Linksliberale Enterhaken - PRuF

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03.11.2013 Aufrufe

Aufsätze Heike Merten – Neue Impulse im europäischen Parteienrecht MIP 2013 19. Jhrg. Neue Impulse im europäischen Parteienrecht Dr. Heike Merten 1 I. Einführung Das europäische Parteienrecht steht vor einer weiteren Novellierung des Sekundärrechts. Seit 2004 bildet die Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung 2 das wesentliche sekundärrechtliche Normengefüge für das Parteienfinanzierungsrecht der Europäischen Union 3 . Diese Verordnung wurde Ende 2007, mit dem Ziel die materielle Situation der europäischen politischen Parteien zu verbessern, überarbeitet 4 . Neben einigen Änderungen bei der Finanzierung der europäischen politischen Parteien wurde die Förderung politischer Stiftungen auf europäischer Ebene mit in die Verordnung aufgenommen 5 . In Art. 12 schreibt die Verordnung einen Evaluationsbericht des Europäischen Parlamentes bis zum 15. Februar 2011 vor. Der Ausschuss für konstitutionelle Fragen erarbeitete diesen Bericht über die Anwendung der Parteienverordnung, den das Europäische Parlament im April 2011 dann angenommen hat 6 . 1 Die Verfasserin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Geschäftsführerin des PRuF. 2 ABl. EU Nr. L 297 vom 15.11 2003, S. 1 ff. 3 Siehe Hans Herbert von Arnim, Die neue EU-Parteienfinanzierungsverordnung, NJW 2005, 247 ff. 4 Verordnung (EG) Nr. 1524/2007 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 18.12.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung, ABl. EU Nr. L 343 vom 27.12.2007, S. 5 ff. 5 Dazu Foroud Shirvani, Neuere Entwicklungen im europäischen Parteienfinanzierungsrecht, EuZW 2008, 364 ff. 6 A7-0062/2011 Bericht über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 über die Regelungen für politische Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung (2010/2201 (INI)), Berichterstatterin: Marietta Giannakou. Darin wird ein erheblicher Reformbedarf geltend gemacht. Die Reformvorschläge, beziehen sich im Wesentlichen auf folgende Punkte: • Mitglieder von Regionalparlamenten oder -versammlungen werden nur berücksichtigt, wenn diese Gesetzgebungsbefugnisse besitzen; • die Mittelzahlung als „Finanzhilfen“ i.S.d. Haushaltsordnung ist für Parteien nicht angemessen; verlangt wird die Aufnahme eines auf die Parteien zugeschnittenen Titels in der Haushaltsordnung; • die Erhöhung der derzeitigen Spendenobergrenze von 12.000 € auf 25.000 € pro Jahr und Spender, wobei der Spender bei Eingang der Spende bekanntgegeben werden soll; • Abschaffung der Vorlagepflicht „jährlicher Arbeitsprogramme“ als Bedingung für die Finanzierung; • Absenkung der Eigenmittel von 15 Prozent auf 10 Prozent; • Sanktionsregelungen sollen eingeführt werden; • Europarteien sollen „Kampagnen für Referenden“, die direkt mit Fragen der Europäischen Union in Zusammenhang stehen, finanzieren können; • direkte Mitgliedschaft und damit auch die direkte Beteiligung in Europarteien soll ermöglicht werden. Die Kommission wurde aufgefordert, gem. Art. 225 AEUV einen Entwurf für ein neues Parteienstatut vorzuschlagen. Dieser Aufforderung ist die Kommission am 12. September 2012 mit einem umfassenden Vorschlag für eine neue Parteienverordnung nachgekommen 7 . Übergeordnetes Ziel des Entwurfes ist „eine erhöhte Sichtbarkeit und verstärkte Anerkennung, Effizienz, Transparenz und Rechenschaftspflicht europäischer politischer Parteien und Stiftungen“ 8 . Der von der Kommission vorgelegte Verordnungsentwurf stellt 20 Jahre nach Einfügung der ersten Norm zu europäischen politischen Parteien einen Meilenstein in der Entwicklung eines 7 KOM (2012) 499 final. 8 KOM (2012) 499 final, S. 6. 30

