Linksliberale Enterhaken - PRuF
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Aufgespießt Jasper Prigge – Kielholen oder nicht? [...] MIP 2013 19. Jhrg. Kielholen oder nicht? Die Ordnungsmaßnahmen der Piraten gegen Mitglieder im parteiübergreifenden Vergleich Jasper Prigge 1 1. Einleitung Im Jahr 2012 war die Piratenpartei in der deutschen Presseöffentlichkeit allgegenwärtig. Kaum ein Tag verging, ohne dass über die neue Partei und ihre ganz eigenen Vorstellungen und Probleme berichtet wurde. Dabei bezog sich die Berichterstattung verstärkt auf das politische Personal und den Umgang von Funktionsträgern untereinander. Im Oktober wurde berichtet 2 , der politische Geschäftsführer der Piratenpartei in NRW sei vom Vorstand von seinen Aufgaben entbunden worden. Ferner sei ihm die Fähigkeit, ein Parteiamt zu bekleiden, auf zwei Jahre aberkannt worden. Dass der Parteivorstand darüber entscheidet, ob ein Mitglied ein Amt, in das er vom Parteitag gewählt wurde, weiter ausüben darf, erscheint überraschend. Schließlich zählt unter anderem die Verwirklichung von Basisdemokratie zu den inhaltlichen Grundsätzen der Piraten. 3 Man hätte insoweit erwartet, dass die Basis selbst mittels einer Abwahl über den Verbleib eines Vorstandsmitglieds im Amt entscheidet. Insofern mag es lohnen, einen genaueren Blick auf die in der Bundessatzung 4 der noch jungen Piratenpartei geregelten Ordnungsvorschriften zu werfen und mit denen der anderen Parteien zu vergleichen. 1 Der Verfasser ist studentischer Mitarbeiter am PRuF. 2 Vgl. Spiegel Online vom 03.10.2012, abgerufen am 27.11.2012, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ nrw-piraten-feuern-geschaeftsfuehrer-klaus-hammer-a- 859317.html. 3 http://wiki.piratenpartei.de/Basisdemokratie, abgerufen am 27.11.2012. 4 Bundessatzung der Piratenpartei Deutschlands vom 28.04.2012, http://wiki.piratenpartei.de/Bundessatzung, abgerufen am 27.11.2012. 2. Rechtlicher Rahmen für Ordnungsmaßnahmen gegen Parteimitglieder Die Parteien wirken gem. Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG an der Willensbildung des Volkes mit. Um diese Mitwirkung vor dem Einfluss des Staates zu bewahren, gewährleistet Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG die Freiheit der Parteien vom Staat. 5 Die Parteien und ihre Mitglieder können sich gegenüber dem Staat direkt auf die unterschiedlichen Gewährleistungsgehalte der Parteienfreiheit 6 berufen und sie selbstständig vor den Gerichten durchsetzen. 7 Maßnahmen der Partei gegenüber ihren Mitgliedern, die deren subjektive Rechte beeinträchtigen, beispielsweise Parteiordnungsmaßnahmen, müssen von den betroffenen Parteimitgliedern zunächst in einem internen Parteischiedsgerichtsverfahren zur Überprüfung gestellt werden. Erst, wenn sie hier mit ihrem Anliegen nicht durchdringen, können sie gegen die innerparteiliche Ordnungsmaßnahme vor den staatlichen Gerichten vorgehen, wobei den Gerichten hierbei nur ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab zukommt. 8 Ausdruck der Parteienfreiheit ist es, dass das Parteiengesetz den Parteien unter Berücksichtigung ihres verfassungsrechtlichen Auftrags und der Vorgabe des Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG, nach dem die innere Ordnung der Parteien demokratischen Grundsätzen zu entsprechen hat, nur in den Grundzügen einen organisatorischen Aufbau 5 BVerfGE 20, 56 (105); 24, 300 (335); 44, 125 (139); 73, 40 (96 f). 6 Einen Überblick über die einzelnen Gewährleistungen gibt J. Kersten in: Kersten/Rixen (Hrsg.), Parteiengesetz (PartG) und Europäisches Parteienrecht, Stuttgart 2009, § 1 Rn. 29 ff. m.w.N. 7 H. