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Linksliberale Enterhaken - PRuF

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Aufsätze Simon T. Franzmann – Wie lässt sich aus politikwissenschaftlicher Sicht ein Parteiverbot rechtfertigen? MIP 2013 19. Jhrg.<br />

Jetzt könnte es gerade für die Grenzpartei verlockend<br />

sein, eine zentripetale Wettbewerbsrichtung<br />

nicht durch das Verbot der extremistischen<br />

Partei herbeizuführen zu wollen, sondern durch<br />

eine direkte Regierungsbildung unter Einschluss<br />

der Extremisten. Eine vermeintliche Begründung<br />

wäre die „Entzauberung“, also das Aufzeigen,<br />

dass die zuvor gemachten Versprechen unverantwortlich<br />

waren. Wir wissen historisch, dass das<br />

in Deutschland nicht funktioniert hat. Es gibt<br />

einen abstrakten Grund dafür: Wer nicht verständigungswillig<br />

ist, kann sich von einer ideologischen<br />

Außenposition nicht in die Mitte hin bewegen.<br />

Er wird noch nicht einmal eine stabile<br />

Regierung bilden, weil er auch seinen Koalitionspartner<br />

allenfalls temporär akzeptiert. Kurz:<br />

Diese Partei betreibt Opposition aus der Regierung<br />

heraus, und deren Einbindung führt somit<br />

nicht zu einer Reaktivierung des 2-Blöcke-Wettbewerbs.<br />

Damit wird aber auch deutlich: Eine Partei kann<br />

nicht verboten werden, nur weil sie eine bestimmte<br />

Meinung äußert. Entscheidend ist vielmehr<br />

die Interaktionsorientierung: Ist eine Partei<br />

grundsätzlich zu einer Minimalverständigung<br />

über die friedlichen Konfliktaustragung fähig<br />

und willens? Wenn ja, existiert aus Sicht des Minimalziels<br />

Friedenssicherung kein Grund, eine<br />

solche Partei zu verbieten, egal welches Ziel sie<br />

ansonsten anstrebt. Wenn nicht, dann gibt es keinen<br />

Grund, eine solche Partei nicht zu verbieten.<br />

Dies lässt sich gut am Beispiel einer separatistischen<br />

Partei verdeutlichen: Dieser Logik folgend,<br />

ist das Streben nach territorialer Selbstbestimmung<br />

solange zu tolerieren, wie die separatistische<br />

Partei die gewaltfreie Verständigung<br />

mit den übrigen Landesteilen auch über die Sezession<br />

hinaus anstrebt – und natürlich auch für<br />

den Weg in die territoriale Selbstständigkeit. Angefangen<br />

bei Prozessen der Devolution, der Einführung<br />

föderaler Elemente, der Gründung einer<br />

Konföderation oder die Einbettung in eine internationale<br />

Staatengemeinschaft bis hin zu einem<br />

bilateralem Abkommen ist hier alles denkbar.<br />

Das Gleiche gilt spiegelbildlich für zentralistisch<br />

orientierte Parteien. Die Forderung der Loslösung<br />

eines Landesteils aus dem Staatswesens<br />

ohne Klärung wie das Verhältnis zum übrigen<br />

(dann ehemaligen) Staatswesen sich gestalten<br />

soll, muss hingegen nicht toleriert werden, denn<br />

die oben definierte Minimalerfordernis der Friedensgarantierung<br />

durch staatliche Ordnung ist<br />

dann nicht mehr gegeben. Die separatistische<br />

(spiegelbildlich: zentralistische) Partei zeigt<br />

dann offenkundig kein Interesse an der gewaltfreien<br />

Konfliktregulierung. Wichtig bleibt festzuhalten,<br />

dass das Verbot der Partei von Inklusionsstrategien<br />

bezüglich der verständigungswilligen<br />

Teile begleitet wird, so dass die jeweilige<br />

extreme Partei auch die Chance hat, eine gewaltfreie<br />

Konfliktaustragungsstrategie zu verfolgen.<br />

Weiterhin ist die Rolle des Staatsoberhauptes<br />

nicht minder zu schätzen. Dem Staatsoberhaupt<br />

kommt die Rolle zu, die Parteien zu stärken, die<br />

eindeutig die gewaltfreie Konfliktaustragung<br />

vorantreiben und erhalten. Als präsidialer, überparteilicher<br />

Akteur kann das Staatsoberhaupt somit<br />

auch der Wahlbevölkerung signalisieren,<br />

welche der Parteien am ehesten dem Gemeinwohl<br />

noch dienlich sind. Diese Funktion des<br />

Staatsoberhauptes hilft schließlich das Kerndilemma<br />

einer jeden Parteienverbotsdiskussion zu<br />

mildern: Wie kann von einem Konkurrenten um<br />

Wählerstimmen legitimerweise das Verbot eines<br />

anderen Konkurrenten verlangt werden? Wie ist<br />

es überhaupt mit dem Prinzip der Meinungsfreiheit<br />

vereinbar, eine Partei zu verbieten? Letzteres<br />

sollte schon klar geworden sein: Bei einem<br />

Parteiverbot wird nicht die Meinung verboten.<br />

Es wird ein politischer Akteur verboten, der seine<br />

Meinung und seine Politikziele mit Handlungen<br />

verbindet, die kurz-, mittel- oder langfristigen,<br />

beabsichtigt oder unbeabsichtigt, den Frieden<br />

bedrohen. Tatsächlich wird es wohl einige<br />

Parteien und viele Wähler dieser Parteien geben,<br />

die sich nicht im Klaren darüber sind, dass ihre<br />

kompromisslose Haltung keine gewaltfreie Lösung<br />

zulässt, und somit unbeabsichtigt den Zustand<br />

des Friedens gefährden. Ersteres ist ein<br />

wenig schwieriger – nämlich die legitime Forderung,<br />

einen Konkurrenten zu verbieten. Schnell<br />

kommt der Verdacht eines Parteienkartells auf,<br />

dass sich unliebsamer Konkurrenz erwehrt. Das<br />

muss aber nicht gegeben sein, und es liegt auch<br />

nur ein scheinbares Paradox vor. Das Paradox<br />

löst sich auf, wenn man die unterschiedlichen<br />

Ebenen der Entscheidungsträger betrachtet: Zum<br />

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