Linksliberale Enterhaken - PRuF

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03.11.2013 Aufrufe

Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP 2013 19. Jhrg. für verfassungswidrig erklärt. Zwar sei die Zwecksetzung, zu gewährleisten, dass Auslandsdeutsche imstande sind, am Kommunikationsprozess zwischen Staatsorganen und Staatsvolk teilzunehmen, legitim. Eine reflektierte Entscheidung sei unabdingbar. Jedoch überschreite der Gesetzgeber damit seinen Gestaltungsspielraum. Mit der Regelung könne das mit ihr bezweckte Ziel nicht erreicht werden. Zum einen würden durch die Anforderung des dreimonatigen Aufenthalts auch Deutsche ausgeschlossen, die wohl vertraut sind mit der politischen Lage in Deutschland. Zum anderen werde die Vertrautheit mit der politischen Situation nicht tatsächlich abgesichert, da der dreimonatige Aufenthalt so lange zurückliegen könne, dass die erworbenen Erfahrungen in den aktuellen politischen Verhältnissen keine Entsprechung mehr finden. Die Wahl zum 17. Deutschen Bundestag sei dennoch nicht für ungültig zu erklären, da die Zusammensetzung allenfalls theoretisch betroffen sei. Das angestrebte Organstreitverfahren einer politischen Partei, die Verletzung ihres Rechts auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG wegen Unterlassung einer fristgemäßen Neuregelung des Bundeswahlrechts feststellen zu lassen, hat das BVerfG 67 als unzulässig abgewiesen. Der Antragstellerin fehle es an einem im Organstreitverfahren aber erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Eine etwaige Rechtsverletzung sei durch das Neunzehnte Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes entfallen. Eine verfassungsrechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung konnte das Gericht nicht erkennen. Auch und gerade weil das Verstreichen der Frist ohne Neuregelung evident war, bestehe keine Beeinträchtigung der Antragsteller. Mit einem Nichtannahmebeschluss wies das BVerfG 68 eine unzulässige Beschwerde gegen die Nichtzulassung eines Wahlvorschlags zu einer Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen zurück. Nach dem Grundsatz des Subsidiarität aus § 90 Abs. 2a BVerfGG ist eine Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn anderweitige Mög- 67 BVerfG, Beschluss vom 14.02.2012 – 2 BvE 3/11, online veröffentlicht bei juris. 68 BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08.08.2012 – 2 BvR 1672/12, online veröffentlicht bei juris. lichkeiten zur Beseitigung der Grundrechtsverletzung nicht bestehen. Hier hatten die Beschwerdeführer die Möglichkeit des landesrechtlichen Wahlprüfungsverfahrens nicht ausgeschöpft. Zudem bestand mangels Analogiefähigkeit des Art. 38 GG kein rügefähiges Recht. § 42 Abs. 2 S. 2 KwahlG könne ebenso wenig als ein solches herangezogen werden. Mittels einer A-limine-Abweisung verwarf das BVerfG 69 ein Organstreitverfahren, dass sich gegen die Vorschrift des § 21 Abs. 1 S. 1 BWahlG richtete. Die Antragstellerin versäumte die Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG. Das Gericht unterstreicht nochmals, dass es für das Bekanntwerden eines Gesetzes nicht auf den Zeitpunkt der individuellen Kenntnisnahme ankommt, sondern auf seine Verkündung. Für eine von der Antragstellerin weiterhin beantragte Ausgestaltung eines Rechtsschutzverfahrens hat das BVerfG keinen Grund gesehen. Das so oft diskutierte Thema der Rechtmäßigkeit der Wahl der Bundesverfassungsrichter durch den Wahlausschuss des Bundestages war nun Gegenstand eines Beschlusses des BVerfG 70 . Dabei stellte das Gericht einleitend fest, dass die Beurteilung der vorschriftsgemäßen Senatsbesetzung der Frage nach der ordnungsgemäßen Einrichtung eines Spruchkörpers gleichzusetzen sei, weshalb über diese der Spruchkörper selbst befinden dürfe. Die vier vom Bundestag berufenen Senatsmitglieder mussten also nicht von der Entscheidung ausgeschlossen werden. In der Sache selbst beanstandet das Gericht den Wahlmodus nicht. Ausgehend von Art. 94 I 2 GG legt es dar, dass ein konkreter Modus nicht vorgeschrieben sei, vielmehr könne der Gesetzgeber diesen ausgestalten. Bemerkenswert ist der argumentative Einstieg: Das BVerfG wendet sich nicht gleich einer Auseinandersetzung mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen zu, sondern stellt zunächst darauf ab, der Gesetzgeber habe diese Diskussion längst erkannt und eben keine Änderung vorgenommen. Weiterhin stellt es eigene Entscheidungen aus den 70er und 80er Jah- 69 BVerfG, Beschluss vom 27.09.2012 – 2 BvE 8/12, online veröffentlicht bei juris 70 BVerfG, Beschluss vom 19.06.2012 – 2 BvC 2/10, in: NVwZ 2012, S. 967-969. 162

