Linksliberale Enterhaken - PRuF
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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung<br />
MIP 2013 19. Jhrg.<br />
rechtfertigt, die neben ihrer administrativen Tätigkeit<br />
aktiv an der politischen Auseinandersetzung<br />
zu aktuellen politischen Themen und damit auch<br />
an der Auseinandersetzung um die Rolle der<br />
NPD im Zusammenhang mit den zuvor bekannt<br />
gewordenen Taten der „Zwickauer Neonazizelle“<br />
teilnehmen dürfe. Die Äußerung wahre auch das<br />
Sachlichkeitsgebot, da die – zudem sehr kurze –<br />
Stellungnahme nicht mit weiteren, etwa unsachlichen<br />
Angriffen im Sinne von Anprangerungen<br />
oder Diffamierungen der NPD angereichert ist.<br />
In einem weiteren Verfahren des einstweiligen<br />
Rechtsschutzes ist die NPD mit einem Antrag<br />
auf Unterlassung eines Internetaufrufs zum Protest<br />
gegen eine geplante Versammlung der NPD<br />
am 15.09.2012 in Potsdam in zwei Instanzen gescheitert.<br />
Schon das VG Potsdam 13 hatte einen<br />
öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch der<br />
NPD gegen die Stadt Potsdam, die sich auf der<br />
eigenen Internetseite im Rahmen des Bündnisses<br />
„Potsdam bekennt Farbe“ an dem Aufruf beteiligt<br />
hatte, verneint. Die dagegen erhobene Beschwerde<br />
wies das OVG Berlin-Brandenburg 14<br />
zurück. Auch staatliche Hoheitsträger dürfen<br />
sich im öffentlichen Meinungskampf und -austausch<br />
im Umfeld einer öffentlichen Versammlung<br />
– gegebenenfalls auch kritisch – äußern, solange<br />
sich solche Äußerungen im Rahmen des<br />
Sachlichkeitsgebots halten.<br />
Mit einem Versammlungsverbot wegen der Verfassungswidrigkeit<br />
einer nicht vom Bundesverfassungsgericht<br />
verbotenen Partei überschreitet<br />
die verbietende Behörde allerdings „eindeutig“<br />
die ihr zustehenden Befugnisse, wie der VGH<br />
Kassel 15 zutreffend feststellte. Der VGH bestätigte<br />
damit im Grundsatz den vorinstanzlichen<br />
Beschluss des VG Darmstadt 16 , wonach das<br />
durch den Oberbürgermeister der Stadt Darmstadt<br />
ausgesprochene Verbot einer Kundgebung<br />
der NPD auf dem Darmstädter Luisenplatz am<br />
13<br />
VG Potsdam, Beschluss vom 04.09.2012 – 1 L 444.12,<br />
nicht veröffentlicht.<br />
14<br />
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2012<br />
– OVG 1 S 127.12, online veröffentlicht bei juris.<br />
15<br />
VGH Kassel, Beschluss vom 02.08.2012 – 8 B<br />
1595/12, online veröffentlicht bei juris.<br />
16<br />
VG Darmstadt, Beschluss vom 02.08.2012 – 3 L<br />
974/12.DA, nicht veröffentlicht.<br />
03.08.2012 offensichtlich rechtswidrig ist. Allerdings<br />
hielt der VGH aufgrund weiterer zeitgleich<br />
stattfindender Veranstaltungen eine örtliche Beschränkung<br />
auf einen Teil des Luisenplatzes für<br />
gerechtfertigt.<br />
Generell verweist § 15 Abs. 1 VersG die Versammlungsbehörden<br />
darauf, als schonende Alternative<br />
zu einem Versammlungsverbot eine<br />
Genehmigung der Versammlung unter Auflagen<br />
zu erteilen, die bei gleicher Eignung ein milderes<br />
und damit vorrangig einzusetzendes Mittel darstellen.<br />
Dieser Grundsatz gilt auch für das bayerische<br />
Versammlungsgesetz (Art. 15 BayVersG),<br />
mit dem der bayerische Gesetzgeber von seiner<br />
ihm durch die Föderalismusreform von 2006 eingeräumte<br />
Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht<br />
hat 17 . Nach dem VG Bayreuth 18 scheidet<br />
ein Versammlungsverbot aus, solange „das mildere<br />
Mittel der Erteilung von Auflagen nicht<br />
ausgeschöpft ist. Versammlungsrechtliche Auflagen<br />
sind ein Mittel, den gefährdeten Rechtsgütern<br />
Dritter Rechnung zu tragen und praktische<br />
Konkordanz zwischen dem verfassungsrechtlich<br />
geschützten Gut der Versammlungsfreiheit sowie<br />
anderen, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten<br />
und schutzbedürftigen, Rechtsgütern<br />
herzustellen“. Diesen Grundsätzen habe das<br />
Landratsamt Wunsiedel nicht hinreichend Rechnung<br />
getragen, als es das Verbot eines Gedenkmarsches<br />
für den NPD-Funktionär Jürgen Rieger<br />
verhängte, weil es eine Umwidmung der Veranstaltung<br />
in eine Heß-Kundgebung befürchtete,<br />
die wegen Verstoßes gegen § 130 Abs. 4 StGB<br />
die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar<br />
gefährden würde. Diese Befürchtung war<br />
zwar nicht ganz fernliegend, da Rieger zu Lebzeiten<br />
lange Jahre federführend an der Organisation<br />
der „Heß-Märsche“ in Wunsiedel, dem Be-<br />
17<br />
Die Föderalismusreform brachte eine Verlagerung des<br />
Versammlungsrechts in die Kompetenz der Länder<br />
durch Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG mit<br />
sich. Gleichzeitig wurde als Übergangsvorschrift ein<br />
neuer Art. 125a Abs. 1 GG erlassen, wonach Bundesrecht,<br />
das auf Grundlage einer abgeschafften Bundeskompetenz<br />
erlassen worden war, grundsätzlich weitergilt,<br />
von den Ländern aber durch Landesrecht ersetzt<br />
werden kann.<br />
18<br />
VG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 24.10.2012 – B 1<br />
K 10.922, online veröffentlicht bei juris.<br />
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