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Der Oelprinz Über den Autor ... - thule-italia.net

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Er machte eine Verbeugung. Die drei Räuber gingen hinaus zu ihren Pfer<strong>den</strong>, stiegen auf und ritten davon,<br />

sehr zufrie<strong>den</strong> mit dem Erfolge dieser letzten halben Stunde.<br />

<strong>Der</strong> Kantor setzte sich nun dem Bankier gegenüber und musterte ihn mit sehr zufrie<strong>den</strong>en Blicken. Es war<br />

ja sein Wunsch erfüllt: er war frei und der andre hing an dem Baume.<br />

Rollins konnte ein solches Verhalten nicht begreifen; es erfüllte ihn mit Wut, und darum schrie er zornig<br />

auf ihn ein, indem er ihn in <strong>den</strong> drohendsten Ausdrücken aufforderte, ihn augenblicklich loszumachen. Dies<br />

that er in englischer Sprache, welche der Kantor leider nicht verstand. Vorher hatte dieser letztere, als er<br />

noch am Baume hing, dieselbe Bitte mit ganz demselben Mißerfolge wohl hundertmal ausgesprochen, aber<br />

in deutscher Sprache, welche dem Bankier unverständlich war. Dieser hatte geglaubt, der Kantor räsonniere<br />

auf Old Shatterhand und die bei<strong>den</strong> Personen, die ihn angebun<strong>den</strong> hatten. Es war verboten wor<strong>den</strong>, ihn<br />

loszubin<strong>den</strong>, und darum hatte Rollins nicht angenommen, daß er los wolle; der Emeritus aber hatte<br />

geglaubt, der andre wolle ihn nicht aus seiner Lage befreien; daher vorhin sein Aerger über ihn und daher<br />

jetzt die Ruhe, mit welcher er das Geschrei anhörte und die Anstrengungen ansah, welche Rollins machte,<br />

um vom Baume loszukommen.<br />

Während dieser alle möglichen englischen Schimpfwörter herwetterte, saß der Komponist ihm gegenüber,<br />

um ihn zu studieren, und pfiff dabei eine Melodie durch die Zähne, aus welcher sich eine Gna<strong>den</strong>arie<br />

entwickeln sollte. <strong>Der</strong> Bankier schäumte fast vor Wut über sein Gegenüber und verwünschte es<br />

tausendmal, daß er sich angeboten hatte, bei ihm zu bleiben. Dann, als sein Grimm <strong>den</strong> höchsten Grad<br />

erreicht hatte, trat auf diese Aufregung eine plötzliche große Abspannung ein. Die Folge derselben war, daß<br />

er ruhiger zu überlegen vermochte. Er hatte von seinem Buchhalter Baumgarten einige deutsche Brocken<br />

profitiert, und der Kantor hatte sich, wie er wußte, auch einige englische Ausdrücke gemerkt. Sollte es <strong>den</strong>n<br />

nicht möglich sein, auf Grund dieser freilich geringen Kenntnisse zu einer Verständigung zu kommen? Er<br />

versuchte es und begann:<br />

»Mr. Kantor, to unbind, unbind!«<br />

»Kantor emeritus, bitte!« war die Antwort.<br />

»Unbind, unbind!«<br />

»Umbin<strong>den</strong>?« fragte der Kantor. »Sie wollen etwas umgebun<strong>den</strong> haben? Was <strong>den</strong>n?«<br />

Er wußte nicht, daß unbind so viel wie losbin<strong>den</strong> bedeutet. So ging es wohl eine Viertelstunde lang<br />

zwischen ihnen herüber und hinüber. Erstens verstand der Kantor <strong>den</strong> Bankier nicht und zweitens sah er<br />

nicht ein, warum derjenige, der ihn am Baum hatte hängen lassen, nicht auch ein wenig an demselben<br />

hängen solle. Dann siegte aber seine Gutmütigkeit. Er ging, als Rollins seine schmerzhaften Bestrebungen,<br />

sich loszureißen, erneuerte, zu ihm hin und löste mit größter Mühe die absichtlich sehr fest geschlungenen<br />

Knoten auf. Er glaubte, nun ein freundliches Wort des Dankes zu hören, hatte sich da aber sehr geirrt.<br />

Rollins streckte seine Glieder und versetzte dann dem Emeritus einen Faustschlag gegen <strong>den</strong> Kopf, daß der<br />

Getroffene taumelte und dann in ein Gebüsch stürzte; dann band er sein Pferd los, setzte sich auf und ritt<br />

davon, nach Westen zu, wo er die Gefährten wußte.<br />

<strong>Der</strong> Kantor raffte sich langsam auf, befühlte die getroffene Stelle seines Kopfes und sagte:<br />

»Dankbarkeit ist eine seltene Tugend; das weiß ich freilich wohl; aber daß man für seinen guten Willen und<br />

für einen solchen Dienst eine solche Kopfnuß erhält, das geht doch eigentlich über die Schnur. <strong>Der</strong> Mann<br />

ist Bankier, will also je<strong>den</strong>falls als gebildeter Mann gelten; aber ich sehe hier wieder einmal ein, daß die<br />

wahre und echte Bildung doch nur bei <strong>den</strong> Jüngern der Kunst zu fin<strong>den</strong> ist. Mein Kopf brummt mir, als<br />

wenn zehn Gna<strong>den</strong>arien, von lauter zweiten Bässen gesungen, auf einmal drin ertönten! Nun ist er fort.<br />

Was soll ich hier allein? Soll ich etwa warten, bis noch andre Spitzbuben kommen, die nachher auch noch<br />

mich bestehlen? Nein; da reite ich ihm lieber nach.«

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