MIP 2013 19. Jhrg. Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung ren dar, in denen das Gericht ausreichend Anlass gehabt hätte, die Verfassungsmäßigkeit der mittelbaren Richterwahl neu zu beurteilen, wenn es der bis dahin geäußerten Ansicht des Gerichts nicht hätte folgen wollen – es aber eben nicht getan hat. Ob diese Argumentation überzeugen kann, ist fraglich. Interessanter ist die Feststellung der Einschränkung der Mitwirkungsrechte derjenigen Abgeordneten, die nicht dem Wahlausschuss angehören, auf den die Richterwahl nach § 6 BVerfGG übertragen wird. Zulässig ist diese Einschränkung nur zum Schutz anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang. Als solches führt das Gericht das Ansehen des Gerichts und das Vertrauen in seine Unabhängigkeit an, welche der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Gerichts dienen. Durch eine nicht vertrauliche Wahl könnte diese gefährdet sein. Gleichzeitig erkennt das BVerfG aber auch an, der Gesetzgeber könne andere Modalitäten wählen. Die konkrete Ausgestaltung sei also nicht zwingend geboten. Die geforderte Entscheidung mit Zwei-Drittel-Mehrheit, § 6 Abs. 5 BVerfGG, und die Vertraulichkeitspflicht des Gremiums genügten, um den Verzicht auf eine Wahl der Richter des BVerfG im Plenum zu legitimieren. In einem Beschluss des BVerwG 71 wandten sich die Kläger gegen den Beschluss des Rates der beklagten Stadt, die Wahl wegen Unregelmäßigkeiten zu wiederholen. Diese waren zuvor in den Rat gewählt worden. Dabei stellte sich im Wesentlichen die Frage, ob eine amtliche Äußerung eines Bürgermeisters oder Beigeordneten einer Gemeinde im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Kommunalwahl, die objektiv unrichtig war, als Wahlfehler in Betracht kommt, wenn sie geeignet war, die Wählerentscheidung zu beeinflussen, oder es einer entsprechenden Intention bedarf. Das Gericht weist dabei lediglich darauf hin, dass diese Frage bisher durch das BVerwG nicht entschieden wurde und auch in diesem Rechtsstreit keiner Klärung bedarf, womit diese Frage im Ergebnis offen bleibt. Ebenfalls aufgeworfen aber nicht entschieden wird die Frage, ob eine Gemeinderatswahl wegen eines Wahlfehlers 71 BVerwG, Beschluss vom 09.05.2012 – 8 B 27/12, in: NVwZ 2012, S. 1117-1120. bereits für ungültig erklärt werden darf, wenn die reale Möglichkeit einer anderen Sitzverteilung bei ordnungsgemäßem Ablauf besteht, oder erst, wenn ein Fortbestand der fehlerhaft gewählten Vertretung unerträglich erscheine. Das Berufungsgericht 72 war allerdings davon ausgegangen, es genüge nicht jegliche Unregelmäßigkeit, sondern es bedürfe einer von hinlänglichem Gewicht. In einem weiteren Beschluss des BVerwG 73 hebt dieses das Urteil der Vorinstanz wegen eines Verfahrensmangels i.S.d. § 132 Abs. 1 Nr. 3 VwGO auf. Ursprünglich ging es um die Gültigkeit einer Oberbürgermeisterwahl, gegen die der Kläger geklagt hatte, weil der Beigeladene als erneut zur Wahl angetretener Oberbürgermeister auf einem Flugblatt seinen Mitbewerber als „schwul“ bezeichnet habe. Das Recht des Beigeladenen auf rechtliches Gehör wurde verletzt, weil das Berufungsgericht nicht darauf hingewiesen hat, dass die im bisherigen Verfahren für unerheblich gehaltene objektive Richtigkeit oder Erweislichkeit der mit dem Flugblatt verbreiteten Behauptung aus seiner Sicht entscheidungsrelevant war. Der Frage selbst maß das Gericht keine grundsätzliche Bedeutung bei, da sie sich durch Gesetzesinterpretation beantworten ließe. Im Ergebnis kommt es dazu, dass die einschlägige Äußerung einen Wahlfehler darstelle. Kommunale Amtsträger seien bei ihren Wahlkampfäußerungen an den Grundsatz der Freiheit der Wahl gebunden, welcher gem. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG auch für Kommunalwahlen gelte. Außerdem haben sie die Grundrechte zu wahren und müssten bei ihren Äußerungen der Neutralitäts- und Wahrheitspflicht genügen sowie Persönlichkeitsrechte der Mitbewerber achten. Zu einem ähnlichen Ergebnis war bereits das OVG Bautzen 74 gelangt. Über die Klagebefugnis bei Ungültigerklärung einer Kommunalwahl befand das BVerwG 75 in 72 OVG Münster, Urteil vom 15.12.2011 – 15 A 876/11, in: NwVBl 2012, S. 228-232. 73 BVerwG, Beschluss vom 05.06.2012 – 8 B 24/12, online veröffentlicht bei juris. 74 OVG Bautzen, Urteil vom 06.12.2011 – 4 A 287/11, in: SächsVBl 2012, S. 89-90. 75 BVerwG, Urteil vom 07.03.2012 – 8 C 7/11, in: NVwZ 2012, S. 969-972. 163

