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Linksliberale Enterhaken - PRuF

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Aufsätze Simon T. Franzmann – Wie lässt sich aus politikwissenschaftlicher Sicht ein Parteiverbot rechtfertigen? MIP 2013 19. Jhrg.<br />

Wie lässt sich aus politikwissenschaftlicher<br />

Sicht ein Parteiverbot<br />

rechtfertigen?<br />

Dr. Simon T. Franzmann 1<br />

In Deutschland wird wieder über ein Parteienverbot<br />

diskutiert, und es wird wieder über das Verbot<br />

der NPD diskutiert. Während die Bundesrepublik<br />

Deutschland als Lehre aus der Weimarer Republik<br />

das Konzept der „wehrhaften Demokratie“ entwickelt<br />

hat, hält sich die Politikwissenschaft mit klaren<br />

Handlungsempfehlungen, wann eine Partei zu<br />

verbieten sei oder nicht, sehr zurück. Das erstaunt<br />

einerseits, denn insbesondere die Nachkriegspolitikwissenschaft<br />

Deutschlands und Italiens hat<br />

sich mehr als intensiv mit dem Thema beschäftigt.<br />

Andererseits wird dies wiederum vor dem<br />

dominierenden falsch verstandenen Verständnis<br />

der Werturteilsfreiheit des Sozialwissenschaftlers<br />

verständlich, die sich meint auf Max Weber<br />

berufen zu können. Die Sozialwissenschaften<br />

mit ihrem Fokus auf die Erklärung von Interaktionen<br />

und insbesondere die Politikwissenschaft<br />

als Lehre der Koordination der Interaktion politischer<br />

Akteure sollte sich zum Thema Parteienverbot<br />

fundiert äußern können. Die moderne,<br />

empirisch vergleichende Politikwissenschaft<br />

stellt zwar Erkenntnisse zum Parteienwettbewerb<br />

und zum Erhalt von Demokratien zur Verfügung.<br />

Sie traut sich als Fach jedoch nicht diese<br />

Erkenntnisse in einen normativen Rahmen einzubetten.<br />

Diese Rückbindung an Normen ist und<br />

bleibt Domäne der Rechtswissenschaften. Als<br />

Konsequenz wird die Debatte zum Parteienverbot<br />

fallbezogen von einer Vielzahl zeitnaher juristischer<br />

Abhandlungen oder etwas verspätet in<br />

der Retrospektive von zeithistorischen Arbeiten<br />

beherrscht. Die Politikwissenschaft äußert sich<br />

recht selten zu dieser Frage und wenn meist<br />

durch Vertreter, die sich noch am ehesten der<br />

deutschen Nachkriegstradition einer „Demokra-<br />

1<br />

Der Verfasser ist Akademischer Rat auf Zeit am Institut<br />

für Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine-Universität<br />

Düsseldorf, Lehrstuhl Politikwissenschaft I.<br />

tielehre“ verbunden fühlen. Jedoch stellt die empirisch<br />

vergleichende Politikwissenschaft klare<br />

Anhaltspunkte dafür bereit, auf abstrakter Ebene<br />

Kriterien für ein Parteienverbot zu formulieren.<br />

Dabei ist der Fokus nicht ausschließlich auf dem<br />

Verbot links- oder rechtsextremistischer Parteien<br />

wie in der innerdeutschen Debatte. Europaweit<br />

ist die Bedrohung durch separatistische Parteien<br />

für etablierte Demokratien viel größer – und ein<br />

Kriterium für ein Verbot solcher Parteien ebenso<br />

notwendig. Das abstrakte, politikwissenschaftliche<br />

Kriterium für ein Parteienverbot orientiert sich<br />

nicht am Inhalt. Es orientiert sich an der Interaktionsorientierung,<br />

also wie die Verwirklichung<br />

der Inhalte im Zusammenspiel mit den anderen<br />

politischen Kräften angestrebt wird: Parteien, die<br />

rein konfliktiv agieren, gehören verboten, aber<br />

ebenso Parteien, die vollständige Kooperation<br />

aller politischen Kräfte anstreben – denn mit solchen<br />

Kräften ist keine stabile Regierungsbildung<br />

möglich!<br />

Als Ausgangspunkt zur Ableitung dieses Kriteriums<br />

braucht es eine minimale Norm, von der aus<br />

argumentiert werden kann. Minimal deswegen,<br />

weil eine nicht-minimale Norm die Gefahr in<br />

sich birgt, mit der Normformulierung schon das<br />

Ergebnis des Verbotsgrundes vorweg zu nehmen.<br />

Gibt es eine solche minimale Norm? Moralische<br />

Überzeugungen können schwerlich richtig<br />

oder falsch sein. Aber die Kohärenz der Argumentation<br />

zur Rechtfertigung dieser moralischen<br />

Überzeugung, die eine Partei vertritt, kann in unterschiedlicher<br />

Art und Weise gegeben sein.<br />

Parteien, die Mittel einsetzen wollen, die ihren<br />

moralischen Überzeugungen und Zielen im Endeffekt<br />

zuwiderlaufen, sind für ein politisches<br />

System sicherlich schädlich. Verbotswürdig sind<br />

sie, wenn diese Inkohärenz die Stabilität nicht<br />

nur der Partei, sondern die des gesamten politischen<br />

Systems bedroht. Die systemische Gefahr<br />

besteht wiederum, wenn es ein gemeinsames<br />

Ziel aller politischen Akteure gibt, das nicht mehr<br />

erreicht werden kann. Ein solches gemeinsames<br />

normatives Minimalziel gibt es tatsächlich: Eine<br />

politische Ordnung soll die Abwesenheit eines<br />

gewaltsamen Konfliktes sicherstellen, also Frieden.<br />

Die Abwesenheit des gewaltsamen Konflik-<br />

46

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