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Aufsätze Heike Merten – Neue Impulse im europäischen Parteienrecht MIP 2013 19. Jhrg. Kritisch anzumerken ist an dieser Stelle, dass die mit der Sanktionierung der öffentlichen Parteienfinanzierung betraute Stelle das Europäische Parlament selbst ist. Im Hinblick darauf, dass sowohl die Entscheidung über die Verhängung einer Sanktion als auch deren Höhe und Ausmaß ins Ermessen gestellt ist, stellt sich hier die Frage, ob diese Entscheidungen nicht einer politikferneren Institution überlassen werden sollten. Aus Art. 24 Abs. 1 (g) Parteienverordnungsentwurf 2012 könnte gefolgert werden, dass ein Ausschuss unabhängiger Persönlichkeiten wie ihn Art. 7 Abs. 2 vorsieht, auch über Sanktionsentscheidungen befindet. Dies bleibt allerdings im Unklaren. Die Schlussbestimmungen widmen sich der Transparenz. Das Register veröffentlicht gemäß Art. 24 Parteienverordnungsentwurf 2012 umfänglich alle eingereichten Unterlagen der Europarteien, auch derjenigen Parteien die nicht aufgenommen wurden. Dies sind u.a. jährlich eine Übersicht über die aus dem Haushalt zugewendeten Beträge, die Jahresabschlüsse und die externen Prüfungsberichte, Spenden- und Beitragsverzeichnis der Parteien ab jeweils einer Höhe von 1.000 € sowie Beschlüsse und Gründe bezüglich verhängter Sanktionen. verknüpft mit den Voraussetzungen unter denen die Europarteien agieren. Ein wesentlicher Punkt dabei ist die Parteienverordnung und das den Europarteien zur Verfügung stehende Budget. Um politisch wirksam agieren zu können, benötigen auch die Europarteien Strukturen, Handlungsfelder und nicht zuletzt Geld. Die derzeit gültige Parteienverordnung, die weitgehend eine Parteienfinanzierungsverordnung ist, hat die Grundlage für eine öffentliche Finanzierung der Europarteien gelegt und damit einen wesentlichen Entwicklungsschritt gemacht. Ein weiterer, deutlich größerer Schritt wird mit dem Verordnungsentwurf 2012 gemacht. Die seit langem in Wissenschaft und Praxis erhobenen Forderungen nach einem echten Parteienstatut, werden damit weitgehend befriedigt. Mit der Schaffung einer unionsweiten Rechtspersönlichkeit und der Etablierung von innerparteilicher Demokratie der Europarteien, wenn wie dargelegt auch noch nicht in Vollkommenheit, wird ein weiterer wesentlicher Schritt zur Entwicklung eines europäischen Parteiensystems getan. 9. Rechtsschutz Das Europäische Parlament sieht ein administratives Rechtsbehelfsverfahren im Zusammenhang mit der Verordnung vor. Vor dem Gerichtshof der Europäischen Union kann gegen gefasste Beschlüsse vorgegangen werden (Art. 26 Parteienverordnungsentwurf 2012). III. Resümee Trotz der Weiterentwicklung der Europarteien in den letzten Jahren und der zunehmenden Bedeutung von europäischen Themen bei den Parlamentswahlen, sind sie noch immer nicht in der Lage, die ihnen in einer echten europäischen supranationalen Demokratie zukommenden Aufgaben als Transmissionsriemen zwischen Bürgern und den europäischen Institutionen vollumfänglich zu übernehmen. Dieses Dilemma ist eng 36
