Linksliberale Enterhaken - PRuF

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03.11.2013 Aufrufe

Aufsätze Rolf Winkelmann/Holger Onken/Jana Rogge – Talkshows und Parteien [...] MIP 2013 19. Jhrg. Repräsentation der Parteien in den einzelnen Talkshows Werden aber einzelne Parteien in den Sendungen unterrepräsentiert? Tabelle 6: Häufigkeit der Parteienrepräsentanz nach Talkshow: ab 11.9.2011 bis 7.10.2012 SPD CDU/CSU FDP Grüne Linke Hart aber Fair 10 14 7 7 1 Anne Will 13 23 12 2 12 Maischberger 10 10 3 3 5 Günter Jauch 20 30 15 9 12 Maybritt Illner 15 28 16 12 7 Gesamt 68 105 53 33 38 Nur Sendungen, die einem der Politikfelder zugeordnet werden konnten (ohne Sonstiges). Die einzelnen Redaktionen haben für den untersuchten Zeitraum hinsichtlich der teilnehmenden Parteivertreter Tendenzen, die im Einzelfall überraschen. Auch wird bei dieser Analyse deutlich, dass sich die einzelnen Talkshows nicht unbedingt an den Stärkeverhältnissen im Bundestag orientieren. Bei Frank Plasberg (‚Hart aber Fair‘) findet sich nur ein Vertreter der Partei Die Linke, während Anne Will und Günther Jauch jeweils zwölf Mal einen Repräsentanten jener Partei begrüßten. Maischberger und Illner befanden sich mit fünf bzw. sieben Teilnahmen im Mittelfeld. Die Diskrepanz zwischen ‚Hart aber fair‘ und den anderen Talkshows der ARD lassen sich kaum erklären. Es ist zu vermuten, dass die Redaktion von Frank Plasberg die Linkspartei bewusst nicht berücksichtigt. Eine Option als gesichert zu unterstellen, würde an dieser Stelle aber zu weit führen. Ähnlich sieht es bei Anne Will und Sandra Maischberger bezogen auf die- Anwesenheit von Vertretern der Grünen aus (zwei bzw. drei Teilnahmen), während die anderen Sendungen zwischen 7 und 12 Teilnahmen aufweisen. Bei Anne Will kommen für den untersuchten Zeitraum sogar mehr Teilnehmer aus den Reihen der Linkspartei zu Wort als aus der Partei Bündnis90/Die Grünen. In der Sendung ‚Maischberger‘ treten auch nur selten Vertreter der FDP auf. Hier finden sich sogar mehr Vertreter der Linkspartei wieder. Dieser Umstand überrascht dann doch, denn immerhin ist die FDP eine Regierungspartei und müsste hiervon eigentlich profitieren. Der Umstand eine Regierungspartei zu sein, ist mit Ausnahme von ‚Hart aber Fair‘ (Parität mit den Grünen) überall erkennbar. Insgesamt bietet die Analyse hinsichtlich der kleineren Oppositionsparteien Überraschungen, während die SPD immer eine höhere Teilnehmerzahl verbuchen kann als die anderen Parteien der Opposition und der FDP (Ausnahme Maybritt Illner 15:16), aber immer weniger als die CDU/CSU Fraktion (außer Maischberger – 10:10). Dass die Regierungsparteien in der Summe mehr Teilnahmen als die Oppositionsparteien aufweisen, ist keine Überraschung, wenngleich die hohe Zahl bei CDU/CSU auffallend und verzerrend wirkt. 7. Ergebnis Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Parteien gemäß der Reihenfolge ihrer Fraktionsstärke in den Talkshows repräsentiert sind. Hierbei gilt, dass wegen der parallelen Teilnahme alle Parteien überrepräsentiert sind. Besonders auffällig ist diese Überproportionalität bei der CDU/CSU- Fraktion. Vertreter der Union haben an mehr als der Hälfte der untersuchten Sendungen teilgenommen. Es ist wahrscheinlich, dass dies weniger an einer Affinität der Redaktionen gegenüber dieser Fraktion liegt, sondern durch ihre Rolle im parlamentarischen Regierungssystem begründet ist, wo sie neben der Kanzlerin auch die meisten Minister stellt. Dies gilt grundsätzlich auch für die FDP. Die Redaktionen kommen hier ihrer Funktion in der Mediendemokratie nach und geben der Regierung und der Opposition Gelegenheit ihre Politik bzw. die Kritik an der Regierungspolitik in die Öffentlichkeit zu bringen. Dass die Regierungsparteien begünstigt sind, ist unseres Erachtens auch darauf zurückzuführen, dass diese die Regierungsentscheidungen im öffentlichen Raum vertreten bzw. in aktuellen Situationen ihre Problemlösungsvorschläge zur Diskussion stellen müssen und dies auch von den Bürgern erwartet wird. Daraus kann abgeleitet werden, dass die Rollen der Parteien in der Breite der analysierten Talkshows in ARD und ZDF angemessen wiedergegeben werden. 80

