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Predigt vom 17.02 von Herr Pfarrer Thomas Müller - Friedenskirche ...

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PREDIGT zu Lukas 22, 31-34 im Vorstellungsgottesdienst in der Christuskirche<br />

Mannheim am 17.2. 2013 (Invocavit) <strong>von</strong> <strong>Pfarrer</strong> <strong>Thomas</strong> <strong>Müller</strong> (Schwetzingen)<br />

Es gilt das gesprochene Wort – hier die Schriftform für die Gemeinde-Öffentlichkeit<br />

Die Gnade unseres <strong>Herr</strong>n Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des<br />

Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen. --- „Mensch zwischen Gott und Teufel!“<br />

Liebe Gemeinde, so lautet der Titel einer anschaulichen Biografie über das Leben und<br />

Wirken Martin Luthers, aber auch die Anfechtungen und Zweifel seines Glaubens.<br />

„Mensch zwischen Gott und Teufel“ – darum geht es besonders in der Passionszeit,<br />

speziell an diesem ersten Sonntag programmatisch; wir haben da<strong>von</strong> im bekannten<br />

Evangelium <strong>von</strong> der Versuchung Jesu eindrucksvoll gehört. Und genauso begegnet<br />

uns diese Spannung im heutigen <strong>Predigt</strong>text aus der Passiongeschichte des Lukas:<br />

Simon. Simon; siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber<br />

habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich<br />

bekehrst, so stärke deine Brüder. Er aber sprach zu ihm: <strong>Herr</strong>, ich bin bereit, mit dir<br />

ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der<br />

Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, daß du mich kennst.<br />

Simon, Simon – mit einer doppelten ausdrücklichen Namensnennung beginnt unser<br />

Text; er führt uns gedanklich ans Ende der Passionszeit, zu dem letzten Abend Jesu<br />

mit seinen Jüngern, wo sich noch einmal alles mit ihm verdichtet und verbindet: die<br />

Hoffnungen und Enttäuschungen, Liebesschwüre und Treue bis in den Tod ebenso<br />

wie Verrat und Verleugnung. Jetzt wird es ernst: zweimal wird der sog. Felsenmann<br />

Petrus, auf den der <strong>Herr</strong> seine Kirche bauen wollte, bei seinem alten Namen gerufen;<br />

an seine alte Schwäche erinnert. - Starke Worte und schwacher Auftritt, Wendigkeit<br />

und Windigkeit des Glaubens; der Wetter-Hahn auf manchen Kirchen erinnert daran<br />

bis heute...nicht alle Kuppeln werden weit sichtbar <strong>von</strong> einem Engel behütet/bewacht.<br />

Einen Mutanfall nennt ein Ausleger diesen allzu selbstsicheren Auftritt des Petrus –<br />

in dem wir uns facettenreich wiedererkennen können – zwischen Bekennermut und<br />

Versagensängsten….jenseits aller Diskussionen um ein Petrusamt, das aktuell durch<br />

den angekündigten Papstrücktritt so deutlich wie wohl noch nie seine menschliche<br />

Begrenztheit anerkannte. Und genau um diesen Punkt geht es in unserem Abschnitt.<br />

Der scheinbar glaubensstarke Petrus will <strong>von</strong> seiner inneren Schwäche nichts wissen.<br />

Und so wie Wutanfälle meist nichts bewirken außer Lächerlichkeit und Zerstörung,<br />

so können auch Mutanfälle großspurige Absichten verkünden; die jedoch in sich, in<br />

nichts zerfallen, wenn der Augenblick der Wahrheit kommt….mit Petrus steht jede(r)<br />

Glaubende in der meist versteckten Gefahr, Christus zu verleugnen in Wort und Tat.<br />

Doch Jesus weiß Bescheid: Einer <strong>von</strong> Euch wird mich verraten – die Jünger sind ob<br />

dieser Deutlichkeit fassungslos und wollen es nicht wahrhaben; sie geben zur eigenen<br />

Beruhigung lieber Durchhalteparolen und Treueerklärungen ab; die aber nicht tragen.