MIP 2013 19. Jhrg.<br />

Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung<br />

ren dar, in denen das Gericht ausreichend Anlass<br />

gehabt hätte, die Verfassungsmäßigkeit der mittelbaren<br />

Richterwahl neu zu beurteilen, wenn es<br />

der bis dahin geäußerten Ansicht des Gerichts<br />

nicht hätte folgen wollen – es aber eben nicht getan<br />

hat. Ob diese Argumentation überzeugen<br />

kann, ist fraglich.<br />

Interessanter ist die Feststellung der Einschränkung<br />

der Mitwirkungsrechte derjenigen Abgeordneten,<br />

die nicht dem Wahlausschuss angehören,<br />

auf den die Richterwahl nach § 6 BVerfGG<br />

übertragen wird. Zulässig ist diese Einschränkung<br />

nur zum Schutz anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang.<br />

Als solches führt das Gericht das Ansehen<br />

des Gerichts und das Vertrauen in seine Unabhängigkeit<br />

an, welche der Sicherung der Funktionsfähigkeit<br />

des Gerichts dienen. Durch eine<br />

nicht vertrauliche Wahl könnte diese gefährdet<br />

sein. Gleichzeitig erkennt das BVerfG aber auch<br />

an, der Gesetzgeber könne andere Modalitäten<br />

wählen. Die konkrete Ausgestaltung sei also<br />

nicht zwingend geboten. Die geforderte Entscheidung<br />

mit Zwei-Drittel-Mehrheit, § 6 Abs. 5<br />

BVerfGG, und die Vertraulichkeitspflicht des<br />

Gremiums genügten, um den Verzicht auf eine<br />

Wahl der Richter des BVerfG im Plenum zu legitimieren.<br />

In einem Beschluss des BVerwG 71 wandten sich<br />

die Kläger gegen den Beschluss des Rates der beklagten<br />

Stadt, die Wahl wegen Unregelmäßigkeiten<br />

zu wiederholen. Diese waren zuvor in den Rat<br />

gewählt worden. Dabei stellte sich im Wesentlichen<br />

die Frage, ob eine amtliche Äußerung eines<br />

Bürgermeisters oder Beigeordneten einer Gemeinde<br />

im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang<br />

mit einer Kommunalwahl, die objektiv unrichtig<br />

war, als Wahlfehler in Betracht kommt, wenn sie<br />

geeignet war, die Wählerentscheidung zu beeinflussen,<br />

oder es einer entsprechenden Intention<br />

bedarf. Das Gericht weist dabei lediglich darauf<br />

hin, dass diese Frage bisher durch das BVerwG<br />

nicht entschieden wurde und auch in diesem<br />

Rechtsstreit keiner Klärung bedarf, womit diese<br />

Frage im Ergebnis offen bleibt. Ebenfalls aufgeworfen<br />

aber nicht entschieden wird die Frage, ob<br />

eine Gemeinderatswahl wegen eines Wahlfehlers<br />

71<br />

BVerwG, Beschluss vom 09.05.2012 – 8 B 27/12, in:<br />

