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Linksliberale Enterhaken - PRuF

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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung<br />

MIP 2013 19. Jhrg.<br />

jedoch in hohem Maße geeignet gewesen, diesen<br />

Charakter des Volkstrauertags empfindlich zu<br />

stören. Bei der Versammlung hätte ein nicht erforderlicher<br />

Akustikverstärker verwendet und<br />

Flugblätter über die so genannte „Rheinwiesenlagerkampagne“<br />

verteilt werden sollen. Darüber<br />

hinaus hätte im Falle der Durchführung des<br />

Trauermarsches mit einem größeren Aufgebot an<br />

Polizeikräften im näheren Umfeld des Aufzugs<br />

gerechnet werden müssen, so dass auch deshalb<br />

eine empfindliche Störung der Feiertagsruhe zu<br />

befürchten gewesen sei.<br />

Im Jahre 2001 hatte das BVerfG entschieden,<br />

dass eine Gefährdung „nur“ der öffentlichen<br />

Ordnung als Rechtsgrundlage für ein Versammlungsverbot<br />

im Allgemeinen ausscheide und sich<br />

ein solches insbesondere nicht allein mit der Erwartung<br />

der Behörde und der Gerichte begründen<br />

lasse, der Veranstalter und die voraussichtlichen<br />

Teilnehmer würden nationalsozialistisches<br />

oder jedenfalls rechtsextremes Gedankengut verbreiten.<br />

Das BVerfG schloss allerdings damals<br />

schon Beschränkungen einer öffentlichen Versammlung<br />

aus Gründen der öffentlichen Ordnung<br />

bei einer Verletzung der sozialen und ethischen<br />

Anschauungen über unerlässliche Voraussetzungen<br />

eines geordneten menschlichen Zusammenlebens<br />

nicht zwingend aus. Es machte<br />

solche Beschränkungen allerdings davon abhängig,<br />

dass „von der Art der gemeinschaftlichen<br />

Kundgabe eine Gefahr für die öffentliche Ordnung<br />

auszugehen droht, die nicht auf der bloßen<br />

Äußerung der Inhalte beruht, sondern auf besonderen,<br />

beispielsweise provokativen oder aggressiven,<br />

das Zusammenleben der Bürger konkret<br />

beeinträchtigenden Begleitumständen“ 21 . Dies<br />

hat das BVerfG 22 nun noch einmal bekräftigt, als<br />

es – wie beide Vorinstanzen 23 – die behördlich<br />

angeordnete zeitliche Verlegung einer Demonstration<br />

der NPD auf den Folgetag als rechtmäßig<br />

bestätigte, und zwar wegen einer möglichen Be-<br />

21<br />

BVerfG, Beschluss vom 24.01.2001 – 1 BvQ 13/01,<br />

in: BayVBl. 2001, S. 624 (625).<br />

22<br />

BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 27.01.2012 – 1<br />

BvQ 4/12, in: NVwZ 2012, 749-750.<br />

23<br />

OVG Koblenz, Beschluss vom 27.01.2012 – 7 B<br />

10102/12, in: DÖV 2012, S. 405 (Leitsatz), Volltext<br />

online veröffentlicht bei juris; VG Trier, Beschluss<br />

vom 27.01.2012 – 1 L 79/12.TR, nicht veröffentlicht.<br />

einträchtigung des sittlichen Empfindens der<br />

Bürgerinnen und Bürger durch Provokationen,<br />

die von der konkreten Art und Weise der Durchführung<br />

der Versammlung ausgehen. Die NPD<br />

hatte nämlich für den 27.01.2012 eine Kundgebung<br />

angemeldet, die offiziell unter dem Motto<br />

„Von der Finanz- zur Eurokrise – zurück zur D-<br />

Mark heißt unsere Devise“ stehen sollte. Die<br />

NPD behauptete, Anlass der Versammlung sei<br />

ein Vortrag eines Wirtschaftsprofessors zur Finanz-<br />

und Eurokrise in Trier an diesem Tag. Der<br />

27. Januar wird öffentlich aber in erster Linie als<br />

Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers<br />

Auschwitz im Jahre 1945 wahrgenommen.<br />

Im Jahr 1996 bestimmte der damalige Bundespräsident<br />

Roman Herzog den 27. Januar zum offiziellen<br />

Tag des Gedenkens an die Opfer des<br />

Nationalsozialismus. Im Jahre 2005 erklärte die<br />

Generalversammlung der Vereinten Nationen<br />

ihn zudem zum Internationalen Gedenktag an<br />

die Opfer des Holocausts. Kommt einem bestimmten<br />

Tag – wie eben dem 27. Januar – ein<br />

eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft<br />

zu, der bei der Durchführung eines Aufzugs<br />

an diesem Tag in einer Weise angegriffen wird,<br />

dass dadurch zugleich grundlegende soziale oder<br />

ethische Anschauungen in erheblicher Weise<br />

verletzt werden, so kann die öffentliche Ordnung<br />

betroffen sein, so das BVerfG. Versammlungen<br />

an Gedenktagen dürfen allerdings nicht allein<br />

deshalb verboten werden, weil diese in irgendeinem<br />

Sinne als dem Gedenken entgegenlaufend<br />

zu beurteilen sind. „Seitens der Versammlungsbehörde<br />

ist vielmehr die Feststellung erforderlich,<br />

dass von der konkreten Art und Weise der<br />

Durchführung der Versammlung Provokationen<br />

ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen<br />

und Bürger erheblich beeinträchtigen.“<br />

Entsprechende Feststellungen trafen beide Vorinstanzen.<br />

Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren<br />

gebotenen Folgenabwägung entschied<br />

sich das BVerfG letztlich daher gegen<br />

den Erlass der von der NPD beantragten einstweiligen<br />

Anordnung.<br />

Selten tragen Parteien ihre internen Streitigkeiten<br />

vor die Zivilgerichte, noch seltener bedürfen<br />

sie der staatlichen Unterstützung bei der Suche<br />

nach ihrem rechtmäßigen Vorsitzenden. So aber<br />

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