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Linksliberale Enterhaken - PRuF

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Aufsätze Christoph Busch – Die Stigmatisierung rechtsextremistischer Parteien [...] MIP 2013 19. Jhrg.<br />

ren, wenn der Konfliktgegner eben nicht argumentieren,<br />

sondern seine Vorteile für sich ausnutzen<br />

will. Ein solches Verhalten zu stigmatisieren,<br />

ist die einzige wirkträchtige Option. Es<br />

geht bei der Stigmatisierung aber nicht darum,<br />

Feindbilder zu schaffen, sondern für die Demokratie<br />

einzutreten. Denn es soll nicht ein beliebiges<br />

abweichendes Verhalten stigmatisiert werden,<br />

sondern nur ein solches Verhalten, das die<br />

grundlegende Norm des demokratischen Konfliktaustrags,<br />

die gleichberechtigte Anerkennung<br />

des Anderen, ablehnt. In der Regel sollte Rechtsextremismus<br />

als Ideologie und politische Praxis<br />

stigmatisiert werden, Rechtsextremisten als Personen<br />

aber nur in Ausnahmefällen. Dennoch ist<br />

ein Effekt der Stigmatisierung von Rechtsextremismus,<br />

dass rechtsextremistischen Parteiakteuren<br />

erschwert wird, ihre Grundrechte wahrzunehmen<br />

– selbst wenn dies friedliche oder unpolitische<br />

Aktivitäten betrifft. Deswegen gilt auch<br />

bei der Stigmatisierung, die Verhältnismäßigkeit<br />

der Mittel zu wahren. Je gravierender die Ablehnung<br />

demokratischer Normen praktiziert wird,<br />

bis hin zu gewalttätigem Handeln, desto schärfer<br />

darf die Stigmatisierung ausfallen.<br />

Sofern rechtsextremistische Parteien sich an die<br />

demokratischen Spielregeln – wenn auch nur pro<br />

forma – halten, sollten die demokratischen Akteure<br />

die argumentative Auseinandersetzung suchen.<br />

Denn nur wenn man sich öffentlich mit<br />

den Argumenten auseinandersetzt und auf den<br />

„zwanglosen Zwang des besseren Arguments“<br />

vertraut, besteht die Möglichkeit gesellschaftliche<br />

Diskurse zu initiieren, mit denen die relativ<br />

weit verbreiteten rechtsextremistischen Einstellungen<br />

reflektiert und im günstigsten Fall gemindert<br />

werden. Diese politische Auseinandersetzung<br />

erfordert allerdings von den demokratischen<br />

Akteuren mehr Anstrengungen und mehr<br />

Konfliktbereitschaft, als ausschließlich auf Stigmatisierung<br />

zu setzen. Dafür bieten sich die<br />

Bühnen der Kommunal- und Landesparlamente<br />

an. Ebenso sollten bei außerparlamentarischen<br />

Aktivitäten rechtsextremistischer Parteien, wie<br />

Demonstrationen oder Wahlwerbung, die demokratischen<br />

Akteure in geeigneter öffentlicher<br />

Form, sich mit den rechtsextremistischen Argumenten<br />

auseinandersetzen, um dem Bürger eine<br />

politische Meinungsbildung zu ermöglichen.<br />

Eine politische Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen<br />

Parteiakteuren oder ihren Argumenten<br />

zu führen, bedeutet jedoch nicht, vollständig<br />

auf Stigmatisierung zu verzichten. Denn<br />

Mouffe weist darauf hin, dass für eine politische<br />

Mobilisierung ebenfalls Emotionen der Bürger<br />

angesprochen werden müssen. „Die Rolle der<br />

‚Leidenschaften‘ in der Politik zeigt, daß es<br />

nicht ausreicht, wenn die liberale Theorie die<br />

Existenz einer Pluralität von Werten anerkennt<br />

und das Lob der Toleranz singt, um ein Verhältnis<br />

zum ‚Politischen‘ zu gewinnen. [...] Um Leidenschaften<br />

für demokratische Entwürfe mobilisieren<br />

zu können, muß demokratische Politik<br />

einen parteilichen Charakter haben.“ (2010: 13)<br />

Stigmatisierung weckt diese Leidenschaften<br />

durch eine Moralisierung des Diskurses. Erst<br />

diese Leistung der Stigmatisierung schafft eine<br />

Öffentlichkeit, die für rationale Argumente empfänglich<br />

ist. Stigmatisierung und rationale Argumentation<br />

reichen jeweils also alleine nicht aus,<br />

sondern sind zwei Seiten der gleichen Medaille,<br />

um sich mit den von rechtsextremistischen Parteien<br />

vertretenen Positionen hinreichend auseinanderzusetzen.<br />

5. Fazit<br />

Die Stigmatisierung von rechtsextremistischen<br />

Parteien hat angesichts ihrer menschenrechtsund<br />

demokratiefeindlichen Ideologie ihre Legitimation.<br />

Die Grenzen der Stigmatisierung werden<br />

durch die Grundrechte und das Demokratieprinzip<br />

gesteckt. Diese Grenzen zu verletzen hieße,<br />

Selbstmord aus Angst vor dem Tod zu begehen.<br />

Um eine Stärkung der Demokratie zu erzielen,<br />

sollte Stigmatisierung auf Rechtsextremismus<br />

und nicht auf Rechtsextremisten zielen. Dabei<br />

darf sich die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus<br />

nicht nur auf die Stigmatisierung der<br />

öffentlich agierenden rechtsextremistischen Parteien<br />

beschränken. Dies würde den Blick auf die<br />

gesellschaftlichen Ursachen und die in der Mitte<br />

der Gesellschaft verbreiteten rechtsextremistischen<br />

Einstellungen verdecken und eine Selbstkritik<br />

verhindern.<br />

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