Versuchung ist angesagt – das ist die eine Kernbotschaft unseres Abschnittes, das ist<br />

Thema dieses ersten Sonntags in der Passionszeit: Versuchungen vielfältiger Art.<br />

Nicht so sehr die sog. Versuchungen der zurückliegenden fünften Jahreszeit und auch<br />

nicht jene <strong>von</strong> der Werbung suggerierten – es geht vielmehr um die Grundversuchung<br />

des Glaubens, wie sie Jesus selbst angetragen wird im heutigen Evangelium. Falsche<br />

Sicherheiten und falsche Prioritäten, falsche Abhängigkeiten und falsche Mächte;<br />

denen wir dienen, denen wir uns anvertrauen, an denen wir unser Handeln ausrichten.<br />

Du sollst Gott über alle Dinge fürchten/ehren, lieben und vertrauen – hat Martin<br />

Luther im Katechismus zunächst sich selbst und dann allen Angefochtenen ans Herz<br />

gelegt. Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott; wofür du dich einsetzt, was dein<br />

Tun und Lassen bestimmt, was dich antreibt und erfüllt. Und weil jede(r) Christ(in)<br />

ein umkämpftes Gebiet ist – zwischen Gott und Teufel – ist da zugleich immer auch<br />

der Widersacher, der Diabolos, der Durcheinanderwirbler, der an uns zieht und zerrt.<br />

Versuchungen menschlicher wie geistlicher Art gibt es genug: innen und außen, verdeckt<br />

und offen; <strong>von</strong> harten Prüfungen des Leibes bis zu schmeichelnden Angeboten<br />

fürs Seelenheil, <strong>von</strong> tiefen Krisen und schweren Schicksalen bis zu gut verdecktem<br />

Hochmut; Versuchungen der Macht und der Profitsucht; der Arbeitssucht und eines<br />

verkehrten Machbarkeitswahns; der moderne Teufel hat viele Wege und Gesichter.<br />

Wer könnte da <strong>von</strong> sich behaupten, ein(e) Petrus/Petra = ein(e) Felsenmann/frau zu<br />

sein; ohne den verheißenen Halt und Beistand des <strong>Herr</strong>n – wie gerade im Wochenlied<br />

erbeten: Ach bleib mit deiner(m) Gnade/Worte/Treue bei uns. Denn mit unserer Kraft<br />

allein und selbst unseren besten Absichten sind wir doch eher ein(e) Simon(e), die/der<br />

im Wind zarter Versuchungen oder in den heftigen Stürmen des Lebens (sch)wankt.<br />

„Das Gute, das ich will, tue ich nicht; aber das Böse, das ich nicht will, das tue ich“ –<br />

wußte schon Paulus; und diese Zerrissenheit bleibt keinem Christen erspart. Mensch<br />

zwischen Gott und Teufel, zwischen Wollen und Vollbringen, zwischen dem Sehen<br />

auf den eigenen Standpunkt und dem Schauen auf den rettenden Fürsprecher Christi.<br />

Denn wir haben nicht einen Hohepriester, der nicht mit uns könnte leiden mit unserer<br />

Schwachheit; sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde.<br />

So drückt es in geprägten Begriffen und traditionellen Worten die Bibel selbst aus in<br />

der Epistel für den heutigen Sonntag im Hebräerbrief – wir dürfen dies so verstehen<br />

und in unseren Alltag übertragen: weil Christus der Versuchung widerstanden hat –<br />

übrigens dann auch der letzten des Petrus(„gehe weg <strong>von</strong> mir Satan“): ihn <strong>von</strong> seinem<br />

Weg zum Kreuz abzubringen – weil dieser mit unserer Schwachheit leidet und sich<br />

unserer Versuchungen annimmt; (nur) deshalb haben wir begründete Zuversicht, in<br />

diesen Anfechtungen zu bestehen und nicht durch das letzte Sieb zu fallen. Es ist uns<br />

verheißen trotz allen Versagens, gehalten und aufgefangen zu sein in seinem Sieb <strong>von</strong><br />

Wahrheit und Gerechtigkeit, <strong>von</strong> Treue und Mut; <strong>von</strong> Glaube, Hoffnung und Liebe.


