Linksliberale Enterhaken - PRuF
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Aufsätze Deniz Anan – Die Bayern-Ampel als Schnittmengenkoalition? [...] MIP 2013 19. Jhrg. sprüchlich: Staatskritik und Etatismus stehen nahe beieinander. Kritik an Sozialstaatsmissbrauch und staatlicher Umverteilung stehen einem klaren Bekenntnis zum öffentlichen Dienst und einer Kritik an Globalisierung, Liberalisierung, „kurzsichtiger ‚Spar’politik“ und der Umwandlung „vollwertige[r] Arbeitsplätze in ‚Billigjobs‘“ (FW 2008: 14) gegenüber. Die konkreten Forderungen sind selten auf die Landespolitik bezogen und oft sehr abstrakt; konkrete Mittel und Adressaten fehlen („Spaltung der Gesellschaft verhindern“; „Mittelstand als tragende Säule der Wirtschaft stärken“; FW 2002: 14; 15). Bürokratieabbau, die Zahlungsdisziplin öffentlicher Auftraggeber, innenstadtorientierte Entwicklungsplanung und ein Hinterfragen der Erbschaftssteuer zählen zu den konkretesten Forderungen. Die FW zeigen sich privatisierungskritisch. Sie „sehen in der zunehmenden Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge eine Gefahr für die Versorgungssicherheit der Bevölkerung. (…) Zahlreiche Negativbeispiele aus Ländern wie Frankreich oder Großbritannien (…) sollte (sic!) uns eine Warnung sein.“ (FW 2008: 8). Einen besonderen Stellenwert hat bei den FW die Strukturpolitik für den ländlichen Raum. Um das Ziel der „Gleichwertigkeit von Stadt und Land“ (FW 2008: 9) zu erreichen, wird insbesondere eine gut ausgestattete dezentrale Infrastruktur (Straßen, Breitbandanschlüsse, Schulen, Krankenhäuser) angemahnt. Gefordert wird eine Versorgung in der Fläche an Stelle von Prestigeprojekten. Zu den Staatsschulden äußern sich die FW nicht explizit, betonen aber an mehreren Stellen ihre Präferenz für zusätzliche Ausgaben: „Ein ausgeglichener Haushalt heute darf nicht zur Schuldenexplosion in einigen Jahren führen.“ (FW 2008: 10). 3.1.4. Fazit Der Forderungskatalog der SPD entspricht dem klassischen sozialdemokratischen Kanon: Umverteilung von Einkommen und Vermögen, Einkommenssteigerungen, Tarifbindung, expansive Ausgabenpolitik, Infrastruktur als öffentliches Eigentum, egalitäre Sozialpolitik und Haushaltskonsolidierung durch Steuererhöhungen. Der Haushalt soll vornehmlich durch höhere (Erbschafts- und Vermögens-) Steuern konsolidiert werden. Auch bei den Grünen finden sich linke Topoi wie Marktsteuerung und Umverteilung, allerdings angereichert um grüne Spezifika wie die ökologische Marktwirtschaft, Nachhaltigkeit und Kleinteiligkeit. In der Sympathie für ein Trennmodell in den Finanzbeziehungen und der Haushaltskonsolidierung durch Ausgabenkürzungen ist aber klar erkennbar, dass grüne Positionen mit sozialdemokratischen Positionen nur teilweise identisch sind und teils eine gewisse Nähe zu wirtschaftsliberalen Vorstellungen aufweisen. Den größten Kontrast hierzu bietet die FW-Programmatik, die aufgrund ihres rudimentären Charakters, ihrer Unbestimmtheit und ihrer Widersprüchlichkeit nur schwer zu charakterisieren ist. Globalisierungs- und Privatisierungskritik bilden Berührungspunkte mit SPD und Grünen, allerdings sind die Positionen der Freien Wähler viel stärker mittelstands- und eigentumsorientiert. Da geistig-kulturelle Pendants fehlen, kann man diese Ideologie aber auch nicht als liberal, sondern allenfalls als proto- oder vulgärliberal bezeichnen. Das FW-Programm fordert auch nicht den ausgeglichenen Staatshaushalt. Angesichts der