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Linksliberale Enterhaken - PRuF

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MIP 2013 19. Jhrg. Mai Cheng – Herausforderungen für die Parteireform in der chinesischen Verfassung [...] Aufgespießt<br />

Mehrparteiensystem gewandelt haben. Aber zumeist<br />

war die Entwicklung das Ergebnis einer<br />

elementaren Verfassungsänderung, die zwangsläufig<br />

mit sozialen Störungen oder sogar Gewaltkonflikten<br />

einherging. Die anhaltende Krise<br />

in den frühen Jahren der Weimarer Republik<br />

könnte als vergleichbar erachtet werden. Es gab<br />

jedoch auch einzelne friedliche Veränderungen,<br />

wie z. B. in der Türkei unter der Leitung von<br />

Mustafa Kemal und seiner Republikanischen<br />

Volkspartei in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

und in Taiwan unter der Führung von Jiang<br />

Jing'guo und seiner Nationalistischen Partei in<br />

den 1980er Jahren.<br />

Die Anerkennung des verfassungsrechtlichen<br />

Status von Parteien in der deutschen Verfassung<br />

(Art. 21 GG) kann als Abwehrreaktion einerseits<br />

auf die schwache Stellung der Parteien in der<br />

Weimarer Republik und andererseits auf die dadurch<br />

in der Entwicklung begünstigte beherrschende<br />

Machtstellung der NSDAP verstanden<br />

werden, welche die erschreckende Wirkung von<br />

Parteiaktivitäten aufgezeigt hat. Einen ähnlichen<br />

Einfluss auf den Wandel von Staat und Gesellschaft<br />

hat auch die kommunistische Partei<br />

Chinas in der zweiten Hälfte der 20. Jahrhunderts<br />

genommen. Nach dem zweiten Weltkrieg<br />

ist der Wiederaufbau der deutschen Demokratie<br />

aber auch den starken Parteiorganisationen zu<br />

verdanken. Dies ist ein gutes Argument dafür,<br />

dass die Parteien auch eine positive Rolle im<br />

Prozess der Demokratisierung spielen können.<br />

Mit Blick auf die weitere Entwicklung Chinas ist<br />

deshalb näher zu untersuchen, welche Möglichkeiten<br />

es gibt und unter welchen Voraussetzungen<br />

eine ehemals dominante Partei eine positive<br />

Rolle in der Transformation spielen kann.<br />

Die zweite Fragestellung rankt sich um das<br />

Wahlsystem. In China gibt es grundsätzlich ein<br />

allgemeines, aber indirektes Wahlsystem. Die<br />

Wahlberechtigten können ausschließlich auf<br />

kommunaler Ebene wählen. Der Einfluss der<br />

Wähler auf die verschiedene gesetzgebenden<br />

Kongresse ist deswegen ziemlich schwach. Die<br />

Beschränkung des Wahlrechts ist tatsächlich absichtlich<br />

in der chinesischen Verfassung vorgesehen,<br />

um den Einfluss der Zivilgesellschaft zu<br />

unterdrücken. Angesichts der zusätzlichen Beschränkungen<br />

des Vereinigungsrechts und dem<br />

Verbot der Parteifreiheit obliegt es allein der<br />

kommunistischen Partei, die Bevölkerung – neben<br />

dem funktionslosen Wahlsystem – zusammenzuführen.<br />

Außerhalb der Parteiorganisation<br />

ist die chinesische Gesellschaft fast unorganisiert.<br />

Deshalb kann in China so etwas wie der<br />

arabische Frühling unmöglich stattfinden. In den<br />

meisten arabischen Ländern besteht eine gut organisierte<br />

quasipolitische Organisation oder Bewegung,<br />

wie etwa die islamische Bruderschaft in<br />

Ägypten. Aber momentan gibt es außer der KPC<br />

in China keine zweite politische Organisation,<br />

und Widerstände im Volk, obwohl sie immer<br />

stärker und häufiger werden, formieren sich immer<br />

spontan und beschränkt auf ein kleines Gebiet,<br />

ohne eine klare politische Ideologie.<br />

Für eine Festigung der Legitimität des jetzigen<br />

Regimes braucht China deswegen zwangsläufig<br />

eine Wahlrechtsreform, mit der allein – abgesehen<br />

von einem Einsatz von Polizei und Armee –<br />

dieses Ziel erreicht werden kann. Die Vermutung<br />

liegt nahe, dass eine Wahlrechtsreform auf<br />

mehr direkte Wahlen und die Einführung eines<br />

Verhältniswahlsystems zielen müsste. Aber die<br />

politische Stabilität und eine funktionsfähige Regierung<br />

ist das Hauptanliegen einer Umgestaltung.<br />

Jedes Wahlsystem hat natürlich seine positiven<br />

und negativen Auswirkungen auf beide<br />

Ziele. Bemerkenswerterweise besteht das deutsche<br />

Wahlrecht aus einer Kombination von zwei<br />

Wahlsystemen. Auch die 5% Sperrklausel ist<br />

eine interessante Wahlrechtsgestaltung. Deshalb<br />

sind die Gründe, die für dieses Wahlsystem sprechen,<br />

und seine tatsächlichen Wirkungen auf die<br />

deutsche Demokratie zu untersuchen.<br />

Drittens ist nach dem bewussten Design der Verfassung<br />

nicht zu erwarten, dass alle Probleme in<br />

dieser Anfangsphase der Umgestaltung des politischen<br />

Systems gelöst werden. Im Verlauf der<br />

weiteren Untersuchung werden weitere Probleme<br />

hinzutreten. Obwohl es ein Ziel des Forschungsprojektes<br />

ist, Maßnahmen aufzuzeigen,<br />

die einer Konzentration der Gewalt bei einem<br />

Regierungsorgan entgegenwirken, könnte eine<br />

Partei wahrscheinlich dennoch alle diese Präventionen<br />

umgehen und sogar alle Organe der Regierung<br />

beherrschen. Dies ist die derzeitige Rea-<br />

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