Linksliberale Enterhaken - PRuF
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MIP 2013 19. Jhrg. Philipp Scherer/Ina E. Bieber – Eintagsfliege oder Partei mit Zukunft? [...] Aufsätze<br />
stellt sich umso eindringlicher die Frage, welche<br />
Chancen die Partei hat, sich auf der politischen<br />
Landkarte als ernstzunehmende Alternative zu<br />
etablieren. Mit Blick auf die Wählerschaft der Piraten<br />
haben wir den Versuch unternommen, eine<br />
Antwort auf diese Frage zu geben. Dabei wurden<br />
zunächst aus dem wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen<br />
Diskurs drei zentrale Erklärungsansätze<br />
herausgearbeitet, die häufig mit den<br />
Erfolgen der Piratenpartei in Verbindung gebracht<br />
werden: (1) Die Konzentration auf die Sachthemen<br />
Netzpolitik und Datenschutz, (2) Protestwahlverhalten<br />
und (3) der transparente und basisdemokratische<br />
Politikstil der Partei.<br />
Die empirischen Betrachtungen haben gezeigt,<br />
dass die Wähler/innen der Piratenpartei sich von<br />
ihren sozialstrukturellen Merkmalen her von den<br />
Wähler/innen der etablierten Parteien unterscheiden.<br />
Die von Niedermayer (2013: 73) vorgenommene<br />
Charakterisierung des Kernbestands der<br />
Piratenwähler/innen als „'jung, männlich und<br />
netzaffin'“ ist zutreffend. Wird die Wählerschaft<br />
der Piraten in ihrer Gesamtheit betrachtet, sollte<br />
die Charakterisierung noch durch „politisch enttäuscht<br />
und/oder ungebunden“ ergänzt werden.<br />
Eine vergleichsweise hohe Anzahl an Piratenwähler/innen,<br />
die keine Parteiidentifikation aufweisen<br />
oder aber entgegen ihrer parteipolitischen<br />
Identität die Piraten wählen würden, weist darauf<br />
hin. Auch eine genauere Betrachtung der für die<br />
Wahlentscheidung ausschlaggebenden Motive<br />
auf Basis der offenen Abfrage der Wahlentscheidungsgründe<br />
zeigt, dass Enttäuschung und Protest<br />
eine Stimmabgabe zugunsten der Piraten katalysieren.<br />
Doch die Piraten werden nicht nur aus<br />
Protest gewählt. Einen zweiten wichtigen Grund<br />
für eine Piratenwahl stellt die von ihnen propagierte<br />
offene und basisdemokratisch ausgerichtete<br />
Form der „Liquid Democracy“ dar, die sie von<br />
ihren Konkurrentinnen abhebt. Demgegenüber<br />
spielen politische Inhalte eine vergleichsweise<br />
geringe Rolle bei einer Erklärung ihrer Wahlerfolge.<br />
Im multivariaten Modell wird ferner die<br />
These der Netzaffinität der Piratenwähler/innen<br />
bestätigt: Die Position eines/einer Wählers/Wählerin<br />
zum Thema Netzpolitik hat als einziges<br />
einen signifikanten Einfluss darauf, ob die Piraten<br />
gewählt werden oder nicht.<br />
Doch wie sind diese Ergebnisse nun zu bewerten?<br />
Die Chancen der Piraten auf nachhaltige Erfolge<br />
auf Bundes- und Landesebene sind als reine<br />
Protestpartei sicher am geringsten. Gelingt es<br />
der jungen Partei hingegen, sich inhaltlich als<br />
eine politische Alternative darzustellen, sich als<br />
„Partei neuen Typus“ zu etablieren, die einen basisdemokratischen<br />
und transparenten Politikstil<br />
verfolgt und auf diesem Wege den Wähler/innen<br />
eine spezifische politische Identität präsentiert,<br />
besteht für die Piraten eine gewisse Möglichkeit<br />
zu überleben, den deutschen Parteienwettbewerb<br />
zu verändern und auf lange Sicht Einfluss auf die<br />
Regierungsbildung zu nehmen. Ob von den Piraten<br />
nach dem Einzug in vier Landtage überhaupt<br />
noch von einer Eintagsfliege gesprochen werden<br />
kann, ist anzuzweifeln. In Anbetracht unserer Untersuchungsergebnisse<br />
sollte jedoch aus einer<br />
Fliege nicht gleich ein Elefant gemacht werden.<br />
Literatur<br />
Arzheimer, Kai (2002): Politikverdrossenheit.<br />
Bedeutung, Verwendung und empirische Relevanz<br />
eines politikwissenschaftlichen Begriffes.<br />
Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.<br />
Arzheimer, Kai (2005): Die Wahl extremistischer<br />
Parteien. In: Falter/Schoen (Hg.): Handbuch<br />
Wahlforschung. Wiesbaden: VS Verlag für<br />
Sozialwissenschaften, 389-421.<br />
Arzheimer, Kai (2008): Die Wähler der extremen<br />
Rechten 1980 - 2002. Wiesbaden: VS Verlag<br />
für Sozialwissenschaften.<br />
Baringhorst, Sigrid; Yang, Mundo (2012): Protestkulturen<br />
und Parteigründungen. Das Beispiel<br />
der Piraten. In: Bieber/Leggewie (Hg.): Unter<br />
Piraten. Erkundungen in einer neuen politischen<br />
Arena. Bielefeld: transcript, 187-198.<br />
Bieber, Christoph; Leggewie, Claus (2012): Unter<br />
Piraten. Erkundungen einer neuen politischen<br />
Arena. Bielefeld: transcript.<br />
Bieber, Christoph (2012a): Die Piratenpartei als<br />
neue Akteurin im Parteiensystem. In: Aus Politik<br />
und Zeitgeschehen Heft B 7, 27-33.<br />
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