stets eng vertraut mit dem Zustand,<br />

<strong>und</strong> alles ist Weg.<br />

Achtsamkeit bedeutet (also)<br />

himmelsgleiches Gewahrsein.<br />

(Und sogar) in der Zeit<br />

nach der (formellen) Meditation<br />

bleiben die Vorstellungen stark vermindert.<br />

III.


Zur glückbringenden Zeit der letzten Stufe<br />

sind - was die vier Tätigkeiten<br />

(gehen, stehen, essen <strong>und</strong> schlafen) angeht<br />

die geprägten Gewohnheiten,<br />

aus denen alle karmischen Vorstellungen hervorgehen<br />

<strong>und</strong> die karmischen Winde des Geistes<br />

gewandelt.<br />

Es ist (Dir) gegeben,<br />

in der Stadt<br />

der bewegungslosen eingeborenen Weisheit<br />

zur Ruhe zu kommen.<br />

Was man Samsara nennt,<br />

ist bloßes Begriffsgebilde.<br />

Die große Weisheit ist frei<br />

von allem begrifflichen Denken.<br />

Was immer sich jetzt auch bieten mag,<br />

offenbart sich als absolut vollkommen.<br />

Der Zustand des großen Klaren Lichts<br />

ist beständig - Tag <strong>und</strong> Nacht.<br />

Jenseits aller beschreibenden Worte<br />

von Erinnern <strong>und</strong> Nicht-Erinnern<br />

<strong>und</strong> im Inne Sein des allgegenwärtigen Gr<strong>und</strong>es<br />

weilt es an seinem Ort<br />

<strong>und</strong> weicht nicht von ihm ab.<br />

Jetzt gibt es kein Erlangen durch Bemühen mehr.<br />

Die Erscheinungen des Pfades <strong>und</strong> des Gr<strong>und</strong>es<br />

- Hellsichtigkeit, Barmherzigkeit <strong>und</strong> anderes -<br />

stellen sich ausnahmslos von selbst ein<br />

<strong>und</strong> wachsen wie das reifen Gras im Sommer.


Ohne Erwartung <strong>und</strong> Selbstgefälligkeit,<br />

befreit von Hoffnung <strong>und</strong> Furcht:<br />

ungeborenes, unsterbliches, großes Glück,<br />

ausgedehnt wie der Himmel.<br />

Dieser große Yoga ist wie<br />

der sorglos verspielte Garuda am Himmel<br />

der zu nichts hinneigenden<br />

Großen Vollkommenheit.<br />

W<strong>und</strong>erbar!<br />

Wenn Du die Kern-Unterweisungen eines Meisters<br />

Dir zu eigen gemacht hast,<br />

besteht der Weg zur Verwirklichung<br />

dieser Herz-Essenz-Weisheit darin,<br />

die beiden Ansammlungen<br />

(von Verdienst <strong>und</strong> Weisheit)<br />

groß wie das Meer zu machen.<br />

Dann, ohne Schwierigkeit,<br />

wird (die Verwirklichung)<br />

Dir in die Hand gelegt.<br />

Staunenswert!<br />

Mögen alle Lebewesen<br />

aufgr<strong>und</strong> dieser Darlegungen<br />

den jugendfrischen Manjushri erblicken,<br />

der das barmherzige Wirken<br />

des eigenen Bewusstseins ist,<br />

der erhabene Lehrer,<br />

die Diamantessenz.


Mögen wir, die wir dies erblickt haben<br />

in diesem gegenwärtigen Leben,<br />

vollkommene Erleuchtung finden.<br />

Anhalten<br />

Willst Du in der Welt ruhen,<br />

Musst Du den Geschmack der Welt lieben.<br />

Willst Du den Geschmack der Welt lieben,<br />

Musst Du ihn kennen lernen.<br />

Willst Du ihn kennen lernen,<br />

Musst Du feinfühlig werden.<br />

Willst Du feinfühlig werden,<br />

Musst Du allen Widerstand aufgeben.<br />

Willst Du allen Widerstand aufgeben,<br />

musst Du auf dem Fleck sitzen bleiben.<br />

Musst stehen bleiben, wo Du stehst -<br />

Das Festgehaltene weicht von Dir,<br />

Das Unterdrückte gesellt sich zu Dir.<br />

Dein Ich stirbt tausend Tode<br />

<strong>und</strong> die Welt wird in Dir geboren.


Bardo des nahenden Todes<br />

So mir nun der Bardo des Augenblicks vor dem<br />

Tod aufgeht,<br />

will ich alles Ergreifen, Sehnen <strong>und</strong> Festhalten<br />

aufgeben,<br />

will unbeirrt in die klare Bewusstheit der<br />

Lehre eingehen<br />

<strong>und</strong> mein Bewusstsein in den Raum des<br />

ungeborenen Geistes ausschleudern;<br />

diesen zusammengesetzten Körper von Fleisch <strong>und</strong><br />

Blut verlassend,<br />

will ich ihn als eine vergängliche Illusion<br />

erkennen.<br />

Zu den Bardo des nahende Todes gibt es die sogenannte Phowa- Praxis des<br />

tibetischen Buddhismus <strong>und</strong> ähnlich geartete Praktiken im hinduistischen<br />

Yoga. In den PDF- Datei Sterben auf der Internetpräsenz<br />

www.sattva-adarsha.de <strong>und</strong> der PDF Datei Bardo auf der Internetpräsenz<br />

www.systemischeges<strong>und</strong>heit.de finden sie verschiedene weiterführende<br />

Texte hierzu.<br />

Auch diese Praxis wird nur mündlich überliefert.


Bardo des Todes <strong>und</strong> des Raumes danach<br />

So mir nun der Bardo des Dharmata aufgeht,<br />

will ich alle Gedanken von Furcht <strong>und</strong> Schrecken<br />

aufgeben,<br />

will ich alles was erscheint, als meine<br />

Projektion erkennen,<br />

<strong>und</strong> wissen,<br />

daß es eine Vision des Bardo ist; nun angelangt<br />

an diesem Wendepunkt,<br />

will ich die Friedlichen <strong>und</strong> Rasenden, meine<br />

eigenen Projektionen nicht fürchten.<br />

An dieser Stelle sei auf die verschiedenen Texte zum Leben <strong>und</strong> Sterben, den<br />

sogenannten Bardo Thödrol des tibetischen Buddhismus verwiesen, von<br />

denen in der PDF- Datei Sterben eine Variation in moderner Form<br />

durchgesprochen wird.


Bardo der sexuellen Vereinigung <strong>und</strong> Empfängnis<br />

So mir nun der Bardo des Werdens aufgeht,<br />

will ich meinen Geist vollkommen sammeln,<br />

<strong>und</strong> mich bemühn, das Wirken guten Karmas zu<br />

verlängern,<br />

den Schoß- Eingang verschließen <strong>und</strong> Widerstand leisten;<br />

dies ist die Zeit, da Ausdauer <strong>und</strong> Leerheit unerlässlich<br />

sind,<br />

gib auf die Eifersucht <strong>und</strong> meditiere über den Guru mit<br />

seiner Gefährtin.<br />

Mit abwesendem Geist, nicht an das Nahen des Todes<br />

denkend,<br />

in solch sinnlosem Tun befangen<br />

zurückzukehren mit leeren Händen wäre jetzt völlige<br />

Verblendung;<br />

was Not tut ist, den heiligen Dharma zu erkennen,<br />

also warum den Dharma nicht in diesem Augenblick<br />

üben?


Den Dharma in der Sexualität zu üben, bedeutet zu verstehen, dass jeder Akt<br />

der Sexualität ein heiliger Akt der Liebe ist <strong>und</strong> von der gegenseitigen<br />

Durchdringung <strong>und</strong> Verbindung, der Empfängnis, lebt.<br />

Die gewöhnliche Empfängnis endet mit der Entladung <strong>und</strong> damit mit der<br />

Erzeugung einer energetischen Verbindung. Dadurch wird der Kreislauf von<br />

Tod <strong>und</strong> Wiedergeburt, Sterben <strong>und</strong> Leben geschlossen.<br />

Ergebnis dieser energetischen Verbindung kann Verb<strong>und</strong>enheit, Bindung,<br />

Verklebung der Projektionen, Kreativität, Überschuss, Kinder <strong>und</strong> vieles mehr<br />

sein, was im Kreislauf der Welten eine Rolle spielt.<br />

Im zweiten Teil der Sutra „den Schoss verschließen“ <strong>und</strong> „Leerheit <strong>und</strong><br />