MIP 2013 19. Jhrg. Rolf Winkelmann/Holger Onken/Jana Rogge – Talkshows und Parteien [...] Aufsätze Unsere Hypothese, dass die Partei Die Linke wegen der ihr gegenwärtig abgesprochenen Regierungsfähigkeit auf Bundesebene unterproportional eingeladen wird, konnte im Gegensatz zu den anderen Hypothesen nicht bestätigt werden. Im Gegenteil. Die Linke ist überproportional vertreten. Diese Repräsentanz zeigt sich auch in einzelnen Politikfeldern wie ‚Finanzen‘. Neben einer anderen Wahrnehmung durch die einladenden Redaktionen können auch die rhetorischen Fähigkeiten der bekannten Vertreter Oskar Lafontaine, Sarah Wagenknecht und Gregor Gysi als Begründung herangezogen werden, um die relativ häufige Teilnahme der Partei zu erklären. Den Dreien gelingt es, innerhalb der Sendungen mit zugespitzten Bemerkungen, aber diametral zum parteipolitischen Mainstream entgegenstehende Alternativen zu polarisieren und zu unterhalten. Es sei dahingestellt, ob der Unterhaltungswert von Lafontaine, Wagenknecht und Gysi ausschlaggebend ist, oder der Wunsch der Redaktionen ein ausgewogeneres Meinungsbild zu präsentieren. Ganz von der Hand zu weisen ist der Unterhaltungsansatz aber nicht. Was sich in der Vertretung der Linken widerspiegelt, ist die Konkurrenz im Bereich Arbeit bzw. Soziales zur SPD. Durch die teilweise paritätische Anwesenheit in den Sendungen wird diese Einschätzung gestützt. Auch die Hypothese, dass die Parteien entsprechend der ihnen zugesprochenen Label teilnehmen, die Redaktionen also den kognitiven Heuristiken folgen, kann überwiegend bestätigt werden. Besonders deutlich wird dies, wenn man die Ergebnisse bei den Grünen beachtet. Bei der SPD ist das Label zwar noch deutlich zu erkennen, doch muss hier beachtet werden, dass die SPD eine Kanzlerpartei im Wartestand ist und deshalb auch die anderen Bereiche mit abdeckt. Insgesamt kann von einer relativ ausgewogenen Repräsentation der Parteien in den Talkshows von ARD und ZDF, die der Rangfolge der Stärkeverhältnisse im Bundestag entspricht, gesprochen werden. Festzuhalten ist aber, dass die einzelnen Talkshows diese Repräsentation nicht widerspiegeln. Bei ‚Hart aber Fair‘ zeigt sich die größte Abweichung, weil die Partei Die Linke kaum berücksichtigt wird. Andersherum findet sich die Partei bei Anne Will und Günther Jauch wiederum sehr häufig. Diese Differenzen wären nur durch Analysen des Verhaltens der Redaktionen zu erklären. Eine strukturelle Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Bundestagsparteien kann bezogen auf die Gesamtheit der Talkshows kaum, aber mit Blick auf die einzelnen Sendungen festgestellt werden. Weiterer Forschungsbedarf besteht vor allem hinsichtlich der Redaktionen, die für diesen Aufsatz eine nicht berücksichtigte Black Box darstellen. Verwendete Literatur Butzlaff, Felix & Micus, Matthias (2011): Mao in Berlin? Die SPD auf der Suche nach einem neuen Projekt. In: Butzlaff, Felix; Micus, Matthias; Walter, Franz: Genossen in der Krise? Europas Sozialdemokratie auf dem Prüfstand. S. 11-30. Cox, Gary W. (1998): Making votes count. Strategic coordination in the world’s electoral systems. Cambridge University Press. Hague, Rod & Harrop, Martin (2007): Comparative government and politics. An introduction. Houndmills. http://www.forschungsgruppe.de/Umfragen/ Politbarometer/Langzeitentwicklung_-_Themen _im_Ueberblick/Wirtschaft/#WirtschKomp http://www.infratest-dimap.de/umfragenanalysen/bundesweit/ard-deutschlandtrend/ 2009/dezember/ http://www.infratest-dimap.de/umfragenanalysen/bundesweit/ard-deutschlandtrend/ 2005/august-iii/ Jun, Uwe (2004): Der Wandel der Parteien in der Mediendemokratie. SPD und Labour Party im Vergleich. Wiesbaden. Korte, Karl-Rudolf & Fröhlich, Manuel (2006): Politik und regieren in Deutschland. 2. überarbeitete Auflage. Paderborn. Lau, Richard R. & Redlawsk, David P. (2006): How voters decide. Information processing during election campaigns. Cambridge University Press. 81