MIP 2013 19. Jhrg. Sophie-Charlotte Lenski – Nach dem Verbot ist vor dem Verbot [...] Aufsätze Nach dem Verbot ist vor dem Verbot – Vollstreckung von Parteiverboten und Verbot von Ersatzorganisationen Prof. Dr. Sophie-Charlotte Lenski 1 I. Einleitung Nachdem der Bundesrat am 14. Dezember 2012 die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die NPD beschlossen hat, 2 steht nun zum ersten Mal seit über 50 Jahren eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer parlamentarisch vertretenen politischen Partei an. 3 Neben den veränderten Rahmenbedingungen hinsichtlich des Einsatzes von Vertrauenspersonen innerhalb der NPD, unterscheidet sich das aktuelle Verfahren somit auch an diesem Punkt wesentlich vom Verbotsantrag aus dem Jahr 2001. Unabhängig von den – vermutlich berechtigten – Zweifeln, ob in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen erfüllt sind, um die zu Recht sehr hoch gesteckten rechtlichen Hürden eines solchen Verbots zu erfüllen, manifestiert sich die rechtspolitische Kritik an einem solchen Verfahren auch an dem Argument, dass ein Verbotsverfahren immer nur konkrete Strukturen, nicht jedoch geistige Strömungen zu beseitigen vermag. Dieser Einwand wirft die Frage nach den konkreten Folgen eines Parteiverbots und etwaigen flankierenden Maßnahmen auf. Während das Grundgesetz zu derartigen Konsequenzen schweigt, stellt das einfache Recht im Parteien- 1 Die Verfasserin ist Inhaberin des Lehrstuhls für Staatsund Verwaltungsrecht, Medienrecht, Kunst- und Kulturrecht an der Universität Konstanz. 2 BR-Drs. 770/12. 3 Zu den Verfahren gegen die „Freiheitlich Deutsche Arbeiterpartei“ und die „Nationale Liste“ aus dem Jahr 1994, bezüglich derer das Bundesverfassungsgericht bereits die Parteieigenschaft verneinte, vgl. van Ooyen, in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Parteiverbotsverfahren, 3. Aufl. 2010, S. 139 (150 ff.). gesetz im Wesentlichen zwei entsprechende Instrumente bereit: Maßnahmen zur Vollstreckung des ursprünglichen Parteiverbots sowie das Verbot von Ersatzorganisationen. Beide Regelungskomplexe sind bisher – mangels Parteiverbot nach Inkrafttreten des Parteiengesetzes – noch nicht zur praktischen Anwendung gekommen. Ihre Entstehungsgeschichte als Normen zur Bewältigung des hypothetischen Ernstfalls schlägt sich dabei an zahlreichen Stellen in Strukturen nieder, deren Verfassungsmäßigkeit bei genauerer Betrachtung zum Teil mehr als zweifelhaft erscheint. Dabei sind sowohl formelle Aspekte wie föderale Zuständigkeitsverteilungen als insbesondere auch materielle Aspekte in Hinblick auf die Gewährleistungen des Art. 21 GG sowie der Grundrechte von Parteimitgliedern betroffen. Ergänzend tritt die Problematik des Mandatsverlustes für solche Abgeordnete hinzu, die einer verbotenen Partei angehören bzw. über einen ihrer Wahlvorschläge ihr Mandat erhalten haben. Die in den entsprechenden Wahlgesetzen vorgesehenen Regelungen begegnen erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken in Hinblick auf das freie Mandat. Sollte es tatsächlich zu einem Verbot der NPD kommen, stellen sich die geltenden gesetzlichen Regelungen insofern nicht als tragfähige Grundlage für deren Folgenbewältigung dar. II. Historischer Kontext: Verbotsfolgen bei KPD und SRP Als in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts in der noch jungen Bundesrepublik mit der SRP und der KPD erstmals – und bisher auch letztmals – Parteien durch das Bundesverfassungsgericht verboten wurden, betrat das Gericht juristisches Neuland. 4 Insbesondere musste es die Herausforderungen eines solchen Verfahrens auf der Grundlage der wenig spezifischen Bestimmungen des Art. 21 GG sowie der allgemeinen Regeln des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes bewältigen, ohne auf konkrete gesetzgeberische Wertungen zurückgreifen zu können, wie 4 Zu Parteiverboten in der Weimarer Republik vgl. Gusy, in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Parteiverbotsverfahren, 3. Aufl. 2010, S. 15 ff.; Stein, Parteiverbote in der Weimarer Republik, S. 51 ff. 37
