Linksliberale Enterhaken - PRuF
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Aufgespießt Mai Cheng – Herausforderungen für die Parteireform in der chinesischen Verfassung [...] MIP 2013 19. Jhrg.<br />
Herausforderungen für die Parteireform<br />
in der chinesischen Verfassung:<br />
Von Deutschland lernen.<br />
Dr. jur. Mai Cheng 1<br />
Als einer von nur noch wenigen kommunistischen<br />
Staaten in der Welt steht China vor vielen<br />
Herausforderungen. Politisch steht China besonders<br />
nach dem arabischen Frühling unter größerem<br />
Reformdruck. Seit 30 Jahren boomt die chinesische<br />
Wirtschaft, während politische Reformen<br />
kaum stattfinden. Der politische Diskurs<br />
wird nach wie vor vom Marxismus beziehungsweise<br />
Leninismus beherrscht. Dennoch verliert<br />
der wirtschaftliche Wohlstand immer mehr die<br />
Funktion, als Rechtfertigung für die Legitimität<br />
des jetzigen Regimes zu dienen. Angesichts der<br />
anhaltenden Weltwirtschaftskrise ist die Funktionsfähigkeit<br />
des jetzigen Wirtschaftsentwicklungsmodells<br />
beschränkt, weswegen China auch<br />
auf eine erneute konjunkturelle Reform angewiesen<br />
ist, um weiterhin wirtschaftlich erfolgreich<br />
zu bleiben.<br />
Aber ohne eine gleichzeitige Veränderung der<br />
politischen Strukturen wird die erwartete Wirtschaftsreform<br />
auf tönernen Füßen stehen. Die<br />
Regierung und die Parteiführung spielen nämlich<br />
für die ökonomischen Abläufe eine substantielle<br />
Rolle. Alle für die Volkswirtschaft bedeutsamen<br />
Abteilungen liegen in den Händen von Staatsbetrieben.<br />
Zudem ist das wichtigste Prinzip der<br />
chinesischen Verfassung auch heutzutage noch<br />
die Leitung Chinas durch die kommunistische<br />
Partei. Vor diesem Hintergrund scheint die Verfassungstransformation<br />
mit der Anerkennung eines<br />
Mehrparteiensystems unvermeidlich zu sein.<br />
Bereits Ende der 1980er Jahre hatten Parteiführung<br />
und Zivilgesellschaft gemeinsam einen<br />
1<br />
Der Verfasser (cheng.mai@msn.cn) ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter der Juristischen Fakultät an der Soochow Universität,<br />
China. Er war von März 2011 bis September 2013<br />
Bundeskanzlerstipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung<br />
und ist derzeit mit einem Stipendium der chinesischen<br />
Regierung als Gastwissenschaftler am <strong>PRuF</strong> tätig.<br />
Versuch unternommen, eine politische und demokratische<br />
Reform voranzutreiben, der aber<br />
tragischerweise in dem Tiananmen Massaker endete.<br />
In der Folge war die Angst vor einem politischen<br />
Chaos, das mit der politischen Reform<br />
einhergehen würde, sehr groß. In der Debatte um<br />
mögliche Reformen mehren sich deshalb die<br />
Stimmen, die eine verfassungsrechtliche Institutionalisierung<br />
der Führungsrolle der KPC, kombiniert<br />
mit einer Stärkung der Einflussmöglichkeiten<br />
des Volkes, befürworten. Aber diese<br />
Möglichkeit und die Frage ihrer konkreten Realisierung<br />
wurden wegen der politischen Sensibilität<br />
noch nicht eingehend diskutiert.<br />
Für die weitere Entwicklung in China können<br />
aber die Erfahrungen Deutschlands sehr wertvoll<br />
sein. 1911 wurde die Republik China als erste<br />
chinesische Demokratie nach der bürgerlichen<br />
demokratischen Revolution gegründet, 8 Jahre<br />
früher als die Weimarer Republik. 1949 entstand<br />
die Bundesrepublik Deutschland, 5 Monate früher<br />
als die Volksrepublik China. Angesichts des<br />
Scheiterns der Weimarer Republik und der Tragödie<br />
des Nazi-Regimes wurde das Grundgesetz<br />
Deutschlands als eine streitbare Demokratie mit<br />
einigen speziellen Bestimmungen für die Aktivitäten<br />
der Parteien ausgestaltet. Dies kann als Innovation<br />
sowohl für die verfassungsrechtliche<br />
Theorie als auch die Praxis bezeichnet werden.<br />
Auf dieser Grundlage haben Wissenschaft und<br />
Politik in Deutschland, verglichen mit vielen anderen<br />
Staaten, ein ausgesprochen differenziertes<br />
Parteienrecht entwickelt. Deutschland ist zurzeit<br />
eine etablierte stabile Demokratie, während China<br />
hiervon noch sehr weit entfernt ist. Trotz ähnlicher<br />
Startpunkte endeten beide Entwicklungsprozesse<br />
in äußerst ungleichen Ergebnissen. Um<br />
eine Transformation Chinas möglichst günstig<br />
beeinflussen zu können, sollten die Ursachen<br />
hierfür eingehend untersucht werden.<br />
Diesem Ziel widmet sich mein hier vorgestelltes<br />
Forschungsprojekt, das sich basierend auf diesen<br />
Überlegungen mit folgenden fünf Fragenkomplexen<br />
befasst:<br />
Es gibt einige Staaten, die von einer einzigen<br />
Partei dominiert wurden und sich erfolgreich<br />
von einem Ein- oder Nullparteisystem zu einem<br />
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