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Linksliberale Enterhaken - PRuF

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MIP 2013 19. Jhrg. Simon T. Franzmann – Wie lässt sich aus politikwissenschaftlicher Sicht ein Parteiverbot rechtfertigen? Aufsätze<br />

tes, findet sich in praktisch allen politischen<br />

Ideologien wieder: Autoritäre, liberale, sozialistische,<br />

feministische, sogar anarchistische Ideen<br />

zielen am Ende auf die Herstellung einer friedlichen<br />

Ordnung. 2 Für unser Ziel, Kriterien für ein<br />

Parteienverbot zu entwickeln, ist dieses minimalistisches<br />

Ziel zweckmäßig: Selbst die Feinde<br />

der Demokratie streben nach Frieden. Wir wissen<br />

aber, dass nicht alle Ideologien auf Grund<br />

der ihnen innewohnende Widersprüche tatsächlich<br />

zu Frieden führen. Können wir zeigen, dass<br />

eine Partei ihre Überzeugungen mit Mitteln verfolgt,<br />

die sogar ihren eigenem Friedensziel zuwiderläuft,<br />

so haben wir ein starkes Kriterium, um<br />

ein Verbot eben dieser Partei zu rechtfertigen.<br />

Wir können unserer Argumentation also folgende<br />

normative Setzung zu Grunde legen:<br />

Ziel einer jeden politischen Ordnung ist die<br />

Herstellung von Frieden. Der Zusammenbruch<br />

einer staatlichen Ordnung soll vermieden<br />

werden, insofern dann nicht mehr eine<br />

gewaltlose Konfliktaustragung gewährleistet<br />

ist.<br />

Man beachte, dass dieses Axiom keine Aussage<br />

zur Ausgestaltung der politischen Ordnung<br />

macht, sich also nicht auf die „Demokratie“ oder<br />

eine bestimmte Form der Demokratie festlegt.<br />

Nur die Abwesenheit des gewaltsamen Konfliktes<br />

– im Kern des Begriffs der Ordnung enthalten<br />

– wird zu Grunde gelegt. Der stete Wandel<br />

einer Ordnung, ja sogar eine Revolution, ist<br />

durch obiges Kriterium explizit nicht ausgeschlossen.<br />

Daher erfolgte im obigen Axiom die<br />

Qualifizierung „insofern dann nicht mehr Frieden<br />

gewährleistet ist.“ Ein gewaltloser Systemwechsel<br />

ist möglich. Einem solchen Systemwechsel<br />

würde aber eine intensive poltische Debatte<br />

vorhergehen; und eine solche Debatte wiederum<br />

unterliegt den klassischen Mustern einer<br />

ideologischen Auseinandersetzung für die Sartori<br />

eine hinreichend theoretisch-abstrakte Analyse-<br />

2<br />

Kymlicka, a.a.O. John Gerring und Strom C. Thacker: A<br />

Centripetal Theory of Democratic Governance. Cambrige<br />

et. al., 2008: Zitat auf Seite 9: „The first task of government<br />

is to prevent humans from killing each other.”<br />

form gefunden hat. 3 Wann droht nämlich der Zusammenbruch<br />

eines politischen Systems? Die<br />

Theorie des Parteienwettbewerbs und die empirisch-historische<br />

Schule der Demokratieforschung<br />

4 haben hier eine klare Antwort: Wenn<br />

sich eine zentrifugale Wettbewerbsrichtung zwischen<br />

den Parteien nicht mehr rückgängig machen<br />

lässt, dann folgt am Ende der Zusammenbruch.<br />

Besonders gefährdet ist ein Parteiensystem,<br />

in der diese zentrifugale Wettbewerbsrichtung<br />

mit den Merkmalen des „Polarisierten Pluralismus“<br />

verbunden ist. Sartori zählt hier folgende<br />

Eigenschaften auf: (1) Es existieren Anti-<br />

System-Parteien, (2) die Regierung sieht sich einer<br />

bilateralen Opposition von links und rechts<br />

(respektive Separatisten und Unitarier) ausgesetzt,<br />

(3) um die Mitte des ideologischen Spektrums<br />

findet kein Wettbewerb statt, (4) die ideologische<br />

Distanz zwischen den Wettbewerbern<br />

ist groß, (5) die zentrifugalen Kräfte sind stärker<br />

als die zentripetalen, (6) die politische Kultur<br />

fördert Polarisierung anstelle von Kompromiss,<br />

(7) die Oppositionsparteien können unverantwortliche<br />

und uneinlösbare Versprechungen machen,<br />

da sie niemals in die Verlegenheit kommen,<br />

an der Regierung beteiligt zu werden, woraus<br />

schließlich (8) eine Art unlauterer Wettbewerb<br />

mit unhaltbaren Versprechungen etabliert<br />

wird. 5 Nun ist selbst ein solch „polarisiert-pluralistisches“<br />

System nicht zwingend dem Untergang<br />

geweiht: Gelingt es, die zentrifugale Wettbewerbsrichtung<br />

in eine zentripetale Wettbewerbsrichtung<br />

umzuwandeln, kann auch ein solches<br />

System stabilisiert werden. Zentripetal<br />

heißt, dass ähnlich wie in einem Zwei-Parteiensystem<br />

oder Zwei-Blöcke-System der Wählerstimmenkampf<br />

um die ideologische Mitte geführt<br />

wird, eine unilaterale Opposition herrscht,<br />

also eine „linke“ (rechte) Regierung nur von<br />

„rechts“ (links) opponiert wird und die Oppositi-<br />

3<br />

Giovanni Sartori: Parties and Party Systems. A Framework<br />

for Analysis, Colchester: ECPR Press 2005,<br />

zuerst 1976.<br />

4<br />

Zur Aktualität dieser Schule siehe Giovanni Capoccia<br />

und Daniel Ziblatt: The Historical Turn in Democratization<br />

Studies: A New Research Agenda for Europa and<br />

Beyond, Comparative Political Studies 2010 (43),<br />

S. 931-968.<br />

5<br />

Sartori: Parties and Party Systems, a.a.O., S. 331.<br />

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