Ausdauer„ können wir einen Hinweis auf die Praxis der Energieübertragung<br />

mit Gefährte oder Gefährtin erfahren. Hier ist die Leerheit gefragt, aus der<br />

die Ekstase entspringt <strong>und</strong> die Entspanntheit, welche die Liebenden im Tal<br />

verweilen lässt, bis die Welt erschauert.<br />

Der gewonnene Überschuss aus der Verbindung wird eifersuchtslos der Welt<br />

zur Verfügung gestellt. Durch diesen Überschuss entsteht „Leuchten“ in der<br />

Welt.<br />

Ein praktisches Beispiel: Jeder kennt die Aufladung, die von Verliebten<br />

ausgeht. Ihre Freude, ihre Wärme springt auch auf Mitmenschen über <strong>und</strong><br />

erleuchtet die Welt.<br />

Der Mystiker <strong>und</strong> Tantriker Osho hat sehr viel darüber gesprochen.<br />

Dieser Bardo ist Teil der tantrischen Praxis. In den Spielarten des tibetischen<br />

Buddhismus wird er nur im Verborgenen gelehrt. Im modernen Tantra ist<br />

diese ein wesentlicher Ansatz. Jedoch, <strong>und</strong> darauf sei hier hingewiesen:<br />

In der praktischen Umsetzung gilt es zu beachten, dass Beziehungen<br />

entweder eine hohe Verbindlichkeit haben, also in Liebe zum Partner oder<br />

zur Partnerin verankert sind (<strong>und</strong> damit auch mit den Schatten des Anderen<br />

konfrontiert sind) oder es sich um Praxis (bei gewählten, unverb<strong>und</strong>enen<br />

Gefährten) handelt, die ein sehr hohes Maß an Herz-Öffnung <strong>und</strong><br />

Projektionsfreiheit handelt.<br />

Manche „Tantra- Lehrer“, „Tantra- Meister“ <strong>und</strong> auch viele Schüler krachen<br />

hier ( bei der Praxis gewählter, unverb<strong>und</strong>ener Gefährten)innerlich<br />

zusammen.<br />

Herzlose Promiskuität produziert Verwirrung <strong>und</strong> energetische Distraktionen<br />

bei Lehrer <strong>und</strong> Schülern. Sie zerstört die energetische Feinfühligkeit für den<br />

„reinen Raum“. Hier kann statt „Befreiung“ auch „emotionaler Krebs“, eine<br />

neue „emotionale Pest“ produziert werden.


Zum Abschluss <strong>und</strong> zur Verwirrung folgt zum Abschluss dieser Einführung<br />

in die <strong>Bardos</strong> eine prägnante <strong>und</strong> herzerfrischende Belehrung über eine etwas<br />

abweichende Idee der Anzahl <strong>und</strong> Abfolge der <strong>Bardos</strong>, die im Kern aber mit<br />

meinen Erläuterungen übereinstimmt <strong>und</strong> sie in manchen Dingen noch mehr<br />

erhellt.<br />

Belehrungen über die Neun <strong>Bardos</strong> aus dem Aro gTér<br />

Ngak'chang Rinpoche<br />

Vultures' Nest, Alameda, Kalifornien, Februar 1997<br />

Bei den Vajrayana (tibetisches Tantra)-Belehrungen muss man sich im<br />

Unterschied zum Sutrayana bewusst machen, dass es eine Linie gibt.<br />

Vajrayana- Belehrungen haben einen Ursprung - sie sind nicht nur<br />

allgemeine Information. Man kann Belehrungen nicht von einer<br />

"verallgemeinernden Quelle" bekommen; <strong>und</strong> genauso wenig kann man<br />

Belehrungen geben, es sei denn, sie kommen von einer spezifischen Quelle<br />

<strong>und</strong> man ist vom Linienhalter autorisiert worden, zu lehren. Man kann nicht<br />

von Tantra oder Dzogchen sprechen, als wären die Belehrungen von<br />

Padmasambhava & Yeshé Tsogyel frei zugängliche Information, die man<br />

durch bloßes Lesen von Büchern erhält. Heute sehen wir eine wachsende Zahl<br />

von New-Age-Zugängen zum Buddhismus. Und obwohl manchmal positiv<br />

motiviert, sind diese synkretistischen Mischmasch-Interpretationen von<br />

Vajrayana in Wirklichkeit aber ziemlich schädlich. Normalerweise beginne ich<br />

Belehrungen nicht auf diese Weise, aber in letzter Zeit ist mir bewusst<br />

geworden, dass eine Überfülle an falschen Vorstellungen geäußert wird;<br />

Ideen, die Vajrayana-Praktiken mit positivem Denken, Affirmationen,<br />

Persönlichkeitsentwicklung <strong>und</strong> einer Anzahl anderer Konzepte vergleichen,<br />

die antithetisch zum Buddhismus sind. In diesem Kontext können wir<br />

Chögyam Trungpa Rinpoche von Herzen dankbar sein, dass er den Ausdruck<br />

"spiritueller Materialismus" geprägt hat. Denn durch ihn sind wir in der Lage,<br />

diesen heimtückischen Trend zu identifizieren <strong>und</strong> ihn aus unserer eigenen<br />

Praxis auszumerzen.


Worüber wir heute sprechen werden, hat nichts mit Affirmationen zu tun<br />

oder damit, Fre<strong>und</strong>e zu gewinnen & Leute zu beeinflussen. Wir befassen uns<br />

nicht mit dem spirituellen Materialismus des "Tu, was du fühlst" <strong>und</strong> "Folge<br />

deinem inneren Guru". Wir sind Vajrayana- Praktizierende <strong>und</strong> können stolz<br />

auf unsere eigensinnige Einfachheit sein. Nicht Stolz im üblichen Wortsinn,<br />

sondern im Sinne heiteren Vertrauens. Wir brauchen uns nicht von<br />

"erregenden Tantrifikationen" oder "demokratisierten Dzogchenismen"<br />

verführen zu lassen.<br />

Wir werden über die Belehrungen der neun <strong>Bardos</strong> sprechen. Ihr Ursprung<br />

liegt in den gTérmas von Khyungchen Aro Lingma, der Dame des Wissens aus<br />

der Sphäre, in der der große Garuda das ursprüngliche "A" schmeckt. Das ist<br />

die Bedeutung von Khyungchen Aro Lingma. Zu Beginn dieses Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

verwirklichte Aro Lingma einen gTérma Lehrzyklus der reinen Sicht, den sie<br />

direkt von Yeshé Tsogyel erhielt; <strong>und</strong> das macht diesen Lehrzyklus<br />

einzigartig.<br />

Der Aro gTér ist ein Lehrzyklus, der alles aus der Sicht des Dzogchen<br />

darstellt. Ob es sich nun um Belehrungen aus dem Sutra oder Tantra handelt,<br />

sie alle werden in der Sprache des Dzogchen präsentiert. Belehrungen wie die<br />

über die neun <strong>Bardos</strong> werden deshalb in nicht-symbolischer Sprache<br />

ausgedrückt. Der Bardo Thödröl, wie er üblicherweise von den gTérmas von<br />

Karma Lingpa gelehrt wird, umfasst 42 friedvolle, 58 zornvolle<br />

Bewusstseinswesen. In den Bardo-Belehrungen von Aro Lingma jedoch<br />

besteht die Praxis darin, die thig-lé zu erfahren, was sie dem to-gal ähnlich<br />

macht. Wir gehen jetzt nicht im einzelnen darauf ein, weil das ein langes<br />

Retreat voraussetzen würde. Wir werden die Aspekte der neun <strong>Bardos</strong><br />

betrachten, die mit Integration auf der Ebene des täglichen Lebens zu tun<br />

haben.<br />

Jedes System der <strong>Bardos</strong> beginnt anders. In den sechs <strong>Bardos</strong> beginnen wir<br />

mit dem kye-né Bardo, dem Bardo der Geburt; dann gehen wir durch den milam<br />

Bardo (Bardo der Träume); den samten Bardo (Bardo der Meditation); den<br />

chhi-kha’i Bardo (Bardo des Todes); den chö-nyid Bardo (Bardo des<br />

Dharmata oder Klare-Licht-Erfahrung).


In den neun <strong>Bardos</strong> haben wir eine andere Orientierung. Wir beginnen nicht<br />

mit der Geburt, sondern mit dem Tod. Das ist ein reines organisatorisches<br />

Arrangement im Hinblick auf die Präsentation der Belehrungen, aber es ist<br />

ziemlich wichtig. Wir beginnen mit dem chhi-kha’i Bardo. Dann gehen wir<br />

durch den chö-nyid Bardo. Aber hier, im Aro gTér, ist der chö-nyid Bardo<br />

oder der Bardo des Dharmata zweigeteilt: chö-nyid Bardo ist der erste; <strong>und</strong><br />

der zweite ist nang-wa Bardo (Bardo der Vision). Der chö-nyid Bardo ist<br />

deswegen so aufgeteilt, weil der Bardo der Vision (nang-wa Bardo) der Bardo<br />

ist, in dem man die thig-lé erfährt.<br />

Als man im Westen den Bardo Thödröl als Buch entdeckte, hatte man<br />

anfänglich die Vorstellung, dass diese Visionen tatsächlich das waren, was<br />

man sieht, wenn man stirbt: man sieht die 100 Bewusstseinswesen der<br />

<strong>Bardos</strong>. Das verursachte Verwirrung, denn andere Kulturen hatten sehr<br />

unterschiedliche Beschreibungen dessen, was man im Zustand des Todes<br />

sehen könnte. Man versuchte, die Belehrungen über die Nach-Tod-Zustände<br />

aus verschiedenen Religionen miteinander zu vergleichen <strong>und</strong> wurde ziemlich<br />

verwirrt bei dem Versuch, alles miteinander in Einklang zu bringen. Man<br />

dachte, der Bardo Thödröl beschreibe eine festgelegte "Realität", die auf<br />

jeden von uns warte. Aber tatsächlich sind die einzigen, die die friedvollen<br />

<strong>und</strong> zornvollen Bewusstseinswesen sehen, jene Yogis <strong>und</strong> Yoginis, die sie<br />

während ihres Lebens praktiziert haben.