MIP 2013 19. Jhrg. Heike Merten – Neue Impulse im europäischen Parteienrecht Aufsätze europäischen Parteienrechts dar. Die Verordnung beschränkt sich nunmehr nicht lediglich darauf, die Normierung der Parteienfinanzierung zu leisten. Mit dem Vorschlag wird vielmehr ein europäisches Parteienstatut vorgelegt, das seinen Namen auch tatsächlich verdient. II. Eckpunkte des Verordnungsentwurfs 2012 Mit dem Verordnungsentwurf 2012 wird für die Europarteien und für ihre jeweiligen politischen Stiftungen erstmals die Möglichkeit der Erlangung eines Rechtsstatus auf der Grundlage des EU-Rechts eingeführt. Diese neue europäische Rechtsform soll die Rechtsnachfolge aller bisher bestehenden nationalen Rechtspersönlichkeiten antreten und den Europarteien die dringend benötigte Anerkennung verschaffen. 1. Rechtsstatus Voraussetzung für die Erlangung eines europäischen Rechtsstatus ist die Erfüllung von festgeschriebenen Standards in Bezug auf die interne Organisation, Rechenschaftspflicht, Transparenz und die strikte Einhaltung der Grundwerte der Europäischen Union. Im Einzelnen muss eine Partei gemäß Art. 6 des Parteienverordnungsentwurfs 2012 zunächst einen Antrag auf Eintragung beim Europäischen Parlament in das dort geführte Register stellen. Eine politische Stiftung kann einen Antrag auf Eintragung ausschließlich über die Partei stellen, der sie „angeschlossen“ ist. Dem Antrag sind die Unterlagen beizufügen, die eine Erfüllung der Eintragungsvoraussetzungen gemäß Art. 3 Parteienverordnungsentwurf 2012 belegen, sowie die Satzung. Die Eintragungsvoraussetzungen des Art. 3 Parteienverordnungsentwurf 2012 umfassen, anders als bisher, nur noch einen Sitz in einem Mitgliedsstaat, nicht mehr eine nationalstaatliche Rechtspersönlichkeit; ferner dürfen keine Gewinnzwecke verfolgt werden. Beibehalten wurde zum einen die objektive Zugangshürde der sog. Sieben-Staaten-Klausel, angesichts der derzeit 27 Mitgliedstaaten. An der sog. Sieben-Staaten-Klausel wird auch bisher deutliche Kritik geübt, weil sie kleinen Parteien, die durch einen auch hohen Anteil in drei oder vier Staaten im nationalen Parlament oder aber auch im Europäischen Parlament vertreten sind und dort ein transnationales Konzept vertreten, aus der Definition und damit nach der derzeit geltenden Verordnung auch aus der Finanzierung ausschließt 9 . Dies stellt eine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbes dar. Der Zutritt zur politischen Konkurrenz für europäische politische Parteien wird damit sehr erschwert, wenn nicht gar faktisch unmöglich gemacht. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass die Vertretung einer Partei in einem nationalen Parlament unter unterschiedlich hohen Zugangsvoraussetzungen steht. Dies gilt, da die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes ja nach nationalem Recht gewählt werden, auch für die Zugangsklauseln zum Europäischen Parlament. So ist die deutsche 5 Prozent Klausel für die Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahre 2012 für verfassungswidrig erklärt worden. Die Verfassungsgerichtsentscheidung hat eindrücklich gezeigt, dass die nationalen Wahlvorschriften bei Wahlen zum Europäischen Parlament zu gewissen Verzerrungen führen 10 . Beibehalten wurde zum anderen das Kriterium der EU-Verfassungstreue und die Bedingung der Wahlteilnahme oder zumindest eine entsprechende Willensbekundung 11 . 9 Dazu etwa Hans Herbert von Arnim, Die neue EU-Parteienfinanzierung, NJW 2005, 247 (251); Peter Michael Huber, in: Rudolf Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV-Kommentar, 2. Aufl. 2012, Art. 224, Rz. 19; Harald Eberhard/ Konrad Lachmayer, Europäische politische Parteien und deren Finanzierung als Aspekt des europäischen Demokratisierungsprozesses, in: Gerrit Manssen (Hrsg.), Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa: Bestandsaufnahme und europäische Perspektive, 2008, S. 215 (242); a.A. Hans Hugo Klein, in: Theodor Maunz/ Günter Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Band 2, 64. Lfg. Jan 2012, Art. 21 Rz. 59, der die Bedenken nicht teilt: Art. 224 AEUV räume dem europäischen Gesetzgeber einen weit bemessenen Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung der Voraussetzungen für eine Finanzierung der Parteien aus Haushaltsmitteln ein. Dabei sei es nicht sachfremd nur solche Parteien zu berücksichtigen, die einen gewissen Repräsentationsgrad aufwiesen. 10 BVerfGE 129, 300-355. 11 Siehe zur Kritik Heike Merten, Die Finanzierung der Europarteien, in: Thomas Poguntke/Martin Morlok/ Heike Merten (Hrsg.), Auf dem Wege zu einer europäischen Parteiendemokratie?, 2013, m.w.N. 31