besonderen Bedeutung der Kommunen und des ländlichen Raums lassen sich die FW auch als agrarische Partei im Sinne des Stadt-Land- Konflikts (Lipset/Rokkan 1967) charakterisieren, der in Deutschland, anders als etwa in Skandinavien, bislang noch keinen Niederschlag im Parteiensystem gefunden hat. 3.2. Innen-, Rechts- und Gesellschaftspolitik 3.2.1. SPD Die Forderungen in Bayern ist vielfältig und bunt und Staat und Bürgerrechte enthalten wenig Überraschendes. Die Genossen fordern Datenschutz und Transparenz, konkret ein Informationsfreiheitsgesetz, und mehr Demokratie in der Schule. Laut SPD ist die „Balance [von Freiheit und Sicherheit] gekippt“, und zwar durch die „[stetige Ausweitung der] Befugnisse der Polizei“. Die SPD lehnt „Schleierfahndung, Videoüberwachung, Autokennzeichen-Scanning“ und die „Online-Durchsuchung“ ab. In drastischen Worten wird gewarnt vor „totale[r] Kontrolle, Militarisierung der Gesellschaft (…), Jugend- 100
MIP 2013 19. Jhrg. Deniz Anan – Die Bayern-Ampel als Schnittmengenkoalition? [...] Aufsätze strafcamps und Hochsicherheitsgefängnisse[n] als Heilmittel zur scheinbaren Sicherheit.“ (SPD 2008: 40). Alternativ fordert die SPD Prävention und „gute Sozialpolitik“ und eine Reform des Strafvollzugs, die „dem Ziel der Resozialisierung (…) größeres Augenmerk schenken“ soll (SPD 2008: 44). Ferner bekennt sich die SPD zu den Beschäftigten im öffentlichen Dienst und zu den Bezirken. Die SPD kritisiert die Polizeiorganisationsreform. Die SPD will sich für Homosexuelle einsetzen, unter anderem durch eine Ausweitung der Rechte von eingetragenen Lebenspartnerschaften und den Abschluss von „Homo-Ehen“ auf dem Standesamt statt beim Notar. 6 Die SPD will sogar homosexuelle Wohnprojekte fördern und die lesbische und schwule Geschichte Bayerns aufarbeiten. Im Kapitel zur Frauenpolitik werden im Rahmen eines Aktionsprogramms Gleichstellungsgesetze und ein Ausbau der Kinderbetreuung gefordert. Aussagen zu gesellschaftlichen Minderheiten, wie etwa Migranten, zu Sexualethik, Drogenpolitik oder dem Verhältnis von Staat und Religion fehlen im SPD-Programm völlig. 3.2.2. Grüne Die Grünen fordern im Abschnitt Selbstbestimmung und Vielfalt eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre und die Förderung von Jugendarbeit und -kultur, lehnen schärfere Gesetze gegen Jugendgewalt und ein Verbot bestimmter Videospiele ab. Die Grünen fordern ebenfalls die Abschaffung der Notarsregelung und weitere Verbesserungen für homosexuelle Paare (Adoptionsrecht, Beratungsstellen und Treffpunkte). Vom allgemeinen „Recht auf kulturelle Differenz“ (Grüne 2008: 104) bis hin zu konkreten Forderungen (Sprachkurse, Wahlrecht, bevorzugte Einstellung im öffentlichen Dienst) werden umfangreiche Maßnahmen zugunsten von Migranten gefordert. Im Konflikt zwischen egalitär-emanzipativen Vorstellungen einerseits und Multikulturalität entscheiden sich die Grünen aber klar für individuelle, nicht kollektive Freiheitsrechte: 6 Diese auch von der FDP erhobene Forderung ist seit 2009 umgesetzt. „Bei der Integrationspolitik kommt der Gleichheit der Geschlechter (…) eine herausragende Rolle zu. (…) Im öffentlichen Raum, besonders an den Schulen, darf es kein Zurückweichen vor solchen Diskriminierungen geben, auch wenn sie sich als kulturelle Eigenarten tarnen. Die gleichberechtigte Teilnahme von Jungen wie Mädchen am Sportund Schwimmunterricht und auch an Klassenfahrten muss selbstverständlich sein.