Bewahrung ist zugesagt – das ist die andere, für unseren Glauben entscheidende<br />

Trost-Botschaft. Der Versuchung des Simon setzt Jesus selbst die Bewahrung des<br />

Petrus entgegen. Das dreimalige Leugnen vor der Kreuzigung, am letzten Abend,<br />

mündet in die dreimalige nachösterliche Beauftragung: Weide meine Lämmer/Schafe.<br />

Begleitet wie beim Krähen des Hahnes <strong>von</strong> einem Traurigsein des Petrus über sich<br />

selbst, einem Erschrecken über die eigene dunkle Seite und zugleich einem Beschämt<br />

sein über die Kraft der Vergebung; der erneuten Indienstnahme durch Christus selbst.<br />

Sein Erbarmen läßt Knechte der Finsternis zu Kinder des Lichtes werden, macht aus<br />

einem verzagten Häuflein eine GmbH: eine Gemeinschaft mit begründeter Hoffnung.<br />

In rechter Ordnung lerne Jesu Passion – mit diesem Merkvers lassen sich die Namen<br />

der Sonntage in der Passionszeit zusammenfassen: der 7 so ganz anderen Wochen…<br />

Sie wollen uns mitnehmen auf den Lern-, Liebes- und Leidensweg Jesu wie den seiner<br />

Jünger, deren Versuchungen und Anfechtungen. Das Hosianna und das Kreuzige<br />

ihn stehen am Ende – doch bereits am Anfang begegnet uns diese Spannung zwischen<br />

Anspruch und Wirklichkeit. Der Mutanfall wird zum Schwächeanfall; nicht billige<br />

Gnade, nur tätige Reue und echte Umkehr bewahren in der Versuchung; jedoch nicht<br />

vor dieser: es gibt keinen unangefochtenen Glauben ohne Zweifel/Schütteln im Sieb.<br />

Wer selbst herausgekommen ist aus der Sackgasse des Versagens und Verzagens kann<br />

für andere zur Hilfe und Stütze werden: im Gebet und in der geistlichen Begleitung.<br />

Christen können trösten und ermutigen, weil sie es selbst erfahren und erlitten haben.<br />

Nicht standhafte Heiligkeit und heroisches Bekennen haben Petrus zum Zeugen werden<br />

lassen, sondern die Bereitschaft, sich abzuwenden <strong>vom</strong> falschen Stolz und einer<br />

Selbstrechtfertigung allein aus Worten oder Werken; <strong>vom</strong> Vertrauen auf sich selbst.<br />

Der Selbstpreisgabe an die Gefährdungen des Glaubens setzt der ‚für uns‘ Versuchte<br />

eine neue Aufgabe entgegen: Christus weiß um unsere Schattenseiten und stellt sie in<br />

der Fürbitte in ein neues österliches Licht. Das ist kein Akt bloßer Menschenfreundlichkeit,<br />

sondern ein zutiefst seelsorgerliches Amt; allen Christen aufgetragen. Wir<br />

sehen die anderen mit den Augen der Barmherzigkeit; hören Sehnsucht und Seufzer.<br />

Wer die eigene Schwäche und Schuld nicht leugnet, die eigene Verführbarkeit nicht<br />

bestreitet, eignet sich für andere zur/m tatsächlich stärkenden Schwester und Bruder.<br />

Wer die Glaubensgeschwister reglementiert im Verhältnis zu Gott und zur Gemeinde,<br />

kann ihnen nicht wahrhaft begegnen; wird eher zur unbiblisch fordernden Autorität.<br />

Glaube bewährt sich im Scheitern, kennt auch die dunklen S/Zeiten und darf sich nie<br />

zu sicher sein. Nur wer seine eigene Versuchlichkeit annimmt, wird in ihr bestehen;<br />

wird in schmerzlichen Niederlagen nicht selbstgemachte Siege behaupten – weil JChr<br />

zu uns steht, weil er sich persönlich der Gestrauchelten und Suchenden annimmt.<br />

Vom Simon zum Petrus, <strong>vom</strong> Geschütteltsein im Sieb des Satans zum Bewahrtsein in<br />

der Seelsorge des mit uns Leidenden, <strong>vom</strong> bitterlich Weinenden zum Neu Gesandten:


