Linksliberale Enterhaken - PRuF
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Rezensionen MIP 2013 19. Jhrg. Politik- und Kommunikationsforschung spezialisierten Instituts gfs.bern, berichtet unter dem Titel „Prognosen, Trends und Bestandesaufnahmen vor Wahlen“, was es für eine gute Prognose braucht. Longchamp ist das Urgestein der Wahlund Abstimmungsprognosen und den Zuschauerinnen und Zuschauern des öffentlich-rechtlichen Fernsehens bestens bekannt. Schweizspezifisch sind seiner Meinung nach zwei Probleme: Die Auslandschweizerinnen und -schweizer können nicht befragt werden. Wegen des Panaschierens, das es den Wählenden erlaubt, die Namen von Kandidierenden auf ihrer Parteiliste zu streichen und durch Kandidatinnen und Kandidaten anderer Parteien zu ersetzen, sind die Werte für die Parteistärken schwierig zu ermitteln. Die eigentliche Problematik der Umfragen in der Schweiz erschließt sich dem Leser und der Leserin jedoch erst im nachfolgenden Beitrag „Wetterleuchten der Demoskopie“ von Martin Senti. Als Redaktor der „Neuen Zürcher Zeitung“ und Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Bern ist Senti dazu prädestiniert, das problematische Verhältnis von den durch private Umfrageinstitute bereitgestellten Daten und ihrer Verbreitung durch die Medien auszuleuchten, treffend charakterisiert mit den beiden Stichwörtern Relevanz und Resonanz. Der „Verband Schweizer Markt- und Sozialforschung“ (VSMS) hat eine „Richtlinie zur Durchführung von abstimmungs- und wahlbezogenen Umfragen, die zur Veröffentlichung vor dem Urnengang bestimmt sind“ erarbeitet. 19 Trotz der Selbstregulierung herrscht jedoch nicht volle Transparenz über die Daten und Erhebungsmethoden. Unprofessionelles Verhalten ortet Senti auch bei den Journalistinnen und Journalisten, die bei der Wiedergabe der Umfrageergebnisse nicht selten gegen Grundprinzipien des Journalismus verstoßen. Klaffen die Umfrageresultate und die Resultate einer Wahl oder Abstimmung eklatant auseinander, kann über die Fehlerquelle nur spekuliert werden. Verdienstvoll ist es deshalb, dass Senti Hinweise auf drei unveröffentlichte Studien zusammenträgt, die das Schweizer Fernsehen in Auftrag gab, nachdem gfs.bern für die Volks- 19 Abrufbar unter: http://www.vsms-asms.ch/uploads/pdfvsms/Anhang_II_Abstimmungen_Wahlen.pdf. abstimmung über die „Minarett-Initiative“ vom November 2009 ein „Nein“ prognostizierte, während der Ja-Stimmen-Anteil bei 57,5% lag. Andreas Ladners Beitrag „Voting Advice Applications werden im Wahlkampf immer wichtiger“ kommt das Verdienst zu, Überlegungen zu den Online-Wahlhilfen – den Voting Advice Applications (VAAs) – zu Papier zu bringen. Bei Konferenzen sind sie ein Thema, und auch die Schweizer Medien weisen regelmäßig auf www.smartvote.ch und ihre jüngere Konkurrentin www.vimentis.ch hin. Gemäß Ladner gehört „smartvote“ zusammen mit den niederländischen Angeboten „Stemwijzer“ respektive „Kieskompas“ und dem deutschen „Wahl-O-Mat“ zu den etabliertesten Plattformen. Anders als der „Wahl-O-Mat“ ermöglicht es „smartvote“ den Anwenderinnen und Anwendern, nicht nur die passende Partei zu ermitteln, sondern auch die Kandidatinnen und Kandidaten mit dem ähnlichsten Profil. Wegen der Möglichkeit, die Parteilisten zu panaschieren, ist dieses Angebot für die Schweizer Wahlen unverzichtbar. Ladner arbeitet in der Folge weitere Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verschiedenen