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Linksliberale Enterhaken - PRuF

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Aufsätze Deniz Anan – Die Bayern-Ampel als Schnittmengenkoalition? [...] MIP 2013 19. Jhrg.<br />

chen Situationen als im Regelfall zu erwarten.<br />

Die Möglichkeit einer Regierung jenseits der<br />

CSU wäre gewiss eine derart atypische Situation.<br />

Weitere Faktoren sind das persönliche Verhältnis<br />

der maßgeblichen Akteure, die innerparteiliche<br />

Präferenzstruktur bezüglich der koalitionspolitischen<br />

Ausrichtung und die Position der<br />

Bundespartei. Diese kann einheitliche Koalitionsmuster<br />

in Land und Bund anstreben oder aber<br />

querliegende Kooperationen zur Erweiterung des<br />

strategischen Handlungsspielraums befürworten<br />

(Kropp 2001). Wahlprogramme sind vor diesem<br />

Hintergrund in mehrfacher Hinsicht bedeutsam:<br />

Zum einen erlauben sie die Messung des Kriteriums<br />

der programmatischen Nähe zwischen verschiedenen<br />

Parteien. Andererseits besitzen sie<br />

auch eine hohe Relevanz für die politische Praxis,<br />

denn die Wahlprogramme bilden den Ausgangspunkt<br />

für die Koalitionsverhandlungen und<br />

fließen in die Koalitionsvereinbarungen ein. Parteien<br />

gleichen teils sehr frühzeitig die eigenen<br />

Positionen mit denen der potenziellen Koalitionspartner<br />

ab. Strittige Punkte, die zu Sollbruchstellen<br />

der Koalition werden könnten, werden<br />

somit gleich zu Beginn identifiziert. So an der<br />

Kooperation festgehalten werden soll, existieren<br />

eine ganze Reihe von Strategien (Formelkompromisse,<br />

Paketlösungen, Entscheidungsvertagung,<br />

Auslagerung), um trotz punktueller programmatischer<br />

Divergenz zu koalieren (Kropp 2001). Auch<br />

in den üblich gewordenen TV-Duellen und Talkrunden<br />

findet die argumentative Auseinandersetzung<br />

auf der Basis der Wahlprogramme statt.<br />

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage,<br />

wie deckungsgleich die inhaltlichen Aussagen<br />

der drei potenziellen Partner sind. Auch wenn<br />

zwischen SPD und Grünen angesichts der langjährigen<br />

Regierungszusammenarbeit eine große<br />

programmatische Nähe unterstellt werden kann,<br />

stellen die FW für die Parteienforschung mit wenigen<br />

Ausnahmen (Wehling 2007, Weitzker<br />

2008, Morlok/Poguntke 2012) eine unbekannte<br />

Größe dar. Durch eine heuristische, qualitative<br />

Analyse der drei Wahlprogramme und einen<br />

Vergleich der Kernaussagen soll diese Frage beantwortet<br />

werden.<br />

Da die Parteien ihre Wahlprogramme erst kurz<br />

vor dem Urnengang beschließen, wird die Bestimmung<br />

anhand der aktuellen, für die laufende<br />

Legislaturperiode 2008-2013 geltenden Wahlprogramme<br />

vorgenommen. Untersucht werden<br />

die konkreten Forderungen in drei ausgewählten<br />

Politikfeldern. Neben der Wirtschafts-, Arbeitsund<br />

Sozialpolitik, also den die dominierende<br />

ökonomische Konfliktlinie repräsentierenden<br />

„Brot-und-Butter-Themen“ der Politik, sollen<br />

auch die Aussagen zu Staat, Recht und Gesellschaft,<br />

zur Abbildung der zweiten wichtigen<br />

Konfliktlinie zwischen libertären und autoritären<br />

Werten (Flanagan 1987), und zur Bildungspolitik,<br />

als dem Politikfeld mit den größten landespolitischen<br />

Gestaltungsspielräumen, untersucht werden.<br />

Von besonderem Interesse ist die Frage der<br />

Kompatibilität der FW-Forderungen mit den Positionen<br />

von Rot-Grün. Aber auch die Frage, ob<br />

die Programme von SPD bzw. Grünen klassisch<br />

sozialdemokratische bzw. grüne Forderungskataloge<br />

darstellen oder vom üblichen Muster abweichen,<br />

verspricht aufschlussreiche Erkenntnisse.<br />

Erwartungsgemäß sollte sich ein sozialdemokratisches<br />

Programm durch von der Ideologie des<br />

demokratischen Sozialismus abgeleitete Forderungen<br />

auszeichnen, also Forderungen nach der<br />

Umverteilung von Einkommen und Vermögen<br />

und realer, über formale Rechtsgleichheit hinausgehende,<br />

Partizipation und Gerechtigkeit beinhalten.<br />

Seit dem Godesberger Programm und<br />

dem hier vollzogenen Abschied vom Marxismus<br />

steht die SPD auf dem Boden des deutschen<br />

Verfassungsstaates und der sozialen Marktwirtschaft.<br />

Diese Topoi finden sich zwar auch in<br />

Grünen-Programmen. Jene sind jedoch für gewöhnlich<br />

viel stärker von ökologischen Forderungen<br />

geprägt, wobei die Umsetzung umweltpolitischer<br />

Ziele teils durch staatliche Regulierung<br />

und teils durch Anreizsetzung erreicht werden<br />

soll. Explizit gefordert wird, die soziale<br />

Marktwirtschaft zur ökologisch-sozialen Marktwirtschaft<br />

zu erweitern. Die Grünen mahnen außerdem<br />

viel deutlicher individuelle und kollektive<br />

Freiheitsrechte für Minderheitsgruppen verschiedener<br />

Art an.<br />

Ziel der Analyse ist eine fundierte Prognose darüber,<br />

ob die drei Parteien angesichts ihrer programmatischen<br />

Konvergenz das Potenzial für<br />

eine klassische Schnittmengenkoalition haben<br />

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