MIP 2013 19. Jhrg. Heike Merten – Neue Impulse im europäischen Parteienrecht Aufsätze<br />

europäischen Parteienrechts dar. Die Verordnung<br />

beschränkt sich nunmehr nicht lediglich<br />

darauf, die Normierung der Parteienfinanzierung<br />

zu leisten. Mit dem Vorschlag wird vielmehr ein<br />

europäisches Parteienstatut vorgelegt, das seinen<br />

Namen auch tatsächlich verdient.<br />

II. Eckpunkte des Verordnungsentwurfs 2012<br />

Mit dem Verordnungsentwurf 2012 wird für die<br />

Europarteien und für ihre jeweiligen politischen<br />

Stiftungen erstmals die Möglichkeit der Erlangung<br />

eines Rechtsstatus auf der Grundlage des<br />

EU-Rechts eingeführt. Diese neue europäische<br />

Rechtsform soll die Rechtsnachfolge aller bisher<br />

bestehenden nationalen Rechtspersönlichkeiten<br />

antreten und den Europarteien die dringend benötigte<br />

Anerkennung verschaffen.<br />

1. Rechtsstatus<br />

Voraussetzung für die Erlangung eines europäischen<br />

Rechtsstatus ist die Erfüllung von festgeschriebenen<br />

Standards in Bezug auf die interne<br />

Organisation, Rechenschaftspflicht, Transparenz<br />

und die strikte Einhaltung der Grundwerte der<br />

Europäischen Union. Im Einzelnen muss eine<br />

Partei gemäß Art. 6 des Parteienverordnungsentwurfs<br />

2012 zunächst einen Antrag auf Eintragung<br />

beim Europäischen Parlament in das dort<br />

geführte Register stellen. Eine politische Stiftung<br />

kann einen Antrag auf Eintragung ausschließlich<br />

über die Partei stellen, der sie „angeschlossen“<br />

ist. Dem Antrag sind die Unterlagen<br />

beizufügen, die eine Erfüllung der Eintragungsvoraussetzungen<br />

gemäß Art. 3 Parteienverordnungsentwurf<br />

2012 belegen, sowie die Satzung.<br />

Die Eintragungsvoraussetzungen des Art. 3 Parteienverordnungsentwurf<br />

2012 umfassen, anders<br />

als bisher, nur noch einen Sitz in einem Mitgliedsstaat,<br />

nicht mehr eine nationalstaatliche<br />

Rechtspersönlichkeit; ferner dürfen keine Gewinnzwecke<br />

verfolgt werden. Beibehalten wurde<br />

zum einen die objektive Zugangshürde der sog.<br />

Sieben-Staaten-Klausel, angesichts der derzeit<br />

27 Mitgliedstaaten.<br />

An der sog. Sieben-Staaten-Klausel wird auch<br />

bisher deutliche Kritik geübt, weil sie kleinen<br />

Parteien, die durch einen auch hohen Anteil in<br />

drei oder vier Staaten im nationalen Parlament<br />

oder aber auch im Europäischen Parlament vertreten<br />

sind und dort ein transnationales Konzept<br />

vertreten, aus der Definition und damit nach der<br />

derzeit geltenden Verordnung auch aus der Finanzierung<br />