Christus schenkt Schuldbeladenen und Zweiflern, Versagenden und Irrenden einen<br />

neuen Anfang. Er nimmt Menschen an, die abgeschrieben und die angesehen sind.<br />

Er macht Mundtote zu mündigen Christen und gibt Stummen eine neue Sprache.<br />

So ist Jesu seelsorgerliches Zwiegespräch mit Petrus, an dem wir teilhaben durften,<br />

zugleich ein Gespräch Christi mit seinen Jüngern bis heute: noch immer und immer<br />

wieder baut er mit seiner Fürbitte eine Schutzmauer gegen das vielgestaltige Böse;<br />

das häufig allzu einladend und verlockend, schmeichelnd und harmlos uns begegnet.<br />

In dieser Zuversicht und festen Burg, wie im Eingangspsalm gebetet, kann Glaube u.<br />

Vertrauen entstehen und sich entfalten; auch wenn es wie ein unscheinbares Senfkorn<br />

aussieht. Weil die Kraft der Fürbitte Christi stärker ist als die verneinende Kraft des<br />

Widersachers und weil dieser Fürsprecher eine Schwäche für seine Menschen hat.<br />

Es kennt der <strong>Herr</strong> die Seinen und spricht es uns zu – als einzelne wie als Gemeinde<br />

und als Kirche in der Welt: Wo Glaube ist, da gibt es auch Verzagen und Verleugnen,<br />

Selbstüberschätzung und Zerknirschung, falsches Pathos und bloße Leerformeln. Wo<br />

Gott seine Kapelle baut, da baut der Teufel seinen Dom: Versuchung ist angesagt!<br />

In den großen und kleinen Krisen und Konflikten genügt der gute Wille allein nicht.<br />

Darum laßt uns wachsam sein: ob mit Hahn oder einem Engel, denen Gott befohlen<br />

hat, daß sie uns behüten auf allen unseren Wegen (Psalm) – Bewahrung ist zugesagt!<br />

Deshalb können wir wie Petrus umkehren <strong>von</strong> falschen Wegen, zurückkehren <strong>von</strong><br />

Irrwegen und Sackgassen; können Schuld loswerden und uns den Geschwistern zur<br />

Verfügung stellen: die sieben Wochen der Passionszeit bieten dafür reichlich Raum:<br />

Was brauche ich und was muß ich nicht haben; was tut gut und was schadet; was gibt<br />

meinem Leben Sinn und Halt und was macht mich empfänglich für Verlockungen?<br />

Christen geben weiter, was sie selbst empfangen (haben); sie sind getröstete Tröster,<br />

gerechtfertigte Sünder; nicht auf sich allein gestellt, sondern <strong>von</strong> Jesu Gebet getragen<br />

mit ihren Enttäuschungen und Erwartungen, inmitten <strong>von</strong> Klage, Leid und Trauer.<br />

Besser als mit bloßen Worten drücken dies unsere Gesangbuchlieder aus: wie die biblischen<br />

Psalmen umfassen sie das ganze Spektrum menschlicher Empfindungen, <strong>von</strong><br />

Glaubenserfahrungen und Gottesbildern; in Hoffnungsklängen und Tönen des Trostes<br />

So verwundert es nicht, was am Rande des Spreewaldes in dem Ort Lübben quasi auf<br />

dem Grab steht eines der größten Liederdichter: Paul Gerhardt – und auf dem Bild im<br />

Kircheninnern; neben Kanzel und Altar seiner Verbannung = letzten Wirkungsstätte:<br />

als Zitat aus unserem Text und Zusammenfassung seines Glaubens: „versatus in cribo<br />

Satanae….erprobt im Siebe Satans“. Das war seine Gewißheit im Leben und Sterben;<br />

das hat er geschrieben und vielstimmig ge/be-sungen. Sein rechter Zeigefinger weist<br />

dabei auf das Kreuz: Zeichen scheinbarer Schwäche und doch ganz anderer Stärke.<br />

Paul Gerhardt und Petrus und viele dazwischen, davor und danach haben so auf den<br />

<strong>Herr</strong>n gehofft und vertraut; haben diese Spannung im Glauben erlebt und erlitten: im<br />

Siebe geschüttelt und bewahrt zu sein - Menschen zwischen Gott und Teufel! Amen.

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