Linksliberale Enterhaken - PRuF
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Aufsätze Axel Schwarz – Die Parteien, das Gemeinwohl und der oberste Wert MIP 2013 19. Jhrg.<br />
1. Marktfreiheit als Gemeinwohl<br />
Neoliberale Autoren argumentieren gerne damit,<br />
dass die Marktfreiheit identisch mit dem Gemeinwohl<br />
sei. Was für den (globalisierten)<br />
Markt gut sei, sei auch gut für alle Menschen.<br />
Ein extremes Beispiel dafür mag die Position<br />
des Ökonomen und Sozialwissenschaftlers Philipp<br />
Herder-Dorneich sein, der noch 2008 die<br />
von ihm selbst so genannte neoliberale Grundgleichung<br />
aufgestellt und drucktechnisch hervorgehoben<br />
hat, wonach der Markt rational agiere<br />
und mit Vernunft gleichzusetzen sei. 23 Nicht erst<br />
die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
hat diese Theorie ad absurdum geführt. Sie setzt<br />
– freilich ohne dies zu benennen – auf Gewaltkonkurrenz<br />
und Verdrängungswettbewerb. Udo<br />
Reifner 24 sieht in ihr die Ideologie des bellum<br />
omnium contra omnes. 25 Es ist außerdem ganz<br />
offensichtlich, dass der freie Welthandel ganze<br />
Völker verarmen lässt. 26 Und das hat sicher nicht<br />
das Geringste mit Gemeinwohl zu tun.<br />
23<br />
Philipp Herder-Dorneich, Globales Denken. Die Produktion<br />
von Rationalität und von Sinn im Zeitalter der<br />
Globalisierung, Berlin 2008, S. 206.<br />
24<br />
Verbraucherschutz und Neo Liberalismus. DCFR, EU-<br />
Verbraucherrichtlinien und die Kritik Stürners, VuR<br />
1/2009, S. 6, http://www.vur.nomos.de/fileadmin/vur/<br />
doc/VuR_09_01.pdf, abgerufen am 24.12.2012.<br />
25<br />
Beeindruckend Michel Reimon/Christian Felber, Schwarzbuch<br />
Privatisierung. Was opfern wir dem freien Markt?,<br />
Wien 2003. Die Rezension zu Reimon/Felber von Chris<br />
Haderer unter dem Titel „Das GATS-Abkommen sieht<br />
die Liberalisierung sensibler Märkte vor. Ein neues Buch<br />
zeigt auf, wo die Gefahren dieser neuen Marktwirtschaft<br />
liegen“ ist online verfügbar unter http://ecolog.twoday.net/stories/70195,<br />
abgerufen am 24.12.2012.<br />
26<br />
Das behandeln die Zeitschriften „juridikum 4/2010“,<br />
online verfügbar unter http://www.juridikum.at/archiv/<br />
juridikum-42010/ (abgerufen am 24.12.2012), und<br />
„Kritische Justiz 4/2010“, online verfügbar unter<br />
http://www.kj.nomos.de/archiv/2010-43/heft-4-372-496/<br />
(abgerufen am 24.12.2012), in dem gemeinsamen<br />
Schwerpunktthema „Postneoliberale Rechtsordnung? –<br />
Suchprozesse in der Krise.“ Die Einleitung dazu von<br />
Sonja Buckel/Andreas Fischer-Lescano/Lukas Oberndorfer<br />
ist online verfügbar unter http://www.kj.nomos.<br />
de/fileadmin/kj/doc/Aufsatz_KJ_10_04.pdf, abgerufen<br />
am 24.12.2012.<br />
2. Verschiebung der Macht<br />
Als tragfähiger erweisen sich die Analysen, die<br />
den nationalen Souveränitätsverlust 27 und damit<br />
einhergehend eine „schleichende Kodifizierung“<br />
in einer internationalen Schiedsgerichtsbarkeit<br />
konstatieren. 28 Die Machtverhältnisse haben sich<br />
verschoben und driften weiter ab in demokratisch<br />
allenfalls schwach legitimierte und kaum<br />
beherrschbare Bereiche. Früher war (Oliver Lepsius<br />
zufolge) die Gestaltung des Wirtschaftslebens in<br />
der Bundesrepublik Deutschland mindestens<br />
fünf großen Kräften anvertraut, nämlich (1) dem<br />
Gesetzgeber, (2) den Tarif- und Sozialpartnern,<br />
(3) einer „sachbereichsspezifischen Expertokratie“<br />
(Geldpolitik), (4) den Körperschaften der<br />
funktionalen Selbstverwaltung (Handwerk, freie<br />
Berufe) und auch (5) supranationalen Organisationen.<br />
29 Heute kann sich kaum einer dieser Akteure<br />
der „dominierenden zivilen Weltmacht“<br />
entziehen, einer Finanzoligarchie, hinter der sich<br />
Investmentbanken, Hedgefonds, Schattenbanken,<br />
Ratingagenturen und weitere Akteure verbergen.<br />
30 Hintergrundstudien wie diejenige von<br />
Vitali, Glattfelder und Battiston 31 belegen mit<br />
Zahlen, wie die mächtigsten Konzerne nationale<br />
Politiker und Regierungen ganzer Staaten be-<br />
27<br />
Z.B. bei Samuel Salzborn (Hrsg.), Staat und Nation.<br />
Die Theorien der Nationalismusforschung in der Diskussion,<br />
Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2011, Band 13<br />
der Reihe Staatsdiskurse.<br />
28<br />
Wie sie z.B. in Angriff genommen wurden von Thomas<br />
Vesting/Stefan Korioth (Hrsg.), Der Eigenwert des<br />
Verfassungsrechts. Was bleibt von der Verfassung<br />
nach der Globalisierung?, Berlin 2011.<br />
29<br />
So Oliver Lepsius, Der Eigenwert der Verfassung im<br />
Wirtschaftsrecht, in Vesting /Korioth, a.a.O. (Fn. 28)<br />
S. 149-186, S. 150.<br />
30<br />
Zu diesem Ergebnis kommt der Insider Max Otte,<br />
Stoppt das Euro-Desaster!, 2. Aufl. Berlin, 2011.<br />
31<br />
Stefania Vitali/James B. Glattfelder/Stefano Battiston,<br />
The network of global corporate control, 2011, online<br />
verfügbar unter http://arxiv.org/PS_cache/arxiv/pdf/1107/<br />
1107.5728v2.pdf (abgerufen am 24.12.2012): “Reality<br />
is so complex, we must move away from dogma,<br />
whether it's conspiracy theories or free-market”, so<br />
James Glattfelder. “Our analysis is reality-based.”, zit.<br />
nach Andy Coghlan/Debora MacKenzie, Revealed –<br />
the capitalist network that runs the world, 24. Oktober<br />
2011, in: New Scientist, http://www.newscientist.com/<br />
article/mg21228354.500-revealed--the-capitalist-network,<br />
abgerufen am 25.12.2012 .<br />
28