NVwZ 2012, S. 1117-1120.<br />

bereits für ungültig erklärt werden darf, wenn die<br />

reale Möglichkeit einer anderen Sitzverteilung<br />

bei ordnungsgemäßem Ablauf besteht, oder erst,<br />

wenn ein Fortbestand der fehlerhaft gewählten<br />

Vertretung unerträglich erscheine. Das Berufungsgericht<br />

72 war allerdings davon ausgegangen,<br />

es genüge nicht jegliche Unregelmäßigkeit,<br />

sondern es bedürfe einer von hinlänglichem Gewicht.<br />

In einem weiteren Beschluss des BVerwG 73 hebt<br />

dieses das Urteil der Vorinstanz wegen eines<br />

Verfahrensmangels i.S.d. § 132 Abs. 1 Nr. 3 VwGO<br />

auf. Ursprünglich ging es um die Gültigkeit einer<br />

Oberbürgermeisterwahl, gegen die der Kläger<br />

geklagt hatte, weil der Beigeladene als erneut zur<br />

Wahl angetretener Oberbürgermeister auf einem<br />

Flugblatt seinen Mitbewerber als „schwul“ bezeichnet<br />

habe. Das Recht des Beigeladenen auf<br />

rechtliches Gehör wurde verletzt, weil das Berufungsgericht<br />

nicht darauf hingewiesen hat, dass<br />

die im bisherigen Verfahren für unerheblich gehaltene<br />

objektive Richtigkeit oder Erweislichkeit<br />

der mit dem Flugblatt verbreiteten Behauptung<br />

aus seiner Sicht entscheidungsrelevant war. Der<br />

Frage selbst maß das Gericht keine grundsätzliche<br />

Bedeutung bei, da sie sich durch Gesetzesinterpretation<br />

beantworten ließe. Im Ergebnis<br />

kommt es dazu, dass die einschlägige Äußerung<br />

einen Wahlfehler darstelle. Kommunale Amtsträger<br />

seien bei ihren Wahlkampfäußerungen an<br />

den Grundsatz der Freiheit der Wahl gebunden,<br />

welcher gem. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG auch für<br />

Kommunalwahlen gelte. Außerdem haben sie<br />

die Grundrechte zu wahren und müssten bei ihren<br />

Äußerungen der Neutralitäts- und Wahrheitspflicht<br />

genügen sowie Persönlichkeitsrechte der<br />

Mitbewerber achten. Zu einem ähnlichen Ergebnis<br />

war bereits das OVG Bautzen 74 gelangt.<br />

Über die Klagebefugnis bei Ungültigerklärung<br />

einer Kommunalwahl befand das BVerwG 75 in<br />

72<br />

OVG Münster, Urteil vom 15.12.2011 – 15 A 876/11,<br />

in: NwVBl 2012, S. 228-232.<br />

73<br />

BVerwG, Beschluss vom 05.06.2012 – 8 B 24/12, online<br />

veröffentlicht bei juris.<br />

74<br />

OVG Bautzen, Urteil vom 06.12.2011 – 4 A 287/11,<br />

in: SächsVBl 2012, S. 89-90.<br />

75<br />

BVerwG, Urteil vom 07.03.2012 – 8 C 7/11, in:<br />

NVwZ 2012, S. 969-972.<br />

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