“ (Grüne 2008: 107). Große Beachtung fand die auf Lehrer bezogene, aber missverständliche Forderung „Alle religiösen Symbole und religiös motivierten Kleidungsstücke haben unserer Auffassung nach (…) an der Schule nichts zu suchen.“ (Grüne 2008: 107). Die Parteiführung um Sepp Daxenberger distanzierte sich von diesem Beschluss. 7 Die Grüne fordern eine Liberalisierung in der Drogenpolitik: „Wir sind für eine Entkriminalisierung des Konsumverhaltens und auch in Bayern für eine 15 Gramm-Grenze beim Besitz von Cannabis.“ (Grüne 2008: 111). Die Grünen siedeln auch ihre frauenpolitischen Forderungen (Kinderbetreuung, Gleichstellungsgesetz, Förderprogramme, Quote, Mentoring, Gender Mainstreaming, bessere Finanzierung von Frauenhäusern und -projekten) in diesem Kontext an. In der Innen- und Rechtspolitik positionieren sich die Grünen im Kapitel Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Abgrenzung zur CSU- Staatsregierung als Bürgerrechtspartei und mahnen eine maßvolle Sicherheitspolitik an: „Das staatliche Vorgehen gegen Terror und Kriminalität muss wirksam und verhältnismäßig sein. Als Partei der Bürgerrechte erteilen wir allen Versuchen, terroristische Bedrohungen als Hebel zur Beschneidung der Bürgerund Freiheitsrechte zu missbrauchen, eine klare Absage. (…) Eine Atmosphäre des Verdachts und eine Politik der fortgesetzten Freiheitsbeschränkung, wie von Bundesund Staatsregierung betrieben, ist genau das, was beispielsweise islamistisch motivierte Terroristen erreichen wollen. (…) Unser Grundsatz lautet: im Zweifel für die Freiheit.“ (Grüne 2008: 116-17). Konkret gefordert werden ein weitgehender Verzicht auf Schleierfahndung und Telekommunikationsüberwachung und die Trennung von Polizei und Geheimdienst. Weitere Forderungen sind 7 Vgl. SZ, 17.05.2010, Sepp Daxenberger: Man sollte die Kirche im Dorf lassen, http://www.sueddeutsche. de/bayern/sepp-daxenberger-man-sollte-die-kirche-imdorf-lassen-1.702896 (04.12.12). 101
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Aufsätze Deniz Anan – Die Bayern-Ampel als Schnittmengenkoalition? [...] MIP 2013 19. Jhrg.<br />
sprüchlich: Staatskritik und Etatismus stehen<br />
nahe beieinander. Kritik an Sozialstaatsmissbrauch<br />
und staatlicher Umverteilung stehen einem<br />
klaren Bekenntnis zum öffentlichen Dienst<br />
und einer Kritik an Globalisierung, Liberalisierung,<br />
„kurzsichtiger ‚Spar’politik“ und der Umwandlung<br />
„vollwertige[r] Arbeitsplätze in ‚Billigjobs‘“<br />
(FW 2008: 14) gegenüber. Die konkreten<br />
Forderungen sind selten auf die Landespolitik<br />
bezogen und oft sehr abstrakt; konkrete Mittel<br />
und Adressaten fehlen („Spaltung der Gesellschaft<br />
verhindern“; „Mittelstand als tragende Säule der<br />
Wirtschaft stärken“; FW 2002: 14; 15). Bürokratieabbau,<br />
die Zahlungsdisziplin öffentlicher Auftraggeber,<br />
innenstadtorientierte Entwicklungsplanung<br />
und ein Hinterfragen der Erbschaftssteuer<br />
zählen zu den konkretesten Forderungen.<br />
Die FW zeigen sich privatisierungskritisch. Sie<br />
„sehen in der zunehmenden Privatisierung der öffentlichen<br />
Daseinsvorsorge eine Gefahr für die Versorgungssicherheit<br />
der Bevölkerung. (…) Zahlreiche Negativbeispiele<br />
aus Ländern wie Frankreich oder Großbritannien<br />
(…) sollte (sic!) uns eine Warnung sein.“ (FW 2008: 8).<br />
Einen besonderen Stellenwert hat bei den FW die<br />
Strukturpolitik für den ländlichen Raum. Um das<br />
