Linksliberale Enterhaken - PRuF
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Rezensionen<br />
MIP 2013 19. Jhrg.<br />
Rezensionen<br />
Johannes Dietlein/Daniel Riedel, Zugangshürden<br />
im Kommunalwahlrecht. Zur Zulässigkeit<br />
moderater Sperrklauseln unterhalb von fünf<br />
Prozent zur Sicherung der Funktionsfähigkeit<br />
der Räte und Kreistage in Nordrhein-Westfalen,<br />
Nomos, Baden-Baden 2012, 102 S., ISBN 978-<br />
3-8329-7040-6, 25 €.<br />
An Sperrklauseln auf allen Ebenen des deutschen<br />
Wahlrechts entzünden sich immer wieder<br />
heftige Debatten. Die rechtliche Zulässigkeit von<br />
wahlrechtlichen Zugangshürden auf Bund-, Länderund<br />
Europaebene hat über mehrere Jahrzehnte<br />
hinweg besondere Aufmerksamkeit der Rechtsprechung<br />
erhalten. Nachdem in Nordrhein-<br />
Westfalen die ursprüngliche 5%-Klausel aus<br />
dem Wahlrecht gestrichen wurde, ebbte die die<br />
Diskussion um die Regulierung des Zugangs zu<br />
Volksvertretungen dennoch nicht ab.<br />
Vor diesem Hintergrund befassen sich Dietlein<br />
und Riedel nun mit der Frage, ob die Einführung<br />
von Zugangshürden unterhalb der 5%-Grenze<br />
rechtlich zulässig und sinnhaft wäre. Diese Untersuchung<br />
bereichert die wissenschaftliche Diskussion<br />
insbesondere durch eine konkrete und<br />
anschauliche Differenzierung bei der Rechtfertigung<br />
der Zugangshürden im Kommunalwahlrecht<br />
Nordrhein-Westfalens.<br />
Die Autoren stellen zunächst die verfassungsrechtlichen<br />
Maßstäbe zur Beurteilung der Zugangshürden<br />
als Grundlage dar. Sowohl das Grundgesetz<br />
als auch die nordrhein-westfälische Verfassung<br />
enthalten Grenzen für wahlrechtliche Zugangshürden<br />
in der Wahlrechtsgleichheit aus Art. 38 I 1<br />
GG bzw. Art. 31 I Verf. NRW einerseits sowie<br />
in der auch auf Landesebene fortwirkenden<br />
Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 I GG<br />
andererseits. Sodann untergliedern die Autoren<br />
verschiedene Erscheinungsformen gesetzlicher<br />
Zugangshürden bei öffentlichen Wahlen. Schwerpunkt<br />
der Untersuchung bildet die Frage nach<br />
Rechtfertigungsmöglichkeiten für die hierdurch<br />
hervorgerufenen Eingriffe in die genannten verfassungsrechtlichen<br />
Garantien. Es wird darauf<br />
hingewiesen, dass nur Gründe von einem Gewicht,<br />
das der Wahl- und Chancengleichheit die<br />
Waage halten kann, die Beeinträchtigung durch<br />
Sperrklauseln rechtfertigen können. Dietlein und<br />
Riedel definieren den vom BVerfG geforderten<br />
zwingenden Grund mithilfe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes<br />
konkret und auf praktisch anwendbare<br />
Weise.<br />
Die Autoren sprechen sich gegen eine faktische<br />
Sperrklausel aus, weil diese sich nur aus dem<br />
Sitzzuteilungsverfahren ergibt, nicht ausschließlich<br />
an die abgegebenen Stimmen gekoppelt und<br />
aus diesem Grund eine entsprechende Sperrwirkung<br />
nicht vorhersehbar ist. Die Autoren präferieren<br />
daher eine explizite Sperrklausel unter<br />
Abmilderung durch eine Grundmandatsklausel.<br />
Vor Wiedereinführung einer Zugangshürde im<br />
nordrhein-westfälischen Wahlrecht raten die Autoren<br />
zu einer empirischen Erhebung über vorgeschlagene<br />
Daten und Fragen. Daraus ergibt sich<br />
auch, dass hier kein Prozentwert für eine Sperrklausel<br />
empfohlen wird.<br />
Kernstück der Arbeit ist die gewissenhafte Auseinandersetzung<br />
mit der Prognose einer belegbaren<br />
Funktionsunfähigkeit oder -störung von Gemeinderäten<br />
und Kreistagen. Hierbei berücksichtigen<br />
die Autoren die Unterschiede zwischen<br />
Parlamenten und den kommunalen Vertretungsorganen.<br />
Mit der Tatsache, dass Kommunalvertretungen<br />
keine Parlamente im staatsrechtlichen<br />
Sinne sind, geht eine Verschiebung der zu erfüllenden<br />
Aufgaben einher, die bei der Bewertung<br />
möglicher Funktionsbeeinträchtigung der Kommunalvertretungen<br />
differenziert zu beachten<br />
sind. Insbesondere haben Gemeinderat und<br />
Kreistag eine Integrationsfunktion, die durch<br />
Mitwirkung der Bürger eine Selbstverwaltung<br />
der Kommunen im wörtlichen Sinne ermöglichen<br />
soll. Weder die Beschlussfähigkeit noch die<br />
Mehrheitsregel sehen die Autoren durch Zersplitterung<br />
der Vertretungen vorhersehbar gefährdet,<br />
weil das geltende Recht ausreichend Absicherungsmechanismen<br />
bereithält, die einen<br />
Stillstand verhindern. Die Einbindung der Bürger<br />
in die Verwaltung kann nach Ansicht der<br />
Autoren hingegen beeinträchtigt sein, wenn die<br />
Meinungsbildung in Gemeinderat oder Kreistag<br />
so schwerfällig wird, dass sie die Übernahme eines<br />
kommunalen Mandats unattraktiver macht.<br />
Nicht allein eine gesetzliche Sperrklausel kann<br />
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