ausschließt 9 . Dies stellt eine erhebliche<br />

Beeinträchtigung des Wettbewerbes dar. Der<br />

Zutritt zur politischen Konkurrenz für europäische<br />

politische Parteien wird damit sehr erschwert,<br />

wenn nicht gar faktisch unmöglich gemacht.<br />

In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen,<br />

dass die Vertretung einer Partei in einem<br />

nationalen Parlament unter unterschiedlich hohen<br />

Zugangsvoraussetzungen steht. Dies gilt, da<br />

die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes<br />

ja nach nationalem Recht gewählt werden, auch<br />

für die Zugangsklauseln zum Europäischen Parlament.<br />

So ist die deutsche 5 Prozent Klausel für<br />

die Wahlen zum Europäischen Parlament im<br />

Jahre 2012 für verfassungswidrig erklärt worden.<br />

Die Verfassungsgerichtsentscheidung hat eindrücklich<br />

gezeigt, dass die nationalen Wahlvorschriften<br />

bei Wahlen zum Europäischen Parlament<br />

zu gewissen Verzerrungen führen 10 .<br />

Beibehalten wurde zum anderen das Kriterium<br />

der EU-Verfassungstreue und die Bedingung der<br />

Wahlteilnahme oder zumindest eine entsprechende<br />

Willensbekundung 11 .<br />

9<br />

Dazu etwa Hans Herbert von Arnim, Die neue EU-Parteienfinanzierung,<br />

NJW 2005, 247 (251); Peter Michael<br />

Huber, in: Rudolf Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV-Kommentar,<br />

2. Aufl. 2012, Art. 224, Rz. 19; Harald Eberhard/<br />

Konrad Lachmayer, Europäische politische Parteien und<br />

deren Finanzierung als Aspekt des europäischen Demokratisierungsprozesses,<br />

in: Gerrit Manssen (Hrsg.),<br />

Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa:<br />

Bestandsaufnahme und europäische Perspektive, 2008,<br />

S. 215 (242); a.A. Hans Hugo Klein, in: Theodor Maunz/<br />

Günter Dürig (Hrsg.), GG-Kommentar, Band 2, 64. Lfg.<br />

Jan 2012, Art. 21 Rz. 59, der die Bedenken nicht teilt:<br />

Art. 224 AEUV räume dem europäischen Gesetzgeber<br />

einen weit bemessenen Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung<br />

der Voraussetzungen für eine Finanzierung der<br />

Parteien aus Haushaltsmitteln ein. Dabei sei es nicht<br />

sachfremd nur solche Parteien zu berücksichtigen, die<br />

einen gewissen Repräsentationsgrad aufwiesen.<br />

10<br />

BVerfGE 129, 300-355.<br />

11<br />

Siehe zur Kritik Heike Merten, Die Finanzierung der<br />

Europarteien, in: Thomas Poguntke/Martin Morlok/<br />

Heike Merten (Hrsg.), Auf dem Wege zu einer europäischen<br />

Parteiendemokratie?, 2013, m.w.N.<br />

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