Linksliberale Enterhaken - PRuF
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Aufsätze Philipp Scherer/Ina E. Bieber – Eintagsfliege oder Partei mit Zukunft? [...] MIP 2013 19. Jhrg.<br />
der Einfluss der Bildung auf die Wahlchancen<br />
der Piraten intensiver zu prüfen sein.<br />
Die Ergebnisse der Themenorientierung unterstreichen<br />
die bisherigen Beobachtungen und<br />
weisen in die vermutete Richtung. Den Piratenparteiwähler/innen<br />
ist ein Interesse für die Netzpolitik<br />
gemein: Sie sprechen sich für eine geringere<br />
Kontrolle des Internets aus. Wie vermutet<br />
übt keines der anderen drei untersuchten Themen<br />
einen signifikanten Einfluss auf die Wahlchancen<br />
der Piratenpartei aus. Somit kann, entgegen<br />
den Ergebnissen der offenen Frage, durchaus<br />
ein politikfeldbezogener Einfluss der Themenorientierung<br />
auf die Wahlentscheidung der<br />
Piratenwähler/innen identifiziert werden. Diese<br />
Beobachtung weist in deutlichem Maße darauf<br />
hin, dass bei der Analyse der offenen Fragen<br />
Vorsicht geboten ist, da nur der erstgenannte<br />
Grund für die Wahlentscheidung berücksichtigt<br />
wird. In einem Entscheidungsprozess sind bekanntermaßen<br />
jedoch zahlreiche offene und verdeckte<br />
Faktoren wirksam, die mittels einer einzigen<br />
offenen Frage nur schwer zu erfassen sind.<br />
Werden die Ergebnisse zur Demokratiezufriedenheit<br />
und dem Vertrauen in politische Institutionen<br />
und Politiker/innen betrachtet, so fällt auf,<br />
dass die Wähler/innen der Piratenpartei tatsächlich<br />
vergleichsweise unzufrieden mit der Demokratie<br />
sind. Auch den politischen Institutionen<br />
bringen sie, zumindest im klassischen Modell,<br />
ein geringeres Vertrauen entgegen. Das Vertrauen<br />
in die Politiker/innen übt dagegen keinen signifikanten<br />
Einfluss aus.<br />
Bezüglich der Parteiidentifikation fällt sowohl<br />
im klassischen als auch im gemischten Modell<br />
auf, dass der Anteil der politisch nicht festgelegten<br />
Wähler/innen bei der Piratenpartei besonders<br />
groß ist. Dies zeigt sich an dem vergleichsweise<br />
hohen Anteil an Personen ohne Parteiidentifikation.<br />
Ferner stimmen viele Personen entgegen ihrer<br />
Parteiidentifikation für die Piraten. Die Ergebnisse<br />
deuten darauf hin, dass unter den Piratenparteiwähler/innen<br />
zahlreiche Protestwähler<br />
zu finden sind: Diese wählen die Partei nicht<br />
aufgrund ihrer Programmatik oder ihres politischen<br />
Personals. Vielmehr entscheiden sie sich<br />
für die Piraten entweder aus der Emotion heraus,<br />
weil sie ihren Protest gegenüber dem politischen<br />
Prozess ausdrücken möchten oder aus rationalen<br />
Gründen, weil sich die „eigene“ Partei sachpolitisch<br />
zu weit von den eigenen Positionen entfernt<br />
hat.<br />
Das zweite Modell zeigt die Wirkung der mittels<br />
der offenen Frage identifizierten zentralen Motive<br />
der Piratenwahl – neuer Politikstil, Themenorientierung<br />
und Protestwahl – auf die Wahlchancen<br />
der Piraten. Wie auch im deskriptiven<br />
Teil zu erkennen ist, üben das Protestverhalten<br />
und der Bezug auf einen neuen Politikstil einen<br />
sehr starken Einfluss auf die Erfolgschancen aus,<br />
die Themenorientierung hingegen einen eher geringen.<br />
Die hohen Odds Ratios bei der Protestwahl<br />
und dem neuen Politikstil sind der Tatsache<br />
geschuldet, dass diese von den Wähler/innen der<br />
anderen Parteien im Vergleich zur Wählerschaft<br />
der Piraten nur sehr selten genannt wurden.<br />
Werden die Ergebnisse des gemischten Modells<br />
betrachtet, in dem neben den Einflussfaktoren<br />
des klassischen Modells auch der neue Politikstil<br />
aus dem Modell mit den offenen Gründen Berücksichtigung<br />
findet, verändern sich die Ergebnisse<br />
der Berechnungen nur rudimentär: Der<br />
Umfang der Internetnutzung und das Institutionenvertrauen<br />
üben nun keinen signifikanten Einfluss<br />
mehr aus. Zentrale Erklärungsfaktoren sind<br />
weiterhin Geschlecht, Alter, das Thema Netzpolitik,<br />
die Demokratiezufriedenheit, die Parteiidentifikation,<br />
die Protestwahl und der neue Politikstil.<br />
Das gemischte Modell ist, mit einem<br />
Pseudo R² von .44, das Modell mit der höchsten<br />
Erklärungskraft und weist die beste Modellanpassung,<br />
gemessen am AIC, BIC und LL, auf.<br />
Zusammenfassend zeigt sich, dass sowohl sozialstrukturelle<br />
Faktoren wie Geschlecht, Alter, Bildung<br />
sowie die Internetnutzung als auch die drei<br />
inhaltlich vermuteten Faktoren Themenorientierung,<br />
Protestwahl und neuer Politikstil einen entscheidenden<br />
Einfluss auf den Wahlerfolg der Piratenpartei<br />
ausüben.<br />
5. Eintagsfliege oder Partei mit Zukunft?<br />
Mit den Landtagswahlen in Niedersachsen haben<br />
die Politneulinge der Piraten den Nimbus der<br />
„Gewinnerpartei“ (Geisler 2013) verloren. Damit<br />
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