Die 100 Bewusstseinswesen des Bardo sind eine Methode. Es ist wichtig, das<br />

zu verstehen. Viele Menschen machen sich nicht klar, dass Buddhismus fast<br />

zu 100% aus Methode besteht. Wir entstammen Kulturen, in denen unsere<br />

Religionen von "Wahrheit" sprechen, "die drei Buchreligionen": Judaismus,<br />

Christentum <strong>und</strong> Islam. Aber "Wahrheit" <strong>und</strong> wie sie wahrgenommen wird, ist<br />

eines der Haupthindernisse beim Verständnis des Buddhismus, weil es im<br />

Buddhismus nicht um "Wahrheit" geht. Ihm geht es um Methode. Wahrheit<br />

ist, was durch Methode entdeckt wird. Es gibt Methode <strong>und</strong> es gibt Leerheit.<br />

Wahrheit wird nicht wirklich thematisiert als "die Wahrheit", nicht einmal<br />

hinsichtlich der Beschreibung von Wirklichkeit, weil selbst die Beschreibung<br />

der "Wahrheit" eine Methode ist, auf die Wahrheit zu zeigen.<br />

Also lasst uns jetzt die Idee von Tantra erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> wie das in diesem<br />

Sinne funktioniert. Mit dem Tantra bewegen wir uns von der Vorstellung,<br />

dass es nichts gibt, weg <strong>und</strong> hin zu der Vorstellung, dass, was immer da ist,<br />

in dem Moment da ist, wo es entsteht. Wir fangen an, uns mit Form zu<br />

beschäftigen. Sutra beschäftigt sich nicht mit Form, abgesehen von der<br />

Vorstellung, dass man Form loslassen muss; <strong>und</strong> dass man sich durch das<br />

Ideal des Mitgefühls hindurcharbeiten muss, was die Praxis von Form ist. Mit<br />

Tantra integrieren wir Leerheit <strong>und</strong> Form. Mit Tantra werden die gesamten<br />

Belehrungen auf Form hin ausgerichtet - leere Form. Das ist wichtig, vom<br />

Blickwinkel der neun <strong>Bardos</strong> her zu verstehen, wo der Fokus auf der Gestalt<br />

des "Welche Form auch immer da ist, sie ist da im Moment" liegt. Ich kann<br />

tatsächlich den verleumdeten "Atman" haben, aber nur im Moment. Und<br />

dann, im nächsten Moment, ist es ein anderer "Atman". Wenn ich den<br />

momentanen Atman von Moment zu Moment ausweiten möchte, dann gibt es<br />

keinen Atman - kein Selbst, keine Seele. Wenn ich jedoch nicht versuche, den<br />

momentanen Atman auszudehnen, dann ist er auf w<strong>und</strong>erbare Weise da im<br />

momentlosen Moment. Das ist charakteristisch für Tantra, das sein Ethos<br />

gegenüber dem des Sutra differenziert.


In den Belehrungen der neun <strong>Bardos</strong> beginnen wir mit dem chhi-kha’i Bardo<br />

(Bardo des Todes); es folgt der chö-nyid Bardo; <strong>und</strong> dann der nang-wa Bardo<br />

(Bardo der Vision). Im nang-wa Bardo gibt es die besondere Praxis der thiglés.<br />

Das ist auch eine Praxis, die man für andere Wesen ausüben kann.<br />

Vielleicht werde ich zu einem anderen Zeitpunkt mehr dazu sagen - aber, wie<br />

ich sagte, erfordert es ein langes Retreat. Nach dem nang-wa Bardo kommt<br />

der kye-né Bardo (Bardo der Geburt); der mi-lam Bardo; der samten Bardo<br />

genau wie bei den sechs <strong>Bardos</strong>. Die letzten beiden <strong>Bardos</strong>, die die neun<br />

konstituieren, werden der gYo-wa Bardo <strong>und</strong> der tha-shé Bardo genannt.<br />

'gYo-wa' bedeutet "Bewegung". Das ist dasselbe gYo-wa wie in den<br />

Belehrungen über die vier Naljors. Tha-shé ist eine Kontraktion des tha-malgyi-shé-pa.<br />

Tha-mal-gyi-shé-pa bedeutet "augenblickliche Gewöhnlichkeit".<br />

Dies sind die beiden <strong>Bardos</strong>, die wir heute besprechen werden.<br />

Im Englischen wurde der Bardo Thödröl "The Tibetan Book of the Dead" (dt.<br />

"Das Tibetische Totenbuch") genannt. Es bekam diesen Titel, weil es ein<br />

Ägyptisches Totenbuch gibt. Es war ein unglücklicher Titel. Er blieb, wie der<br />

Ausdruck "Tibetischer Buddhismus" blieb, weil niemand eine bessere<br />

Bezeichnung weiß. Aber Menschen, die in Bhutan leben, halten ihn nicht für<br />

Tibetischen Buddhismus. Es ist so, als würde man "Englisches Christentum"<br />

sagen (Lachen). Der Titel Tibetisches Totenbuch hat den Eindruck erweckt,<br />

als handele es sich einzig um Belehrungen über den Zustand nach dem<br />

physischen Tod. Ganz bestimmt betrifft es auch den physischen Tod, aber es<br />

betrifft auch die Geburt. Es könnte tatsächlich "Das Tibetische Buch von<br />

Geburt & Tod" genannt werden, das "Tibetische Buch vom Leben" oder "Das<br />

Tibetische Buch von der Existenz & Nicht-Existenz". Trungpa Rinpoche<br />

erwähnte es einmal als "Das Tibetische Buch vom Raum". Eine Redeweise ist<br />

in letzter Zeit im Westen entstanden, wo man von diesen Vajrayana-<br />

Belehrungen als von "Leben <strong>und</strong> Tod" spricht. Dies ist aus buddhistischer<br />

Sicht eine einzigartig seltsame Paarung von Begriffen - als gäbe es ein Bardo<br />

Thödröl von Leben & Tod. Aus buddhistischer Sicht können wir Leben & Tod<br />

nicht auf diese Weise polarisieren, ohne uns das Paradigma zu eigen zu<br />

machen, dass der Tod nur einmal in jedem Leben erscheint. Es ist für<br />

Khandro Déchen <strong>und</strong> mich äußerst wichtig, dass wir diesen Typus von<br />

spirituellem Materialismus bei denen untergraben, die ernstlich an<br />

buddhistischen Unterweisungen interessiert sind.


Wenn ihr euch mit eurem physischen Tod abfinden wollt, ist es wichtig zu<br />

verstehen, dass ihr das nicht durch freiwillige Arbeit in einem Hospiz tun<br />

könnt oder indem ihr in einer Leichenhalle arbeitet. Manche Leute haben<br />

diese Vorstellung, dass man so zu einem Verstehen des eigenen Todes<br />

gelangen kann. Das ist nicht wahr. Vielleicht gewöhnst du dich an die<br />

Tatsache, dass Menschen sterben, besonders, wenn du große Angst vor dem<br />

Tod hast. Oder wenn du dich zugemacht hast, indem du niemals an<br />

Krankenhäuser denkst oder niemals daran denkst, dass Menschen älter<br />

werden. Aber selbst wenn du diese Themen betrachtest, kannst du leicht in<br />

genau der Haltung der Verleugnung enden. Man kann sich selbst täuschen,<br />

indem man denkt, dass man sich mit dem Tod abgef<strong>und</strong>en hat. Das ist<br />

sowieso der Gr<strong>und</strong>, warum wir in Samsara existieren - wir sind ganz schön<br />

clever! (Lachen) Wenn wir nicht sehr klug wären, würden wir es nicht<br />

schaffen, im Samsara gefangen zu sein. Wir können außergewöhnlich klug<br />

sein, wenn wir Leichen betrachten: "Kein Puls, kein Atem..." dann schaltet<br />

etwas im Kopf ab. Eine stumme Feststellung wird getroffen: "Das hat nichts<br />

mit mir zu tun."<br />

Also macht es nicht wirklich einen Unterschied, wenn wir uns an Leichen<br />

gewöhnen. Jemand, der sich Leichen gegenüber verschließt, kann genau so<br />

sein wie jemand, der sie jeden Tag anschaut, hinsichtlich: "Das hat nichts mit<br />

mir zu tun... Menschen sterben, ja, das weiß ich. Aber ich bin eine Person, für<br />

die das nicht wirklich gilt; obwohl ich tatsächlich in Kontakt bin mit "den<br />

