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Linksliberale Enterhaken - PRuF

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MIP 2013 19. Jhrg.<br />

Rezensionen<br />

Im den nächsten Kapiteln steigt die Studie tief in<br />

die Analyse der zuvor geschilderten Fälle ein, indem<br />

sie das Konzept der Risikoperzeption auf<br />

die Verbotspraxis anwendet, und zwar in der von<br />

Niklas Luhmann entwickelten Spielart eines sozial<br />

konstruierten Zusammenhangs zwischen<br />

Entscheidung und Risikoverwirklichung, wobei<br />

es um die Risikoperzeption der politischen Entscheidungsträger<br />

geht. Dabei werden zwei Risiken<br />

unterschieden, nämlich die von der Vereinigung<br />

ausgehenden und die von einer Verbotsentscheidung<br />

selbst herrührenden, für welche der<br />

Begriff der Kollateralrisiken gebraucht wird. Die<br />

Risikoperzeption wird anhand verschiedener,<br />

einleuchtend gewählter Indikatoren untersucht.<br />

Für die verschiedenen untersuchten Klassen extremistischer<br />

Vereinigungen arbeitet die Studie<br />

verschiedene zur Verbotsentscheidung führende<br />

Faktoren heraus, wobei sich interessante Unterschiede<br />

ergeben, die hier nur in Ausschnitten<br />

wiedergegeben werden können. So werden zum<br />

Beispiel islamistische und rechtsextreme Vereinigungen<br />

vor allem wegen ihrer aggressiven<br />

Ideologie und einer zumindest rhetorischen, oft<br />

auch tätlichen Militanz verboten. Bei den ausländischen<br />

linksextremen Vereinigungen geht es<br />

dagegen eher um Kriminalität und Gewalttätigkeit<br />

als tragende Verbotsgründe.<br />

Anschließend kommt die Arbeit auf das „Spiel<br />

in der politischen Arena“ als zweiten Erklärungsfaktor<br />

für die Verbotspraxis zu sprechen.<br />

Dabei geht es nicht, wie bei dem Faktor Risikoperzeption,<br />

um die sachliche Dimension der Verbotsfrage,<br />

sondern um die Verbotsentscheidung<br />

als Machtfrage innerhalb des politischen Wettbewerbs,<br />

der als regelgeleitete Interaktion der politischen<br />

Akteure im Kampf um die Macht modelliert<br />

wird. Diskurse über Vereinsverbote sind aus<br />

dieser Perspektive Orte, an denen über die Verbesserung<br />

der eigenen politischen Position gekämpft<br />

wird. Interessanterweise sei es – so ein<br />

wesentliches Ergebnis – zwar so, dass ein generell<br />

verbotsfreundlicher Tenor der Diskurse zwar<br />

mit einem generellen Ansteigen der Verbotszahlen<br />

zusammenfalle, dies aber nicht entsprechend<br />

für die Diskurse gelte, die sich um das Verbot einer<br />

konkreten Organisation drehen.<br />

In ihrer abschließenden Bilanz kommt die Autorin<br />

zu einer aus den Ergebnissen der Arbeit gut<br />

begründeten Kritik an der Verbotspraxis, die<br />

sich vor allem auf die fehlende „Äquidistanz“<br />

der Verbotsbehörden zu verschiedenen Formen<br />

des Extremismus bezieht, sowie auf die teilweise<br />

zu beobachtende Wirkungslosigkeit der Verbote.<br />

Damit ist auch bereits das hauptsächlich noch fehlende<br />

Element einer sozialwissenschaftlichen Erforschung<br />

der Vereinsverbote benannt: Wir wissen<br />

zu wenig über die Folgen von Verboten. Eine<br />

gründliche Bewertung der Verbotspraxis ist so<br />

noch nicht möglich. Dies ist jedoch keinesfalls<br />

eine Kritik an der besprochenen Arbeit, die erhebliches<br />

leistet, sondern ein Desiderat der Forschung.<br />

Sucht man nach Kritikpunkten, so liegen sie<br />

hauptsächlich in den interdisziplinären Teilen<br />

der Arbeit, sind also letztlich kaum vermeidbar<br />

– niemand kann alles – und für die behandelten<br />

Fragen auch nicht von nennenswertem Gewicht:<br />

So mag man die Einschätzung der Konstruktionsmängel<br />

der Weimarer Republik und ihrer Verfassung<br />

für unausgewogen halten oder bemängeln,<br />

dass die Autorin – ungeachtet des darüber geführten<br />

Streits in der juristischen Literatur – annimmt,<br />

die Verbotsbehörden hätten Ermessen,<br />

ob sie ein Verbot aussprechen oder nicht.<br />

Ungeachtet dieser der Rezensentenpflicht geschuldeten<br />

Kritik handelt es sich bei der „Vereinsverbotspraxis“<br />

um ein sorgfältig gearbeitetes,<br />

genau durchdachtes, gut geschriebenes und<br />

höchst aufschlussreiches Buch.<br />

Dr. Sebastian Roßner, M.A.<br />

Bernd Grzeszick/Heinrich Lang: Wahlrecht<br />

als materielles Verfassungsrecht. Der Wahlgesetzgeber<br />

zwischen verfassungsrechtlicher<br />

Bindung und politischer Gestaltungsfreiheit –<br />

Überlegungen am Beispiel des 19. Gesetzes<br />

zur Änderung des Bundeswahlrechts, Nomos,<br />

Baden-Baden 2012, 148 S., ISBN 978-3-8329-<br />

7666-8, 39 €.<br />

Das Wahlrecht verteilt politische Chancen, es ist<br />

von daher machtpolitisch brisant. Zugleich enthält<br />

es zwangsläufig technische Detailregelungen<br />

und ist deswegen von einer gewissen Kom-<br />

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