Linksliberale Enterhaken - PRuF
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Aufsätze Christoph Busch – Die Stigmatisierung rechtsextremistischer Parteien [...] MIP 2013 19. Jhrg.<br />
In der politischen Praxis trägt die Stigmatisierung<br />
zu einem Freund-Feind-Denken bei, welches<br />
zivilgesellschaftliche Akteure vermeintlich<br />
legitimiert, rechtsextremistische Parteiaktivisten<br />
in ihren Grundrechten zu beschränken. In diesem<br />
Sinne konzediert Roland Roth: „Eine große<br />
Schwierigkeit besteht offensichtlich darin, auch<br />
in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus<br />
[…] auf Zivilität, Demokratie und Menschenrechte<br />
zu setzen. Zu häufig dominiert ein<br />
Kampfvokabular, das bereits Konzession an ein<br />
rechtsextremes Politikverständnis enthält, das<br />
von der Unterscheidung von Freund und Feind<br />
lebt und dem ein auf Vertreibung und Vernichtung<br />
zielender Gewaltkern innewohnt.“ (2010: 10)<br />
Dafür lassen sich einige Beispiele benennen: Im<br />
Wahlkampf werden beispielsweise Wahlplakate<br />
der NPD demoliert (Bars et. al 2010: 53ff.). Außerdem<br />
werden Veranstaltungen von rechtsextremistischen<br />
Parteien blockiert, so dass Parteimitglieder<br />
nicht teilnehmen können. Dies geschieht<br />
ebenfalls im virtuellen Raum durch Angriffe auf<br />
Websites von rechtsextremistischen Parteien.<br />
Beispielsweise war die Website der 2012 neugegründeten<br />
Partei „Die Rechte“ im Januar 2013<br />
über mehrere Tage nicht zu erreichen. Linke Internetaktivisten<br />
hackten sogar eine NPD-Spenderliste<br />
und veröffentlichen diese im Internet. Mit<br />
Blick auf den Zweck dieser Veröffentlichung<br />
weist der Journalist Patrick Gensing auf die stigmatisierende<br />
Wirkung hin: „So setzt Nazi-<br />
Leaks.net [Name der Website, auf der die Daten<br />
veröffentlicht wurden. Anm. C.B.] wohl eher auf<br />
das Prinzip Abschreckung. Denn Öffentlichkeit<br />
suchen die meisten Spender der NPD nicht gerade<br />
– und möglicherweise überlegen es sich potentielle<br />
Geber noch mehrmals, ob sie wirklich demnächst<br />
im Netz als Gönner der Neonazi-Partei<br />
auftauchen wollen.“ (Gensing 2012) Ebenfalls<br />
hackten linke Aktivisten den internen E-Mail-<br />
Verkehr der NPD und überließen das Material<br />
Journalisten, die daraus veröffentlichten. Gravierender<br />
sind gewalttätige Übergriffe auf rechtsextremistische<br />
Parteiaktivisten bei Demonstrationen,<br />
Kundgebungen oder im Wahlkampf, die vor<br />
allem von Autonomen Antifa-Gruppen verübt<br />
werden (Bundesministerium des Innern 2012:<br />
214ff.).<br />
Die Bemühungen von demokratischen Akteuren,<br />
durch Stigmatisierung von rechtsextremistischen<br />
Parteien die Demokratie zu erhalten, lassen sich,<br />
um mit Ulrich Beck zu sprechen, als „reflexive“<br />
(1993: 36) Demokratiepolitik bezeichnen. Denn<br />
zum Teil schlagen diese Bemühungen auf die<br />
Demokratie zurück und schwächen diese. So<br />
konnte man in einigen Kommunalparlamenten<br />
nach dem Einzug rechtsextremistischer Parteien<br />
beobachten, dass die Mehrheit Minderheitenrechte<br />
im Parlamente einschränkt (Hafeneger/<br />
Schönfelder 2007: 91ff.). Mehr oder weniger<br />
deutlich wird dies damit begründet, den rechtsextremistischen<br />
Abgeordneten die Bühne für<br />
ihre abzulehnende Politik zu entziehen und eine<br />
maximale Distanz zu deren Politik zu demonstrieren.<br />
Inwieweit die Einschränkung von Minderheitenrechten<br />
rechtsextremistischer Parteien<br />
die Demokratie schützt, ist diskussionswürdig.<br />
Noch problematischer ist allerdings, dass diese<br />
Einschränkungen ebenso die Rechte von anderen<br />
Minderheiten im Kommunalparlament betreffen<br />
und damit den pluralistischen Diskurs einengen<br />
(Köditz 2009: 16ff.). Ein weiteres Beispiel reflexiver<br />
Demokratiepolitik betrifft öffentliche Räumlichkeiten.<br />
In der Regel dürfen alle Parteien diese<br />
für eigene Veranstaltungen nutzen. Da auch<br />
rechtsextremistische Parteien davon Gebrauch<br />
machen, haben in einigen Kommunen die demokratischen<br />
Parteien beschlossen, dass öffentliche<br />
Räume generell nicht mehr für Parteien zur Verfügung<br />
stehen. Das Bemühen, rechtsextremistische<br />
Parteiaktivitäten zu brandmarken und auszugrenzen,<br />
läuft in diesem Fall auf eine Entpolitisierung<br />
des öffentlichen Raumes hinaus (Henßler<br />
et al. 2012: 6) und erschwert den demokratischen<br />
Parteien ihrem grundgesetzlichen Auftrag, an der<br />
politischen Willensbildung mitzuwirken, nachzukommen.<br />
Dies trifft in verschärfter Form auf<br />
kleine Parteien zu, die nur geringe eigene Ressourcen<br />
haben.<br />
4. Synthese<br />
Damit die Gegenthese nicht zu Missverständnissen<br />
führt, scheint ein kurzer Exkurs notwendig:<br />
Erstens soll hier keineswegs ein Märtyrerstatus<br />
der rechtsextremistischen Parteien konstruiert<br />
werden, indem Täter zu Opfern verklärt werden.<br />
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