Sterbenden" <strong>und</strong> "den Toten". Es sind immer "die", nicht wahr... die<br />

Sterbenden; selten hören wir "Menschen, die kurz vor dem Tod sind". Man<br />

weiß nicht genau, ob man gerade verdrängt oder nicht, wie ich vielleicht nicht<br />

weiß, ob ich Samsara mache oder nicht (lacht). Wenn ich tatsächlich wüsste,<br />

dass ich Samsara tue, dann (Pause) vielleicht (Pause) würde mich das<br />

misstrauisch machen.<br />

E


ine der wichtigen Dinge in den Belehrungen über die sechs oder neun <strong>Bardos</strong><br />

ist das Wort "Bardo". Etymologisch zerfällt es in "bar", was eine Art Bewegung<br />

oder Fliessen bedeutet, wie ein Bach; <strong>und</strong> "do" bedeutet eine Art Insel oder<br />

Fels in dem Bach. Es gibt einen Bereich mitten in der Bewegung; das ist hier<br />

die Idee. Es bezieht sich nicht bloß auf die Phase, nachdem du physisch tot<br />

bist, obwohl alle sagen: "Wenn du im Bardo sein wirst...", als ob wir jetzt<br />

nicht drin wären (lacht). "Im Bardo" wie "im Dharma" wie "in the Navy" (lacht).<br />

Also (Pause) der Bardo hat eine Bedeutung ähnlich wie Lücke, Gestalt,<br />

Zeitrahmen oder "Becken von zeitlichem Raum".<br />

Um ein gewisses Verständnis davon zu haben, was Tod ist, muss man<br />

sterben. Du kannst dich nicht an etwas gewöhnen, ohne dieses "etwas" auch<br />

zu "tun". "Den Tod tun" einmal in jeder physischen Lebenszeit ist bei weitem<br />

nicht häufig genug (lacht). Wir müssen so oft wie möglich sterben. Es gibt<br />

nichts, was die Erfahrung des Todes auf dieser Ebene von allem anderen, was<br />

wir tun, trennt. Wenn wir oft genug sterben, werden wir uns daran gewöhnen.<br />

Also... das muss angewendet werden irgendwie - wir müssen "den Tod tun",<br />

wenn wir uns mit ihm vertraut machen wollen. Um "den Tod" oft genug zu<br />

"tun", müssen wir den Moment des Todes jeden Tag entdecken.


Die offensichtlichste Art, jeden Tag zu sterben, ist einfach durch das<br />

Einschlafen jede Nacht - aber das Einschlafen ist noch etwas anders. Wir<br />

beginnen hier, indem wir die Praxis des mi-lam <strong>Bardos</strong> betrachten. Das ist<br />

die nächste <strong>und</strong> offenk<strong>und</strong>igste Form der Bardo-Praxis in unserem Leben.<br />

Wenn wir Traum-Yoga praktizieren, bereiten wir uns auf den Schlaf vor,<br />

indem wir eine bestimmte Haltung einnehmen. Es gibt außerdem eine<br />

bestimmte Visualisation, die eine von den drei Silben von Aro Lingma<br />

verwendet, entweder das kurze blaue<br />

'a<br />

das weiße<br />

A<br />

oder das lange rote<br />

A'a'a<br />

Wir werden diese Praxis des mi-lam hier betrachten, weil diese Praktiken<br />

miteinander verb<strong>und</strong>en sind. Die Praxis von mi-lam basiert auf der Tatsache,<br />

dass der Einschlaf-Prozess den Prozess des physischen Todes spiegelt -<br />

abgesehen vom Auflösen des Raumes in sich selbst hinein. Mit dem<br />

physischen Tod lösen sich die psycho-physischen Elemente in sich selbst<br />

hinein auf <strong>und</strong> verschwinden in ursprüngliche die Leerheit. Erde löst sich in<br />

Wasser hinein auf. Wasser löst sich in Feuer auf. Feuer löst sich in Luft auf.<br />

Luft löst sich in Raum auf <strong>und</strong> Raum in sich selbst. Dann treten wir in den<br />

chö-nyid Bardo ein, in dem sich das klare Licht „des Sohnes“ mit dem klaren<br />

Lichte „der Mutter“ vereinigt. Im Bardo des Schlafens erfährt man nur das<br />

Licht des Sohnes, aber im Bardo des Sterbens lösen sich chö-ku & chö-ying<br />

in den Gr<strong>und</strong> von chö-nyid auf.<br />

Das Schlaf-Äquivalent des nang-wa Bardo ist die Traumphase. Das Schlaf-<br />

Äquivalent des kyé-né <strong>Bardos</strong> ist der Augenblick, wo wir das normale<br />

Wachbewusstsein zurückgewinnen. Das ist ein vollständiger Prozess <strong>und</strong> man<br />

kann den Tod erfahren, indem man diese <strong>Bardos</strong> praktiziert. Man kann den<br />

Tod erfahren, indem man sich der Auflösung der Elemente bewusst ist.


Man kann den Tod erfahren, indem man in die Dimension des "klaren Lichtes<br />

des Sohnes" eintritt. Man kann ihn ebenso erfahren, indem man vom "klaren<br />

Licht" weggeht in den Traumbardo. Dann kann man vom Traumbardo ins<br />

Wachbewusstsein "sterben". Hier ist es wichtig, zu verstehen, dass man das<br />

Sterben auf diese Weise mit völliger Präsenz erfährt. Normalerweise<br />

bevorzugen wir es, einen Moment wach zu sein <strong>und</strong> im nächsten zu schlafen.<br />

Wir sind nachlässig darin, in diesem Prozess präsent zu bleiben, weil wir uns<br />

dabei beobachten würden, wie wir auseinanderfallen. Dieser Prozess ist sehr<br />

unangenehm hinsichtlich unserer Bezugspunkte. Wir mögen es nicht, uns<br />

auseinanderfallen zu sehen. Das müssen wir anerkennen. Es ist<br />

entscheidend, den Faktor "angenehm" bezüglich des Verlustes von Präsenz<br />

zu verstehen, <strong>und</strong> ungefähr fünf Minuten um den Prozess von bewusst-zuunbewusst<br />

zu verbringen, wenn wir das Vergessen vermeiden wollen. Wenn<br />

der Einschlaf-Prozess zu schnell erfolgt, verlieren wir lediglich die Präsenz.<br />

Die meisten Leute werden von dem Naro Chö-drug, den sechs Yogas von<br />

Naropa gehört haben; oder dem Nigu Chö-drug, den sechs Yogas von<br />

Niguma. Du wirst feststellen, dass diese Praktiken sich mit denen der neun<br />

<strong>Bardos</strong> überschneiden <strong>und</strong> mit ihnen verwoben sind. Im Aro gTér ist mi-lam<br />

verb<strong>und</strong>en mit dem Nigu Chö-drug <strong>und</strong> ist so zusammengesetzt, das die<br />

Praxis des mi-lam, 'ö-sel (klares Licht) & gyü-lü (Illusionskörper) verb<strong>und</strong>en<br />

sind. Normalerweise wird von ihnen als von drei getrennten Praktiken<br />

innerhalb des Nigu Chö-drug gesprochen, aber im Aro gTér werden sie<br />

innerhalb der Praxis des mi-lam Bardo kombiniert.


Frage: Bezieht sich der kyé-né Bardo speziell auf die Dauer, die man im<br />

Mutterleib verbringt?<br />

Rinpoche: Ja... <strong>und</strong> auf den Bardo davor. Es ist die gesamte Phase, in der man<br />

Form annimmt. Und dann, wenn du Verwirklichung im kyé-né Bardo hast,<br />

wird das als "ein Mutterleib mit einer Sicht" bezeichnet (lacht). Tut mir leid.<br />

F: Ist Existenz auch einer der sechs <strong>Bardos</strong>?<br />

R: Ja. Sie wird der srid-pa'i Bardo genannt. Die Folge ist: kyé-né, srid-pa’i,<br />

mi-lam, samten, chhi-kha’i, chö-nyid, nang-wa <strong>und</strong> dann wieder kyé-né <strong>und</strong><br />

so weiter. Diese neun <strong>Bardos</strong> sind mehr oder weniger wie die sechs <strong>Bardos</strong>,<br />

nur gibt es drei zusätzlich. Einer davon ist aus dem chö-nyid Bardo<br />

geschaffen, der zweigeteilt ist. Der erste ist chö-nyid Bardo, der das klare<br />

Licht erfährt. Der zweite ist der nang-wa Bardo, der Teil mit der Erfahrung<br />

der thig-lé. Dieser nang-wa Bardo-Teil hat zwei Eigenschaften. Die erste hat<br />

mit den thig-lé als einer Methode zur Entwicklung der Dimension der<br />

Traumerfahrung zu tun. Das ist Teil des to-gal Ngöndros innerhalb des Aro<br />

gTér. Die zweite Eigenschaft hat damit zu tun, Menschen zu helfen, die<br />

gestorben sind.<br />

F: Als Meditationspraxis?<br />

R: Ja. Das ist eine nicht-liturgische Praxis. Es ist auch eine nicht-symbolische<br />

Praxis im Hinblick auf die Tatsache, dass keine Yidams verwendet werden.<br />

F: Sind es also nur die Formen der thig-lé selber?<br />

R: Ja... oder besser, ihre wesentlichen Schlüssel werden durch symbolischen<br />

Kontakt hervorgerufen. Das Energiefeld, das als thig-lé bekannt ist, wird<br />

durch sel-tong Klarheit-Leerheit hervorgerufen.<br />

F: Normalerweise wird das Bardo-System in einer bestimmten Reihenfolge<br />

vom kyé-né Bardo an gelehrt, <strong>und</strong> ich frage mich, ob es einen besonderen<br />

Gr<strong>und</strong> gibt, mit dem Tod zu beginnen.