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 11. Aufl., München 2011, Art. 21 Rn. 3; H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz- Kommentar, Loseblatt (Stand: 08/2012), Art. 21 Rn. 256; M. Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 2. Aufl., Tübingen 2004, Art. 21 Rn. 48 f., J. Kersten in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz und europäisches Parteienrecht, § 1 Rn. 25. 8 BVerfG, NJW 2002, 2227; BGHZ 101, 193, 201 ff.; KG Berlin, Urteil vom 27.20.2006 - 3 U 47/05, juris Rn. 7 f.; J. Ipsen in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 6. Aufl., München 2011, Art. 21 Rn. 87; a.A. M. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 140, der hinsichtlich der Kontrollintensität differenzieren will. 134
MIP 2013 19. Jhrg. Jasper Prigge – Kielholen oder nicht? [...] Aufgespießt vorgibt. Alles Weitere regeln die Parteien durch ihre Satzungen eigenverantwortlich. 9 Trotz dieser Eigenverantwortlichkeit gilt jedoch, dass alle Satzungsregelungen der Parteien nicht nur an bestehenden einfachgesetzlichen Vorschriften, sondern auch an den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 21 GG zu messen sind. 10 Gesetzliche Vorgaben zu Parteiordnungsmaßnahmen finden sich in den §§ 10 und 14 PartG. Nach § 10 Abs. 3 PartG muss die Satzung einer Partei die zulässigen Ordnungsmaßnahmen bestimmen und festlegen, welches Parteiorgan sie aus welchen Gründen verhängen darf. Die Partei ist dabei jedoch nicht gehalten, sämtliche in Betracht kommende Ordnungsgründe in die Satzung aufzunehmen. Ausreichend ist es, wenn der Tatbestand, der eine Ordnungsmaßnahme nach sich zieht, in der Satzung generalklauselartig umrissen ist. 11 § 10 Abs. 4 und 5 PartG beinhalten besondere Voraussetzungen bei Ausschluss eines Mitglieds aus der Partei. Zwingend sind gem. § 14 PartG die Einrichtung eines Parteischiedsgerichts und der Erlass einer Schiedsgerichtsordnung. 3. Parteiordnungsmaßnahmen gegen Piraten- Mitglieder im Einzelnen Die zulässigen Ordnungsmaßnahmen sind in § 6 der Bundessatzung der Piraten geregelt, sie werden gem. § 6 Abs. 1 vom Bundesvorstand gegenüber einem Mitglied verhängt. Die „Ordnung“ in der Partei ist damit primär Sache des Vorstands. Er muss den Betroffenen anhören, ihm die Entscheidung schriftlich überstellen und diese begründen. Nach § 5 Abs. 3 können aber auch Untergliederungen in ihren Satzungen eigene Regelungen hinsichtlich Ordnungsmaßnahmen treffen. 9 BVerfGE 104, 14 (19); J. Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn. 62. 10 M. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21, Rn. 127; nach anderer Ansicht folgt die Nichtigkeit aus § 134 BGB, vgl. J. Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn. 88; P. Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 6. Aufl., München 2012, Art. 21 Rn. 56. 11 S.-Ch. Lenski, Parteiengesetz und Recht der Kandidatenaufstellung, Baden-Baden 2011, § 10 Rn. 31; H. Wißmann, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz, § 10 Rn. 23; J. Ipsen, in: ders. (Hrsg.), Parteiengesetz, München 2008, § 10 Rn. 21. Ein Mitglied kann sich gegen die ihm gegenüber getroffene Maßnahme vor dem Parteischiedsgericht wehren. 