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Linksliberale Enterhaken - PRuF

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MIP 2013 19. Jhrg.<br />

Rezensionen<br />

zu entscheiden. Zum einen stützt sich Kriesi auf<br />

die Auswertung der sog. Vox-Umfragen (das sind<br />

Nachbefragungen) zu 148 Vorlagen, über die zwischen<br />

1981 und 1999 abgestimmt wurde. Zum<br />

anderen zieht Kriesi eine Panel-Umfrage zu den<br />

Kampagnen zur Revision des Asylgesetzes, zur<br />

Volksinitiative der SVP betreffend Verschärfung<br />

der Einbürgerung und zum Referendum gegen<br />

die Unternehmenssteuerreform bei. Die drei Vorlagen<br />

unterschieden sich bezüglich Bekanntheit<br />

und Komplexität. Die Befürworter des neuen<br />

Einbürgerungsverfahrens verfügten über deutlich<br />

mehr Mittel als die Gegner, die Befürworter der<br />

Unternehmenssteuerreform über unverhältnismäßig<br />

mehr Mittel als die Gegenseite. Kriesi kann<br />

nachweisen, dass die Kampagnen in allen drei<br />

Fällen nicht ohne Wirkung blieben, wobei diese<br />

bei den einfachen, bekannten Vorlagen viel größer<br />

war. Grundsätzlich wirkten die Kampagnen verstärkend,<br />

sie führten aber auch zu sog. Konversionen,<br />

vor allem bei der Vorlage zur Unternehmenssteuerreform.<br />

Dies wertet Kriesi als problematisch,<br />

weil sie angesichts der Komplexität<br />

kaum in diesem Maße auf einem authentischen<br />

Entscheid der Betroffenen beruhen konnten. Vielmehr<br />

ist davon auszugehen, dass die sehr einseitige<br />

Kampagne Stimmende dazu verleitete, gegen<br />

ihre politischen Interessen zu stimmen. Dies ist<br />

besonders problematisch, weil die Zustimmung<br />

zur Unternehmenssteuerreform sehr knapp ausfiel<br />

(50,5%) und sich nachträglich herausstellte, dass<br />

die Information der Regierung unvollständig war.<br />

Wie Kriesi damit nachweist, gibt es Konstellationen,<br />

in denen die Gefahr einer manipulativen Wirkung<br />

von Kampagnen besteht.<br />

Dieser Beitrag liest sich mit Gewinn zusammen<br />

mit einem anderen Text von Kriesi mit dem Titel<br />

„Sind Abstimmungsergebnisse käuflich?“ in der<br />

Festschrift für Wolf Linder 16 . In diesem fasst<br />

Kriesi seine Ergebnisse wie folgt zusammen: Es<br />

wäre „ziemlich übertrieben, zu behaupten, […]<br />

dass man Abstimmungserfolge kaufen könne. Es<br />

wäre aber ebenso falsch zu behaupten, […] dass<br />

16<br />

Hanspeter Kriesi, Sind Abstimmungsergebnisse käuflich?,<br />

in: Vatter/Varone/Sager, Demokratie als Leidenschaft.<br />

Planung, Entscheidung und Vollzug in der<br />

schweizerischen Demokratie. Festschrift für Prof. Dr.<br />

Wolf Linder zum 65. Geburtstag, Haupt Verlag<br />

Bern/Stuttgart/Wien 2009, S. 83-106.<br />

Abstimmungskampagnen kaum oder gar keinen<br />

Einfluss auf das Abstimmungsresultat hätten.“<br />

Häufig zitiert wurde im letzten Jahr die vom<br />

Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement<br />

(EJPD) in Auftrag gegebene Studie 17 von Michael<br />

Hermann und Mario Nowak mit dem Titel „Das<br />

politische Profil des Geldes. Wahl- und Abstimmungswerbung<br />

in der Schweiz“. 18 Mit ihren einprägsamen<br />

farbigen Graphiken gewann sie die<br />

Aufmerksamkeit der Medien. Dass die großen<br />

bürgerlichen Parteien bei Wahlen und Abstimmungen<br />

zusammen mit den Wirtschaftsverbänden<br />

über massiv höhere Mittel verfügen als SPS<br />

und Grüne, wissen aufmerksame Zeitgenossinnen<br />

und Zeitgenossen schon lange. Erstmals liegen<br />

nun aber umfangreiche Daten vor. Hermann<br />

und Nowak belegen z.B. (S. 6), dass 69% aller<br />

Werbeausgaben für die 10 teuersten Abstimmungskampagnen<br />

ausgegeben wurden, während<br />

die 10 billigsten Kampagnen insgesamt nur 2,5%<br />

der Ausgaben auf sich vereinten. Viel ausgegeben<br />

wurde jeweils für die Propaganda zu Vorlagen<br />

zur Außen- und Finanzpolitik. Ein großer<br />

Teil der Summen stammte von den Wirtschaftsverbänden<br />

(S. 7 f.). „Bei fünf von sechs Abstimmungen<br />

konnte das eine Lager mehr als doppelt<br />

so viele Werbemittel einsetzen wie das andere.<br />

Bei zwei von drei Abstimmungen übertraf das<br />

Ungleichverhältnis gar den Faktor 4 zu 1.“<br />

(S. 10). Eklatant war auch die Verteilung der<br />

Gelder auf das politische Spektrum. Hermann<br />

und Nowak fassten es in den Satz (S. 11): „Das<br />

Geld liegt rechts der Mitte.“ Obwohl die Autoren<br />

den Einfluss der finanziellen Mittel auf die<br />

Wahl- und Abstimmungserfolge relativieren<br />

(S. 21), so wird doch augenfällig, dass in der<br />

Schweiz nicht die politischen Parteien das letzte<br />

Wort haben, sondern dass es darauf ankommt,<br />

ob sich in einem Abstimmungskampf finanzmächtige<br />

Wirtschaftsverbände engagieren.<br />

Demoskopie und Voting Advice Applications<br />

Claude Longchamp, Verwaltungsratspräsident<br />

und Vorsitzender der Geschäftsleitung des auf<br />

17<br />

Siehe die Pressemitteilung des EJPD: http://www.ejpd.<br />

admin.ch/ejpd/de/home/dokumentation/mi/2012/2012-<br />

02-21.html.<br />

18<br />

http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/pressemit<br />

teilung/2012/2012-02-21/ber-wahlfinanzierung-d.pdf.<br />

189

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