VAAs heraus und geht der Frage nach ihrem Einfluss auf das Wahlverhalten nach. Er vermutet, dass die Einführung des elektronischen Wählens den Online-Wahlhilfen zum großen Durchbruch verhelfen wird und regt an, über eine Verknüpfung nachzudenken, so dass die Nutzerinnen und Nutzer der Wahlhilfen ihren Wahlzettel mit wenigen Klicks ausfüllen und absenden können. Im Moment mag Ladners Frage, wozu es die Parteien noch braucht, wenn die Wählenden ihre bevorzugten Kandidatinnen und Kandidaten mit Hilfe einer Plattform wählen, ketzerisch klingen. Den Parteien sei jedoch geraten, diese Entwicklung aufmerksam zu verfolgen. Medien und Medienkompetenz Jessica Schattschneider richtet mit ihrem Beitrag „eDemocracy und Web 2.0 aus Sicht der Politikdidaktik – zur Bedeutung des Internets für den Politikunterricht“ den Blick auf die Politikdidaktik in Deutschland. Sie untersucht, ob und vor allem in welcher Form das Internet im Politikunterricht genutzt werden kann. Ein erstes Schwergewicht legt sie dabei auf das Internet als Unter- 190
MIP 2013 19. Jhrg. Rezensionen richtsgegenstand, ein zweites auf den Einsatz des Internets im Politikunterricht. Dass das Internet besser geeignet ist für die Förderung der politischen Analyse- und Urteilskompetenz und den Wissenserwerb, ist gemäß den von Schattscheider zusammengetragenen Daten nicht eindeutig bewiesen. Unbestritten ist jedoch, dass das Internet ein Teil des Politikprozesses und der Medienlandschaft ist und die Wahrnehmung von Politik beeinflusst. Deshalb muss es ihrer Meinung nach im Unterricht behandelt werden. Jan-Hinrik Schmidt untersucht unter dem Titel „Persönliche Öffentlichkeit und politische Kommunikation im Social Web“, wie sich politische Kommunikation verändert. Seine Äußerungen an der Schnittstelle von politischer Bildung und Medienkompetenzförderung erfolgen mit dem Ziel, jedem und jeder Einzelnen eine selbstbestimmte Teilhabe an den neuen Medienräumen zu ermöglichen. Dass die Wechselwirkungen zwischen Internet und Politik komplex sind, vermag er eindrücklich zu schildern, ebenso dass über Kompetenzen und Fertigkeiten verfügen muss, wer am Diskurs teilhaben möchte. Politische Kommunikation im Kanton Aargau Mehrere Beiträge des Teils „Direkte Demokratie und politische Kommunikation in der Informationsgesellschaft. Herausforderungen für den Kanton Aargau“ stützen sich auf das Forschungsprojekt mit demselben Namen, das eine Forschungsgruppe des ZDA im Auftrag des Kantons Aargau realisiert hatte. 20 Andrea Töndurys Beitrag „Verfassungsrechtliche Grundlagen der staatlichen Abstimmungskommunikation im Kanton Aaragau“ stützt sich auf einen ausführlichen Aufsatz des Autors. 21 Er untersucht, welche Anforderungen das Gesetz an die Informationstätigkeit der Behörden des Kantons stellt. Nach einer Auslegeordnung über die Vorgaben des Bundesrechts, die Praxis des Bundes- 20 http://www.zdaarau.ch/dokumente/de/Forschungsberichte/ bericht_dd-pol-Kom.pdf. 21 Andrea Töndury, Intervention oder Teilnahme? Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Kommunikation im Vorfeld von Volksabstimmungen, Schweizerischen Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht ZBl 112 (2011), S. 341-374. gerichts zu den Beschwerden wegen Verletzung der Wahl- und Abstimmungsfreiheit und einer Skizze von Interventions- und Diskursmodell beendet Töndury seine Darstellung mit Empfehlungen an den Kanton Aargau, die den verschiedenen Kommunikationsmitteln Rechnung tragen. Frank Esser, Stephanie Schwab Cammarano und Sven Engesser hatten ebenfalls am Bericht des ZDA mitgearbeitet. Ihr Beitrag trägt den Titel „Herausforderungen und Möglichkeiten der Regierungskommunikation im Aargau“. Sie wollen aufzeigen, wie die kantonalen Behörden die Effektivität ihrer Kommunikation zu politischen Themen erhöhen und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Partizipationsmöglichkeiten bieten können. Angeregt wird dabei nicht zuletzt auch eine Imagekampagne, damit sich die Einwohnerinnen und Einwohner stärker mit ihrem weitläufigen Kanton identifizieren können. Auf den Kanton Aargau fokussiert ist auch der politikwissenschaftliche Beitrag von Nico van der Heiden und Regula Hänggli, der ebenfalls auf den Ergebnissen des Berichts des ZDA basiert. Er trägt den Titel „Die Meinungsbildung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger und die Rolle der politischen Kommunikation“ und vergleicht Daten von Urnengängen im Kanton Aargau mit den Daten aus anderen Kantonen. Linards Udris widmet sich in seinem Beitrag „Qualität der Medien – Wo steht der Aargau?“ seinem Thema aus einer kommunikationswissenschaftlichen und öffentlichkeitstheoretischen Perspektive. Während sich der Kanton Aargau bezüglich Strukturwandel (Stichwort Medienkonzentration) nicht von anderen Kantonen unterscheidet, stellt er einen speziellen Fall dar bezüglich der „Koppelung von politischen und medialen Räumen“. Sehr viele Aargauerinnen und Aargauer arbeiten nämlich nicht im eigenen Kanton, sondern in der Region Zürich oder Basel und richten sich auch im Medienkonsum nach ihrem Arbeitsort aus. PD Dr. iur. Patricia M. Schiess Rütimann, Zürich 191
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MIP 2013 19. Jhrg.<br />
Politik- und Kommunikationsforschung spezialisierten<br />
Instituts gfs.bern, berichtet unter dem Titel<br />
„Prognosen, Trends und Bestandesaufnahmen<br />
vor Wahlen“, was es für eine gute Prognose<br />
braucht. Longchamp ist das Urgestein der Wahlund<br />
Abstimmungsprognosen und den Zuschauerinnen<br />
und Zuschauern des öffentlich-rechtlichen<br />
Fernsehens bestens bekannt. Schweizspezifisch<br />
sind seiner Meinung nach zwei Probleme: Die<br />
Auslandschweizerinnen und -schweizer können<br />
nicht befragt werden. Wegen des Panaschierens,<br />
das es den Wählenden erlaubt, die Namen von<br />
Kandidierenden auf ihrer Parteiliste zu streichen<br />
und durch Kandidatinnen und Kandidaten anderer<br />
Parteien zu ersetzen, sind die Werte für die<br />
Parteistärken schwierig zu ermitteln.<br />
Die eigentliche Problematik der Umfragen in der<br />
Schweiz erschließt sich dem Leser und der Leserin<br />
jedoch erst im nachfolgenden Beitrag „Wetterleuchten<br />
der Demoskopie“ von Martin Senti.<br />
Als Redaktor der „Neuen Zürcher Zeitung“ und<br />
Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität<br />
Bern ist Senti dazu prädestiniert, das<br />
problematische Verhältnis von den durch private<br />
Umfrageinstitute bereitgestellten Daten und ihrer<br />
Verbreitung durch die Medien auszuleuchten,<br />
treffend charakterisiert mit den beiden Stichwörtern<br />
Relevanz und Resonanz. Der „Verband<br />
Schweizer Markt- und Sozialforschung“ (VSMS)<br />
hat eine „Richtlinie zur Durchführung von abstimmungs-<br />
und wahlbezogenen Umfragen, die<br />
