Linksliberale Enterhaken - PRuF
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MIP 2013 19. Jhrg. Christoph Busch – Die Stigmatisierung rechtsextremistischer Parteien [...] Aufsätze<br />
3. Gegenthese: Normative Probleme der Stigmatisierung<br />
Die Stigmatisierung der rechtsextremistischen<br />
Parteien beinhaltet das Potenzial in einen antagonistischen<br />
Konflikt umzuschlagen. Dieser ist<br />
dadurch gekennzeichnet, dass die Akteure sich<br />
in einem Freund-Feind-Schema wahrnehmen,<br />
wie es Carl Schmitt propagiert hat (Mouffe<br />
2010: 17ff.). Politik besteht bei Schmitt darin,<br />
dass man zwischen Freund und Feind unterscheidet.<br />
Die aus dieser Sichtweise zwischen den<br />
Kollektiven resultierenden Konflikte werden<br />
stets als Ernstfall gesehen, in denen man ständig<br />
um das eigene Überleben kämpft. Deswegen<br />
können Konflikte nicht unter der Voraussetzung<br />
der Anerkennung des Anderen geregelt werden.<br />
Zudem postuliert Schmitt, dass ein Kollektiv homogen<br />
sein müsste. Andersartigkeit zu akzeptieren<br />
hätte eine Schwächung des Kollektivs zur<br />
Folge, weswegen es seine Existenzberechtigung<br />
verlöre. Somit spielen die Menschenwürde und<br />
daraus abgeleitete Minderheitenrechte bei ihm<br />
keine Rolle. Im Gegenteil, Minderheiten seien<br />
als innergesellschaftlicher Feind anzusehen<br />
(Eckert 2010: 27ff.; Gessenharter 2000: 197ff.).<br />
Für rechtsextremistische Parteien ist das<br />
Schmittsche Verständnis von Konflikt ein wesentliches<br />
Element ihrer Politik. Aus liberaldemokratischer<br />
Sicht wird dieses jedoch scharf zurückgewiesen.<br />
So argumentiert Karl Loewenstein:<br />
„Die wirkliche Demokratie ist zur gleichen Zeit<br />
auch der Schutz der Minderheiten, und zwar<br />
selbst der Minderheiten, die unpopuläre politische<br />
Meinungen vertreten. Nach den demokratischen<br />
Grundsätzen ist die Ächtung irgendeiner<br />
politischen Auffassung, was immer auch ihr unterstelltes,<br />
vorgegebenes oder wirkliches politisches<br />
Ziel sei, unzulässig. [… ] Es handelt sich<br />
hier um nichts weniger als um ein Prinzip, mit<br />
dessen Aufgabe sich die Demokratie selbst aufgibt.“<br />
(2000: 351) Ein „demokratisches Dilemma“,<br />
wonach den Feinden der Freiheit die Freiheiten<br />
eingeschränkt werden müsste, um die Demokratie<br />
zu verteidigen, ließe sich dahingehend<br />
lösen, dass eben nur illegale Handlungen, insbesondere<br />
Gewalt strafrechtlich zu verfolgen sei.<br />
Die mit der wehrhaften Demokratie vertretene<br />
Vorverlagerung des Demokratieschutzes durch<br />
den Staat lehnt Loewenstein als demokratiegefährdende<br />
Beschneidung der Grundrechte ab<br />
(Loewenstein 2000: 348ff.).<br />
Neben der normativen Kritik von Loewenstein<br />
ist Stigmatisierung ferner hinsichtlich ihres demokratiepolitischen<br />
Outputs, bzw. Effektivität<br />
zu hinterfragen. So befestigt Stigmatisierung die<br />
Dichotomie des Freund-Feind-Schemas und erschwert<br />
die Übergänge zwischen rechtsextremistischen<br />
Parteiaktivisten und Zivilgesellschaft. Einerseits<br />
dürfte dies dazu beitragen, rechtsextremistischen<br />
Parteien die Rekrutierung von Nachwuchs<br />
zu erschweren. Andererseits dürfte die<br />
deutliche Ausgrenzung den Zusammenhalt innerhalb<br />
dieser Parteien fördern, damit Einzelnen den<br />
Ausstieg erschweren und das Kollektiv mithin<br />
stabilisieren. Das Freund-Feind-Bild wirkt sich<br />
aber nicht nur auf die Rekrutierung bzw. den Zusammenhalt<br />
von rechtsextremistischen Parteien<br />
aus, sondern ebenfalls auf die gesellschaftliche<br />
Auseinandersetzung. Hans-Gerd Jaschke kritisiert,<br />
dass Stigmatisierung nicht nur die Ursachen<br />
ignoriert, sondern einer adäquaten Reflexion sogar<br />
hinderlich ist. „Diese ausgrenzende, stigmatisierende<br />
Grundhaltung verstellt den Blick auf<br />
die Gesellschaft selbst, aus deren Schoß Extremismus<br />
hervorgeht ebenso wie den kritischen<br />
Blick nicht nur auf die Normverletzter, sondern<br />
auch auf die Normgeber […] Das Herrschaftsverhältnis<br />
zwischen Normgebern und Normverletzern<br />
wird nicht thematisiert, an seine Stelle<br />
tritt die moralisierende Rede von den (guten)<br />
Demokraten und den (bösen) Extremisten.“<br />
(Jaschke 1991: 49) Dies bestätigen Berichte über<br />
Veranstaltungen, in denen es um in der Gesellschaft<br />
verbreitete Mentalitäten gruppenbezogener<br />
Menschenfeindlichkeit geht, die den Resonanzboden<br />
für rechtsextremistische Aktivitäten<br />
bilden. Dort wollen die Teilnehmer vor allem<br />
über die Kontrollmöglichkeiten des organisierten<br />
Rechtsextremismus sprechen und weichen einer<br />
Selbstreflexion ihres gesellschaftlichen Umfeldes<br />
aus (Heitmeyer 2012: 27). Stigmatisierung<br />
von rechtsextremistischen Parteien dient in dieser<br />
Perspektive der Selbstentlastung.<br />
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