12 Die Piraten haben den innerparteilichen Rechtsschutz gegen Ordnungsmaßnahmen damit repressiv ausgestaltet. Im Vergleich zu anderen Parteien fällt auf, dass nur CDU 13 und CSU 14 ebenfalls diesen Weg beschritten haben. Die anderen im Bundestag vertretenen Parteien beteiligen die Parteischiedsgerichte bereits bei der Entscheidung, ob eine Ordnungsmaßnahme gegenüber einem Mitglied ausgesprochen wird. 15 Parteiorgane wie etwa der Vorstand eines Gebietsverbandes (und je nach Schiedsordnung auch einzelne Mitglieder) haben nur ein Antragsrecht. Für die Beteiligten sind in diesem Falle erst Entscheidungen des Parteischiedsgerichts verbindlich, während der Vorstand selbst keine Maßnahmen gegen einzelne Mitglieder ergreifen darf. Als zulässige Ordnungsmaßnahmen nennt die Satzung der Piraten Verwarnung, Verweis, die Enthebung von einem Parteiamt, die Aberkennung der Fähigkeit ein Parteiamt zu bekleiden und den Ausschluss des Mitglieds aus der Partei. Dieser Katalog der Ordnungsmaßnahmen entspricht, mit Abweichungen im Einzelnen, den Regelungen anderer Parteien. 16 Generell reicht es für Ordnungsmaßnahmen aus, dass ein Mitglied gegen Grundsätze, Satzung oder Ordnung der Piraten verstößt und dadurch ein Schaden für die Partei verursacht wird. An den Ausschluss eines Mitgliedes werden höhere Anforderungen gestellt. Erforderlich sind gem. § 5 Abs. 2 der Bundessatzung zusätzlich Vorsatz 12 Einen Einspruch gegen Maßnahmen des Bundesvorstandes sieht die Bundessatzung zwar nicht explizit vor. Dies wird aber von § 6 Abs. 8 der Bundessatzung, nach dem das Parteischiedsgericht auch eine mildere Ordnungsmaßnahme verhängen kann, und § 7 Abs. 5 der Schiedsordnung vorausgesetzt. 13 Vgl. § 10 Abs. 3 Bundessatzung CDU. 14 Vgl. § 62 Abs. 2 Satzung CSU. 15 Vgl. § 35 Abs. 4 Organisationsstatut SPD, § 19 Abs. 5 Bundessatzung Bündnis 90/Die Grünen, § 9 Abs. 2 Nr. 2 Schiedsgerichtsordnung FDP, § 37 Abs. 7 Bundessatzung Die Linke. 16 Vgl. § 35 Abs. 2 Organisationsstatut SPD, § 10 Abs. 2 Bundessatzung CDU, § 62 Abs. 2 Satzung CSU, § 30 Abs. 2 Bundessatzung Bündnis 90/Die Grünen, § 6 Abs. 1 Bundessatzung FDP, § 3 Bundessatzung Die Linke. 135
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vorgibt. Alles Weitere regeln die Parteien durch<br />
ihre Satzungen eigenverantwortlich. 9 Trotz dieser<br />
Eigenverantwortlichkeit gilt jedoch, dass alle<br />
Satzungsregelungen der Parteien nicht nur an bestehenden<br />
einfachgesetzlichen Vorschriften, sondern<br />
auch an den verfassungsrechtlichen Vorgaben<br />
des Art. 21 GG zu messen sind. 10<br />
Gesetzliche Vorgaben zu Parteiordnungsmaßnahmen<br />
finden sich in den §§ 10 und 14 PartG. Nach<br />
§ 10 Abs. 3 PartG muss die Satzung einer Partei<br />
die zulässigen Ordnungsmaßnahmen bestimmen<br />
und festlegen, welches Parteiorgan sie aus welchen<br />
Gründen verhängen darf. Die Partei ist dabei<br />
jedoch nicht gehalten, sämtliche in Betracht kommende<br />
Ordnungsgründe in die Satzung aufzunehmen.<br />
Ausreichend ist es, wenn der Tatbestand, der<br />
eine Ordnungsmaßnahme nach sich zieht, in der<br />
Satzung generalklauselartig umrissen ist. 11 § 10<br />
Abs. 4 und 5 PartG beinhalten besondere Voraussetzungen<br />
bei Ausschluss eines Mitglieds aus der<br />
Partei. Zwingend sind gem. § 14 PartG die Einrichtung<br />
eines Parteischiedsgerichts und der Erlass<br />
einer Schiedsgerichtsordnung.<br />
3. Parteiordnungsmaßnahmen gegen Piraten-<br />
Mitglieder im Einzelnen<br />
Die zulässigen Ordnungsmaßnahmen sind in § 6<br />
der Bundessatzung der Piraten geregelt, sie werden<br />
gem. § 6 Abs. 1 vom Bundesvorstand gegenüber<br />
einem Mitglied verhängt. Die „Ordnung“ in<br />
der Partei ist damit primär Sache des Vorstands.<br />
Er muss den Betroffenen anhören, ihm die Entscheidung<br />
schriftlich überstellen und diese begründen.<br />
