Linksliberale Enterhaken - PRuF
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MIP 2013 19. Jhrg.<br />
Rezensionen<br />
Aline Schniewind: Die Parteiensysteme der<br />
Bundesländer im Vergleich. Bestandsaufnahme<br />
und Entwicklungen, LIT Verlag, Berlin &<br />
Münster 2012, 411 S., ISBN 978-3-643-11827-1,<br />
44,90 €.<br />
Lange ein Stiefkind der Forschung, sind vergleichende<br />
Studien zu den deutschen Bundesländern<br />
in den vergangenen Jahren häufiger geworden.<br />
Die Doktorarbeit Aline Schniewinds entstand im<br />
Rahmen eines in Konstanz angesiedelten DFG-<br />
Projektes zu den Demokratien in den deutschen<br />
Bundesländern. Unter der Leitung von Markus<br />
Freitag und Adrian Vatter entstand dort in Anlehnung<br />
an Lijpharts Patterns of Democracy ein<br />
Pendant auf deutscher Bundesländerebene. Ein<br />
Teil der Erkenntnisse Schniewinds findet sich<br />
entsprechend schon in der 2008er Publikation zu<br />
den Demokratien der deutschen Bundesländer 9 ,<br />
in der Schniewind das Kapitel zu den Parteien<br />
und den Regierungen beitrug. Entsprechend gespannt<br />
durfte man sein, wie die Weiterentwicklung<br />
zur Doktorarbeit aussehen würde. Immerhin<br />
liefert der Bundesländervergleich im Rahmen eines<br />
Ansatzes des Vergleichs ähnlichster Systeme<br />
die Möglichkeit, Differenzen im Ergebnis auf<br />
Ursachen in den Rahmenbedingungen zurückzuführen.<br />
Ungeachtet vieler spannender Befunde<br />
wird das Potential dieses Vergleichs in der vorliegenden<br />
Dissertation nicht vollkommen ausgeschöpft.<br />
Die Leitfrage des Bandes ist erklärtermaßen<br />
explorativ: „Inwiefern unterscheiden sich<br />
die Parteiensysteme der deutschen Bundesländer<br />
und worin liegen diese Unterschiede begründet?“<br />
(S. 2; kursiv im Original). Der Aufbau<br />
der Dissertation ist klar strukturiert: Nach einer<br />
knappen Einführung in den Gegenstand folgt ein<br />
Überblickskapitel zu den drei zentralen Merkmalen,<br />
auf die sich Schniewind in ihrer Arbeit konzentriert:<br />
Fragmentierung, Polarisierung, Volatilität.<br />
Anschließend werden die Befunde zu diesen<br />
drei zentralen Indikatoren in jeweils eigenständigen<br />
Kapiteln diskutiert. Der Aufbau ist dabei<br />
innerhalb der Kapitel deckungsgleich: Erst<br />
9<br />
Markus Freitag und Adrian Vatter (Hrsg.) (2008): Die<br />
Demokratien der deutschen Bundesländer. Mit einem<br />
Vorwort von Arend Lijphart. Verlag Barbara Budrich,<br />
Opladen; Arend Lijphart (1999): Patterns of Democracy.<br />
Government Forms and Performance in Thirty-Six<br />
Countries. Yale University Press, New Haven.<br />
erfolgt eine Bestandsaufnahme sowie eine ausführliche<br />
Deskription der Empirie, an die sich<br />
Hypothesen und Tests mittels Paneldatenanalysen<br />
anfügen und deren Ergebnisse im Rahmen<br />
der internationalen Forschung eingeordnet werden.<br />
An diese Einzelbehandlung der Indikatoren<br />
schließt sich ein Kapitel zur Typologie der Landesparteiensysteme<br />
an. Die Dissertationsschrift<br />
endet mit einer kurzen Zusammenfassung und<br />
Diskussion der Befunde in den Einzelkapiteln.<br />
Jenseits der Typenbildung erfolgt keine parallele<br />
Analyse der Fragmentierung, Polarisierung und<br />
Volatilität. Ebensowenig findet man eine tiefergehende<br />
Analyse der kausalen Muster abweichender<br />
Einzelfälle in den Unterkapiteln zu den<br />
Wettbewerbsindikatoren. Dies wäre aber aus<br />
Sicht des Rezensenten wünschenswert gewesen,<br />
da es das diskursive Gewicht der Arbeit deutlich<br />
gestärkt hätte. So gibt es im Kapitel zur Fragmentierung<br />
den durchaus aufregenden Befund,<br />
dass personalisierte Verhältniswahlsysteme mit<br />
einer höheren effektiven Parteienanzahl einhergehen<br />
als reine Verhältniswahlsysteme (S. 94 &<br />
99). Nur sind innerhalb der deutschen Bundesländer<br />
die Fälle mit reiner Verhältniswahl, Hamburg,<br />
Bremen und das Saarland, identisch mit<br />
kleinen, westdeutschen Bundesländern. Ungeklärt<br />
bleibt entsprechend, ob der empirische Befund<br />
dem Wahlsystem oder der Kleinheit des<br />
Bundeslandes entspringt. Im Kapitel zur Polarisierung<br />
kommt Schniewind zur Schlussfolgerung,<br />
dass mit religiöser Heterogenität erstaunlicherweise<br />
die gesellschaftliche Polarisierung abnehmen<br />
würde (S. 177 & 184). Allerdings liegt<br />
der Untersuchung des Einflusses der religiös<br />
motivierten Konflikte auf die ideologische Polarisierung<br />
eine unplausible Operationalisierung<br />
zu Grunde: Schniewind nimmt die Höhe des Katholikenanteils<br />
als Indikator. Aber warum sollte<br />
ein Bundesland mit (theoretisch) 100% Katholiken<br />
ideologisch polarisierter sein als ein Bundesland,<br />
indem zu 50% Katholiken und zu 50%<br />
Protestanten oder alternativ 30% Katholiken,<br />
30% Protestanten, 30% Atheisten und 10% Muslime<br />
wählen und wohnen? Ein Indikator für die<br />
religiöse Heterogenität wäre hier das den theoretischen<br />
Aussagen angemessenere Maß gewesen.<br />
Für die Volatilität, also für den aggregierten Anteil<br />
der Wähler, die zwischen Parteien oder Par-<br />
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