Linksliberale Enterhaken - PRuF
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MIP 2013 19. Jhrg. Aiko Wagner/Antonia May – <strong>Linksliberale</strong> <strong>Enterhaken</strong> [...] Aufgespießt<br />
ten ist es durchaus denkbar, dass die Gründe für<br />
die Wahl bzw. Unterstützung dieser andere sind<br />
als für andere Parteien. Wenn dies der Fall ist,<br />
wären die berichteten Ähnlichkeiten wenig relevant.<br />
Jedoch lassen sich auch hier keine Besonderheiten<br />
der Piraten erkennen – die Gründe der Wahlentscheidung<br />
sind die gleichen wie für die Bundestagsparteien.<br />
Ein Regressionsmodell zur Erklärung<br />
der Wahlabsicht einer Partei stärkt vielmehr<br />
die oben vorgestellten deskriptiven Befunde:<br />
Die berichtete Wahlabsicht der Befragten<br />
wurde mittels des Alters und Geschlechts, ihrer<br />
ideologischen Selbsteinstufung sowie ihrer Demokratiezufriedenheit<br />
erklärt. Im Bezug auf die<br />
prospektiven Piratenwähler zeigen sich vier<br />
deutliche und statistisch signifikante Ergebnisse:<br />
Erstens sind sie jünger als die Wähler aller anderen<br />
Parteien und der Nichtwähler. Zudem ist,<br />
zweitens, der Anteil männlicher Wähler deutlich<br />
höher. Drittens verorten sich die Wähler der<br />
FDP und der Unionsparteien signifikant weiter<br />
rechts auf der zentralen ideologischen Achse des<br />
politischen Wettbewerbs, während die Grünenund<br />
die Linkenwähler links von den Piratenwählern<br />
stehen. Die ideologische Selbstverortung<br />
unterscheidet jedoch nicht verlässlich zwischen<br />
SPD und Piratenpartei. Viertens sind Piratenwähler<br />
signifikant unzufriedener mit der Demokratie<br />
als die Wähler aller anderen Parteien, mit<br />
Ausnahme der Linken. Ihre Unzufriedenheit mit<br />
dem gegenwärtigen Zustand der Demokratie in<br />
der Bundesrepublik ist jedoch geringer als die<br />
der Nichtwähler.<br />
Interessanterweise kann in diesem auf den ersten<br />
Blick ernüchternden Befund sowohl eine Erklärung<br />
für das Erstarken als auch für den momentanen<br />
Sinkflug der Piraten gefunden werden.<br />
Fassen wir kurz zusammen: Erstens, hinsichtlich<br />
der ideologischen Positionierung schließen die<br />
Piraten keine Lücke – im Gegenteil, der gemäßigt<br />
linke Bereich ist der am dichtesten von Parteien<br />
besiedelte Raum im deutschen Parteiensystem.<br />
Zweitens, das Binden von mit dem Funktionieren<br />
der Demokratie eher Unzufriedenen ist<br />
kein Alleinstellungsmerkmal der Piratenpartei.<br />
Drittens, sozialstrukturell richten sie sich nicht<br />
an eine spezifische, bislang kaum repräsentierte<br />
Gruppe – gerade höher gebildete Männer gelten<br />
nicht als unterrepräsentiert. Viertens, sind die<br />
Zusammenhänge zwischen Einstellungen und<br />
Soziodemographie auf der einen und Wahlentscheidung<br />
auf der anderen Seite für die Piraten<br />
nicht grundsätzlich verschieden von den Zusammenhängen<br />
für andere Parteien.<br />
Dies bedeutet gleichzeitig, dass die vor allem<br />
seit der zweiten Jahreshälfte 2012 stärkere Betonung<br />
von politischen Positionen und der damit<br />
verbundene relative Bedeutungsverlust der Polity-<br />
und Politics-Dimension der piratischen Politik<br />
nicht zum elektoralen Erfolg der Piratenpartei<br />
beiträgt. Solange sie nicht vornehmlich als Partei<br />
mit inhaltlichem Sonderstatus wahrgenommen<br />
wurde, sondern als Repräsentantin eines neuen,<br />
flexibleren, ‚flüssigen’ Politikstils und als Verfechterin<br />
transparenterer demokratischer Institutionen,<br />
konnte sie trotz der schraffierten ‚Nichtbesonderheit’<br />
Erfolge feiern. Aber bereits nach<br />
ihrem Einzug in das Berliner Abgeordnetenhaus<br />
wurde der Ruf nach einer inhaltlichen Profilierung<br />
laut – und die Piraten folgten diesem. Die<br />
damit verbundene Wahrnehmung, dass Policies<br />
auch bei den Piraten als wichtiger gelten würden<br />
als Fragen der institutionellen Dimension und<br />
bezüglich der Prozesse des Politischen, führt<br />
dann folgerichtig dazu, dass sie ihre Sonderstellung<br />
verlieren. Ohne diese aber verlieren sie ihre<br />
Attraktivität und damit ihre Unterstützerbasis.<br />
Dass sich die Piraten hinsichtlich ihrer Transparenz-<br />
und Beteiligungsvorstellungen von den<br />
etablierten Parteien unterscheiden, ist evident.<br />
Bezogen auf die inhaltlichen Politikpräferenzen<br />
ihrer Anhängerschaft sind die Piraten aber keineswegs<br />
eine Partei sui generis. In dem Maße, in<br />
dem sie sich zu etablieren vermögen, tragen sie<br />
zu einer weiteren Fragmentierung des linken<br />
Spektrums der Parteienlandschaft bei. Ob die<br />
Partei aber als relevanter Faktor der bundesdeutschen<br />
Politik Bestand haben wird, wird nicht zuletzt<br />
davon abhängen, ob es der Piratenpartei gelingt,<br />
die organisatorischen Herausforderungen<br />
zu bestehen, die für eine Professionalisierung im<br />
parlamentarischen Betrieb notwendig sind, ohne<br />
ihre anfangs enthusiastisch engagierte Anhängerschaft<br />
zu verprellen.<br />
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