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Der Oelprinz Über den Autor ... - thule-italia.net

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»In Washington? So?«<br />

»Ja, beim großen, weißen Vater. Sie wissen vielleicht, wer mit diesen Worten gemeent sein soll?«<br />

»Ja. Die Indianer pflegen <strong>den</strong> Präsi<strong>den</strong>ten der Vereinigten Staaten <strong>den</strong> "großen, weißen Vater" zu nennen.«<br />

»Richtig! Wie ich höre, sind Sie doch nich ohne alle Anlage zur Wissenschaft. Also diese bee<strong>den</strong> Indianer<br />

waren von ihrem Schtamme nach Washington gesandt wor<strong>den</strong>, um dem großen, weißen Vater eenige<br />

Wünsche des Schtammes vorzutragen. Als Gesandtschaft mußten sie nobel und rücksichtsvoll behandelt<br />

wer<strong>den</strong>, und darum wur<strong>den</strong> sie des Abends zum Supper, zum Abendessen beim Präsi<strong>den</strong>ten eingela<strong>den</strong>. Sie<br />

saßen da nebeneenander ganz unten an der Tafel, die fast zusammenbrach vor Flaschen, Schüsseln und<br />

Tellern, die darauf schtan<strong>den</strong>. Da gab's Schpeisen, die sie im Leben noch nich gesehen, noch viel weniger<br />

aber gegessen hatten; dabei lagen die Messer, Gabeln und Löffel, und sie mußten achtgeben, wie sie sich<br />

dabei zu benehmen hatten. Da raunte der Alte dem jungen listig zu: "Mein junger Bruder mag mit mir<br />

offpassen, wovon die weißen Gäste am wenigsten nehmen; das ist die teuerste und köstlichste Schpeise; da<br />

langen wir tüchtig zu."<br />

»Sie gaben also acht und bemerkten, daß am allerwenigsten genommen wurde von einer braunen Schpeise,<br />

die auf silbernen Untersetzern in kleenen, feinen Gläsern schteckte. In jedem Gläschen gab es eenen<br />

kleenen Löffel, der aus Schildkrötenschale gemacht war. Da meente der Alte wieder zu dem Jungen: "In<br />

diesen Gläsern befindet sich das teuerste und köstlichste Gericht. Mein junger Bruder kann een solches<br />

Glas mit seiner Hand erreichen; er mag sich zuerst von der Schpeise nehmen."<br />

»<strong>Der</strong> junge Indianer zog sich das Glas herbei, nahm eenen gehäuften Löffel voll und rasch darauf noch<br />

eenen zweeten. Dabei blickte er sich um, ob man wohl bemerkt habe, daß er gleich zwee Löffel voll<br />

genommen hatte. Keen Mensch guckte her. Erscht nun begann er, die köstliche Schpeise mit der Zunge zu<br />

zerdrücken, und der Alte sah ihm dabei voller Schpannung in das Gesicht. Dieses Gesicht wurde nach und<br />

nach gelb, rot und blau, sogar grün, aber es blieb schtarr und unbewegt, <strong>den</strong>n een Indianer darf selbst bei<br />

<strong>den</strong> ärgsten Schmerzen nich mit der Wimper zucken. Die Oogen wur<strong>den</strong> schtarr und immer schtarrer und<br />

fingen an zu thränen, bis das Wasser schtromweise über die Backen runterlief. Da machte der junge<br />

Indsman eenen fürchterlichen, todesmutigen Schluck, und - hinunter war der Senf und es wurde ihm wieder<br />

besser, nur daß das Wasser noch immer in Schtrömen aus <strong>den</strong> Oogen lief. Darum fragte der alte Indsman<br />

neugierig: "Warum weint <strong>den</strong>n mein junger, roter Bruder?"<br />

»Dieser hätte um alles in der Welt nich eingestan<strong>den</strong>, daß ihm die köstliche Schpeise so off die Nerven und<br />

an das Leben gegangen sei, und darum antwortete er: "Ich dachte eben daran, daß mein Vater vor fünf<br />

Jahren im Mississippi ertrunken is; darum weine ich."<br />

»Bei diesen Worten schob er dem Alten das Glas hin. Dieser hatte gesehen, wie schlau sein junger Bruder<br />

gewesen war, und machte es ebenso: er schob schnell hinter eenander zwee volle Löffel in <strong>den</strong> Mund und<br />

klappte ihn dann rasch zu. Aber dann gingen mit eenem Male die Lippen wieder auseenander und klappten<br />

auf und zu wie bei eenem Karpfen, der keene Luft bekommen kann oder wie wenn man eenen brennend<br />

heeßen Bissen in <strong>den</strong> Mund gesteckt hat und doch nich wieder herausnehmen kann. Dann zog es dem Alten<br />

die Schtirnhaut in die Höhe, und in der Gurgel quirlte es höchst verdächtig. Die Farbe seines Gesichtes<br />

veränderte sich wie bei eenem Chamäleon; der Schweeß sickerte aus allen Poren; die Oogen wur<strong>den</strong> rot<br />

und füllten sich mit eenem See von Thränen, welcher bald überlief und seine Fluten über die Backen<br />

herniedergoß. Das sah der junge und fragte ihn: "Warum weint mein alter, roter Bruder?"<br />

»Da schluckte dieser mit Aufbietung seiner ganzen Willenskraft <strong>den</strong> Senf hinunter, holte tief und<br />

schtöhnend Atem und antwortete: "Ich weine darüber, daß du damals vor fünf Jahren nich ooch gleich mit<br />

ersoffen bist!"<br />

»So, Herr Wolf, das is die berühmte Geschichte von <strong>den</strong> zwee Senfindianern, die Sie noch nich kennen. Ich<br />

hoffe, daß Sie nun überzeugt sind, daß ich Ihnen ooch in diesem Fache weit überlegen bin!«

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