Neurobiologie der Psychotherapie - PMU

Neurobiologie der Psychotherapie - PMU Neurobiologie der Psychotherapie - PMU

03.11.2013 Aufrufe

Menschen, Personen oder Gruppen identifiziert, sondern Kommunikation. Er sieht das Wesen sozialer Systeme in der Kommunikation, die zwischen den Individuen stattfindet, erinnert, aufgeschrieben, gespeichert oder vermieden wird. Die sozialen Systeme sind dabei für ihre autopoietische Funktionsweise darauf angewiesen, dass sie von andersartigen und überkomplexen Systemen umgeben sind, aus deren Rauschen sie ihre Systemelemente beziehen können: Die psychischen Systeme der einzelnen Menschen sowie die materielle Realität (inkl. Biologie). Für soziale Systeme sind die Psychen der Einzelpersonen nicht im Detail durchschau- und vorhersehbar, nur so können diese zu Quellen und Adressaten der Kommunikation werden und Material für soziale Systeme liefern. Umgekehrt ist für die Psyche des Einzelnen ein soziales System nie vollständig durchschaubar. Dies ist die Kontingenz, die überhaupt ein gesellschaftliches Leben ermöglicht: Man hat stets mit allem zu rechnen, ausser mit dem Unmöglichen und dem Vorbestimmten. Das psychische System ist seinerseits in analoger Weise für seine Autopoiese auf überkomplexe und nicht vorhersagbare umgebende Systeme angewiesen, die nicht Punkt für Punkt kausal miteinander verknüpft sind: das soziale System und das biologische System (hauptsächlich das Gehirn). Somit wird klar, dass die Psyche selbstverständlich neuronale Aktivitäten des Gehirns als Basis benützt, aber nicht im Sinne einer direkten Kausalität oder eines Determinismus. Vielmehr sprechen die beiden Systeme gegenseitig nicht verständliche Sprachen (das neuronalen System spricht ausschließlich in Aktionspotenzialen, das psychische System organisiert sich über Sinn), benützen sich aber gegenseitig als Quelle überkomplexen Rauschens. Nicht nur das Gehirn strukturiert also die Psyche, sondern ebenso umgekehrt die Psyche das Gehirn. Im Workshop werden diese Zusammenhänge dargestellt und ihre Konsequenzen für die Psychotherapie diskutiert. 24

Workshops Samstag, 8. Juni 2013 Funktionelle Neuroanatomie – Das Gehirn und seine Funktionsprinzipien Damir Lovric Die 'Funktionelle Neuroanatomie' ist ein faszinierendes Wissensfeld und inzwischen gibt es keinen (psycho- )therapeutischen Fachbereich, der die Ergebnisse der neurowissenschaftlichen Forschung nicht zu berücksichtigen sucht. Dem entgegen steht die Tatsache, dass sich der komplexe Aufbau des Gehirns häufig als schwer zugänglich erweist. Der Workshop vermittelt Grundlagen und Funktionsprinzipien und ermöglicht Einblicke in aktuelle Erkenntnisse der modernen Forschung. Das Bestreben, den Zusammenhang von erkennbarer neuroanatomischer und neurophysiologischer Veränderung und klinischer Symptomatik zu erfassen, dient dabei dem Ziel, die Phänomenologie menschlichen Fühlens, Denkens und Handelns um seine biologische Grundlage zu erweitern. Teil 2 • Die Großhirnrinde: Von Feldern und Funktionen • Vom „Ich“ und vom „Selbst“ • Fühlen, Erleben, Wollen und Handeln • Das limbische System • Das autonome Nervensystem • Planen, Bewegen, Handeln oder „Wer entscheidet?“ • Von pathologischen Synchronisationen und anderen „Störungsmechanismen“ Psychoneuroimmunologie und Psychotherapie Christian Schubert Neueren medizinischen Konzeptionen zufolge muss man heute davon ausgehen, dass sämtliche Systeme des Organismus (u.a. Nerven-, Immun-, Hormonsystem) nicht nur untereinander, sondern auch mit der Umwelt vernetzt sind. Der Forschungsbereich Psychoneuroimmunologie (PNI) untersucht diese komplexen Zusammenhänge und gilt als Forschungsbereich, von dem in Zukunft die meisten Innovationen für Theorie und Klinik in der Medizin zu erwarten sind. Auf diesem Fachtag werden grundlegende Forschungsergebnisse der PNI referiert sowie ein erster Einblick in die Zusammenhänge zwischen psychologischen Interventionen und Aktivität des Immunsystems gegeben (u.a. Immunkonditionierung, Hypnose, Stress-Management, Gesprächstherapie). Dabei werden auch die Grenzen herkömmlicher Forschungszugänge (u.a. Prä-Post-Gruppendesigns) in der PNI deutlich, die – ganz im Sinne des biomedizinischen Reduktionismus – darauf ausgelegt zu sein scheinen, immunologische Wirksamkeit von Psychotherapie zu belegen, nicht jedoch neues Wissen von körperlicher 25

Menschen, Personen o<strong>der</strong> Gruppen identifiziert, son<strong>der</strong>n Kommunikation. Er sieht das Wesen sozialer Systeme in<br />

<strong>der</strong> Kommunikation, die zwischen den Individuen stattfindet, erinnert, aufgeschrieben, gespeichert o<strong>der</strong><br />

vermieden wird. Die sozialen Systeme sind dabei für ihre autopoietische Funktionsweise darauf angewiesen, dass<br />

sie von an<strong>der</strong>sartigen und überkomplexen Systemen umgeben sind, aus <strong>der</strong>en Rauschen sie ihre Systemelemente<br />

beziehen können: Die psychischen Systeme <strong>der</strong> einzelnen Menschen sowie die materielle Realität (inkl. Biologie).<br />

Für soziale Systeme sind die Psychen <strong>der</strong> Einzelpersonen nicht im Detail durchschau- und vorhersehbar, nur so<br />

können diese zu Quellen und Adressaten <strong>der</strong> Kommunikation werden und Material für soziale Systeme liefern.<br />

Umgekehrt ist für die Psyche des Einzelnen ein soziales System nie vollständig durchschaubar. Dies ist die<br />

Kontingenz, die überhaupt ein gesellschaftliches Leben ermöglicht: Man hat stets mit allem zu rechnen, ausser<br />

mit dem Unmöglichen und dem Vorbestimmten.<br />

Das psychische System ist seinerseits in analoger Weise für seine Autopoiese auf überkomplexe und nicht<br />

vorhersagbare umgebende Systeme angewiesen, die nicht Punkt für Punkt kausal miteinan<strong>der</strong> verknüpft sind: das<br />

soziale System und das biologische System (hauptsächlich das Gehirn). Somit wird klar, dass die Psyche<br />

selbstverständlich neuronale Aktivitäten des Gehirns als Basis benützt, aber nicht im Sinne einer direkten<br />

Kausalität o<strong>der</strong> eines Determinismus. Vielmehr sprechen die beiden Systeme gegenseitig nicht verständliche<br />

Sprachen (das neuronalen System spricht ausschließlich in Aktionspotenzialen, das psychische System organisiert<br />

sich über Sinn), benützen sich aber gegenseitig als Quelle überkomplexen Rauschens. Nicht nur das Gehirn<br />

strukturiert also die Psyche, son<strong>der</strong>n ebenso umgekehrt die Psyche das Gehirn.<br />

Im Workshop werden diese Zusammenhänge dargestellt und ihre Konsequenzen für die <strong>Psychotherapie</strong><br />

diskutiert.<br />

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