Aufsätze Rolf Winkelmann/Holger Onken/Jana Rogge – Talkshows und Parteien [...] MIP 2013 19. Jhrg.<br />

Repräsentation der Parteien in den einzelnen<br />

Talkshows<br />

Werden aber einzelne Parteien in den Sendungen<br />

unterrepräsentiert?<br />

Tabelle 6: Häufigkeit der Parteienrepräsentanz nach<br />

Talkshow: ab 11.9.2011 bis 7.10.2012<br />

SPD CDU/CSU FDP Grüne Linke<br />

Hart aber Fair 10 14 7 7 1<br />

Anne Will 13 23 12 2 12<br />

Maischberger 10 10 3 3 5<br />

Günter Jauch 20 30 15 9 12<br />

Maybritt Illner 15 28 16 12 7<br />

Gesamt 68 105 53 33 38<br />

Nur Sendungen, die einem der Politikfelder zugeordnet werden<br />

konnten (ohne Sonstiges).<br />

Die einzelnen Redaktionen haben für den untersuchten<br />

Zeitraum hinsichtlich der teilnehmenden<br />

Parteivertreter Tendenzen, die im Einzelfall<br />

überraschen. Auch wird bei dieser Analyse deutlich,<br />

dass sich die einzelnen Talkshows nicht unbedingt<br />

an den Stärkeverhältnissen im Bundestag<br />

orientieren. Bei Frank Plasberg (‚Hart aber<br />

Fair‘) findet sich nur ein Vertreter der Partei Die<br />

Linke, während Anne Will und Günther Jauch<br />

jeweils zwölf Mal einen Repräsentanten jener<br />

Partei begrüßten. Maischberger und Illner befanden<br />

sich mit fünf bzw. sieben Teilnahmen im<br />

Mittelfeld. Die Diskrepanz zwischen ‚Hart aber<br />

fair‘ und den anderen Talkshows der ARD lassen<br />

sich kaum erklären. Es ist zu vermuten, dass<br />

die Redaktion von Frank Plasberg die Linkspartei<br />

bewusst nicht berücksichtigt. Eine Option als<br />

gesichert zu unterstellen, würde an dieser Stelle<br />

aber zu weit führen. Ähnlich sieht es bei Anne<br />

Will und Sandra Maischberger bezogen auf die-<br />

Anwesenheit von Vertretern der Grünen aus<br />

(zwei bzw. drei Teilnahmen), während die anderen<br />

Sendungen zwischen 7 und 12 Teilnahmen<br />

aufweisen. Bei Anne Will kommen für den untersuchten<br />

Zeitraum sogar mehr Teilnehmer aus<br />

den Reihen der Linkspartei zu Wort als aus der<br />

Partei Bündnis90/Die Grünen. In der Sendung<br />

‚Maischberger‘ treten auch nur selten Vertreter<br />

der FDP auf. Hier finden sich sogar mehr Vertreter<br />

der Linkspartei wieder. Dieser Umstand überrascht<br />

dann doch, denn immerhin ist die FDP<br />

eine Regierungspartei und müsste hiervon eigentlich<br />