R: Das Aro gTér System bevorzugt es, lieber mit dem Tod als mit der Geburt<br />

zu beginnen, weil innerhalb dieses Systems das durchgehende Verständnis<br />

"des Todes innerhalb des physischen Lebens" der Schlüssel zu allen anderen<br />

<strong>Bardos</strong> ist.<br />

F: Also beginnt es von der Position des chhi-kha’i Bardo; dann der chö-nyid<br />

Bardo; dann der nang-wa Bardo, der Bardo des Sehens; dann der kye-né<br />

Bardo, der srid-pa’i Bardo; der mi-lam Bardo, samten Bardo; <strong>und</strong> ...<br />

R: Dann der gYo-wa Bardo. gYo-wa bedeutet der Bardo der Bewegung oder<br />

der Bardo der Veränderung, "der Bardo des sich verändernden Moments". Der<br />

neunte Bardo ist der tha-mal-gyi-shé-pa Bardo, der Bardo der<br />

"augenblicklichen Gewöhnlichkeit". Wir verkürzen "tha-mal-gyi-shé-pa Bardo<br />

zu "tha-shé Bardo". Das ist die übliche Zusammenziehung dieses Wortes.<br />

Wie ich vorher gesagt habe, bedeutet das Wort "Bardo" "Raum" oder "Lücke";<br />

ein gewisser Punkt innerhalb eines Bewegungsfeldes. Bardo ist ein<br />

"erkennbares Gebiet", wo Chaos herrscht; <strong>und</strong> dann ist da ein verständlicher<br />

Aspekt. Der verständliche Aspekt ist "do", das, was nicht als sich bewegend<br />

im Moment erscheint. Wir können das eine "Lücke", einen "Raum" oder ein<br />

"Zeit-Becken" nennen.<br />

Wenn wir die anderen <strong>Bardos</strong> betrachten, sehen wir, dass sie spezifische<br />

Zeitperioden betreffen, wenn etwas geschieht. Entweder wird man geboren,<br />

man stirbt... (lacht). Ein Deutscher fragte mich einmal, ob ich eine humorvolle<br />

deutsche Definition von Leben kenne... Er sagte, sie gehe so, das Leben sei<br />

"ein Unglück kommt selten allein". (Pause) Offensichtlich ist deutscher Humor<br />

anders als Westküsten-Humor (allgemeines Lachen). Vielleicht ist das eine<br />

andere Form von Bardo (lacht). Meditation ist auch als eine Form von Bardo<br />

bekannt - nicht einfach der samten Bardo der meditativen Stabilität, sondern<br />

das reguläre Sitzen, das man praktiziert, <strong>und</strong> dann hört man auf zu sitzen.<br />

Das ist auch Bardo. Bardo ist der Raum, wo alles, was auch immer im Raum<br />

enthalten ist, eine besondere Art von Duft hat. Der mi-lam Bardo, der<br />

Traumbardo, hat den Duft seiner Träume. Sie könnten Alpträume sein. Sie<br />

könnten erotisch sein...<br />

F: Oder erotische Alpträume?


R: (Lacht) Das tut mir leid. Der srid-pa’i Bardo hat die Qualität der eigenen<br />

Lebensumstände - seiner menschlichen physischen, körperlichen Existenz.<br />

Darum ist gYo-wa Bardo ein Weg, um die Beschaffenheit des srid-pa’i Bardo<br />

in enorm reiche momentane Details hinein zu entwickeln. Es gibt eine<br />

bestimmte Art eines gYo-wa Bardo-Retreats, das du vielleicht ausprobieren<br />

willst. Es ist interessant, dass wir technische Möglichkeiten haben, die diese<br />

Praxis sehr viel leichter machen, als sie es in Tibet war. In Tibet mussten sie<br />

das Gedächtnis <strong>und</strong> physische Objekte für dieses Retreat benutzen; aber hier<br />

können wir Fotos benutzen. Es ist sehr nützlich, Fotos für ein derartiges<br />

Retreat zu haben, weil man zurück auf seine Vergangenheit blickt. Das ist<br />

sehr interessant, es auszuprobieren: du schaust dir ein Foto von dir an <strong>und</strong><br />

fragst: "Gut, wer ist das? Bin das ich? Ja... Ich weiß, das bin ich. Ich weiß, dass<br />

ich zu dem Zeitpunkt bestimmte Sachen gemacht habe... Ich war in der<br />

Schule. Oder vielleicht war ich an der Uni. Ich war, wo immer ich war. Ich war<br />

in dieser Beziehung. Ich trug Kleidung, die genau so aussah. Vielleicht<br />

erinnere ich mich an einige Lieblingsstücke. Ich erinnere mich an all das...<br />

aber kann ich mich erinnern, wie es tatsächlich war, als ich der Besitzer all<br />

dieser Sachen war? Kann ich diese Person wenigstens für einen Moment<br />

wieder sein?" In der tibetischen Tradition schaute man sich gewöhnlich<br />

Objekte an, falls etwas aus der Kindheit übrig geblieben war, ein Spielzeug,<br />

mit dem man gespielt hatte. Man hob es auf <strong>und</strong> fragte: "Kann ich dieses<br />

Kind sein, das mit diesem Gegenstand spielte?" Und du entdeckst, dass du es<br />

nicht kannst. Vielleicht kannst du da eine Art Gefühl kriegen; aber wie immer<br />

auch diese Erfahrung ist, du bist erwachsen <strong>und</strong> erinnerst dich an diese<br />

Erfahrung. Was du herausfindest, ist, dass du versagst - es ist tatsächlich<br />

nicht möglich, noch einmal dieses Kind zu sein. Dieses Kind ist tot. Innerhalb<br />

des gYo-wa Bardo-Retreats wiederholen wir unser Leben <strong>und</strong> wir können uns<br />

fragen: "Wie früh reicht meine Erinnerung?"


Wenn du ein Bild von einem Baby siehst, schaust du es an <strong>und</strong> sagst: "Ich<br />

kann mich überhaupt nicht mehr mit diesem Kind in Beziehung bringen."<br />

Aber nachdem du einer Serie von etwas älteren Kindern angesehen hast,<br />

kommst du bei einem bestimmten Alter an, an das du dich zu erinnern<br />

scheinst. Dann sagst du vielleicht: "Ja. Daran kann ich mich jetzt erinnern. Ich<br />

erinnere mich an einige Ereignisse." Also schaust du dir diese Ereignisse an.<br />

Wenn du eine Serie von Fotos hast, ist es sehr nützlich: du gehst von einem<br />

zum anderen. Du folgst ihnen einem nach dem anderen in chronologischer<br />

Reihenfolge mit dem Versuch, dich damit zu verbinden, <strong>und</strong> kontinuierlich<br />

misslingt es dir, dich zu verbinden.<br />

F: Du würdest denken, je näher du in die Gegenwart kommst, desto mehr<br />

müsste man in der Lage sein, sich zu verbinden, aber man entdeckt, dass das<br />

nicht wahr ist?<br />

R: Das stimmt. Und das ist unheimlich. In diesem Retreat geht es darum, die<br />

Kontinuität der eigenen Existenz abzubrechen.<br />

F: Man muss also erkennen, dass man nicht kontinuierlich ist?<br />

R: Ja. Man praktiziert das, indem man sein eigenes Leben betrachtet,<br />

besonders, indem man wichtige Ereignisse anschaut.<br />

F: Eine große Sache im Westen ist, dass die meisten von uns einige<br />

Beziehungen hinter sich haben. Das muss sehr nützlich für dieses Retreat<br />

sein...<br />

R: Klar. Ich erinnere mich an Partnerinnen, die mich verlassen haben (tut, als<br />

würde er weinen). "Ich wollte nicht, dass du mich verlässt."<br />

F: Gerade dachte ich, dass diese Person sehr, sehr wichtig für mich war.