Nach § 5 Abs. 3 können aber auch Untergliederungen<br />
in ihren Satzungen eigene Regelungen<br />
hinsichtlich Ordnungsmaßnahmen treffen.<br />
9<br />
BVerfGE 104, 14 (19); J. Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21<br />
Rn. 62.<br />
10<br />
M. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21, Rn. 127; nach anderer<br />
Ansicht folgt die Nichtigkeit aus § 134 BGB,<br />
vgl. J. Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn. 88; P. Kunig,<br />
in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar,<br />
Bd. 1, 6. Aufl., München 2012, Art. 21 Rn. 56.<br />
11<br />
S.-Ch. Lenski, Parteiengesetz und Recht der Kandidatenaufstellung,<br />
Baden-Baden 2011, § 10 Rn. 31; H. Wißmann,<br />
in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz, § 10 Rn. 23;<br />
J. Ipsen, in: ders. (Hrsg.), Parteiengesetz, München<br />
2008, § 10 Rn. 21.<br />
Ein Mitglied kann sich gegen die ihm gegenüber<br />
getroffene Maßnahme vor dem Parteischiedsgericht<br />
wehren. 12 Die Piraten haben den innerparteilichen<br />
Rechtsschutz gegen Ordnungsmaßnahmen<br />
damit repressiv ausgestaltet. Im Vergleich zu anderen<br />
Parteien fällt auf, dass nur CDU 13 und<br />
CSU 14 ebenfalls diesen Weg beschritten haben.<br />
Die anderen im Bundestag vertretenen Parteien<br />
beteiligen die Parteischiedsgerichte bereits bei der<br />
Entscheidung, ob eine Ordnungsmaßnahme gegenüber<br />
einem Mitglied ausgesprochen wird. 15<br />
Parteiorgane wie etwa der Vorstand eines Gebietsverbandes<br />
(und je nach Schiedsordnung auch<br />
einzelne Mitglieder) haben nur ein Antragsrecht.<br />
Für die Beteiligten sind in diesem Falle erst Entscheidungen<br />
des Parteischiedsgerichts verbindlich,<br />
während der Vorstand selbst keine Maßnahmen<br />
gegen einzelne Mitglieder ergreifen darf.<br />
Als zulässige Ordnungsmaßnahmen nennt die<br />
Satzung der Piraten Verwarnung, Verweis, die<br />
Enthebung von einem Parteiamt, die Aberkennung<br />
der Fähigkeit ein Parteiamt zu bekleiden<br />
und den Ausschluss des Mitglieds aus der Partei.<br />
Dieser Katalog der Ordnungsmaßnahmen entspricht,<br />
mit Abweichungen im Einzelnen, den<br />
Regelungen anderer Parteien. 16<br />
Generell reicht es für Ordnungsmaßnahmen aus,<br />
dass ein Mitglied gegen Grundsätze, Satzung<br />
oder Ordnung der Piraten verstößt und dadurch<br />
ein Schaden für die Partei verursacht wird. An<br />
den Ausschluss eines Mitgliedes werden höhere<br />
Anforderungen gestellt. Erforderlich sind gem.<br />
§ 5 Abs. 2 der Bundessatzung zusätzlich Vorsatz<br />
12<br />
Einen Einspruch gegen Maßnahmen des Bundesvorstandes<br />
sieht die Bundessatzung zwar nicht explizit<br />
vor. Dies wird aber von § 6 Abs. 8 der Bundessatzung,<br />
nach dem das Parteischiedsgericht auch eine mildere<br />
Ordnungsmaßnahme verhängen kann, und § 7 Abs. 5<br />
der Schiedsordnung vorausgesetzt.<br />
13<br />
Vgl. § 10 Abs. 3 Bundessatzung CDU.<br />
14<br />
Vgl. § 62 Abs. 2 Satzung CSU.<br />
15<br />
Vgl. § 35 Abs. 4 Organisationsstatut SPD, § 19 Abs. 5<br />
Bundessatzung Bündnis 90/Die Grünen, § 9 Abs. 2 Nr. 2<br />
Schiedsgerichtsordnung FDP, § 37 Abs. 7 Bundessatzung<br />
Die Linke.<br />
16<br />
Vgl. § 35 Abs. 2 Organisationsstatut SPD, § 10 Abs. 2<br />
Bundessatzung CDU, § 62 Abs. 2 Satzung CSU, § 30<br />
Abs. 2 Bundessatzung Bündnis 90/Die Grünen, § 6 Abs. 1<br />
Bundessatzung FDP, § 3 Bundessatzung Die Linke.<br />
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