profitieren. Der Umstand eine Regierungspartei<br />

zu sein, ist mit Ausnahme von ‚Hart<br />

aber Fair‘ (Parität mit den Grünen) überall erkennbar.<br />

Insgesamt bietet die Analyse hinsichtlich<br />

der kleineren Oppositionsparteien Überraschungen,<br />

während die SPD immer eine höhere<br />

Teilnehmerzahl verbuchen kann als die anderen<br />

Parteien der Opposition und der FDP (Ausnahme<br />

Maybritt Illner 15:16), aber immer weniger<br />

als die CDU/CSU Fraktion (außer Maischberger<br />

– 10:10). Dass die Regierungsparteien in der<br />

Summe mehr Teilnahmen als die Oppositionsparteien<br />

aufweisen, ist keine Überraschung,<br />

wenngleich die hohe Zahl bei CDU/CSU auffallend<br />

und verzerrend wirkt.<br />

7. Ergebnis<br />

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Parteien<br />

gemäß der Reihenfolge ihrer Fraktionsstärke in<br />

den Talkshows repräsentiert sind. Hierbei gilt,<br />

dass wegen der parallelen Teilnahme alle Parteien<br />

überrepräsentiert sind. Besonders auffällig ist<br />

diese Überproportionalität bei der CDU/CSU-<br />

Fraktion. Vertreter der Union haben an mehr als<br />

der Hälfte der untersuchten Sendungen teilgenommen.<br />

Es ist wahrscheinlich, dass dies weniger an<br />

einer Affinität der Redaktionen gegenüber dieser<br />

Fraktion liegt, sondern durch ihre Rolle im parlamentarischen<br />

Regierungssystem begründet ist, wo<br />

sie neben der Kanzlerin auch die meisten Minister<br />

stellt. Dies gilt grundsätzlich auch für die FDP.<br />

Die Redaktionen kommen hier ihrer Funktion in<br />

der Mediendemokratie nach und geben der Regierung<br />

und der Opposition Gelegenheit ihre Politik<br />

bzw. die Kritik an der Regierungspolitik in<br />

die Öffentlichkeit zu bringen. Dass die Regierungsparteien<br />

begünstigt sind, ist unseres Erachtens<br />

auch darauf zurückzuführen, dass diese die<br />

Regierungsentscheidungen im öffentlichen Raum<br />

vertreten bzw. in aktuellen Situationen ihre Problemlösungsvorschläge<br />

zur Diskussion stellen<br />

müssen und dies auch von den Bürgern erwartet<br />

wird. Daraus kann abgeleitet werden, dass die<br />

Rollen der Parteien in der Breite der analysierten<br />

Talkshows in ARD und ZDF angemessen wiedergegeben<br />

werden.<br />

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