zur Veröffentlichung vor dem Urnengang bestimmt<br />
sind“ erarbeitet. 19 Trotz der Selbstregulierung<br />
herrscht jedoch nicht volle Transparenz<br />
über die Daten und Erhebungsmethoden. Unprofessionelles<br />
Verhalten ortet Senti auch bei den<br />
Journalistinnen und Journalisten, die bei der<br />
Wiedergabe der Umfrageergebnisse nicht selten<br />
gegen Grundprinzipien des Journalismus verstoßen.<br />
Klaffen die Umfrageresultate und die Resultate<br />
einer Wahl oder Abstimmung eklatant<br />
auseinander, kann über die Fehlerquelle nur spekuliert<br />
werden. Verdienstvoll ist es deshalb, dass<br />
Senti Hinweise auf drei unveröffentlichte Studien<br />
zusammenträgt, die das Schweizer Fernsehen<br />
in Auftrag gab, nachdem gfs.bern für die Volks-<br />
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Abrufbar unter: http://www.vsms-asms.ch/uploads/pdfvsms/Anhang_II_Abstimmungen_Wahlen.pdf.<br />
abstimmung über die „Minarett-Initiative“ vom<br />
November 2009 ein „Nein“ prognostizierte,<br />
während der Ja-Stimmen-Anteil bei 57,5% lag.<br />
Andreas Ladners Beitrag „Voting Advice Applications<br />
werden im Wahlkampf immer wichtiger“<br />
kommt das Verdienst zu, Überlegungen zu den<br />
Online-Wahlhilfen – den Voting Advice Applications<br />
(VAAs) – zu Papier zu bringen. Bei Konferenzen<br />
sind sie ein Thema, und auch die Schweizer<br />
Medien weisen regelmäßig auf www.smartvote.ch<br />
und ihre jüngere Konkurrentin www.vimentis.ch<br />
hin. Gemäß Ladner gehört „smartvote“ zusammen<br />
mit den niederländischen Angeboten „Stemwijzer“<br />
respektive „Kieskompas“ und dem deutschen<br />
„Wahl-O-Mat“ zu den etabliertesten Plattformen.<br />
Anders als der „Wahl-O-Mat“ ermöglicht<br />
es „smartvote“ den Anwenderinnen und Anwendern,<br />
nicht nur die passende Partei zu ermitteln,<br />
sondern auch die Kandidatinnen und Kandidaten<br />
mit dem ähnlichsten Profil. Wegen der Möglichkeit,<br />
die Parteilisten zu panaschieren, ist dieses<br />
Angebot für die Schweizer Wahlen unverzichtbar.<br />
Ladner arbeitet in der Folge weitere Unterschiede<br />
und Gemeinsamkeiten der verschiedenen<br />
VAAs heraus und geht der Frage nach ihrem<br />
Einfluss auf das Wahlverhalten nach. Er vermutet,<br />
dass die Einführung des elektronischen Wählens<br />
den Online-Wahlhilfen zum großen Durchbruch<br />
verhelfen wird und regt an, über eine Verknüpfung<br />
nachzudenken, so dass die Nutzerinnen und<br />
Nutzer der Wahlhilfen ihren Wahlzettel mit wenigen<br />
Klicks ausfüllen und absenden können. Im<br />
Moment mag Ladners Frage, wozu es die Parteien<br />
noch braucht, wenn die Wählenden ihre bevorzugten<br />
Kandidatinnen und Kandidaten mit<br />
Hilfe einer Plattform wählen, ketzerisch klingen.<br />
Den Parteien sei jedoch geraten, diese Entwicklung<br />
aufmerksam zu verfolgen.<br />
Medien und Medienkompetenz<br />
Jessica Schattschneider richtet mit ihrem Beitrag<br />
„eDemocracy und Web 2.0 aus Sicht der Politikdidaktik<br />
– zur Bedeutung des Internets für den<br />
Politikunterricht“ den Blick auf die Politikdidaktik<br />
in Deutschland. Sie untersucht, ob und vor allem<br />
in welcher Form das Internet im Politikunterricht<br />
genutzt werden kann. Ein erstes Schwergewicht<br />
legt sie dabei auf das Internet als Unter-<br />
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