Linksliberale Enterhaken - PRuF
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Aufsätze Simon T. Franzmann – Wie lässt sich aus politikwissenschaftlicher Sicht ein Parteiverbot rechtfertigen? MIP 2013 19. Jhrg.<br />
onsparteien halbwegs verantwortlich handeln<br />
mit der Aussicht, in absehbarer Zeit einen vollständigen<br />
Regierungswechsel zu ihren Gunsten<br />
herbeizuführen. Graphik 1 fasst die Logik des<br />
Polarisierten Pluralismus zusammen:<br />
Abgebildet sind sechs Parteien: Auf jeder Seite<br />
des ideologischen Spektrums gibt es je eine extremistische<br />
Partei und eine Mitte-Partei. Zwischen<br />
der extremistischen und der Mitte-Partei gibt es<br />
eine Grenzpartei. Wir verdanken den historischinstitutionellen<br />
Analysen Giovanni Capoccias 6 die<br />
Einsicht, dass es bei der Verteidigung der Demokratie<br />
auf das Verhalten dieser Grenzparteien ankommt.<br />
In Graphik 1 haben sich die vier mittleren<br />
Parteien zu einer Koalition zusammengeschlossen,<br />
die von den beiden extremistischen<br />
Parteien zur linken und rechten bekämpft werden.<br />
Durch die Größe der Dreiecke wird die<br />
Wählerstimmenstärke dargestellt. Die extremistischen<br />
Parteien sind größer als die Grenzparteien,<br />
aber noch nicht so groß wie die Mitteparteien.<br />
Zudem werden nur „extreme“ Positionen gegen<br />
die Regierung formuliert. Die ideologische<br />
Polarisierung des Systems wurde somit permanent<br />
erhöht. Genau dies ist die Logik im System<br />
des polarisierten Pluralismus: Die zentrifugale<br />
Wettbewerbsrichtung lässt sich nicht mehr rückgängig<br />
machen, sobald die Regierungskoalition<br />
sich auf zwei Seiten mit einer unverantwortli-<br />
6<br />
Capoccia, Giovanni: Defending Democracy: Reactions<br />
to political extremism in inter-war Europe, European<br />
Journal of Political Research 2001 (39), 431-460.<br />
chen, ideologisch weit auseinanderliegenden Opposition<br />
konfrontiert sieht. Bewegen sich die<br />
Koalitionsparteien hin zu einer Richtung, stärken<br />
sie die Partei des anderen Randes.<br />
Prämisse 1: Ein unumkehrbarer<br />
zentrifugaler Wettbewerb<br />
führt unter den Bedingungen<br />
des Polarisierten Pluralismus<br />
zum Zusammenbruch eines<br />
politischen Systems.<br />
Die zentrifugale Wettbewerbsrichtung<br />
lässt sich unter Umständen<br />
aufhalten. Entscheidend<br />
ist hier das Elitenverhalten. Aufbauend<br />
auf den Überlegungen<br />
Sartoris hat Capoccia nun nicht<br />
das Verhalten der Akteure bei<br />
Untergang der Weimarer und Italienischen<br />
Republik untersucht,<br />
sondern das erfolgreiche Überleben<br />
in ähnlich kritischen Situationen<br />
in Belgien, Finnland und der Tschechoslowakei.<br />
7 Die effektive Strategie zur Umkehrung<br />
der zentrifugalen Wettbewerbsdynamik und<br />
somit zur Verteidigung der Demokratie sah in<br />
den 1930er Jahren wie folgt aus: (1) Dass die<br />
Grenzpartei zwischen zentristischen Parteien<br />
und extremistischen Parteien sich für Regierungsstabilität<br />
und nicht kurzfristige Wählerstimmenmaximierung<br />
durch Kooperation mit<br />
den Extremisten entscheidet; (2) dem Verhalten<br />
des Staatsoberhauptes, der die Abwehr antidemokratischer<br />
Kräfte stützen kann; (3) der Inklusion<br />
eines Teils des extremistischen Lagers,<br />
nämlich des Teils, der mit den demokratischen<br />
Kräften kooperieren möchte und kann. Wichtig<br />
ist hier die Kombination aus Inklusion und Abgrenzung<br />
sowie der Stützung durch den überparteilichen<br />
Präsidenten! Die Abgrenzung erfolgte<br />
dabei mit den härtesten Maßnahmen: Dem Verbot<br />
der systembedrohenden Parteien, getragen<br />
7<br />
Capoccia (a.a.O., S. 437 f.) reagiert mit seinem akteurzentrieten<br />
Ansatz auf Kritik an Sartoris ursprünglicher<br />
Konzeption. Siehe zur Kritik an Sartori zum Beispiel<br />
Dirk Berg-Schlosser und Gisèle de Meur: Conditions<br />
of Democracy in Interwar Europe. A Boolean Test of<br />
Major Hypotheses, Comparative Politics 1994 (26; 3),<br />
S. 253-279.<br />
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