R: Ja, <strong>und</strong> vielleicht habe ich zu Fre<strong>und</strong>en gesagt: "Ich bin jetzt völlig am<br />

Boden zerstört; ich werde nie wieder so jemanden finden." Aber eine Weile<br />

später bin ich mit jemand anderem zusammen <strong>und</strong> plötzlich ist diese Person<br />

nicht mehr so wichtig. Und jemand sagt: "Hey, ich dachte, du hast gesagt,<br />

das war die einzige auf der ganzen Welt für dich?"<br />

F: Ist das nicht wirklich komisch... wie seine ganze Erfahrung gefärbt ist<br />

durch das, was im Moment geschieht.<br />

R: Ja. Das ist der Bardo der Beziehung.<br />

F: Sie endet. Und dann was? Ich bin in einer anderen; <strong>und</strong> ich blicke zurück,<br />

<strong>und</strong> ich kann mich nicht mehr mit ihm in Verbindung bringen.<br />

R: Das ist richtig. Er ist weg... Sie ist weg... jenseits von: ga-té ga-té,<br />

paramour ga-té, paramour sam ga-té bodhi svaha...


F: (Lacht) Also jetzt betrachte ich meinen letzten Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> denke: Ich habe<br />

diese Person bew<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> jetzt sehe ich, dass diese Person tatsächlich<br />

etwas dumm ist, ich meine, diese Person versteht Dinge nicht besonders<br />

schnell... (lacht).<br />

R: Oder vielleicht denkst du: "Was passiert hier eigentlich? Was hatte die<br />

Person, was sie so besonders machte? Klar ist das eine nette Person. Klar ist<br />

diese Person noch ein Fre<strong>und</strong>. Klar bew<strong>und</strong>ere <strong>und</strong> respektiere ich sie. Aber<br />

da war diese Elektrizität... wo ist sie jetzt? Diese Person ist jetzt wie meine<br />

Schwester oder wie mein Bruder! Vielleicht sehe ich ihn oder sie einmal in der<br />

Woche... Vielleicht sind wir noch gute Fre<strong>und</strong>e... Aber wo ist diese enorme<br />

Leidenschaft geblieben?" Sie ist nicht da. Sie ist verschw<strong>und</strong>en.<br />

F: Unser Leben ist voller solcher Erfahrungen, nicht wahr.<br />

R: Ja... Menschen, die wir lieben, <strong>und</strong> die wir dann nicht mehr lieben. Dinge,<br />

die wir mochten, <strong>und</strong> die wir dann nicht mehr mochten...<br />

F: So, wie ich mich erinnere: das bin ich in meinen ersten Hosen mit Schlag<br />

(lacht). Was denke ich, wie ich jetzt aussehen würde? Damals, als ich dachte,<br />

sie wären so toll... Kennst du die, die man auftrennt <strong>und</strong> Extrastücke einnäht?<br />

R: In England sagten wir "Segel" dazu. Wir schnitten unsere Lewis an den<br />

Seiten auf <strong>und</strong> nähten Segel ein... <strong>und</strong> wir machten sie richtig weit. Mein<br />

Bruder <strong>und</strong> ich hatten diese großartige Idee - ich bin nicht sicher, ob irgend<br />

jemand sonst auf der Erde das jemals gemacht hat (lacht). Wir beide<br />

bekamen jeder eine Lewis <strong>und</strong> dann kauften wir eine dritte. Wir sagten zum<br />

Verkäufer: "Wir wollen die größte, die Sie auf Lager haben, die weiteste Taille<br />

<strong>und</strong> die längsten Beine." Wir nahmen sie mit nach Hause, trennten die Nähte<br />

auf, schnitten sie auseinander <strong>und</strong> machten riesige "Segel". Wir haben<br />

Ewigkeiten dafür gespart, um das zu machen (lacht). Der Schlag unserer<br />

Lewis war weiter als die Taille. Das war es damals, für die, die ausreichend<br />

besessen davon waren. Und dann musstest du versuchen, damit Fahrrad zu<br />

fahren, was bedeutete, dass du sie um deine Beine herumwickeln musstest<br />

<strong>und</strong> Bindfäden um sie binden musstest, damit sie nicht in die Kette kamen.<br />

Das Großartige war, dass niemand anderes solche hatte! Einen Meter Schlag!<br />

(Lacht) Wir hätten eine Herde Yaks mit diesen Lewis überdachen können.


F: Aber du würdest sie heute nicht tragen...<br />

R: (Lacht) Du hast wohl recht. Mode ist großartig dafür. Man glaubt, dass<br />

spirituelle Praxis im Osten leichter war. Das ist Romantizismus. Tatsächlich<br />

ist es nicht irgendwo leichter oder schwerer, sondern einfach<br />

"unterschiedlich". Es ist wichtig, die Vorteile des Westens zu sehen, die man<br />

normalerweise nicht als Vorteil sieht. Mode ist ein großartiger Vorteil für<br />

diese Praxis; besonders, wenn du sie auf extreme Weise durchläufst.<br />

F: Du siehst dich an <strong>und</strong> sagst: "Und ich dachte, das hätte echt Stil, ich war<br />

stolz auf diese..."<br />

R: ... <strong>und</strong> jetzt bin ich hier <strong>und</strong> spreche zu einem Raum voller Leute <strong>und</strong><br />

mache Witze darüber. Ja.<br />

F: Es ist faszinierend, dass unsere Wahrnehmung sich so sehr ändern kann.<br />

Und es ist nicht so, als hätte ich jetzt die Irrtümer meines Weges gesehen<br />

<strong>und</strong> dass ich niemals Dinge tragen würde, über die ich in zehn Jahren wieder<br />

lachen würde. Also wo immer ich auch bin... (unterbricht)<br />

R: ... gibt es eine subjektive Qualität, die eine ganze Bandbreite an<br />

Wertschätzung <strong>und</strong> Bedeutung hat. In dieser Praxis geht es darum, sein<br />

Leben zu betrachten, <strong>und</strong> das in immer kleiner werdenden Zeitabschnitten zu<br />

tun. Es ist offensichtlich, je näher du an die Gegenwart kommst, desto kleiner<br />

werden die Zeitabschnitte, die du voneinander trennen kannst, bis du das<br />

Gestern betrachtest. Die Qualität von gestern (yesterday)..."<br />

F: "... all my troubles seemed so far away, now it looks as though they're here<br />

to stay..." ("Gestern schienen meine Sorgen soweit fort, aber heute bleiben<br />

sie genau an diesem Ort..." - Hit der Beatles)<br />

R: (But I don't believe in yesterday (lacht).) Aber ich glaube nicht an gestern<br />

(lacht).


F: Das ist wie als ich morgens aufstand, schlechte Laune hatte <strong>und</strong> diesen<br />

Brief bekam, der mir mitteilte, dass ich den Höchstbetrag meiner Kreditkarte<br />

überschritten hatte. Oder ein Fre<strong>und</strong> rief mich an <strong>und</strong> war sehr gereizt mir<br />

gegenüber; <strong>und</strong> das war gestern. Und heute wache ich auf, ich habe einiges<br />

an Geld gewonnen. Ich bekam einen netten Brief. Das Wetter ist genau, wie<br />

ich es mag. Jetzt fühle ich mich anders.<br />

R: Dann gibt es "hier", wo wir jetzt sind. Vorher gab es "diesen Morgen".<br />

Dann gab es den Bardo der "Geschichte meines Bruders <strong>und</strong> unserer Lewis<br />

<strong>und</strong> es gab ein Gefühl dazu, als diese Geschichte erzählt wurde. Dann gab es<br />

den Bardo des Mittagessens". Jetzt gibt es den Bardo des "hier".<br />

Im Hinblick auf die Praxis des täglichen Lebens ist es wertvoll, wenn du in<br />

einer Stadt wohnst. Leute denken immer, dass das Land besser für die Praxis<br />

ist, aber die Stadt macht es sehr leicht, immer kleinere <strong>Bardos</strong> zu haben: ich<br />

setze mich in den Wagen. Ich fahre. Ich steige aus. Ich steige in den Zug. Ich<br />

setzte mich. Ich komme an diesen Ort. Ich steige aus. Ich gehe zu meiner<br />

Arbeitsstelle. Ich gehe durch die Tür. Ich gehe die Treppe hoch. Ich betrete<br />

den Fahrstuhl.<br />

Was immer ich tue... jedes Segment kann kleiner werden... bis... man....<br />

fortwährend aus dem Nichts herausspringt. Das ist die Natur der Praxis des<br />

gYo-wa Bardo. Ich muss die Beschaffenheit jedes Moments schätzen. Ich<br />

muss erkennen, was in jedem Moment vorhanden ist. Es gibt das Hier-drin-<br />

Sein mit diesen Farben... Als ich darüber in New York sprach, sagte jemand:<br />

"Macht das dich nicht völlig unverb<strong>und</strong>en?" (Lacht) Aber gYo-wa Bardo hat<br />

diese Qualität ganz <strong>und</strong> gar nicht, weil man total <strong>und</strong> vollständig da sein<br />

muss, wo man gerade ist.