Ziel der „Gleichwertigkeit von Stadt und Land“<br />
(FW 2008: 9) zu erreichen, wird insbesondere eine<br />
gut ausgestattete dezentrale Infrastruktur (Straßen,<br />
Breitbandanschlüsse, Schulen, Krankenhäuser)<br />
angemahnt. Gefordert wird eine Versorgung in<br />
der Fläche an Stelle von Prestigeprojekten.<br />
Zu den Staatsschulden äußern sich die FW nicht<br />
explizit, betonen aber an mehreren Stellen ihre<br />
Präferenz für zusätzliche Ausgaben: „Ein ausgeglichener<br />
Haushalt heute darf nicht zur Schuldenexplosion<br />
in einigen Jahren führen.“ (FW 2008: 10).<br />
3.1.4. Fazit<br />
Der Forderungskatalog der SPD entspricht dem<br />
klassischen sozialdemokratischen Kanon: Umverteilung<br />
von Einkommen und Vermögen, Einkommenssteigerungen,<br />
Tarifbindung, expansive Ausgabenpolitik,<br />
Infrastruktur als öffentliches Eigentum,<br />
egalitäre Sozialpolitik und Haushaltskonsolidierung<br />
durch Steuererhöhungen. Der Haushalt<br />
soll vornehmlich durch höhere (Erbschafts- und<br />
Vermögens-) Steuern konsolidiert werden.<br />
Auch bei den Grünen finden sich linke Topoi<br />
wie Marktsteuerung und Umverteilung, allerdings<br />
angereichert um grüne Spezifika wie die<br />
ökologische Marktwirtschaft, Nachhaltigkeit und<br />
Kleinteiligkeit. In der Sympathie für ein Trennmodell<br />
in den Finanzbeziehungen und der Haushaltskonsolidierung<br />
durch Ausgabenkürzungen<br />
ist aber klar erkennbar, dass grüne Positionen<br />
mit sozialdemokratischen Positionen nur teilweise<br />
identisch sind und teils eine gewisse Nähe zu<br />
wirtschaftsliberalen Vorstellungen aufweisen.<br />
Den größten Kontrast hierzu bietet die FW-Programmatik,<br />
die aufgrund ihres rudimentären<br />
Charakters, ihrer Unbestimmtheit und ihrer Widersprüchlichkeit<br />
nur schwer zu charakterisieren<br />
ist. Globalisierungs- und Privatisierungskritik<br />
bilden Berührungspunkte mit SPD und Grünen,<br />
allerdings sind die Positionen der Freien Wähler<br />
viel stärker mittelstands- und eigentumsorientiert.<br />
Da geistig-kulturelle Pendants fehlen, kann<br />
man diese Ideologie aber auch nicht als liberal,<br />
sondern allenfalls als proto- oder vulgärliberal<br />
bezeichnen. Das FW-Programm fordert auch nicht<br />
den ausgeglichenen Staatshaushalt. Angesichts<br />
der besonderen Bedeutung der Kommunen und<br />
des ländlichen Raums lassen sich die FW auch<br />
als agrarische Partei im Sinne des Stadt-Land-<br />
Konflikts (Lipset/Rokkan 1967) charakterisieren,<br />
der in Deutschland, anders als etwa in Skandinavien,<br />
bislang noch keinen Niederschlag im<br />
Parteiensystem gefunden hat.<br />
3.2. Innen-, Rechts- und Gesellschaftspolitik<br />
3.2.1. SPD<br />
Die Forderungen in Bayern ist vielfältig und<br />
bunt und Staat und Bürgerrechte enthalten wenig<br />
Überraschendes. Die Genossen fordern Datenschutz<br />
und Transparenz, konkret ein Informationsfreiheitsgesetz,<br />
und mehr Demokratie in der<br />
Schule. Laut SPD ist die „Balance [von Freiheit<br />
und Sicherheit] gekippt“, und zwar durch die<br />
„[stetige Ausweitung der] Befugnisse der Polizei“.<br />
Die SPD lehnt „Schleierfahndung, Videoüberwachung,<br />
Autokennzeichen-Scanning“ und<br />
die „Online-Durchsuchung“ ab. In drastischen<br />
Worten wird gewarnt vor „totale[r] Kontrolle,<br />
Militarisierung der Gesellschaft (…), Jugend-<br />
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