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Linksliberale Enterhaken - PRuF

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Rezensionen<br />

MIP 2013 19. Jhrg.<br />

Für den Fall, dass Offenlegungsvorschriften der<br />

herkömmlichen Lehre folgend als Grundrechtseingriff<br />

qualifiziert werden (Schaub ist gestützt<br />

auf seine Auslegung von Art. 34 Abs. 2 BV anderer<br />

Meinung), prüft er die Vereinbarkeit mit<br />

der Vereinigungsfreiheit (S. 383-385) und dem<br />

Schutz der Privatsphäre (S. 385-389), aber ohne<br />

näher auf den Gehalt der beiden Grundrechte<br />

einzugehen. Dass eine Offenlegung die Meinungsäußerungsfreiheit<br />

und das Stimmgeheimnis<br />

der Spenderinnen und Spender betreffen<br />

könnte, erwähnt Schaub. Er ist jedoch der Auffassung,<br />

dass sich nicht auf das Stimmgeheimnis<br />

berufen darf, wer mit einer größeren Spende<br />

einen überdurchschnittlich großen politischen<br />

Einfluss ausübt (S. 386). Ebenso verneint er die<br />

Berufung auf das Recht, seine Gesinnung nicht<br />

offenbaren zu müssen. Wer eine Spende tätige,<br />

habe seine Meinung bereits geäußert, wobei eine<br />

Ausnahme für Kleinspenden und wenig finanzstarke<br />

Vertreter von Minderheitenmeinungen<br />

gelte (S. 387 f.). Schaub ergänzt seine Ausführungen<br />

mit Hinweisen auf die im Parlament gescheiterten<br />

Vorstöße für mehr Transparenz und<br />

auf die Offenlegungsregeln in den Kantonen<br />

Tessin und Genf. Für den Fall, dass Ausgabenbeschränkungen<br />

als Grundrechtseingriff qualifiziert<br />

werden (Schaub ist anderer Meinung), prüft<br />

er ihre Vereinbarkeit mit der Meinungsäußerungsfreiheit.<br />

Er kommt zum Schluss, dass sie<br />

keine besonders schwerwiegenden Eingriffe darstellen,<br />

weil nicht am Inhalt der Aussage angesetzt<br />

werde (S. 396 f.). Mehr pro memoria erwähnt<br />

Schaub (S. 404-406) die Möglichkeit, mit<br />

staatlichen Mitteln an finanzschwache Akteure<br />

für einen Ausgleich zu sorgen. Dieser Ansatz hat<br />

gegenwärtig kaum Verwirklichungschancen.<br />

Unbefriedigend an Schaubs Ausführungen zur<br />

Umsetzung ist aus meiner Sicht, dass er es dem<br />

„politischen Prozess“ (S. 388) überlassen möchte,<br />

die Grenze zwischen Kleinspenden und einflussreichen<br />

Spenden zu ziehen und dass er nicht näher<br />

darauf eingeht, was eine Minderheitenmeinung<br />

ist. Auch bezüglich der Beschränkung der<br />

Ausgaben nennt er weder Zahlen noch was als<br />

Ausgabe zu qualifizieren wäre und was nicht.<br />

Weil an Abstimmungswochenenden regelmäßig<br />

über verschiedene Vorlagen von Bund, Kantonen<br />

und Gemeinden abgestimmt wird und häufig<br />

auch kantonale und kommunale Wahlen stattfinden,<br />

stellen sich für die Schweiz größere Herausforderungen<br />

als für andere Staaten. Das hindert<br />

nicht daran, Schaub zuzustimmen: praktische<br />

Umsetzungsschwierigkeiten sind kein stichhaltiges<br />

Argument gegen mehr Transparenz. Dass<br />

eine Regulierung Kosten verursachen und die<br />

Regeln umgangen werden könnten, auch nicht.<br />

Die Probleme liegen meines Erachtens anderswo:<br />

Nämlich in der bereits erwähnten Praxis,<br />

dass alle paar Wochen ein Urnengang stattfindet<br />

und an den Wahlen und Abstimmungen nicht<br />

nur die Parteien teilnehmen, sondern auch Einzelpersonen<br />

und ad hoc gegründete Initiativ-,<br />

Referendums- und Abstimmungskomitees. Diese<br />

Vielfalt von Akteuren in den Griff zu bekommen<br />

und dabei der föderalistischen Ausprägung Rechnung<br />

zu tragen, stellt die Herausforderung dar.<br />

Auf diese Knackpunkte geht Schaub leider nicht<br />

ein. Positiv formuliert: Die Finanzströme bei<br />

Wahlen und Abstimmungen bieten Anlass für<br />

weitere Untersuchungen. Schaub hat ihnen mit<br />

seiner Dissertation einen fruchtbaren Boden bereitet.<br />

Die Fußnoten enthalten häufig Zitate aus amtlichen<br />

Berichten und aus Parlamentsdebatten, so<br />

dass die Leserinnen und Leser die Diskussionen<br />

nachverfolgen können. Sehr angenehm ist auch<br />

die übersichtliche Gliederung mit Zusammenfassung<br />

und Sachregister. Mit ihrer Dichte, dem<br />

Einbezug von politik- und kommunikationswissenschaftlichen<br />

Theorien und Erkenntnissen,<br />

dem Rückgriff auf philosophische Abhandlungen<br />

und den Hinweisen auf die aktuelle politische<br />

Diskussion sowie mit ihrer sprachlichen<br />

Prägnanz steht die Dissertation von Schaub einer<br />

Habilitation in nichts nach. Sie ergänzt die neueren<br />

rechtswissenschaftlichen Untersuchungen<br />

zur Politikfinanzierung in der Schweiz 8 aufs vortrefflichste.<br />

PD Dr. iur. Patricia M. Schiess Rütimann,<br />

Zürich<br />

8<br />

Tiziano Balmelli, Le financement des partis politiques<br />

et des campagnes électorales, Diss. Fribourg 2001;<br />

René Schwab, Wahlkampf und Verfassung, Diss. Zürich<br />

2001; Martina Caroni, Geld und Politik, Habil.<br />

Bern 2009 und Patricia M. Schiess Rütimann, Politische<br />

Parteien, Habil. Zürich, Bern 2011.<br />

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