Linksliberale Enterhaken - PRuF
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MIP 2013 19. Jhrg. Heike Merten – Ein untauglicher „Piratenangriff“ gegen das Parteiengesetz Aufgespießt<br />
Ein untauglicher „Piratenangriff“<br />
gegen das Parteiengesetz<br />
Dr. Heike Merten 1<br />
Die Piratenpartei hat im Februar 2012 mit viel<br />
medialer Aufmerksamkeit einen umfassenden<br />
Angriff gegen das Parteiengesetz gestartet. Sie<br />
reichte vor dem Bundesverfassungsgericht eine<br />
Organklage gegen das am 26. August 2011 verkündete<br />
Änderungsgesetz des Parteiengesetzes<br />
ein 2 . Stein des Anstoßes war in erster Linie ein<br />
neuer Berechnungsmodus für die Festsetzung<br />
der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien in<br />
§ 19 a Abs. 5 S. 1 PartG. Durch die Veränderung<br />
des Berechnungsmodus erhalten die etablierten<br />
Parteien mehr und die kleinen Parteien, mit wenig<br />
Eigeneinnahmen, deutlich weniger aus dem<br />
Topf der staatlichen Parteienfinanzierung.<br />
Dies liegt im System der staatlichen Parteienfinanzierung<br />
begründet. Die Zahlungen an die<br />
Parteien sind zweifach limitiert. Zum einen gibt<br />
es eine im Gesetz festgeschriebene sog. absolute<br />
Obergrenze von insg. 150,8 Mio. Euro für das<br />
Jahr 2012 und zum anderen eine sog. relative<br />
Obergrenze, die verhindert das eine Partei mehr<br />
öffentliche Gelder erlangt als sie selbst durch eigenes<br />
Bemühen (Spenden, Mitglieds-, Mandatsträgerabgaben,<br />
sonstige Einnahmen) eingeworben<br />
hat. Die staatliche Parteienfinanzierung darf<br />
also höchstens die Hälfte der Einnahmen einer<br />
Partei ausmachen. Theoretisch höhere Ansprüche<br />
der Parteien werden entsprechend dieser<br />
Obergrenze prozentual gekürzt. Durch das Änderungsgesetz<br />
wurde die Reihenfolge, in der die<br />
Obergrenzen auf die zuvor errechneten Finanzierungsansprüche<br />
der Parteien angewendet werden,<br />
umgedreht. Die Ansprüche werden nun auf<br />
das nach der relativen Obergrenze erlaubte Maß<br />
gekürzt und erst danach die absolute Obergrenze<br />
angewendet. Moniert wurde auch die fehlende<br />
Anrechnung von staatlichen Zuwendungen an<br />
1<br />
Die Verfasserin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und<br />
Geschäftsführerin des <strong>PRuF</strong>.<br />
2<br />
BVerfG 2 BvE 1 /12.<br />
die Jugendorganisationen, Stiftungen und Parlamentsfraktionen<br />
der jeweiligen Parteien auf die<br />
absolute Obergrenze. Die Piraten sehen durch<br />
diese Regelung ihr „Recht auf Chancengleichheit<br />
im politischen Wettbewerb“ verletzt. Eine<br />
weitere interessante, im Organstreitverfahren<br />
aufgeworfene Frage, betrifft die Prämierung von<br />
Mandatsträgerbeiträgen mit staatlichen Zuschüssen<br />
an die Parteien. Mandatsträgerbeiträge resultieren<br />
aus dem Wahlerfolg einer Partei, die der<br />
Staat durch den Wählerstimmenanteil bereits belohnt.<br />
Auch sind sie kein Nachweis für einen<br />
sonstigen Rückhalt der Partei in der Bevölkerung,<br />
der über die ohnehin bestehende Mitgliedschaft<br />
des Mandatsträgers in der Partei hinausgeht.<br />
Insgesamt ein bunter Strauß von nicht ganz unplausiblen<br />
Kritikpunkten am derzeit geltenden<br />
Parteiengesetz. Das Verfahren wurde daher in<br />
der Fachöffentlichkeit mit großer Spannung erwartet.<br />
Es bot die Chance jenseits von Finanzierungsskandalen<br />
das System der Parteienfinanzierung<br />
höchstrichterlich auf den Prüfstand zu stellen<br />
und so 21 Jahre nach der letzten Grundsatzentscheidung<br />
des Bundesverfassungsgerichts<br />
zur staatlichen Parteienfinanzierung 3 erneut eine<br />
grundsätzliche Befassung zu erwirken.<br />
Schon fast symptomatisch für das derzeitige Erscheinungsbild<br />
der Piratenpartei ist das Ende des<br />
Organstreitverfahrens. Gescheitert an einer reinen<br />
Formalie. Der Prozessvertreter der Piratenpartei<br />
war, trotz Hinweises durch den Berichterstatter,<br />
nicht ordnungsgemäß bevollmächtigt<br />
(§ 22 Abs. 2 BVerfGG). Der Antrag wurde somit<br />
nicht wirksam anhängig gemacht. Das Bundesverfassungsgericht<br />
hat daher am 20. Juni 2012<br />
beschlossen den Antrag zu verwerfen 4 ; allerdings<br />
ohne mediale Öffentlichkeit.<br />
3<br />
BVerfGE 85, 264 ff. vom 9. April 1992.<br />
4<br />
BVerfGE 2 BvE 1/12.<br />
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