Man muss Dinge aktiv wertschätzen, um unterscheiden zu können, was<br />

anders ist. Wenn ich nicht unterscheiden kann, was anders ist, kann ich nicht<br />

die zunehmend kleiner werdenden <strong>Bardos</strong> erkennen: draußen ist es wärmer;<br />

hier drin ist es kühler. Die Farben sind anders. Das Licht ist anders. Es ist ein<br />

völlig anderes Gefühl, "drin" zu sein. Ich muss das wertschätzen, um in der<br />

Lage zu sein, es von "draußen" zu unterscheiden. Ich bemerke den Übergang.<br />

Ihr als das Publikum von Apprentices bemerkt vielleicht die Übergänge bei<br />

dem, was hier ausgeführt wird. Es gab Phasen, wo ich versuchte, amüsant zu<br />

sein. Es gab Phasen, wo ich offenk<strong>und</strong>ig nicht versuchte, zu amüsieren.<br />

Du könntest eine ständige unausgesprochene Frage haben:<br />

"Was ist der Unterschied zwischen diesem Moment <strong>und</strong> dem letzten?<br />

Wie höre ich das?<br />

Was ist der Bardo dieses Moments?"<br />

F: Geht es darum, die Veränderung mitzukriegen?<br />

R: Ja. Das ist jetzt tot. Es ist weg. Und nun gibt es dieses.<br />

F: Also darum beginnen die neun <strong>Bardos</strong> von Aro Lingma mit dem Tod?<br />

R: Klar. Es fängt nicht mit dem Tod an, weil es ein morbides System ist<br />

(lacht). Es fängt mit dem Tod an, weil wir Bardo so innerhalb des Flusses<br />

unseres physischen Lebens erfahren.<br />

F: Indem wir in dem vorhergehenden Moment sterben; <strong>und</strong> dann: "Peng!<br />

Anders!"<br />

R: Genau. Alles muss sterben, um im nächsten Moment geboren werden zu<br />

können <strong>und</strong> um es vollständig erfahren zu können. Man entwickelt diese<br />

Qualität, wie alles sich ständig ändert. Wie es jeden Moment ein anderer<br />

Moment ist. Eine andere Zeit. Es ist offensichtlich, dass man an dieser Praxis<br />

beständig arbeiten muss.<br />

F: Um längere Zeit-Perioden zu betrachten wie "heute": worin liegt der<br />

Unterschied?


R: Ja, <strong>und</strong> wie ist dann heute morgen anders? Im Restaurant zu sein. In<br />

diesem Auto zu sein <strong>und</strong> zu versuchen, zurück nach Alameda zu kommen,<br />

aber Sky Tiger besteht darauf, zu versuchen, über die mexikanische Grenze<br />

zurück zu kommen (lacht). Das ist eine Praxis, an der man über eine Periode<br />

von Monaten arbeiten muss, wenn man die Fragmente des Lebens<br />

verkleinern will. Das muss allmählich geschehen... Aber das heißt nicht, dass<br />

man nicht einen Moment erfahren könnte.<br />

F: Aber im Prinzip sollen wir versuchen, diese Praxis zu leben?<br />

R: Das ist richtig. Wir entwickeln einfach eine Wertschätzung für jeden Raum,<br />

in dem wir uns wiederfinden. Wir werden sensitiv für den Moment der<br />

Veränderung. Wir erkennen den vergehenden Moment: "Das ist weg. Das ist<br />

tot. Jetzt dieses". Sobald wir erkennen, dass der vergangene Moment tot ist,<br />

befinden wir uns an dem w<strong>und</strong>erbaren Rand des nächsten Moments <strong>und</strong><br />

fragen, ohne zu fragen: "Wie ist dieser anders?"<br />

F: Also nicht auf analytische Weise?<br />

R: Nein, auf eine Weise, die einfach offen für das ist, was da ist. Der<br />

Aufenthaltsraum. Jetzt bin ich draußen. Ich bin irgendwo anders. Ich bin in<br />

der Küche. Ich bin im Schlafzimmer. Es gibt in jedem Moment eine völlig<br />

andere Zone so unterschiedlich wie Auto, Flughafen, Flugzeug, anderes Land.<br />

Das Schlafzimmer ist ein anderes Land. Dieser Teil des Schlafzimmers. Im<br />

Bett sein. Jeder Ort ist anders.<br />

F: Und das kann einfach immer zunehmen?<br />

R: Das ist richtig. Weißt du, jede Praxis innerhalb des Buddhismus ist in<br />

Wirklichkeit die Praxis von Leerheit <strong>und</strong> Form. Sutra, Tantra, Dzogchen, es ist<br />

immer Leerheit <strong>und</strong> Form. Es gibt so viele unterschiedliche Arten, mit<br />

Leerheit <strong>und</strong> Form zu arbeiten. Wenn man zum Beispiel tong-len praktiziert.<br />

Tong-len ist der Austausch des Ich mit dem anderen: mental übernimmt man<br />

alle Probleme des anderen <strong>und</strong> gibt ihm die eigenen Vorteile. Das ist eine<br />

Leerheit & Form Praxis. In der Hinsicht, anderen zu helfen, sich nicht an die<br />

erste Stelle zu setzen, ist es Leerheit; <strong>und</strong> Form in Hinsicht auf Ich <strong>und</strong><br />

andere.


F: "Ich" ist Leerheit <strong>und</strong> "andere" ist Form.<br />

R: Das ist richtig.<br />

F: Das ist also ein Weg, sich der Nicht-Dualität zu nähern?<br />

R: Sicher. Das ist ein Weg, der typisch für die Praxis des Sutra ist. Man löst<br />

die Grenzen zwischen sich <strong>und</strong> dem anderen auf, um die Verb<strong>und</strong>enheit mit<br />

allem zu erkennen. Das ist einer der Zugänge. Wenn wir die vier Naljors<br />

betrachten, ist der Zugang nè-pa <strong>und</strong> gYo-wa. Die erscheinenden namthog<br />

<strong>und</strong> der leere Geisteszustand <strong>und</strong> die Frage: "Was ist dasselbe in diesen<br />

beiden Erfahrungen?" Das beruht auf meditativer Erfahrung hinsichtlich des<br />

Auftauchens von namthog. Aber hier bei der Praxis der <strong>Bardos</strong> betrachten wir<br />

einen anderen Aspekt von Leerheit <strong>und</strong> Form: Kontinuität <strong>und</strong> Diskontinuität.<br />

Kontinuität ist Form. Diskontinuität ist Leerheit. Wir nähern uns der Nicht-<br />

Dualität durch ein Verstärken der Qualität von Diskontinuität. Wir machen<br />

das Leben völlig unterbrochen. Es gibt eine zunehmende Unverb<strong>und</strong>enheit.<br />

Unverb<strong>und</strong>enheit jede Sek<strong>und</strong>e. Der Moment wird kleiner <strong>und</strong> kleiner <strong>und</strong><br />

kleiner, bis alles Gefühl für Kontinuität in sich zusammenfällt. Und dieser<br />

Punkt, an dem die Kontinuität zerstört ist, heißt tha-shé Bardo oder tha-malgyi-shé-pa<br />

Bardo. Tatsächlich ist tha-mal-gyi-shé-pa Bardo die Frucht des<br />

gYo-wa Bardo. Wie ich schon gesagt habe, bedeutet tha-mal-gyi-shé-pa<br />

"augenblickliche Gewöhnlichkeit". Sobald Kontinuität zerstört ist, erscheint<br />

sie wieder als der fortlaufende Moment der "großen Zeit". Man ist wieder<br />

fortlaufend, aber das, was fortlaufend ist, ist leer. Man erreicht den nichtdualen<br />

Punkt der Erkenntnis des einen Geschmackes von Kontinuität <strong>und</strong><br />

Diskontinuität. Das ist die Essenz des tha-mal-gyi-shé-pa <strong>Bardos</strong>: einfach<br />

den Tod zu erkennen - <strong>und</strong> im nächsten Moment zu sein. In der Praxis des<br />

tha-mal-gyi-shé-pa <strong>Bardos</strong> muss man überhaupt gar nichts tun... abgesehen<br />

davon, dass man lebt, wie man sowieso leben würde. Es ist eine Praxis der<br />

völligen Integration. Es gibt keinen Aspekt des Lebens, mit dem man irgend<br />

etwas "tun" muss. Jeder Moment des Lebens ist Praxis. Es gibt keine Zeit, wo<br />

man nicht praktiziert (lacht), abgesehen von der Zeit, wo du nicht<br />

praktizierst, nämlich wenn du dir der Unverb<strong>und</strong>enheit nicht mehr bewusst<br />

bist. Es ist eine Praxis, Unverb<strong>und</strong>enheit zu erkennen, bis die<br />

Unverb<strong>und</strong>enheit so schnell wird, dass sie in sich selbst verschwindet <strong>und</strong><br />

Kontinuität wird.