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Aufsätze Heike Merten – Neue Impulse im europäischen Parteienrecht MIP 2013 19. Jhrg.<br />
Kritisch anzumerken ist an dieser Stelle, dass die<br />
mit der Sanktionierung der öffentlichen Parteienfinanzierung<br />
betraute Stelle das Europäische<br />
Parlament selbst ist. Im Hinblick darauf, dass sowohl<br />
die Entscheidung über die Verhängung einer<br />
Sanktion als auch deren Höhe und Ausmaß<br />
ins Ermessen gestellt ist, stellt sich hier die Frage,<br />
ob diese Entscheidungen nicht einer politikferneren<br />
Institution überlassen werden sollten.<br />
Aus Art. 24 Abs. 1 (g) Parteienverordnungsentwurf<br />
2012 könnte gefolgert werden, dass ein<br />
Ausschuss unabhängiger Persönlichkeiten wie<br />
ihn Art. 7 Abs. 2 vorsieht, auch über Sanktionsentscheidungen<br />
befindet. Dies bleibt allerdings<br />
im Unklaren.<br />
Die Schlussbestimmungen widmen sich der<br />
Transparenz. Das Register veröffentlicht gemäß<br />
Art. 24 Parteienverordnungsentwurf 2012 umfänglich<br />
alle eingereichten Unterlagen der Europarteien,<br />
auch derjenigen Parteien die nicht aufgenommen<br />
wurden. Dies sind u.a. jährlich eine<br />
Übersicht über die aus dem Haushalt zugewendeten<br />
Beträge, die Jahresabschlüsse und die externen<br />
Prüfungsberichte, Spenden- und Beitragsverzeichnis<br />
der Parteien ab jeweils einer Höhe<br />
von 1.000 € sowie Beschlüsse und Gründe bezüglich<br />
verhängter Sanktionen.<br />
verknüpft mit den Voraussetzungen unter denen<br />
die Europarteien agieren.<br />
Ein wesentlicher Punkt dabei ist die Parteienverordnung<br />
und das den Europarteien zur Verfügung<br />
stehende Budget. Um politisch wirksam<br />
agieren zu können, benötigen auch die Europarteien<br />
Strukturen, Handlungsfelder und nicht zuletzt<br />
Geld.<br />
Die derzeit gültige Parteienverordnung, die weitgehend<br />
eine Parteienfinanzierungsverordnung ist,<br />
hat die Grundlage für eine öffentliche Finanzierung<br />
der Europarteien gelegt und damit einen<br />
wesentlichen Entwicklungsschritt gemacht. Ein<br />
weiterer, deutlich größerer Schritt wird mit dem<br />
Verordnungsentwurf 2012 gemacht. Die seit langem<br />
in Wissenschaft und Praxis erhobenen Forderungen<br />
nach einem echten Parteienstatut, werden<br />
damit weitgehend befriedigt. Mit der Schaffung<br />
einer unionsweiten Rechtspersönlichkeit<br />
und der Etablierung von innerparteilicher Demokratie<br />
der Europarteien, wenn wie dargelegt auch<br />
noch nicht in Vollkommenheit, wird ein weiterer<br />
wesentlicher Schritt zur Entwicklung eines europäischen<br />
Parteiensystems getan.<br />
9. Rechtsschutz<br />
Das Europäische Parlament sieht ein administratives<br />
Rechtsbehelfsverfahren im Zusammenhang<br />
mit der Verordnung vor. Vor dem Gerichtshof<br />
der Europäischen Union kann gegen gefasste Beschlüsse<br />
vorgegangen werden (Art. 26 Parteienverordnungsentwurf<br />
2012).<br />
III. Resümee<br />
Trotz der Weiterentwicklung der Europarteien in<br />
den letzten Jahren und der zunehmenden Bedeutung<br />
von europäischen Themen bei den Parlamentswahlen,<br />
sind sie noch immer nicht in der<br />
Lage, die ihnen in einer echten europäischen supranationalen<br />
Demokratie zukommenden Aufgaben<br />
als Transmissionsriemen zwischen Bürgern<br />
und den europäischen Institutionen vollumfänglich<br />
zu übernehmen. Dieses Dilemma ist eng<br />
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