Linksliberale Enterhaken - PRuF
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MIP 2013 19. Jhrg. Christoph Busch – Die Stigmatisierung rechtsextremistischer Parteien [...] Aufsätze<br />
Eine Recherche des Fernsehmagazins Report<br />
Mainz ergab, dass in den letzten zehn Jahren<br />
NPD-Funktionäre und Mandatsträger rund 70<br />
Gewalttaten verübten (Südwestfunk 2012).<br />
Überdies liefert die menschenverachtende Propaganda<br />
der rechtsextremistischen Parteien ihren<br />
Sympathisanten die Legitimation für rechtsextremistische<br />
Gewalttaten, von denen die Mordserie<br />
des Nationalsozialistischen Untergrunds nur die<br />
Spitze des Eisbergs bildet. Zweitens ist zu konstatieren,<br />
dass die Stigmatisierung zwar dazu<br />
beiträgt, Rechtsextremisten als Feinde im Sinne<br />
Carl Schmitts zu konstruieren, dies aber nur in<br />
seltenen Fällen zu staatlichen oder zivilgesellschaftlichen<br />
Aktivitäten führt, die die liberale<br />
Demokratie untergraben. Und wenn es solche<br />
Überschreitungen des legalen Rahmens gab,<br />
drohte den Rechtsextremisten keineswegs die<br />
Vernichtung. Denn bei illegalen Aktivitäten<br />
schritten die Organe der Strafverfolgung und der<br />
Rechtsprechung ein. So räumte die Polizei beispielsweise<br />
Blockaden von Veranstaltungen<br />
rechtsextremistischer Parteien, sofern dies verhältnismäßig<br />
war. Außerdem sind rechtsextremistische<br />
Parteien relativ klagefreudig, wenn<br />
Aktivitäten gegen sie möglicherweise illegal sein<br />
könnten. Ebenfalls klagen sie gelegentlich gegen<br />
Verfassungsschutzberichte, weil sie die dortige<br />
Nennung als unverhältnismäßige Stigmatisierung<br />
darstellen. Solche Prozesse nutzen Rechtsextremisten<br />
im Übrigen ebenso, um Öffentlichkeit<br />
herzustellen und sich als verfolgte Opposition<br />
darzustellen sowie das demokratische System<br />
zu diskreditieren.<br />
In der Synthese soll nun diskutiert werden, wie<br />
eine angemessene Stigmatisierung rechtsextremistischer<br />
Parteien aussehen sollte. Ein abstraktes<br />
Ziel einer solchen angemessenen Stigmatisierung<br />
sollte eine Stärkung der Demokratie unter Anerkennung<br />
der Menschenrechte sein. Was sich jedoch<br />
unter diesem Ziel genau verstehen lässt, ist<br />
wiederum Kern einer breiten und komplexen demokratietheoretischen<br />
Diskussion (Lembcke/Ritzi/<br />
Schaal 2012; Schmidt 2010). Hier soll an die<br />
Überlegungen Chantal Mouffes angeschlossen<br />
werden, weil diese ihr Demokratiekonzept dezidiert<br />
konflikttheoretisch anlegt, was für die Überlegungen<br />
zur Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen<br />
Parteien ein gewinnbringender Fokus<br />
erscheint. Sie plädiert dafür, den Antagonismus<br />
in einen Agonismus zu transformieren. Im Wesentlichen<br />
meint sie damit, die Freund-Feind-Beziehung<br />
in eine Wir-Sie-Beziehung zu entschärfen.<br />
In der letzteren Beziehung ist es nicht legitim<br />
den Konfliktgegner zu vernichten. Gleichwohl<br />
ist der Konflikt nicht durch Verhandlung<br />
oder Diskussion zu lösen, sondern ist konstitutiv<br />
für das Verhältnis und der Konfliktgegenstand<br />
ist keinem Kompromiss zugänglich. Damit ein<br />
solcher Konflikt keine antagonistischen Formen<br />
annimmt, sei es von entscheidender Bedeutung,<br />
geeignete Möglichkeiten zum friedlichen Konfliktaustrag<br />
zu schaffen (Mouffe 2010: 29ff.)<br />
Die Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen<br />
Parteien von einem Antagonismus in<br />
einen Agonismus zu transformieren, ist allerdings<br />
schwierig. Denn eine zentrale Voraussetzung<br />
bei einer agonistischen Konfliktaustragung<br />
ist, dass beide Akteure sich als Gegner und nicht<br />
als Feinde verstehen. Dies beinhaltet als wesentlichen<br />
Punkt, den demokratischen Rahmen des<br />
Konfliktaustrags nicht außer Kraft zu setzen und<br />
den im politischen Streit Unterlegenen nicht zu<br />
vernichten. Genau diese Voraussetzung zu beseitigen,<br />
ist jedoch das Ziel rechtsextremistischer<br />
Parteien. Exemplarisch ist dafür folgendes Zitat<br />
aus einer Rede des Fraktionsvorsitzenden der<br />
NPD im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns,<br />
Udo Pastörs: „Kämpft! Nur wer kämpft hat die<br />
Chance auf Sieg. Und wenn wir zur Macht gelangen,<br />
dann besteht darin auch die Verpflichtung<br />
jene einer gerechten Strafe zuzuführen, die<br />
für diese Ausplünderungspolitik unseres deutschen<br />
Volkes Verantwortung tragen und heute<br />
noch uns frech ins Gesicht grinsen. Also, liebe<br />
herrschende Klasse, seht euch vor, denn wer<br />
Wind sät, wird Sturm ernten. Lasst uns Sturm<br />
sein!“ (Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt<br />
2009: 83) Eine rechtsextremistische<br />
Partei ist insofern keine Partei wie andere auch.<br />
Vor diesem Hintergrund stehen die demokratischen<br />
Akteure vor der Aufgabe, eine agonistische<br />
Auseinandersetzung zu suchen, bei der der<br />
Konfliktgegner sich nicht an die Spielregeln hält.<br />
Über diese unfaire Konfliktkonstellation kann<br />
man schlechterdings mit dem Gegner diskutie-<br />
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