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Linksliberale Enterhaken - PRuF

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Aufsätze Philipp Scherer/Ina E. Bieber – Eintagsfliege oder Partei mit Zukunft? [...] MIP 2013 19. Jhrg.<br />

beschrieben werden können, eine große Zahl<br />

von Randwählern“ befindet, deren „Unmut über<br />

die etablierten Parteien und der Wunsch nach<br />

einem neuen Politikstil“ sie zur Stimmabgabe<br />

motiviert.<br />

Ein weiterer Faktor, der häufig zur Erklärung der<br />

Piratenwahl herangezogen wird, ist mit dem<br />

Wunsch vieler Wähler/innen nach einer neuen<br />

Form von Politik verbunden. Demnach vermittelt<br />

die Partei einen neuen Politikstil. D.h. die<br />

Art und Weise wie Politik gemacht wird, ist bei<br />

den Piraten vollkommen anders als bei den etablierten<br />

Parteien: Unter dem Stichwort „Liquid<br />

Democracy“ – einer „Mischform zwischen indirekter<br />

und direkter Demokratie“ (wiki.piratenpartei<br />

2013), die es jedem selbst überlässt, sich<br />

aktiv zu beteiligen oder seine Interessen durch<br />

andere vertreten zu lassen – propagieren die Piraten<br />

eine authentische, transparente und leidenschaftliche<br />

Auseinandersetzung mit Politik (Lessig<br />

2012). So würden die Piraten auch kein Parteiprogramm,<br />

sondern ein Betriebssystem zum Politikmachen<br />

bieten, wie die ehemalige politische<br />

Geschäftsführerin der Partei Marina Weisband<br />

betont (Thieme 2011; vgl. hierzu auch Vogelmann<br />

2012). Oder anders gesprochen, die Piraten<br />

sind „eine Partei neuen Typs“.<br />

Den bisherigen Überlegungen folgend, sind es<br />

vornehmlich drei zentrale Faktoren, die zur Erklärung<br />

des Wahlerfolgs der Piratenpartei heranzuziehen<br />

sind: Erstens, die thematische Konzentration<br />

auf die Sachthemen Netzpolitik und Datenschutz,<br />

zweitens, klassisches Protestwahlverhalten,<br />

mit dem die Wähler/innen ihren Unmut<br />

gegenüber der Politik der etablierten Parteien<br />

ausdrücken möchten, und drittens, die Etablierung<br />

eines neuen offenen und basisdemokratischen<br />

Politikstils, der auf die Wünsche der Wähler/innen<br />

nach mehr Transparenz in der Politik<br />

eingeht. Eine längerfristige Etablierung in der<br />

deutschen Parteienlandschaft kann der Piratenpartei<br />

jedoch nur dann gelingen, wenn sie sich<br />

entweder thematisch gut im Parteiensystem positionieren<br />

kann und/oder es schafft, durch einen<br />

neuen Politikstil eine loyale Anhängerschaft aufzubauen.<br />

3. Daten und methodische Vorgehensweise<br />

Im Rahmen dieser Untersuchung werden Daten<br />

einer Onlineerhebung der German Longitudinal<br />

Election Study (GLES) verwendet. Die Daten<br />

wurden vom 2. bis zum 15. Mai 2012 erhoben.<br />

Obwohl die 1016 realisierten Befragungen vom<br />

LINK-Institut offline rekrutiert und quotiert wurden,<br />

kann nicht davon ausgegangen werden, dass<br />

dadurch eine repräsentative Stichprobe aller<br />

wahlberechtigten Bundesbürger/innen realisiert<br />

ist 3 . Zwar befinden sich gleichermaßen Männer<br />

und Frauen in der Umfrage, jedoch sind hochgebildete<br />

Personen jüngeren Alters in überdurchschnittlichem<br />

Maße vertreten, was sich auch auf<br />

das Ergebnis der Sonntagsfrage auswirkt 4 . In der<br />

vorliegenden Analyse ist dies weniger problematisch,<br />

da es sich um einen Gruppenvergleich handelt<br />

und die Charakterisierung der Piratenparteiwähler/innen<br />

im Vergleich zu den Wähler/innen anderer<br />

Parteien vorgenommen wird. Daher wird auch<br />

von einer Gewichtung abgesehen, da dies bei<br />

Online-Umfragen mit anderen Problemen verbunden<br />

ist (Faas/Schoen 2008) 5 .<br />

Unsere Annäherung an das Phänomen „Piratenpartei“<br />

erfolgt über die Betrachtung der Wählerschaft.<br />

Wir fragen, ob sich Piratenwähler/innen 6<br />

3<br />

Das LINK Internet Panel ist ein zu 100% aktiv durch<br />

eine bevölkerungsrepräsentative Telefonbefragung rekrutiertes<br />

Online Panel. Quotiert wurde nach Geschlecht<br />

(Frauen: 50%, Männer: 50%), Bildung (Niedrig:<br />

35%, Mittel: 40%, Hoch: 25%) und Alter (18-29-<br />

Jährige: 25%, 30-39-Jährige: 20%, 40-49-Jährige:<br />

25%, 50-59-Jährige: 15%, über 60-Jährige: 15%), wobei<br />

die Quote hinsichtlich der Bildung nicht realisiert<br />

werden konnte (realisierte Quote: Niedrig: 10%, Mittel:<br />

32%, Hoch: 58%) (Rattinger et al 2013).<br />

4<br />

CDU/CSU: 27,6%; SPD: 25,0%, FDP: 4,9%, Bündnis<br />

90/Die Grünen: 18,2%, Die Linke: 6,8%, Piratenpartei:<br />

15,6%, andere Parteien: 1,9 Prozent (Berechnungsgrundlage:<br />

Beabsichtige und Hypothetische Stimmabgabe).<br />

5<br />

Ein weiteres Problem von Online-Umfragen sind Befragte,<br />

die die Umfrage deutlich schneller durchführen<br />

als die übrigen Teilnehmer/innen, wobei davon auszugehen<br />

ist, dass die Datenqualität darunter leidet, weshalb<br />

wir die sogenannten Zeitunterschreiter, berechnet<br />

auf der Grundlage des Index von Joss Rossmann, nicht<br />

berücksichtigt haben (Rattinger et al. 2012).<br />

6<br />

Als Piratenwähler/innen werden alle Personen betrachtet,<br />

die bei der Sonntagsfrage angegeben haben, mit ihrer<br />

Zweitstimme die Piraten zu wählen (Berechnungsgrundlage:<br />

Beabsichtigte und Hypothetische Stimmabgabe).<br />

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