F: Aber es ist diskontinuierliche Kontinuität?<br />

R: Das ist richtig; oder ein Zustand, in dem Kontinuität <strong>und</strong> Diskontinuität<br />

keine Bedeutung mehr haben. Bardo ist so klein geworden, dass er als<br />

Bezugspunkt nicht mehr verlässlich ist.<br />

F: Also löst er sich auf...<br />

R: Ja.<br />

F: Aber dann machen wir da wieder!<br />

R:Ja. Man erzielt darin einen Erfolg, man erhascht einen Augenblick der<br />

"großen Zeit"; <strong>und</strong> dann verschwindet er, weil man wieder Zuflucht zur<br />

kleinen Zeit nimmt.<br />

F: Wir suchen hier nicht die Leerheit, oder?<br />

R: Nein, wir streben nach Form, der Form des nächsten Moments.<br />

F: Also liegt der Tod hinter dir?<br />

R: Ja, genau. Das ist ein anderer Zugang. Tod ist der Ausgangspunkt.<br />

F: Darum beginnt es im chhi-kha’i Bardo mit dem Tod.


R: Das ist richtig. Ja. Dann bewegst du dich zur Form, aber vom Tod aus. Der<br />

Tod ist wesentlich. Ohne den anfänglichen Tod kann Geburt nicht<br />

stattfinden.<br />

F: Also bewegt man sich direkt vom Tod in die Geburt.<br />

R: Ja, das ist die Art des gYo-wa <strong>Bardos</strong>.<br />

F: Aber könnte man auch mit der Geburt beginnen?<br />

R: Ja, deswegen beginnt das System der sechs <strong>Bardos</strong> mit der Geburt. Aber es<br />

ist dasselbe, ob du nun mit der Geburt oder mir dem Tod beginnst.<br />

Tatsächlich macht es keinen Unterschied.<br />

F: Rinpoche, ich habe gehört, dass du <strong>und</strong> Khandro Déchen Leuten ratet, die<br />

nicht viel Zeit für formale Praxis haben, die neun <strong>Bardos</strong> oder speziell der<br />

gYo-wa Bardo als Hauptpraxis zu machen.<br />

R: Ja, sicher. Besonders Khandro Déchen hat Apprentices häufig diesen Rat<br />

gegeben. Ich sollte betonen, dass das eine wertvolle Praxis für Mütter ist.<br />

F: Das ist eine großartige Praxis der Leerheit in sich selbst, nicht wahr?<br />

R: Sicher. Aber bezüglich des gYo-wa Bardo ist es eine Praxis, in der Leerheit<br />

retrospektiv ist. Leerheit wird kontinuierlich auf den vorhergehenden Moment<br />

verlagert. Der vorhergehende Moment haucht kontinuierlich seine Existenz<br />

aus. Tot. Tot. Tot tot tot. Beim stillen Sitzen bewegt man sich normalerweise<br />

Richtung Leerheit; aber hier ist die Leerheit immer gerade genau hinter mir.<br />

Ich würdige die Form des nächsten Moments mit frischer Lebendigkeit, wie er<br />

ins Sein kommt. Und dann, sobald er da ist, stirbt er ebenfalls in den<br />

nächsten Moment hinein.<br />

F: Aber ich muss leer sein, um die Form wertzuschätzen, die gerade<br />

entstanden ist.<br />

R: Ja, es ist die Form, die gerade erst entstanden ist. Das wird dann<br />

außergewöhnlich reich, klar, lebendig, kunstvoll <strong>und</strong> dennoch weit.


F: Das klingt wie die fünf Elemente...<br />

R: Das ist richtig. Die fünf Elemente: reich, klar, lebendig, kunstvoll <strong>und</strong> weit;<br />

Erde, Wasser, Feuer, Luft <strong>und</strong> Raum.<br />

F: Also ist gYo-wa Bardo wie eine Umkehrung des üblichen Verfahrens im<br />

shi-nè, wo man Leerheit anstrebt?<br />

R: Genau. Das ist doch ziemlich faszinierend... faszinierend, dass es möglich<br />

ist... Leerheit, indem man auf Leerheit zielt, indem man den letzten Moment<br />

in Leerheit verwandelt. Da Form Leerheit ist <strong>und</strong> Leerheit Form, ist das<br />

unvermeidlich.<br />

F: Tatsächlich können wir das dann nicht vermeiden, oder? Ich meine, eine<br />

Praxis wie diese kehrt wirklich unsere Systeme um <strong>und</strong> sagt: "Okay, du hast<br />

Angst vor Leerheit? Okay, also liegt sie hinter dir."<br />

R: Aber du hast eine neue Form <strong>und</strong> die neue Form ist leer.<br />

F: Das ist eine Art Trick, wirklich, oder nicht...<br />

R: Sicher. Vajrayana ist voller Tricksereien dieser Sorte.<br />

F: Weil wir es gewohnt sind, auf Form zu zielen?<br />

R: Ja, deshalb liegt die Betonung hier auf der Wertschätzung der nächsten<br />

Form. Aber wenn wir wirklich die nächste Form schätzen, muss die vorherige<br />

sterben. Das ist das Prinzip. Also... Tod ist nur etwas, mit dem du dich<br />

abfindest, wenn du stirbst. Du musst Erfahrungen haben im Sterben, wenn<br />

du dich mit dem Tod abfinden willst.<br />

F: Gut... <strong>und</strong>, wie du gesagt hast, sich in der städtischen Leichenhalle oder im<br />

Hospiz aufzuhalten, würde nicht reichen.<br />

R: Richtig. Du musst das städtische Hospiz in dir selbst sein. Du musst die<br />

Leichenhalle werden. Dein Wahrnehmungsfeld muss die Leichenhalle deiner<br />

vergangenen Erfahrung werden. Deine vergangene Erfahrung hört nicht auf<br />

zu sterben.


F: Also... wenn man wirklich in der Lage wäre, im Moment des<br />

kontinuierlichen Entstehens zu leben, dann wäre der Tod kein großes<br />

Problem mehr?<br />

R: Genau. Weil man erkennt, dass man kontinuierlich stirbt. Dann erkennen<br />

wir, dass Kontinuität eine selbstgeschaffene Illusion ist.<br />

F: Also schneiden wir diese Vorstellung von Kontinuität ständig ab.<br />

R: Ja. Und wenn wir das schaffen, dann ist Tod kein Problem; besonders,<br />

wenn wir auch mi-lam praktizieren. Mit mi-lam werden wir die Erfahrung der<br />

Auflösung des konzeptuellen Bewusstseins durch die Elemente machen. Die<br />

beiden Praktiken fügen sich perfekt ineinander.<br />

F: Und dann gibt es auch noch gyü-lü, eine ähnliche Praxis, oder? Könntest<br />

du etwas darüber sagen?<br />

R: Ja. Das habe ich heute morgen nicht behandelt. Beim gyü-lü wachen wir<br />

auf <strong>und</strong> machen einen Ton auf einer der Silben aus dem mi-lam: entweder<br />

das kurze blaue 'a, das weiße A oder das lange rote A'a'a. Nach dem Ton auf<br />

der mi-lam Silbe besteht die Praxis darin, einfach aufzustehen <strong>und</strong> die erste<br />

halbe St<strong>und</strong>e oder St<strong>und</strong>e deines Lebens so zu leben, als wäre es ein Traum.<br />

Man betrachtet bewusst alles, als wäre es unwirklich. Das wird gyü-lü<br />

genannt. Und das ist ein anderer Prozess von Leerheit <strong>und</strong> Form in Hinsicht<br />

auf den einen Geschmack: es ist der eine Geschmack der Träume <strong>und</strong> der<br />

Realität im Wachzustand. "Traumzustand" <strong>und</strong> "Wachzustand" werden ein<br />

nahtloses Kontinuum. Das Bewusstsein, das träumt <strong>und</strong> das Bewusstsein, das<br />

"wach" ist, haben denselben Geschmack.


Man erfährt Nicht-Dualität durch die Integration von Traumzustand <strong>und</strong><br />

Wachzustand. Das ist genau die Art von Belehrungen, die typisch ist für alles<br />

innerhalb des Aro gTer. Es ist die Erfahrung des einen Geschmacks zweier<br />

Elemente, die Leerheit & Form repräsentieren: Kontinuität <strong>und</strong> Diskontinuität;<br />

Traumzustand <strong>und</strong> Wachzustand; nè-pa <strong>und</strong> gYo-wa. Es ist immer nyi-mèd,<br />

die beiden haben einen Geschmack.<br />

<strong>Tara</strong> <strong>Sattva</strong> Insitut Gierather Str. 70 51469 Bergisch Gladbach<br />

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